Umfang der Erosion in Deutschland?

Moderator: kraut_ruebe

Manfred

Umfang der Erosion in Deutschland?

#1

Beitrag von Manfred » Do 21. Jul 2016, 20:33

Ich möchte hier Daten zur Erosion in Deutschland sammeln.
Ich habe versucht, aus der Sedimentfracht des Rheins die Wassererosion in D hochzurechnen.
Der Rhein hat laut Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Rhein ein Wassereinzugsgebiet von 218.300 km2, wovon 50,2% in Deutschland liegen.

In Ulrich Maniak: Hydrologie und Wasserwirtschaft - Eine Einführung für Ingenieure, 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 1992 ist auf Seite 514 nachzulesen, dass der Rhein an der Mündung eine jährliche Sedimentfracht von 2,7 Mio t habe, davon 0,3 Mio t Geschiebe. Organische Substanz und wasserlösliche Stoffe sind darin noch nicht enthalten.

Von diesen 2,7 Mio t entfallen rechnerisch 50,2%, also ca. 1,36 Mio t auf Deutschland.
Auf die Gesamtfläche von Deutschland hochgerechnet wären das 3.26 Mio t Sediment, die unsere Flüsse jährlich in die Meere abtransportieren.

Boden besteht zu ca. 45 % aus mineralischer Substanz. http://hypersoil.uni-muenster.de/0/03/01.htm
Hochgerechnet entspricht diese Sedimentfracht also ca. 7,24 Mio. t Boden, der uns jährlich verloren geht.

Ein humoser Oberboden hat eine Dichte von ca. 1,3 t je Kubikmeter. http://hypersoil.uni-muenster.de/0/05/01.htm
Also ca. 5,57 Mio. Kubikmeter.
Das entspricht 557 ha (5,5 Quadratkilometer) mit 1 m Bodenauflage oder 1100 ha (11 Quadratkilometer) mit 50 cm Bodenauflage, die wir jährlich in Deutschland ins Meer schwimmen lassen.
Dazu kommen die Winderosion und der Umsetzung organischer Substanz in Gase ("Veratmung").
Das ist im internationalen Vergleich, bedingt durch unser sehr günstiges Klima und unsere relativ bodenschonende Landwirtschaft, sehr wenig. Aber immer noch eine beeindruckende Menge.

Interessant wäre zu wissen, wie viel Boden pro Jahr neu gebildet wird.
Falls dazu jemand Zahlen findet, bitte hier einstellen.

Fred
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Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#2

Beitrag von Fred » Fr 22. Jul 2016, 01:19

Manfred,
das ist ein gravierendes Thema. Die braunen Flüsse zu sehen, bei den Starkregenereignissen im Juni hat schon sehr weh getan, weil es zeigt, daß da einiges im argen liegt auch hierzulande. Man spürt dabei förmlich woher die Redewendung "Etwas ist den Bach runtergegangen" herkommt. Es fehlt in den Böden das Wurzelwerk, und das Netz der Pilzhyphen wie vorallem im Waldboden, um auch bei stärkeren Regenfällen den Boden zu halten.
Es gibt viele Aussagen zur Bodenbildungsrate. In dem Buch "Dreck" von Montgomery (Auch in unserer Bibliothek) findet man dazu auch Werte, die von versch. Wissenschaftlern genannt werden. Ich habe mir jedoch keine notiert, da die Spannweite recht groß ist, je nachdem welches Klima und welche Bedingungen, -welches Ökosystem- man ansetzt. Und manchmal das Gefühlt hatte, da wurden einfach runde Zahlen herausgepickt z.B 1 inch per 100 years. Eben so wie der historische Streit um das Thema verlief.
Beginnt man mit nacktem Fels, auf dem erstmal Erosion und Flechten beginnen müssen, diesen in Substrat umzuwandeln so geht das nur sehr sehr langsam voran. Bis das Substrat dann in eine Humus-Schicht verwandelt ist braucht es auch einige Vegetationsfolgen und Sukzessions-schritte.
Eine natürliche Bodenbildungsrate von 1 Tonne/Hektar im Jahr wird beispielsweise hier genannt: http://www.agrarkoordination.de/fileadm ... _seite.pdf

Elaine Ingham als Gegenpol sagt sie kann in vergleichsweise sehr kurzer Zeit durch Ökosysteme und Einsatz von Komposttee hingegen erstaunliche Mengen an Bodenbildung bewirken. Ich denke das funktioniert, wenn in einer vorhandenen Substratdecke durch Wurzeln, Bakterien und Pilze verglichsweise leicht wieder eine funktionale Krümelstruktur aufgebaut werden kann, was an der Oberfläche bis gewissem Bereich funktionieren mag, aber man auch nicht einfach hochrechnen kann.

hunsbuckler
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Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#3

Beitrag von hunsbuckler » Fr 22. Jul 2016, 08:13

Ich war ja über 15 Jahre Anwohner eines bei uns ca. 3-4m breiten Wildbaches, der Dhron, die über die Mosel in den Rhein fließt.
Nach starken Hochwässern konnte von einer angrenzenden Wiese durchaus ein 1m breites Stück weggerissen sein.
Die Kraft des Wassers ist unglaublich.

Im Wald, besonders an dicht mit Erlen durchwurzelten Ufern, geht der Erosionsprozess um mehrere Größenordnungen langsamer voran.
Deshalb versuche ich die Ufer zu bepflanzen, mit Weidenstecklingen, Erlenheistern und Wurzelablegern von Zwetschge, Pappel und was sich sonst so findet.
Dabei muß man aber gehörigen Abstand zur Uferkante einhalten.
Sie brauchen eine Pufferzone, die ihnen Zeit gibt, sich zu verwurzeln.
Sonst werden sie bei den nächsten Hochwässern unterspült und mitgerissen.

Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, einen dichten Saum von invasiven Spireensträuchern zu pflanzen, die woanders stören.
Ich hoffe, daß sie einen dichten Wurzelteppich bilden, der sich nach der Unterspülung absenkt und das Ufer vor weiterer Unterhöhlung schützt.
Liebe Grüße, Hans www.jugendrettet.org

Fred
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Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#4

Beitrag von Fred » Fr 22. Jul 2016, 17:22

Ich lese gerade in dem Buch "Es ist genug da. für alle. - Wenn wir den Hunger bekämpfen nicht die Natur" von Felix zu Löwenstein den Satz: "Je nach Standort und Witterungsverhältnissen kann es bis zu einem Jahrtausend dauern, um um einen zentimeter Boden aus Urgestein zu bilden und zwischen 100 und 300 Jahren um einen Zentimeter Humus aufzubauen" [S.29]. Sehr zu empfehlendes Buch, da es auf die aktuelle Situation bezieht.
Eine Bodenbefestigung lohnt auf alle Fälle, in der Natur gibt es nich umsonnst eine spezielle Fauna an den Bach und Flussufern.

centauri

Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#5

Beitrag von centauri » Sa 23. Jul 2016, 08:59

Naja das mit der Bodenerrosion ist ja nicht nur ein deutsches und aktuelles Thema.
John Seymour und Herbert Girardet haben das schon 1985 in ihrem Buch "Fern vom Garten Eden" abgehandelt.
ISBN 3-8105-1810-7
Kann aber auch sein das das Buch bei mir noch irgendwo in einem Umzugskarton verpackt ist.

Benutzer 4754 gelöscht

Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#6

Beitrag von Benutzer 4754 gelöscht » Sa 23. Jul 2016, 23:09

Und jetzt?
Jetzt wissen wir es werden soundsoviel Kilotonnen Material angeschwemmt.

Sollte man nicht eher daran gehen und zusehen wie man die Abschwemmung begrenzt/verhindert zum Beispiel durch Direktsaat auf akut gefährdeten Flächen und Mulchsaaten auf evtl. Problemflächen?

Fred
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Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#7

Beitrag von Fred » Sa 23. Jul 2016, 23:31

Oelkanne hat geschrieben: Sollte man nicht eher daran gehen und zusehen wie man die Abschwemmung begrenzt/verhindert zum Beispiel durch Direktsaat auf akut gefährdeten Flächen und Mulchsaaten auf evtl. Problemflächen?
Ja genau. Und nicht nur das sollte man, sonern auch noch zusehen wie man die Bodenbildung optimiert (regenerative farming), und eben all das tun, was Permakultur lehrt und ausmacht, damit man permanent, also dauerhaft auf einem Stück land wirtschaften kann. Wir sind hier ja in der Permakulturecke, da kann man das so sagen.

Fred
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Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#8

Beitrag von Fred » Fr 5. Aug 2016, 03:35

Als weitere Hausnummer habe ich jetzt den Wert von 1t/ha als natürliche Bodenbildungsrate gefunden:

http://www.agrarkoordination.de/fileadm ... _seite.pdf

Manfred

Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#9

Beitrag von Manfred » Fr 5. Aug 2016, 08:07

Leider auch ohne Quellenangabe.
Es wäre interessant zu wissen, auf welchen wissenschaftlichen Daten dieser Wert beruht.

Fred
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Re: Umfang der Erosion in Deutschland?

#10

Beitrag von Fred » Mo 26. Sep 2016, 02:32

Yeomans was able to produce 10 cm of friable black soil within three years, on what was previously bare weathered red shale on his North Richmond farm (Hill 2002).

Bennett (1939) calculated a rate of topsoil formation of just over 11 t/ha/yr for soils in which organic material was intermixed into surface layers.
In situations where plant root mass is high, rates of topsoil formation of 15-20 t/ha have been indicated (Brady 1984).

Hill, S. B. (2002). 'Redesign' for soil, habitat and biodiversity conservation: Lessons from Ecological Agriculture and Social Ecology'. Proceedings 'Sustaining Our Future: through Healthy Soils, Habitats and Biological Diversity' launch of the 'Healthy Soils Campaign'. Nature Conservation Council of NSW, Sydney, 6 April, 2002.
Bennett H. H. (1939). Soil Conservation. McGraw-Hill, New York.
Brady N.C. (1984). The Nature and Properties of Soils. Ninth Edition. Macmillan.
[ http://creatingnewsoil.blogspot.de/ ]

Okey, ist jetzt nicht in Deutschland, aber denke mal belastbare Zahlen.

Was Bodenbildung betrifft scheint Christine Jones in Australien viel Forschung gelseitst zu haben. Wenn ich das so grob Überblicke dann muss man demnach etwas umdenken. Das ganze organische Material das gemulcht und Kompostiert wird, hilft zwar die notwendigen Bedingungen zur Bodenbildung zu schaffen. Der Wirkliche Bodenbildungsprozess findet allerdings auf Basis des mittels Photosynthese gebundenen Kohlenstoffes der von Pflanzen über Wurzelexudate an das Bodenleben abgegeben wird statt. Daraus entsteht unter Hilfe von Mykorrhizza-Pilzen und anderen Mikroben/Bakterien die Humusmoleküle, die den Oberboden ausmachen. Genannt den "liquid carbon pathway". .... :kaffee: .... :hmm:

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