Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt?

Manfred

Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt?

#1

Beitrag von Manfred » Mo 4. Jul 2011, 11:17

In den letzen 20 Jahren sind in Deutschland 800.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche wegen Baumaßnahmen verlorgen gegangen.
Das entspricht der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche von Rheinland-Pfalz und dem Saarland zusammen oder ca. 16.000 durchschnittlichen deutschen Landwirtschaftsbetrieben.
Ein großer Teil davon wurde nicht etwa direkt bebaut, sondern musste für sogenannte Ausgleichsmaßnahmen aus der Produktion genommen werden, die einen "naturschützerischen" Ausgleich für die überbaute Fläche bieten sollen.
Wieder ein klassisches Beispiel für gut gemeint und schlecht gemacht.
Die Weltagrarministerkonfernz fordert eine deutliche Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion. Am anderen Ende der Welt wird Urwald gerodet wie blöd, um unseren Energiehunger zu stillen, und wir bauen unsere Landwirtschaftsflächen nicht nur zu, sondern nehmen auch noch zusätzliche Flächen als "Ausgleich" aus der Produktion.
Was bitteschön hat das mit Ausgleich zu tun?
Ein Ausgleich wäre es, wenn man für einen Autobahnbau an anderer Stelle unnötig gewordene Straßen und Wohnbauflächen und Bergbauhalten zurückbauen und wieder in Landwirtschaftsflächen überführen würde.

Wenigstens bei den geplanten neuen Hochspannugnstrassen gibt es Licht am Horizont. Für Strommasten sollen zukünftig evtl. keine "Ausgleichsflächen" mehr nötig werden.

Benutzer 72 gelöscht

Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#2

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mo 4. Jul 2011, 12:32

hallo!

Ja, da ist was dran .... :hmm:

Darf ich eine Frage stellen?
Ich hab nämlich gelesen, dass sehr viele Arten verschwunden sind, seit die Äcker und Felder bis an den Straßenrand gepflügt werden - der Feldrand soll ein sehr wertvoller Lebensraum sein.
Jetzt gibt es bei uns hier aber überall ziemlich breite Feldränder - teilweise auch mit Bäumen bepflanzt (hohe Obstbäume) - ist es in Deutschland wirklich üblich, seinen Acker bis an den Weg zu bearbeiten??

Außerdem hab ich gelesen, dass in den Schrebergärten teilweise eine größere Artenvielfalt herrscht als in ganz verwilderten Wäldern - weiß natürlich nicht, ob das stimmt, aber es könnte was dran sein! Wenn ich mir das Getümmel an meinem Salbei zum Beispiel anschau.....

Eine kleinstrukturierte, vorwiegend "biologische" Landwirtschaft ist doch tatsächlich sinnvoller als ein totales Bearbeitungsverbot - aber (im Sinne der Umwelt) ist "nichts tun" wahrscheinlich besser als Riesenfelder mit derselben Ackerfrucht, den Rest und die Insekten totgespritzt.

Zwei nicht allzu intensiv bewirtschaftete Äcker (Felder, Weiden, Fischteiche) sind doch viel umweltgerechter als ein sehr intensiv genutzter?
Ernähren beide dieselbe Menge Mensch - allerdings braucht die weniger intensivere (umweltfreundlichere) Nutzung mehr Platz!!
Und je mehr "Ausgleichsflächen" es gibt, desto intensiver müssen dann die noch vorhandenen Ackerflächen genutzt werden - das ist doch gar nicht gut für die Umwelt, oder?
Wissen die das? :aeh:

Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind außerdem (außer, dass sie Menschen ernähren) auch tolle Lebensräume für einige Wildtiere - manchmal reichen ein paar kleine Änderung in der Bearbeitung und der Bauer wird zum Umweltschützer!
Gibt es dafür Lehrgänge?

liebe Grüße!

roland
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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#3

Beitrag von roland » Mo 4. Jul 2011, 12:42

ina maka hat geschrieben:Jetzt gibt es bei uns hier aber überall ziemlich breite Feldränder - teilweise auch mit Bäumen bepflanzt (hohe Obstbäume) - ist es in Deutschland wirklich üblich, seinen Acker bis an den Weg zu bearbeiten??
in der Hinsicht ist Deutschland extrem verschieden:
im Norden, zb um Berlin und co zum Teil so grosse Ackerflächen, das sich Sandstürme bilden (siehe Unfall im Frühjahr)
Hier im Rheintal zum Beispiel sind noch relativ breite Ränder, obwohl die Preise sehr hoch sind (im Vergleich) - aber auch von Dorf zu dorf verschieden.
Man kann sagen, je steiler oder kleinstrukturierter, desto mehr Randflächen.

Richtig finde ich, das die Ackerbauwüsten verschwinden - ich fänd zb eine "Ausgleichsflächenregelung" sinnvoll, die die ökologische Bebauung mit zb Vorschriften über Windschutzhecken und Dauerbepflanzung ect haben. Aber bitte nicht eine für ganz Deutschland, die muss an die regionalen Böden und so angepasst werden.
Einfacher ists natürlich, die Ausgleichsfläche einfach verwildern zu lassen ;)

Roland

Manfred

Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#4

Beitrag von Manfred » Mo 4. Jul 2011, 13:04

ina maka hat geschrieben: Ich hab nämlich gelesen, dass sehr viele Arten verschwunden sind, seit die Äcker und Felder bis an den Straßenrand gepflügt werden - der Feldrand soll ein sehr wertvoller Lebensraum sein.
Jetzt gibt es bei uns hier aber überall ziemlich breite Feldränder - teilweise auch mit Bäumen bepflanzt (hohe Obstbäume) - ist es in Deutschland wirklich üblich, seinen Acker bis an den Weg zu bearbeiten??
Solche Randstreifen sind natürlich Lebensraum für viele Insekten (und die wieder Basis für viele weitere Arten) und Pflanzen.
Nachteil von Randstreifen ist, dass sich von dort aus Unkraut in die anliegenden Felder versamt.
Hier ist es so, dass zwischen den Feldern keine Streifen stehen bleiben. Jeder wirtschaftet bis an die Flurstückgrenze.
Zur den Wegen hin bleiben in der Regel 0,5 bis 1,5 m breite Streifen.
Die werden von der Gemeinde 1 bis 2 mal im Jahr gemulcht.
Nach meiner Beobachtung waren diese Streifen deutlich artenreicher als der Grasschnitt noch von der Gemeinde bzw. von Kleintierhaltern abgefahren wurde. Seit nur noch gemulcht wird, setzten sich wenige dominante Arten durch. Die Quecke z.B. macht sich da gerne breit. Blumen sind weitgehend verschwunden. Wohl weil sie auf den jetzt nährstoffreicheren Streifen kein Durchsetzugnsvermögen mehr haben. Die Attraktivität für Insekten hat sicher auch gelitten.
Aber das Abfahren von Mähgut kostet Geld. Daher wurde es eingestellt, als die Gelder der Kommunen knapper wurden.

Ein paar km weiter in Thürigen sind die einzelnen Flurstücke viel größer. Gemulcht wird nur neben Straßen. Feldwege gibt es viel weniger und wenn, wird da meist bis an die Kante geackert. Das schädigt die Wege, aber hält Unkraut fern und jeder qm mehr bring ja auch mehr Geld von der EU.
Außerdem hab ich gelesen, dass in den Schrebergärten teilweise eine größere Artenvielfalt herrscht als in ganz verwilderten Wäldern - weiß natürlich nicht, ob das stimmt, aber es könnte was dran sein! Wenn ich mir das Getümmel an meinem Salbei zum Beispiel anschau.....
Da kann was dran sein. Je strukturreicher, desto Artenreicher. Wobei bei uns der Urzustand ja relativ planzenartenarme Buchenurwälder sind, die mehr mit ihrer Insekten- und Pilzartenvielfalt glänzen. Da müsste man wohl mit Biologen aller Fachgebiete ganz genau hinschauen, wenn man so einen "Wer hat mehr Arten"-Wettbewerb starten will.
Eine kleinstrukturierte, vorwiegend "biologische" Landwirtschaft ist doch tatsächlich sinnvoller als ein totales Bearbeitungsverbot - aber (im Sinne der Umwelt) ist "nichts tun" wahrscheinlich besser als Riesenfelder mit derselben Ackerfrucht, den Rest und die Insekten totgespritzt.
Ja. Aber halt auch teuer (weil die Bearbeitugnskosten pro m2 und noch mehr pro kg Ertrag viel höher sind). Und das Problem der Welternährung sollte man auch nie aus den Augen verlieren, auch wenn wir da auf einem sehr bequemen Ross hocken mit unserem vielen Geld in Europa.
Zwei nicht allzu intensiv bewirtschaftete Äcker (Felder, Weiden, Fischteiche) sind doch viel umweltgerechter als ein sehr intensiv genutzter?
Ernähren beide dieselbe Menge Mensch - allerdings braucht die weniger intensivere (umweltfreundlichere) Nutzung mehr Platz!!
Und je mehr "Ausgleichsflächen" es gibt, desto intensiver müssen dann die noch vorhandenen Ackerflächen genutzt werden - das ist doch gar nicht gut für die Umwelt, oder?
Wissen die das? :aeh:
Das ist spekulativ. Kann sein. Muss nicht sein.
Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind außerdem (außer, dass sie Menschen ernähren) auch tolle Lebensräume für einige Wildtiere - manchmal reichen ein paar kleine Änderung in der Bearbeitung und der Bauer wird zum Umweltschützer!
Gibt es dafür Lehrgänge?
Lehrgänge m.W. nicht, zumindest nicht im größeren Umfang. Aber je nach Bundesland verschiedene Förderprogramme. Die werden aber aufgrund der Sparzwänge massiv gekürzt. In Bayern wurden letztes Jahr ca. 2/3 der Kulturlandschaftsprogramme ersatzlos gestrichen. Z.B. das Blühflächenprogramm. Ich wollte auch ein paar kleine Äcker damit versehen, konnte aber wegen der Streichung nicht mehr mitmachen.
Auch die Mittel für den Vertragsnaturschutz sind augeschöpft. Es werden nur noch Altverträge bedient. Oder man hat viel Vitamin B. Dann bekommt man evtl. noch einzelne Flächen rein.
Durch die neuen grünen Ziele der Bundesregierung stehen alle Zeichen auf Maiswüste. Biogasanlagen werden derzeit von allen landwirtschaftlichen Betriebsarten mit Abstand am besten gefördert. Und die wirtschaftlichste Frucht zum Füttern dieser Anlagen ist Mais. Also wird Mais angebaut, weil man mit anderen Früchten weniger Ertrag hat und deshalb auf dem Pachtmarkt nicht mithalten kann.
Da können sie sich in Veitshöchheim noch so viel Mühe geben mit Biogasfuttermischungen aus Wildkräutern. Wenn die auch nur 1 Euro weniger bringen pro ha als Mais, wird Mais gebaut...
Die Alternative wären wieder noch mehr Subventionen für solche Äcker oder eine Mindestquote, z.B. 10% Wildkräutermischung in der Anbaufläche für Biogas. Das bedeutet aber wieder mehr Fläche, da weniger Ertrag. Ein Teufelskreis...

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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#5

Beitrag von Reisende » Fr 25. Jan 2013, 17:17

ich wollte einen neuen thread vermeiden, und da manfred hier ja intensiv auf die mais-wüsten eingegangen ist, hänge ich diese info mal hier an. ich dachte wir hätten da noch einen spezielleren thread gehabt, habe den aber leider nicht wiedergefunden. wenn nötig, bitte verschieben.

heute morgen hab ich mich halb amüsiert und war halb schockiert, als ich folgenden artikel in der zeitung las:
Der Hafer fürs Müsli wird langsam knapp

jetzt spüren also nicht mehr nur die drittweltländer die steigenden preise durch spekulationswetten und flächenverdrängung durch energiepflanzen, sondern auch wir. ob das zu einem umdenken führt?
da ich laktose und gluten hervorragend vertrage, leiste ich mir als ausgleich dafür einige intoleranzen im zwischenmenschlichen bereich.

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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#6

Beitrag von Little Joe » Fr 25. Jan 2013, 20:11

Reisende hat geschrieben:habe den aber leider nicht wiedergefunden.
... hier ist er, http://www.selbstvers.org/forum/viewtop ... ganze+Mais







dein Beitrag passt auch gut hier her
Erstaunlich, dass Menschen, die alles besser wissen, nie etwas besser machen.

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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#7

Beitrag von emil17 » Mo 28. Jan 2013, 18:05

Hat mehrere Seiten:
- Man will die Überproduktion eindämmen, folglich nimmt man Flächen aus dem Ertrag.
- Der Bauer soll ja Unternehmer bleiben, deshalb muss er nach wie vor das möglichste aus den Flächen rausholen müssen.
- Bioenergie ist grad in Mode. Eigentlich Unsinn, denn so gross ist Deutschland gar nicht, dass man alles was verfahren wird durch Anbau reinholen könnte.
- Besser wäre es, statt aus Biomasse Treibstoff zu machen, Heizöl aus der Nutzung "heizen" zu nehmen und nur noch als Treibstoff einzusetzen. Festbrennstoffe wie Biomasse lassen sich nur mühsam verflüssigen, aber man kann gut damit heizen, weil Energiedichte und Gewicht der Anlage im Vergleich zum Fahrzeug wesentlich weniger kritisch sind.
- Für die Artenvielfalt haben Brachen Vorteile, aber extensiv genutze Landwirtschaftsflächen wären wohl genau so gut wie der Mix aus Hochleistungs-Agrarwüste und Brache, mit wesentlich weniger Aufwand an Pflanzenschutzmitteln.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#8

Beitrag von apio » Di 5. Mär 2013, 11:33

Zur Zeit gibt es Versuche Alternativen zum Mais als Energiepflanze zu finden, welche einen höheren ökologischen Wert haben, wie Durchwachsene Silphie

https://de.wikipedia.org/wiki/Durchwachsene_Silphie

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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#9

Beitrag von Distelbauer » Di 5. Mär 2013, 17:54

Hallo,

ich bin der Meinung, daß es nicht übertrieben werden sollte, aber Ausgleichsflächen auf jeden Fall nötig sind heutzutage. Wenn ich an meine Kindheit zurück denke, was da trotz Unkraut spritzen noch alles gewachsen ist. Heute kriegen die es ja viel "sauberer" hin. Und der halbe Meter bis zum Weg falls noch vorhanden wird tatsächlich totgespritzt. Ich spitze und kunstdünge ja jetzt seit fast 20 Jahren nicht mehr, habe alle Felder zusammenhängend um den Hof und erlebe eigentlich erst jetzt langsam, daß das Leben zurückkehrt. Vielleicht müsste man sich einfach eine Optimierung für diese Ausgleichsflächen überlegen (sanfte Nutzung). Aber das ist natürlich wieder eine Geldfrage.

Gruß Georg

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Re: Wann wird der Ausgleichsflächen-Irrsinn endlich gestoppt

#10

Beitrag von bugscout » Mi 12. Jun 2013, 07:43

Also zu pflügen bis der Arzt kommt:
In MeckPomm ist mir mal ein pflügender Traktor entgegen gekommen, der mit 2 Reifen auf der Strasse war.

Ansonsten wird bei uns gerade auf Deubel komm raus auf Mais umgestellt (BioGas zahlt sich aus),
dafür werden die Knicks gern so auf den Stock gesetzt, das sie mit Chance nicht mehr wiederkommen.

Letztes Jahr hatten wir den ersten Staubsturm - so weit ich mich zurückerinnere.

Ich wäre für mehr regionale Produktion, mehr offene Flächen in der Stadt, weniger Beton vor der Haustür,
weniger sterile, tote Vorgärten
- da könnte man ne Menge zurückbauen (UnvergEssbar)

und natürlich Agrarsubventionen für Landschaftsschutz und nicht für Massenproduktion.
und Förderprogramme statt Bankenrettung (griechische Botschaft in Frankfurt)

Wir brauchen nicht mehr Anbaufläche, wir müssen nur das richtige Anbauen

Grüsse
Heute back ich, morgen brau ich :trank:
http://www.kompost-tee.de

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