Ganzheitliches Management - Diskussion

Moderator: kraut_ruebe

Tika
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#91

Beitrag von Tika » Do 11. Feb 2016, 21:00

Manfred, danke für das Video. Die Projekte sind wirklich toll und sehr eindrucksvoll. Ich frage mich aber immer noch - gehört denn das Land den örfern (also den Kommunen), oder ist das in einzelne Parzellen verschiedener Eigentümer aufgeteilt und wird gemeinsam bewirtschaftet? Ich sehe das wie Thomas/V. und denke, dass das gesellschaftlich je nachdem wirklich schwierig werden kann. Wenn ich so dran denke, wie sich Kleinprivatwaldbesitzer hier bekriegen, wenn ihre (einzeln nicht bewirtschaftbaren, weil nicht mal breit genug um auch nur eine Baumkrone auf eigenem Grund auf den Boden zu bringen) Miniflächen mit Nachbargrundstücken zusammen durchforstet werden. Weil der Nachbar hat immer(!) das vieeel schlechtere Holz gehabt. Aber vielleicht ist die afrikanische Mentalität da ja wirklich anders, und eben von vorneherein gemeinschaftlicher.
Bemerkenswert am Video finde ich übrigens auch, dass dort die Frauen diejenigen sind, die vorangehen. Und dass das offensichtlich auch akzeptiert wird (aber auch das vielleicht dort auch so üblich?).
Lebe das Leben, das Du liebst und liebe das Leben, das Du lebst.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#92

Beitrag von Manfred » Do 11. Feb 2016, 21:56

Evtl. kann Mike was dazu sagen? Aber das mit den Eigentumsverhältnissen und der Zusammenarbeit wird vermutlich auch in Afrika sehr unterschiedlich sein, je nach Region.
Hier kriegt man auch keine zwei Bauern unter einen Hut, wenn es um die Bewirtschaftung der Flächen geht...

Tausch
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#93

Beitrag von Tausch » Do 11. Feb 2016, 22:13

Hoi Zusammen

Zuerst mal danke für die spannenden links und erklärungen, insbesondere Manfred. (Ich komm noch mal auf dich zurück mit ein paar Fragen wenn ich Zeit hab)

Diese Aussage finde ich jedoch ein bisschen gewagt.
Und das Timing hatten und haben selbst die alten Hirtenvölker nicht verstanden, wie man z.B. in der Mongolei und in Teilen Afrikas sehen kann.
Welches Wissen verloren gegangen ist in der Zwischenzeit weiss man nicht.

Noch ein interessanter artikel (englisch) über den Zusammenhang zwischen Überweidung und Krieg in Syrien.
http://www.theecologist.org/News/news_a ... f_war.html
These pastoralists of Arabia are known to have been pioneers in establishing 'protected areas' (hema): certain pastures were relieved from grazing, permanently or temporary, in order to allow keeping the whole ecosystem healthy and functional.

The beginning of the ecological degradation and destruction came with the modern state, so keen to uncritically import ideas of maximization of agricultural yields from the Soviet Union: in particular the central government decided to nationalize the steppe in 1958, establishing de facto an open access system - a well known recipe for ecological disaster.

Through this arrangement the customary link between the natural resource and its user was interrupted - abruptly disowning the traditional ecological knowledge of this ancient people. The pastures, not managed and protected anymore by the tribes, started to be over-grazed by free-ranging pastoralists
Übrigens gibt es ein spannendes Bild in diesem Artikel, mit zwei überbeweideten Flächen. Es wäre extrem spannend ein drittes Areal einzuzäunen mit HPG.

Noch der Link zu diesen Schutzzonen, und der Wissensverlust.
http://www.grida.no/geo/GEO/Geo-2-102.htm
The practice of hema dates back, in the Arabian Peninsula, to the pre-Islamic era. It probably goes as far back in history as 2000 years ago or maybe more. It developed as an acknowledgment of the need to conserve and wisely use scarce renewable resources.

In 1969, it was estimated that there were more than 3000 hema in Saudi Arabia. Later, a survey was conducted in 1984 in the mountain areas west of Saudi Arabia (where most of the hema existed) and only 71 hema were found, under various degrees of protection.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#94

Beitrag von Manfred » Do 11. Feb 2016, 22:42

Ja. Das war vermutlich unglücklich ausgedrückt. Es gibt halt kaum überlieferte Informationen. Und aus den paar Resten lässt sich nicht rekonstruieren, wie das Land wirklich bewirtschaftet wurde.
Im arabischen Raum könnte ich mir gut vorstellen, dass dort alleine schon für Trockenphasen größere Flächen als Reserve vorgehalten werden mussten. Eine Futterkonservierung im heutigen Sinn gab es ja nicht.
Und in Afrika, zumindest im südlichen Afrika, hat der Mensch im Gegensatz zu seinen Besiedlungszügen auf den anderen Kontinenten, einen großen Teil der Großherbivoren erhalten. Die riesigen, ziehenden Herden haben bis zur europäischen Besiedlung bestanden, und das Land war fruchtbar. Die dortige Bevölkerung hätte sich irgendwie mit den Wildtieren arrangiert und die eigenen Herden in das Ökosystem integriert.
In Europa dagegen haben unsere Vorfahren so ziemlich alles kaputt geweidet, was kaputt zu kriegen war. Von Spanien bis nach Norwegen hoch gab es wohl einen breiten Gürtel Heideland, bis tief in den Kontinent hinein. Und die Griechen und Römer haben mit ihrem Holzhunger und ihren Herden den gesamten Mittelmeerraum verwüstet.
Je "zivilisierter" des Menschheit wurde, und je weiter sie sich von den natürlichen Kreisläufen der jeweiligen Region entfernte, desto intensiver die Zerstörung.

Benutzer 4754 gelöscht

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#95

Beitrag von Benutzer 4754 gelöscht » Do 11. Feb 2016, 23:54

Woher hat der Herr Savory eigentlich die finanziellen Mittel für diese riesigen Flächen und seine vielen (Groß-)Experimente?

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#96

Beitrag von Manfred » Fr 12. Feb 2016, 00:15

Was glaubst du, ist es für einen Rancher wert, wenn sich der Ertrag seiner Flächen verdoppelt?
Savory hat als erfolgreicher Berater gutes Geld verdient. Er bezahlt nicht dafür, dass er das Land nutzen darf, sondern wird dafür bezahlt, dass er den Leuten beibringt, wie es funktioniert.
Beim Holistic Management ist es so, dass sich die Landbewirtschaftung rentieren muss.
Auch die Savory-Hubs bekommen kein Geld von der Organisation und trotzdem stehen jedes Jahr viel mehr Betriebe Schlange die Hub werden wollen, als aufgenommen werden können. Wer als Hub-Kandidat nicht zeigen kann, das er durch seine Landbewirtschaftung einen ausreichenden Gewinn erzielen kann, der ist schlicht nicht geeignet.

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#97

Beitrag von kraut_ruebe » Fr 12. Feb 2016, 08:39

emil17 hat geschrieben:
Offene Fragen für die Bewirtschaftung:
In Gebieten mit saisonal kurzem Futterangebot und langer warmer Trockenzeit - wie bringt man dort das Vieh über die weidefreie Zeit? Wie verhindert man nach einem trockenen Jahr, dass die zu grossen Viehbestände dann das Land ruinieren, weil sie ja irgendwo grasen müssen?
theoretisch startet man mit der anzahl vieh, die zu den herrschenden ausgangsbedingungen ernährt werden kann. wer mehr vieh hat, als er futter hat, hatte ja bislang auch eine methode die durchzubringen und muss die vorläufig beibehalten, oder wählt die variante, den bestand zu reduzieren.

eine vergösserung der herde sollte hand in hand mit dem steigen des nahrungsangebotes stattfinden. analog zu natur - bessere bedingungen, mehr nachwuchs. wenn man klein startet, ist das natürlich verlockend, und man muss aufpassen, nicht zu früh die weide 'vollzupacken'. in den groß angelegten versuchen wird - was ich zumindest so angesehen hab - eher umgekehrt begonnen, da sind die flächen riesig und die ausgangsherden vergleichsweise klein.

erwischt einen eine unerwartete länger dauernde wetterlage (ungewöhnlich trocken ist dann genauso blöd wie ungewöhnlich nass) muss man reagieren. entweder tiere aufstallen und zufüttern oder eine opferfläche auswählen, auf der die tiere die wartezeit verbringen können (mit oder ohne zufutter, je nach bedingung), die dann natürlich vollkommen verbissen ist und danach einer längeren regenerationsphase zugeführt werden muss/soll.
There's a crack in everything. That's how the light gets in.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#98

Beitrag von Manfred » Fr 12. Feb 2016, 10:02

Sorry, die Frage hatte ich übersehen.
In Trockengebieten ist es gängig, mit stehendem Futtervorrat zu arbeiten.
Am Ende der Wachstumsperiode macht man eine Futterinventur auf allen Flächen.
Dann überlegt man sich, wie viel Reserve man vorhalten will für den Fall, dass die Dürreperiode länger dauet als erwartet.
z.B. 200 Tage normale Trockenperiode + 100 Tage Reserve.
Dann teilt man den Futterbestand durch diese 300 Tage und durch den Futterbedarf pro Tier pro Tag und weiß, für wie viele Tiere man ausreichend Futter hat.

Hat man überzählige Tiere, müssen die so schnell wie möglich verkauft werden. Behält man sie, dann schrumpft der Futtervorrat zu schnell und am Ende muss man viel mehr Tiere verkaufen, um die Restherde über die Trockenheit zu retten.

Beispiel:
Ich plane inkl. Reserve für 300 Tage und habe Futter für 100 Tiere pro Tag = 30.000 Rationen gesamt.
Meine Herde besteht aber aus 130 Tieren. Lasse ich den Bestand noch 100 Tage bei 130 Tieren, dann habe ich 13.000 Rationen verbraucht.
Heißt ich habe dann noch 17.000 Rationen für 200 Tage. Das reicht nur noch für 85 Tiere pro Tag. Ich muss die Herde also auf 85 reduzieren, weil ich mit dem Verkauf zu lange gewartet habe.
(Und in der Regel merken dann auch andere, dass ihr Futter nicht reicht und der Viehpreis fällt wegen Überangebot, was den Verlust noch weiter verschärft.)
Warte ich noch länger, z.B. 200 Tage, dann habe ich 26.000 Rationen verbraucht. Für die restlichen 100 Tage (wenn die Trockenheit wirklich länger anhält) bleiben dann nur noch 4.000 Rationen, also 40 Rationen pro Tag. Und der Viehpreis wird noch mal deutlich schlechter sein.
Und je mehr Vieh in der Trockenheit verkauft wurde, desto teurer wird es hinterher sein, den Bestand wieder zu erhöhen, weil dann jeder Vieh sucht und die Preise hoch gehen.

Habe ich dagegen mehr Vorrat als ich benötige, kann ich meinen Bestand aufstocken.

In Regionen mit Wachstumsruhe im Winter kann man ebenso verfahren. Das ist durch die Futterkonservierung bei uns weitgehend in Vergessenheit geraten. Aber es gibt mehr und mehr Betriebe, die wieder mit stehendem Winterfuttervorrat arbeiten. Ich will auch in der Richtung experimentieren. Kombiniert mit Heufütterung von Flächen, die ich nicht wirtschaftlich beweiden kann.

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#99

Beitrag von Eos » Fr 12. Feb 2016, 18:23

war das früher hier nicht auch so (Mittelalter-Allmendeweide)? oder überhaupt seit Beginn der Tierhaltung?
Das ist auch jetzt noch so: viele Almen sind Gemeinschaftsweiden, auf denen das Vieh von mehreren Bauern weidet.

Lg Eos

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#100

Beitrag von kraut_ruebe » Sa 13. Feb 2016, 23:13

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