Ich warte nach wie vor auf eine Konstruktiven Vorschläge.penelope hat geschrieben: ↑Di 12. Okt 2021, 11:33Man kann einen Markt auch nicht nur von der Angebotsseite aus betrachten. Nur einmal als Gedankenspiel: Was würde denn passieren, wenn von jetzt auf gleich sämtliche Auflagen gelockert würden? Vermutlich wären dann recht kurzfristig merkliche Produktionssteigerungen machbar.
Die Produktionsmenge in D spiel kaum noch eine Rolle für das Marktgeschehen und die Preisentwicklung.
Die Agrarmärkte sind stark international ausgerichtet.
Das hat Vor- und Nachteile.
Es ist ja z.B. eine gute Sache, wenn die Tiere nach der Schlachtung mögl. vollständig genutzt werden.
Tönnies und andere Großschlachter haben das perfektioniert. Jedes Teilstück wurde weltweit dahin geliefert wo es die höchsten Erlöse bringt. Die ganzen Nebenprodukte wie Innereien, Häute, Knochen werden bzw. wurden aufbereitet und bestmöglich für verschiedenste Zwecke genutzt.
Die Knochen wurden nach dem Zerlegen in Separatoren abgepresst und noch die kleinsten Fleischreste zu gewinnen und als Rohstoff für die Wurstverarbeitung etc. zu verkaufen. Andere Bestandteile gehen an die Pharma- und Chemieindustrie. Für Lebensmittel nicht nachgefragte Fette werden zu Biodiesel verarbeitet usw. usw.
Da blieb praktisch kein Abfall übrig.
Die Verwertung der Nebenprodukte war so gut, dass dadurch die kompletten Schlachtkosten + X erwirtschaftet werden konnten. Der restliche Schlachtkörper konnte so billiger an den Handel weiterverkauft werden, als er vom Bauern eingekauft wurde.
Eine derartig optimale Nutzung der Nebenprodukte können kleine Regionalschlachthöfe nicht leisten, weil ihre anfallenden Mengen keine wirtschaftliche Weiterverarbeitung ermöglichen. Deshalb landet dort ein viel größere Anteil im Konfiskat, wo er dann zu Tiermehl verarbeitet wird, das z.B. im Haustierfutter landet. (Für Nutztiere darf dieses hochwertige Futtermittel ja nur noch sehr eingeschränkt genutzt werden.)
Die kleinen Schlachthöfe müssen deshalb höhere Kosten auf die Abnehmer umlegen und sind deshalb wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig.
Nachteile der Großschlachtbetriebe sind z.B. längere Transportwege, eine Monopolstellung der Abnehmerseite, einen hohe Störanfälligkeit und leichte Zerstörbarkeit der stark Zentralisierten Versorgungsstrukturen, was die Versorgungssicherheit gefährdet.
Aktuell haben die Großschlachter gewaltige Probleme durch den weggefallenen Chinaexport. China hat diverse Teilstücke, die unsere Verbraucher kaum nachfragen, zu guten Preisen gekauft. Gleichzeitig ist auch anderen europäischen Ländern, v.a. Spanien, das in den letzten Jahren seine Mastkapazitäten massiv ausgebaut hat, der Export weggebrochen. Die Übermengen drücken auf den europäischen und besonders den deutschen Markt, weil Spanien aktuell mit sehr niedrigen Preisen nach Deutschland herein drückt. Dazu kommen große Mengen an Muttersauen, die zwecks Bestandsreduzierung geschlachtet werden. Hier bestehen inzwischen lange Wartelisten bei den Schlachthöfen.
Das Abdrücken der Knochen (Separatorenfleisch) wurde bei Tönnies eingestellt, weil wegen des billigen Sauenfleisches danach aktuell keine Nachfrage mehr besteht. Es landet sehr viel Material in der Tiermehlproduktion, das mangels Export keine Nachfrage mehr hat.
Als Deutschland letztes Jahr seine Schweinebestände reduziert hat, haben gleichzeitig die anderen EU-Länder ihre Produktion erhöht, so dass die Menge in der Gesamt-EU gewachsen ist.
Unsere Erzeuger haben durch Bestandsreduzierung kaum noch Einfluss auf die Menge am Markt und damit den Preis.
Gleichzeit haben wir die höchsten und teuersten Auflagen in der EU. Wo das hinführt ist klar, unsere Veredelungswirtschaft ist nicht mehr wirtschaftlich und die Kapazitäten wandern ins Ausland ab, von wo wir dann beliefert werden.
Jetzt sehen die Großschlachter durch das Wegbrechen der Versorgung die Auslastung ihrer Kapazitäten und damit ihre Wirtschaftlichkeit gefährdet und der Handel fürchtet um seine Versorgungssicherheit.
Deshalb versucht die Politik über die Tierwohlumlage einen Teil der Produktion in Deutschland zu halten. Ob das gelingt ist zweifelhaft, weil absehbar andere EU-Länder und Unternehmen wegen Ungleichbehandlung klagen werden, wie bei der Maut wegen der Entlastung über die Kfz-Steuer.
Der Handel und die Schlachtwirtschaft versuchen gemeinsam ein 5 x D Siegel einzuführen, für Schweine die komplett in D aufgezogen und verarbeitet wurden und wollen damit wenigstens den Frischfleischmarkt, der aber nur einen Bruchteil des Gesamtmarktes ausmacht, gegen Importe schützen. Das wird aber auch nur so lange funktionieren, wie die Verbraucher die höheren Preise zahlen. Wenn ein Discounter aus der Front bricht und wieder auf billig setzt, ist diese Initiative Geschichte, wie die vorher schon gescheiterten freiwilligen Tierwohlprogramme, wo der Handel die Mehrkosten bei den Verbrauchern nicht durchsetzen konnte. Wenn das Fleisch 50 Cent mehr kostet als beim billigeren Handel ohne Siegel nebenan, bleibt es in den Kühltruhen liegen. Laut Umfragen sind ja 95% der Verbraucher gerne bereit, für Tierwohl mehr auszugeben. In der Praxis ist es genau umgekehrt. Da sind es evtl. 5%. Der Rest kauft mögl. billig.
Und diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist es, welche die heimischen Erzeuger aufreibt.
Die Verbraucher in Österreich, Frankreich und der Schweiz sind viel mehr bereit, für alleinstellungsmerkmale wie Regionalität und höhere Standards Geld auszugeben. Entsprechend größer sind dort die einschlägigen Marktsegmente.
Deutschland ist das extremste Billiglebensmittelland in Europa.