Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

Schwäbischer-Alb
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Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#1

Beitrag von Schwäbischer-Alb » Di 27. Dez 2022, 18:22

Hallo zusammen,

ich pflanze seit ein paar Jahren recht zufriedenstellend Gemüse im Garten an. Trotzdem ist mir so manches noch nicht ganz klar. Deshalb wende ich mich gerne an euch und freue mich, dazuzulernen.

Und zwar beschäftigt mich folgendes: Anzuchterde ist meines Wissens nach Erde, die besonders Nährstoffarm ist. Dadurch bilden sich schneller ordentliche Wurzeln aus und die Pflanze wird robuster. Soweit logisch.
Nun hatte ich im Herbst allerdings versucht, Feldsalat vorzuziehen und habe dazu Erde aus meinem Hochbeet verwendet. Die Erde ist schon ein paar Jahre im Einsatz und vermutlich Recht nährstoffarm. Die Pflanzen sind leider sehr kümmerlich aufgegangen. Als ich die alten Hasen aus der Nachbarschaft gefragt habe, meinten die, ich muss die Anzuchterde düngen, da die Pflanzen wohl zu wenig Nährstoffe haben. Und nun steh ich da. Jetzt auf einmal doch wieder viele Nährstoffe?

Wie seht ihr das?
Ich Frage auch deshalb, weil ich jedes Jahr die Anzuchterde im Baumarkt kaufe und die sicher doch selbst herstellen könnte. Wie macht ihr das?

Vielen Dank schon jetzt für eure Hilfe!

Wurzltrockner
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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#2

Beitrag von Wurzltrockner » Di 27. Dez 2022, 18:42

Denke, im Frühjahr, z.B. für Tomaten & Co. ist es wichtig, nicht so viele Nährstoffe drin zu haben, damit die nicht frühzeitig hochschießen bei zu wenig Licht.

Ich mach mir da kaum Gedanken - nehm einfach meist Erde, die z.B schon mal Kartoffeln beherbergte.

Ferry
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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#3

Beitrag von Ferry » Di 27. Dez 2022, 22:03

Wenn der Feldsalat schlecht gekeimt ist hat das mit den Nährstoffen der Anzuchterde doch meist garnix zu tun. Erst am Wachstum der Jungpflanzen sieht man was.
ich kaufe meine Anzuchterde. Irgendwann will ich die auch mal selber machen, aber das wird noch ein paar Jährchen dauern.... aus dem Hochbeet die erde zu nehmen klingt für mich aber garnicht sooo schlecht. Ansonsten kenn ich noch: Maulwurfshügel.

Schwäbischer-Alb
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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#4

Beitrag von Schwäbischer-Alb » Di 27. Dez 2022, 22:24

Die Pflanzen sind schon einige gemeint. Allerdings war dann bei einer Pflanzengröße von etwa 10 mm Schluss. Die sind quasi über vier Wochen stehengeblieben. Eingegangen sind die nicht aber es ging auch nichts voran.
Die Schalen standen im Keller unter einer bereits mehrfach erprobten Pflanzlampe bei etwa 17 Grad.

wörpedahler
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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#5

Beitrag von wörpedahler » Mi 28. Dez 2022, 11:15

OK, Infos vom Gärtner.
Anzuchterde oder Nullerde (eigentlich Substrat, mit Erde hat das wenig zu tun) wird vom Profigärtner bei der Aussaat verwendet.
Dabei wird nicht in Töpfe, sondern in Platten gesät. Für den Laien: sieht in etwa aus wie Eierkartons aus Plastik, viele kleine Mulden nebeneinander. Gibt es in verschiedenen Größen.
Der Gärtner stellt dann tausende Sämlinge der verschiedensten Pflanzen in sein Gewächshaus. Dabei kann es zu verschiedenen Krankheiten, vor allem Pilzerkrankungen und Schimmel kommen. Das wollen wir vermeiden, daher nehmen wir ein möglichst neutrales Substrat. Am liebsten würden Gärtner in Styropor oder Schaumstoff aussäen.
Jetzt bringt der Samen alles mit, was er braucht. Er hat genug Nährstoffe um den Sprössling, die Keimblätter und die ersten echten Blätter zu bilden. Erst danach braucht die Pflanze Nährstoffzufuhr von außen.

"Normales" Substrat in Gärtnereien ist meist relativ stark aufgedüngt. Du musst dir vorstellen, dass in einem recht kleinen Topf eine große Pflanze wachsen und auch schön blühen soll. Dabei düngt der Gärtner meist nicht nach, sondern alle Nährstoffe bis zum Verkauf sind schon im Substrat. Heutzutage meist als Langzeitdünger in Form von kleinen Kügelchen, die sich nach und nach auflösen. (sieht man manchmal in gekauften Pflanzen, blaue, grüne oder gelbe Kugeln in der Erde)

Würdest du dieses Substrat für Aussaaten verwenden, hättest du mehrere Probleme: Erstens wären die Keimlinge total überdüngt. Es kommt dann schnell zu Vergeilung. Besonders, wenn du zum perfekten Zeitpunkt keine Zeit zum Umtopfen hast und die Jungpflanze mal 2 Wochen warten muss. Dann willst du als Gärtner gar nicht, dass die wächst, die soll klein bleiben.
Außerdem würde sich der Langzeitdünger schon nach und nach auflösen. Die Pflanze braucht ihn aber gar nicht: Also wird er ausgewaschen und belastet das Wasser. Zudem fehlt er dann später, wenn die Pflanze groß ist.

Mit dem, was so im Garten passiert hat das alles wenig zu tun.
Schauen wir mal in die Natur. Die meisten Samen keimen einfach da, wo sie auf den Boden fallen. Da ist keine Anzuchterde, da ist einfach Mutterboden. Es gibt ja auch für Gemüse die Direktaussaat ins Beet. (Dazu gibt es sogar Studien, dass Pflanzen nach Direktaussaat grössere Wurzeln haben, als nach dem Umtopfen)
Das größte Problem bei der Vorzucht von Sämlingen ist, sie gleichmäßig feucht zu halten, ohne dass sie zu nass sind (Pilzerkrankungen). Dafür ist ein guter Tipp: Drainage. Im einfachsten Fall magert man die Erde mit etwas Sand ab und hilft damit dem Wasser abzufließen. Man kann auch unten in den Topf etwas Split oder Kies füllen.
Ansonsten kann man einfach normale Gartenerde ohne besondere Ansprüche nehmen. Achtung: Keinen Kompost. Kompost besteht nur aus organischem Material, der mineralische Anteil fehlt. Daher neigt der zum vernässen und faulen. (außerdem ist er Nährstoffreich und das braucht der Keimling nicht)
Der Hobbygärtner sät ja meist in 9er Töpfe oder gar Liter-Töpfe, was halt so da ist. Die sind viel größer als die Platten beim Gärtner und die Pflanze bleibt da viel länger drin. Wenn du da Nullsubstrat verwenden würdest, würde die Pflanze irgendwann verhungern, bzw. müsstest du sie zwingend nach der Bildung der ersten echten Blätter umtopfen.
Zu der Frage mit dem Feldsalat: Alles bis zu den ersten echten Blättern ist unabhängig von den Nährstoffen in der Erde. Bis dahin kann es nur an Licht, Wärme und Wasser liegen. Du redest vom Herbst also vermutlich mangelndes Licht und mangelnde Wärme. Wenn du denen Nährstoffe gibst, können die sie gar nicht umsetzen (Minimum-Prinzip).
Erst nachdem die Pflanzen groß genug sind und echte Blätter haben kommt es auch auf die Nährstoffe an. Dann aber auch darauf, welche vorhanden sind (NPK + Spurenelemente).
Da Feldsalat ein Weide-Unkraut ist und extrem anspruchslos, würde ich hier klar auf die Jahreszeit schließen und erst Vermutung: Mangelndes Licht. (Kälte macht Feldsalat meist nichts aus)

ACHTUNG! WARNUNG! Bitte achtet darauf eure Salate generell nicht zu düngen. Überdüngte Salate bilden Nitrit, welches schädlich ist. Die meisten Salate brauchen sehr wenige Nährstoffe und werden eigentlich immer überdüngt.
In guten alten Gartenratgebern steht daher immer der Tipp Salate nur auf Beete zu pflanzen, wo vorher Starkzehrer wie Kartoffeln waren, die die Nährstoffe schon verbraucht haben.

Außerdem achtet bitte beim Kauf von Substraten darauf, dass sie Torf-frei sind. Der Torfabbau für Blumenerde ist eine riesige Umweltsauereri und muss wirklich nicht sein.

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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#6

Beitrag von Till » Mi 28. Dez 2022, 11:39

Schwäbischer-Alb hat geschrieben:
Di 27. Dez 2022, 22:24
Die Pflanzen sind schon einige gemeint. Allerdings war dann bei einer Pflanzengröße von etwa 10 mm Schluss. Die sind quasi über vier Wochen stehengeblieben. Eingegangen sind die nicht aber es ging auch nichts voran.
Die Schalen standen im Keller unter einer bereits mehrfach erprobten Pflanzlampe bei etwa 17 Grad.
Das lässt sich ganz leicht klären, in dem du der Hälfte deiner Pflanzen einmal irgendeinen x-beliebigen Flüssigdünger nach Packungsanweisung verabreichst. Der ganz billige für 1,30Euro die Literflasche tuts völlig für den Erkenntnisgewinn. Einfach nach Packungsanweisung in gut abgestandenes zimmerwarmes Wasser rühren. Ca 3 Tage nach der Gabe sollte man den Unterschied sehr deutlich sehen.

Schwäbischer-Alb
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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#7

Beitrag von Schwäbischer-Alb » Mi 28. Dez 2022, 18:31

Vielen Dank für die tollen Antworten, Bauch speziell dir wörpedahler.
Ich ziehe übrigens in platten vor, also kleinere wie in der Gärtnerei aber im Prinzip die selben. Meine sind etwa DIN A3 groß.
Den Feldsalat hatte ich unter einer Pflanzlampe, die ich 18 Stunden an hatte.
Anbei auch ein Bild. Die gelbe Färbung ist nur auf dem Bild so, in echt war das nicht so. Die Pflanzen hatten jeden Tag 18 Stunden Kunstlicht (welches ich normalerweise für meine Tomaten nehme) und waren bei etwa 18 Grad aufgestellt. Wasser haben die auch bekommen. Wie du schon sagst, ist Feldsalat ja eigentlich völlig anspruchslos. Deshalb wundert es mich ja auch so sehr.
Was meint ihr dazu?

Generell habe ich mit dem Feldsalat keinen Erfolg, im freibeet habe ich 10 qm ausgesät und nichts (!) Ist gewachsen.
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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#8

Beitrag von Sonne » Mi 28. Dez 2022, 20:46

Ich habe auch immer Probleme mit der Anzucht. Sowohl im Freiland, als auch in Töpfen oder Platten.
Üblicherweise - weil im Freiland nur schlechte Erfahrungen - habe ich sogar Karotten in Anzuchtplatten vorgezogen. Dieses Jahr zur Abwechslung mal nicht. Und da schau her - sie waren viel schöner als die sonst Vorgezogen. Sie sind nämlich gerade gewachsen, während die Vorgezogen immer 'krumme Dinger' waren. Sehr 'krumme Dinger'.

Ich habe früher schon auch ab und zu es bei Karotten mit Direktsaat versucht. Aber oft ging nix oder fast nix auf. Diesmal habe ich einfach ein Vlies darüber gelegt. Vielleicht hat das geholfen. Es wärmt und schützt vor Räubern. Ich glaube inzwischen nämlich, es haben sich heimlich die Vögel das Saatgut geholt. Beweise gibt es da allerdings keine. Da müsste ich mich schon auf Lauer legen um eventuelle Übeltäter zu finden. Dazu bin ich aber zu faul. :grinblum:

Feldsalat habe ich im Herbst auch mit Direktsaat unter Vlies. Es hat trotzdem ewig gedauert, bis endlich mal was, aufging. Vielleicht braucht er ja auch einfach länger. :hmm:
Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. 1. Mose 1, 31

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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#9

Beitrag von Wurzltrockner » Mi 28. Dez 2022, 22:23

Vögel hab ich auch teilweise als Räuber ausgemacht ...

Mein Feldsalat-Beet sät sich seit Jahren selbst wieder aus und liefert dann schön im zeitigen Frühjahr :)

Karrotten würde ich nicht vorziehen, die kommen auch so ganz gut.
Vorgezogen eher ein Problem, da sie ja tief wurzeln wollen ... ich streu immer sehr großzügig selbst geernteten Samen, da kommt immer was ! Genauso bei Mangold, Asia-Salat, Lauchzwiebeln, Salat ...

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Re: Anzuchterde - ich bin etwas ratlos

#10

Beitrag von wörpedahler » Do 29. Dez 2022, 10:23

@Schwäbischer-Alb
Man kann von einem Bild meist nicht so viel schließen, aber hier mal was ich zu sehen glaube:
Das Substrat sieht sehr nass, matschig aus. Ich vermute einen hohen Lehmanteil. Außerdem sehe ich grobe Stücke, also nicht grad fein gesiebt.
Das wäre jetzt nicht mein Wunsch-Substrat zur Aussaat.

Außerdem haben die Sämlinge schon das zweite echte Blattpaar. Zum Beispiel vorne rechts neben dem Finger: Die etwas gelblich aussehenden sind die Keimblätter, dazu zwei echte Blattpaare und in der Mitte schiebt schon das nächste.
Das heißt: Aus Gärtnersicht sind die überständig. Die müssten dringend umgepflanzt werden (Feldsalat ist halt klein...). Gerne dann in ein fein gesiebtes Susbtrat mit Humusanteil.

Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass du relativ gleichmässig gesät hast, dann sieht es auch so aus, als ob die Samen ungleichmäßig aufgegangen sind. Zum einen ist das Substrat in deiner Schale nicht wirklich glatt. Dadurch ist die Feuchtigkeit sehr unterschiedlich.
Zum anderen könnte das Saatgut schlecht sein. Zu alt oder falsch gelagert.
Das würde auch dazu passen, dass im Freiland nichts aufgegangen ist.

Mach doch mal eine Keimprobe?
Außerdem pflanz die starken Keimlinge so schnell wie möglich in größere Töpfe mit vernünftigem Substrat. Und schau dann mal wie sie reagieren.

Wenn du dazu neigst eher spät zu pikieren oder keine Zeit hast, würde ich dir raten von der Platten-Aussaat wegzugehen und direkt in richtige Töpfe zu säen. Bei sowas wie Feldsalat habe ich auch gar nicht die Nerven das zu pikieren. Das wird bei mir einmal gesät und bleibt dann da, ob Topf oder Freiland. Wenn sie zu eng stehen werden die überzähligen aufgegessen. Fertig.

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