Fukuoka Masanobu

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Rati
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Re: Fukuoka Masanobu

#311

Beitrag von Rati » Do 9. Jan 2020, 11:58

emil17 hat geschrieben:
Rati hat geschrieben:
Mi 8. Jan 2020, 13:34
bleibt aber weiter die Frage ob die Kultivierung von Nahrung und Verringerung der Biotoplandschaft durch den Menschen Ursache der Überpopulation der Schnecken ist, oder ob dies auch ohne die menschlichen Beeinflussungen geschehen wäre.
Die Frage der Schneckenüberpopulation lässt sich in grober Näherung relativ einfach beantworten. Wenn sie nur da vorhanden ist, wo gewisse Kulturpflanzen oder diese auf spezielle Weise angebaut werden, nicht aber auf anderen Flächen, dann ist es wohl klar, was Ursache ist. Nur nennen das die meisten Leute Schädlingsproblem oder Schneckenplage...
sehe ich auch so und richtig betrachtet sind es die Großpopulationen der Schnecken welche die natürliche Antwort der Natur auf das übermäßige Wachstum fressbarer Pflanzen sind.
Manfred hat geschrieben:
Do 9. Jan 2020, 11:08
Abgesehen davon findest du diese Schnecken hier überall in größerer Dichte, außer evtl. auf der Nadelstreu unter Fichtenmonokulturen und selbst dort finden sich immer wieder Exemplare z.B. beim Pilzsammeln.
keine Schnecken dort zu finden, wäre ja auch seltsam Manfred. Aber so viele zu finden wie im Gemüsegarten oder auf dem Acker wäre schon erstaunlich.
Und ich kann mich auch nicht entsinnen derartige Populationsdichten (nicht eine kurzfristige Ansammlung vieler Schnecken an einem grad sehr leckeren Pilz o.ä.) wie ich sie auf Äckern und in Gemüsegärten beobachtet habe, auch auf unbearbeiteten Wiesen oder in Waldgebieten u.ä. vorgefunden zu haben.

Aber auf Fukuoka bezogen... der sich ja ausschließlich mit Kultivierten Flächen und der möglichst ganzheitlichen Bearbeitung derer beschäftig ist das ja auch nicht ausschlaggebend...was nicht heist das es wichtig ist.
Deshalb setze ich noch mal Heikos Startinterpretation hier rein, vielleicht kommen wir ja dann auf dies zurück... statt uns die "akademischen" Fragestellungen um die Ohren zu hauen. :) :
Heiko hat geschrieben:
Mi 7. Dez 2011, 00:23
...
Interpretation:
Der meiner Meinung nach wichtigste Aspekt von Fukuokas Sicht ist das sogenannte Nichthandeln. Für den normalen Westler mitunter die größte Hürde beim Verstehen (s. Forum). Durch mein Studium der Sinologie und verschiedener Kampfkünste bin ich dem verstehen vielleicht ein bißchen näher und kann es versuchen zu erklären. Vereinfacht gesagt, es geht um die "Enthaltung eines nicht gegen die Natur gerichteten Handelns" und nicht um ein faulenzen, etc... Das sogenannte Nichthandeln wird im chin. Wu wei genannt und entstammt der daoistischen Geisteslehre. Gefangen in der Dualität, das wir auch als Kausalität verstehen (Ursache-Wirkung-Prinzip), sind wir gezwungen im natürlichen Rytymus der Dinge mitzuschwimmen. Je mehr wir durch unnatürliche Verhaltensweisen uns davon wegbewegen, desto mehr wird es uns schaden. Speziell in den Kampfkünsten spricht man davon "wie Wasser zu sein". Dieses enthält die Quintessenz des Strebens. Im chin. dao und im jap. do genannt, lehrt der "Weg" in Form von Blumen stecken, malen, dichten aber auch dem (nicht)kämpfen genau dieses, dem eins werden mit dem Handeln. ...
@Heiko, ich habe mit erlaubt in dem Text ein Wort einzufügen (blau geschrieben) von dem ich denke das du es vergessen hast. :)

Grüße Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#312

Beitrag von Manfred » Fr 10. Jan 2020, 16:52

emil17 hat geschrieben:
Do 9. Jan 2020, 11:34
Ich will wissen, wieso sich aus der Tatsache, dass ich in Begriffen denke, schon eine zerstörerische Handlungsmaxime ergeben soll.
In Begriffen zu denken, bedeutet immer, die möglichen Perspektiven auf den betrachteten Gegenstand einzuschränken.
Das führt im Umgang mit diesem Gegenstand zwangsläufig zu nicht beabsichtigten Nebenwirkungen.
Dass du was gegen von Menschen unbeeinflusste Standorte hast, ist hinlänglich bekannt. Aber auch das hat nichts damit zu tun. Dass es derart absurd und realitätsfern sei, darüber sind ziemlich viele Leute nicht dieser Ansicht. Etwas so zu bezeichnen, bloss weil es nicht in dein Weltbild passt, sagt mehr über Dich als über die Sache an sich aus.
Kannst du einen nicht von Menschen beeinflussten Standort auf der Oberfläche dieses Planeten benennen?

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#313

Beitrag von Manfred » Fr 10. Jan 2020, 17:02

Rati hat geschrieben:
Do 9. Jan 2020, 11:58
Und ich kann mich auch nicht entsinnen derartige Populationsdichten (nicht eine kurzfristige Ansammlung vieler Schnecken an einem grad sehr leckeren Pilz o.ä.) wie ich sie auf Äckern und in Gemüsegärten beobachtet habe, auch auf unbearbeiteten Wiesen oder in Waldgebieten u.ä. vorgefunden zu haben.
Ich schon. Aber das war m.W. nicht die Frage?
Aber auf Fukuoka bezogen... der sich ja ausschließlich mit Kultivierten Flächen und der möglichst ganzheitlichen Bearbeitung derer beschäftig
Wie du zu dieser Perspektive gelangst, ist mir unergründlich.

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#314

Beitrag von Manfred » Fr 10. Jan 2020, 17:08

Da der Beitrag unter "Sinnsuche" schon wieder untergegangen ist und ich mit dem Lesen inzwischen ein Stück weiter gekommen bin, kopiere ich den Hinweis auf das Zhuangzi hier rein:

"Ich habe gerade ein Buch vor mir liegen, das einigen hier gefallen könnte:

Zhuangzi - The Way of Nature
Illustriert von C. C. Tsai
ISBN: 0691179743

Tasi ist einer der bekanntesten Karikaturisten Asiens und hat eine Buchserie geschaffen,
in der er klassische philosophische Werke Asiens in Cartoon-Form leichter zugänglich macht.
In diesem Buch geht es um die Werke des Philosophen und Dichters Zhuangzi ("Meister Zhuang", um 300 vor Christus)
der Daoisten und Zen-Buddhisten als wichtiger Lehrer gilt."

Dieses Buch zu lesen, hilft evtl. dem einen oder anderen, einen besseren Zugang zu asiatischer Philosophie im Allgemeinen und zu Fukuokas Gedankenwelt im Speziellen zu erlangen.

Ich zitiere aus dem Vorwort von Brian Bruya, dem Übersetzer des Buchs aus dem Chinesischen ins Englische:

"Zhuangzi came along and droped a grenade on both schools of thought (Confucians and Mo-ists), questioning his contemporaries about unintended consequences stemming from overconfidence in one's way of conceiving the world and managing it through those conceptions."

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#315

Beitrag von Manfred » Fr 10. Jan 2020, 17:11

emil17 hat geschrieben:
Do 9. Jan 2020, 11:34
Da hast du Recht und der Fehler war ja auch offensichtlich.
Dennoch,: Wer sehr oft sehr deutlich darauf hinweist, was andere alles falsch machen, muss an sich selber bezüglich Genauigkeit und Argumentation sehr viel höhere Ansprüche setzen, als er von anderen erwarten darf.
Müssen tue ich gar nichts.
Aber ich bemühe mich redlich, meine eigenen Fehler, die ich wie jeder zwangsläufig mache, einzugestehen und daraus zu lernen.

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Re: Fukuoka Masanobu

#316

Beitrag von emil17 » Fr 10. Jan 2020, 17:42

Manfred hat geschrieben:
Fr 10. Jan 2020, 16:52
Kannst du einen nicht von Menschen beeinflussten Standort auf der Oberfläche dieses Planeten benennen?
Im Sinne des bewusst Handelns oder Bewirtschaftens, um das es hier ja geht, wäre jeder Ort, der nicht bewusst von Menschen umgestaltete wurde, zu nennen. Davon gibt es zum Glück noch einige.
Darunter fällt alles, wo noch nie jemand gewirkt hat, um etwas zu entnehmen, oder wegzuwerfen, oder wo man noch nie die Erdoberfläche bewusst oder unbewusst umgestaltet hat.
Der Acker vor deinem Haus gehört also nicht dazu, eine Abraumhalde des Bergbaues ebenfalls nicht, die Lüneburger Heide nicht, das grönländische Inlandeis (abgesehen von einigen Expeditionsorten und der Thule Air Base) hingegen schon.
Wenn du Orte meinst, wo man keine auch indirekten Spuren menschlichen Wirkens von anderswo finden kann, dann gibt es das auf der Erdoberfläche natürlich nicht mehr. Schliesslich ist nach spätestens einigen Jahren statistisch gesehen überall irgend ein Luftmolekül zu finden, das du irgendwann mal ausgeatmet hast. Die Geschichte vom Flügelschlag des Schmetterlings, der einige Zeit später einen Gewittersturm anderswo bedingt hat, kennst du vermutlich auch.
Aber darum geht es nicht, und ein Freibrief, alles umzugestalten und sich nützlich zu machen, kann es schon gar nicht sein. An passenden Philosophien zur Rechtfertigung egal welchen Tuns hat es nämlich noch nie gefehlt, und an der Überzeugung der Handelnden, dass die eigene Philosophie besser sei als diejenige der anderen, mangelt es gewöhnlich auch nicht.

Also nimm lieber das Fukuoka-Zitat her "Wenn der Bauer das Land vergißt, dem er seine Existenz verdankt, und nur noch seinen Eigennutz im Sinn hat; wenn der Verbraucher nicht mehr zwischen lebendiger Nahrung und solcher, die nur sättigt, unterscheiden kann, dann wird die Erde darauf mit ihrem Tod reagieren.
Die Natur ist nicht so freundlich, eine Menschheit vorzuwamen, die so unüberlegt handelt." (Aus: Rückkehr zur Natur, Beispielzitat des Verlages)
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#317

Beitrag von Manfred » Fr 10. Jan 2020, 19:12

emil17 hat geschrieben:
Fr 10. Jan 2020, 17:42
Im Sinne des bewusst Handelns oder Bewirtschaftens, um das es hier ja geht,
Nein. Es geht genau um das Gegenteil bei Fukuoka. Um all das, was wir tun oder unterlassen wegen unserer eingeschränkten Wahrnehmung, die er wieder zu weiten versucht.
Wenn du Orte meinst, wo man keine auch indirekten Spuren menschlichen Wirkens von anderswo finden kann, dann gibt es das auf der Erdoberfläche natürlich nicht mehr.
Dann sind wir uns ja endlich mal einig.
Nicht nur von dir ausgeatmete Moleküle würdest du dort irgendwann finden.
Wir verändern die Temperatur, die Sonneneinstrahlung, die Luftfeuchtigkeit. Du wirst dort auf dem Inlandeis hunderte menschengemachte Chemikalien finden, Ruß, Bodenstaub aus von uns versursachter Erosion, Pollen von unseren Kulturen, vermutlich auch einiges an Samen, Mikroorganismen und deren Sporen, die von uns freigesetzt wurden oder die auf unseren Kulturen gewachsen sind usw. usw.
Also nimm lieber das Fukuoka-Zitat her "Wenn der Bauer das Land vergißt, dem er seine Existenz verdankt, und nur noch seinen Eigennutz im Sinn hat; wenn der Verbraucher nicht mehr zwischen lebendiger Nahrung und solcher, die nur sättigt, unterscheiden kann, dann wird die Erde darauf mit ihrem Tod reagieren.
Die Natur ist nicht so freundlich, eine Menschheit vorzuwamen, die so unüberlegt handelt." (Aus: Rückkehr zur Natur, Beispielzitat des Verlages)

Jetzt verwirrst du mich vollends.
Genau davon rede ich doch die ganze Zeit.
Wenn du es verstehst, wieso behauptest und tust du dann ständig das Gegenteil?

Benutzer 72 gelöscht

Re: Fukuoka Masanobu

#318

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 10. Jan 2020, 23:14

Manfred hat geschrieben:
Fr 10. Jan 2020, 19:12
Wenn der Bauer das Land vergißt, dem er seine Existenz verdankt
.....
Genau davon rede ich doch die ganze Zeit.
Diese Zeile ....

die bedeutet doch, dass der Bauer seine Existenz dem Land verdankt und nicht, dass das Land seine Existenz dem Bauern verdankt - oder?? :hmm:

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#319

Beitrag von Manfred » Sa 11. Jan 2020, 02:03

ina maka hat geschrieben:
Fr 10. Jan 2020, 23:14
die bedeutet doch, dass der Bauer seine Existenz dem Land verdankt und nicht, dass das Land seine Existenz dem Bauern verdankt - oder?? :hmm:
Das sind doch wieder Kategorien, die nur in der menschlichen Vorstellung existieren.
Wir alle sind von unserer Mitwelt abhängig und umgekehrt wäre unsere Mitwelt ohne uns eine andere als sie ist.
Die für uns existenzielle Frage ist, wie wir diese Gemeinschaft zukunftsfähig gestalten.

Und darüber gibt es halt grundverschiedene Vorstellungen zwischen uns Menschen.
Die einen sehen sich als Teil der Natur und möchten sich reintegrieren, dem Dao folgen, wie die Chinesen sagen würden.
Die anderen sehen sich als etwas Besonders, das als Fremdkörper außerhalb steht und das zum Schutz ihrer "Umwelt" und damit ihrer Lebensgrundlagen noch weiter abgetrennt und mögl. ganz ausgesperrt werden muss. Was aber ständig neue Perversionen nach sich zieht, die zur Versorgung und für den Erhalt dieser Sonderheit notwendig werden, weil ja alles auf immer noch weniger Raum mit noch höheren Energieaufwand erzeugt und zu den isolierten Sonderheiten transportiert und anschließend "entsorgt" werden muss und sich so immer weiter von Integration und Kreisläufen entfernt.
Und irgendwann macht es dann halt plopp, plopp, plopp und all die Geschwüre sind geplatzt.
(Treffen sich zwei Planeten...)

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Re: Fukuoka Masanobu

#320

Beitrag von emil17 » Sa 11. Jan 2020, 07:15

Ich sehe mich zwar als "anderen", aber nicht als etwas Besonderes in deinem Sinne, sondern als jemanden, der eine besondere Verantwortung hat, weil er vorausschauend handeln kann.
Die Sache mit den menschlichen Kategorien beruht auf der schlichten Art und Weise, wie wir denken.

Es geht im Übrigen nicht darum, sich als handelndes Subjekt auszugrenzen und die Umwelt so zu behandelt, wie ein Fabrikant seine Maschinen behandelt, sondern darum, eine Lebensweise zu finden, die nicht alles andere sich unterordnet.
Dazu gehört auch, anderen Dingen und Lebewesen ebenfalls ihren Platz zu lassen.
Da wir zudem die Folgen unseres Handelns nicht überschauen können (darauf kommt man auch mit ganz wenig bewusstem Nacdenken), ist es weise, gewisse Orte eben in Ruhe zu lassen und alles nur mit Mass zu tun. Manches, was man tun könnte, sollte man gar nicht tun.
Die von Dir beschriebene Sache mit dem immer mehr, immer schneller, immer "überaller" kommt meiner Ansicht nach nicht von daher, sondern ist ein Konstruktionsfehler zu grosser menschlicher Gesellschaften. Da geht es nicht darum, etwas Besonderes zu sein, man will nur einfach ein Stück vom Kuchen, das etwas grösser ist als das der Anderen, und man möchte es sofort.
Der Konstruktionsfehler ist, dass die Jagd nach Statussymbolen nie aufhört.
Gier als eine der Todsünden.
Dass Fukuoka mit einem ganz anderen Ansatz auf die gleiche Lösung kommt, bedeutet doch auch, dass es keinen Sinn macht, sich um den Weg zu streiten.
Auch sit der fernöstliche Weg der ganzheitlichen Betrachtung nicht unbedingt besser oder erfolgreicher als der wetlich-analytische. Wenn man sich anschaut, wie grosse menschliche Gesellschaften funktionieren und wie es ist, dort leben zu müssen, dann macht es keinen grossen Unterschied, wo das ist. Wenige Bonzen, viele Kulis, überall das selbe.

Ich habe übrigens schon mehrfach erklärt, dass der Naturschutz nicht die Funktion hat, Mensch und Natur zu trennen, sondern dass es sehr oft nur darum geht, etwas vor dem Verschwinden zu retten. Das geht leider allzuoft nur mit Aussperren.

Das muss nicht dein Ansatz sein, um die Welt zu verbessern oder wenigstens zu erhalten. Aber man könnte ihn genauso als Weg zu einer weniger schlechteren Welt akzeptieren, wie man denjenigen der regenerativen Landwirtschaft akzeptiert.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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