Ganzheitliches Management - Diskussion

Moderator: kraut_ruebe

Tika
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#101

Beitrag von Tika » So 14. Feb 2016, 08:58

kraut_ruebe hat geschrieben:hier was zu HM für pferdehalter:
Ist lustig, da bin ich gestern abend auch drüber gestolpert. Jetzt hab ichs zweimal gelesen. Für mich steht da drin, dass man seine Ziele klar formulieren, Entscheidungen im Sinne der Zielverfolgung treffen, und dabei die möglichen Auswirkungen der Entscheidungen auf andere Bereiche bedenken und berücksichtigen sollte. Das war mir jetzt schon vorher klar, und das gilt mE für alle Lebensbereiche.
Gerade bei der Pferedhaltung auf kleinerer Fläche knobele ich (und viele andere) ständig daran herum, wie das für mich sehr wichtige Ziel "dem Lauf- und Freiheitsbedürfnis gerecht zu werden" mit den Zielen
-Parasitendruck im Griff zu haben
-Verdichtung und Trittschäden auf der Weideflächen zu vermeiden
-lange (mehrmonatige ) Regenerierungsphasen für das Weideland einzuplanen (während der Vegetationszeit)
-artenreiches, mineralstoffreiches, aber energiearmes Grünfutter zur Verfügung zu Stellen
- das Bodenleben zu verbessern
- den Selektiven Verbiss zu steuern
- dem Pferd als Dauerfresser ständig möglichst energie- (zucker-)armes Rauhfutter anzubieten (das es möglichst in natürlicher Fresshaltung fressen soll)
- ohne dafür teures, extra für Pferde gemachtes Heu aus weiterer Entfernung anfahren lassen zu müssen, und das dann das ganze Jahr über füttern zu müssen (finanziell) und Gras nur noch als besonder Leckerbissen anzubieten, der dann wegen der fehlenden Gewöhnung ans Frischfutter kaum noch vertragen wird

Zudem kommt, dass wir die Pferde ja aus egoistischen Gründen in erreichbarer Nähe haben möchten (sonst könnt man sie ja irgendwo in eine große Herde mit viel Land stellen)
Ich finde das extrem schwierig, versuche aber seit 3 Jahren auf unserer Fläche mein bestes, das alles unter einen Hut zu kriegen (Versuch macht (hoffentlich mal) klüger)...

Viele Betriebe lösen das mit Boxenhaltung und kleineren Parzellenweiden am Hof, die geopfert werden (und auch so aussehen) und Heufütterung (oder / und Silage). Faktisch also einfach keine Weidehaltung (das Bewegungsbedürfnis bleibt trotzdem auf der Strecke, aber wenigstens sind sie mal draussen).

PS:ich weiß, dass Pferde nun nicht zur Selbstversorgung gehören, aber sie gehören hier nun mal zu Familie
Lebe das Leben, das Du liebst und liebe das Leben, das Du lebst.

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kraut_ruebe
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#102

Beitrag von kraut_ruebe » So 14. Feb 2016, 10:18

Tika hat geschrieben: Ich finde das extrem schwierig, versuche aber seit 3 Jahren auf unserer Fläche mein bestes, das alles unter einen Hut zu kriegen (Versuch macht (hoffentlich mal) klüger)...
es ist auch keine leichte übung, bzw. klingt es viel einfacher, als es dann tatsächlich ist.

meine schafe haben herzlich wenig verständbs dafür, dass das gras, welches nebenan so schön wächst, noch nicht gefressen werden soll. das führt dann zu solchen tagen wie heute, wo ich sie zum tagesanbruch von nachbars zierrasen pflücken muss :platt:

so kriegen sie dann heute, wie so manches mal schon, ein stück wiese, weches laut plan noch nicht freigegeben werden sollte und mir gerät auf die art oft mal alles ziemlich durcheinander, weil die tiere bei mir letztendlich mehr priorität haben als die flächenversuche.

wenn so einfach wäre, bräuchte man keine videos, forenthemen und websiten, sondern würd einfach machen und alles wär gut. für mich hier rechne ich mit einem lernprozess, der sich über jahre hinziehen wird.
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Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#103

Beitrag von Manfred » So 14. Feb 2016, 11:53

Eine meiner Kundinnen baut sich gerade einen Pasture Trail, also einen Ringweg rund um die Weide.
Denn könnte man als Opferfläche verwenden, auf der die Pferde beliebig rennen können, wenn ihnen danach ist, wenn man die Portionsweiden so anlegt, dann man sie vom Trail aus zuteilen kann.
Man kann sich natürlich auch einfach öfter mal drauf setzen und sich Reitbeteiligungen suchen, die das ebenfalls tun.

Ansonsten liest du das schon richtig, nur der Begriff Ziel ist missverständlich.
Es geht nicht nur um Ziele, sondern um einen ganzheitlichen Rahmen. Und dieser Rahmen beinhaltet keine Maßnahmen zu seiner Erreichung, weil diese die Perspektiven schon wieder einschränken. Was du aufzählst ist ein Mischmasch aus Zielen und Maßnahmen, aber nicht der Rahmen/Kontext, in dem sie stehen.

Und selbst wenn du als Rahmen nur festlegt:

"Ich halte meine Pferde artgerecht und meine Weiden sind in einem guten Zustand."
(Den Rahmen formuliert man aus der Perspektive eines Ist-Zustandes)
ist das vermutlich zu kurz gegriffen, weil es deine eigene Lebenssituation nicht berücksichtigt.
Wenn du z.B. finanzielle Sicherheit anstrebst, dass aber in deinem Rahmen nicht beschreibst und deshalb bei der Maßnahmenprüfung hinsichtlich der Pferdeweide nicht berücksichtigst, steckst du evtl. viel Geld in den Ausbau deiner Weide, was dich aber insgesamt von deinem Rahmen wegführt, weil es deine finanzielle Absicherung gefährdet.

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#104

Beitrag von Tika » So 14. Feb 2016, 13:37

Manfred hat geschrieben:Eine meiner Kundinnen baut sich gerade einen Pasture Trail, also einen Ringweg rund um die Weide.
Das ist ne gute Sache, so was ähnliches haben wir auch in Form von einer recht großen, langgezogenen und abwechslungsreichen befestigten Auslauffläche. Den Winter über muss das reichen. Reiten, klar, wannimmer möglich :) , gibt aber auch des öfteren auch anderes zu tun, zb. finanzielle Mittel beschaffen (=Job). Und reiten ist (aus meiner Sicht) nun fürs Tier ja auch nicht dasselbe wie frei herumzutoben...

Wenn ich jetzt ne Weile nachdenke könnte ich sicherlich auch den ganzheitlichen Rahmen passend formulieren, in dem ich unsere Pferdehaltung betreibe, unter Berücksichtigung unserer Lebenssituation.
Das ist es ja, was ich nicht ganz verstehe, für mich ist das normal, dass man sich überlegt, was man will, und welche Prioritäten gesetzt werden, und welche Mittel zur Verfügung stehen, usw. Macht das denn nicht jeder auf seine Weise so? Wenn nun z.B. ein Mutterkuhhalter sagt, es macht mir zuviel Arbeit, alle meine Grünlandflächen einzuzäunen und meine Tiere stunden- oder tageweise umzutreiben, ich stelle sie lieber jedes Jahr auf dieselbe überweidete Fläche und mähe das restliche Grünland mehrmals im Jahr fürs Futter- dafür nehme ich die Nachteile dieser Art der Bewirtschaftung für den Boden in Kauf, dann hat er möglicherweise innerhalb seines Rahmens gehandelt...
Was ich unheimlich interessant finde am HM ist der Anreiz, immer wieder nochmals zu versuchen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, und evtl. seinen Rahmen zu erweitern (oder die einzelne Teilziele zu verändern).
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Fred
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#105

Beitrag von Fred » Do 13. Okt 2016, 18:04

Ich bin ja nicht so ganz firm in Diskussion über HM, bin gerade über 2 Seiten gestolpert wo Pro Und contra Savoury argumentiert wird:

All Sizzle and No Steak - Why Allan Savory’s TED talk about how cattle can reverse global warming is dead wrong.
By James E. McWilliams

Sowie:

Why George Monbiot is wrong: grazing livestock can save the world by L. Hunter-Lovins

Regarding Holechek and Briske, and Rebuttals by Teague, Gill & Savory By Seth J. Itzkan

Wahrscheinlich ist es so, daß es nicht "so einfach zum nachmachen funktioniert", daher auch die fehlgeschlagenen Projekte im erstern Artikel.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#106

Beitrag von Manfred » Do 13. Okt 2016, 19:04

Die Charter Trials waren ein Versuch in der Frühphase. Sie liefen von 1968 bis 1975. Da war es noch ein gutes Stück Weg bis zum heutigen Holistic Management.
Die Charter-Methode war damals die gängige Methode vieler Rancher im südlichen Afrika. Eine Art Vierfelderwirtschaft, bei der die Teilflächen in Abständen von 2 bis 4 Jahren abgebrannt werden, um das Gebüsch zurückzudrängen und auf den unternutzen Teilflächen das Altgras zu entfernen. Dabei werden natürlich massig Klimagase freigesetzt.
In den ersten beiden Jahren waren die Besatzdichten (Gesamtviehbestand pro Versuchsfläche) ca. gleich (ca. 4,6 ha je Kuh inkl. Kalb). Die beiden Savory Herden hatten mit dem in großer Menge vorhandenen Altgras zu kämpfen, das erst mal durch Tritt und Biss beseitigt werden musste. Damals kannte man das Konzept der ultraintensiven Beweidung mit stündlicher Zuteilung noch nicht und in den 3-Tages-Weideperioden war die Tierdichte und damit der Trampeleffekt zu gering. Auf den Vergleichsflächen wurde es abgebrannt und die Rinder konnten dort von Anfang an junges Gras fressen.
Ab dem 3. Jahr wurde die Besatzdichte der Savory-Flächen deutlich erhöht. Die Rinder dort hatten dann nur noch 2,6 ha je Kuh inkl. Kalb.)
Das hatte natürlich zur Folge, dass die Leistung der einzelnen Tiere (Gewicht der Kühe, Trächtigkeitsrate, Gewicht der Absetzer) runter ging. Die erzeugte Fleischmenge (gemessen in Absetzergewicht pro ha) lag aber um 32,7% bzw. 26,9% über der der Vergleichsherden. Und über den Gesamtzeitraum war der wirtschaftliche Gewinn der Savory-Herden trotz der Probleme mit dem Altgras in den ersten 2 Jahren um 5,9% bzw. 25,5% höher als bei den Vergleichsgruppen. Das es bei der ersten Vergleichsgruppe nur 5,9% waren, lag u.a. daran, dass hier ein aufwändiges Zaunsystem mit 21 Paddocks gebaut wurde, das aber viel länger als nur für die paar Versuchsjahre gehalten hätte, wo man die Abschreibung also auch anders hätte rechnen können.
Und trotz dieses deutlich höheren Viehbesatzes war das Land am Ende nicht in schlechterem Zustand als das mit geringerem Besatz + Abbrennen. Wie das einen Misserfolg selbst der damals noch rudimentären Methode belegen soll, ist mir ein Rätsel.
Und seither wurde das Wissen deutlich erweitert und die Planung auch stärker an den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtet.
Heute würde man das Altgras mit einer stündlichen Zuteilung angehen und es so im ersten Durchgang komplett zu Mulch machen. Da in den spröden Tropen überwiegend C4-Gräser wachsen, die im vertrockneten Zustand kaum noch Eiweiß erhalten, müsste man in dieser Phase, bei der ersten Urbarmachung, evtl. Eiweiß zufüttern. In bekanntes Problem in diesem Klimaten. Im zweiten Durchgang ist der Aufwuchs dann oft schon so verbessert, dass bei entsprechender Genetik auf eine Eiweiß-Zufütterung verzichtet werden kann.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#107

Beitrag von Manfred » Do 13. Okt 2016, 19:30

Mir ist gerade noch aufgefallen, dass die damals noch mit einer starren Rotation gearbeitet haben. Also x Tage pro Paddock und dann stur im Kreis rum. Das würde natürlich heute kein HM-Praktiker mehr machen, weil es den extrem wichtigen Aspekt einer ausreichend langen Erholungsphase für den Bewuchs ignoriert hat.

Fred
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#108

Beitrag von Fred » Do 13. Okt 2016, 22:11

Manfred hat geschrieben:.. mit einer starren Rotation gearbeitet haben. Also x Tage pro Paddock und dann stur im Kreis rum. Das würde natürlich heute kein HM-Praktiker mehr machen.....
Tja, die Wissenschaft kämpft da eben wieder mit dem Problem, daß sie festgeklpfte Parameter braucht, zwecks Dokumentation, Vergleichbarkeit...

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#109

Beitrag von Manfred » Fr 14. Okt 2016, 09:13

Die Reproduzierbarkeit ist ja nicht das Problem. Aber als Wissenschaftler muss man halt auch versuchen rauszufinden, was man denn reproduzieren muss. Feste Umtriebsdauern funktionieren nicht, das ist hinlänglich belegt. Das Altgras muss auf den Boden, vorhandene Verkrustungen müssen aufgebrochen werden, es darf kein Verbiss des jungen Wiederaustriebs erfolgen und die Tiere dürfen erste wieder auf die Fläche, wenn sich die Pflanzen ausreichend erholt haben. Das muss man reproduzieren. Und dafür muss das Werkzeug halt flexibel eingesetzt werden.
Um trockenes Elefantengras mit 2,5 m Höhe und 1 cm dicken Stängeln auf den Boden zu bringen braucht es in der Weidephase evtl. eine Tierdichte von 5000 der kleinen afrikanischen Rinder pro ha bei stündlicher Zuteilung während oben in der kalten Trockensteppe auch 5 mittelrahmige Rinder pro ha und Weideperioden von 3 Wochen funktionieren. Und in der Regenzeit in den Tropen kann ich evtl. nach 30 Tagen wieder auf die Fläche, während im Regenschatten der Rocky Mountains bei nur 70 frostfreien Tagen im Jahr evtl. 3 Jahre nötig sind, bis die Fläche wieder beweidet werden kann. Nicht mal am selben Standort kann man Jahr für Jahr einfach reproduzieren. Es muss ständig beobachtet und die Planung entsprechend korrigiert und angepasst werden.

Benutzer 72 gelöscht

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#110

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 24. Feb 2017, 11:17

Ich hab das mit den beschatteten Wachstumsknoten noch immer nicht kapiert ...
Und jetzt hab ich es zumindest mal geschafft, ein Foto am Balkon zu machen - so ähnlich sieht im Frühling unser verwildertes Gras aus, das nie gemäht wird (dieses ist nur viel kräftiger-haltbarer und höher)
hab heuer den Schnittknoblauch extra nicht zurückgeschnitten und da ist noch alles dran, was im Herbst da war :im:
Sobald die Triebe größer werden, verdrängen sie das vertrocknete "Gras", das dann abfällt, weggeweht wird.
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