Rinder-Fanganlage

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Manfred

Rinder-Fanganlage

#1

Beitrag von Manfred » So 4. Aug 2013, 10:59

Da schon mehrfach gefragt wurde, wie man freilaufende Rinder fängt und behandelt, hier einige Infos zu Rinderfanglangen.
Die Fotos sind teilweise von meiner eigenen Anlage, teilweise von der Firma Patura (ich darf die Bilder als Händler verwenden).

Zuerst zwei Prinzip-Zeichnungen, wie solche Anlagen aufgebaut werden können:

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Die Anlagen bestehen jeweils aus einem Warteraum und einem Treibgang an dessen Ende sich die Fangvorrichtung befindet.
Um die Tiere vom Warteraum in den Treibgang zu bugsieren, verwendet man eine Eintreibehilfe. Im ersten Bild ist das ein einfaches Schwingtor an einem dreieckigen Eintreibetrichter (das Männchen im Warteraum schiebt gerade das weiße Rind mit dem Schwingtor in den Treibgang). Im zweiten Bild sie eine aufwändigere, halbkreisförmige Treibhilfe zu sehen.

Ohne Eintreibhilfe sind die Tiere nur schwer in den Treibgang zu bekommen. Wenn man sie treiben will, laufen sie sonst lieber im Warteraum im Kreis, statt in den schmalen Treibgang zu gehen.

Die skizzierten Warteräume sind nach meiner Erfahrung für die Angegebene Tierzahl viel zu klein. Man kann da zwar so viele Tiere reinquetschen, aber freiwillig gehen die da nicht rein, weil es den rangniederen Tieren der Herde zu eng wäre.

Meine eigene Fanganlage hat deshalb zwei größere, getrennte Warteräume.
Ich locke die Tiere mit Getreideschrot in die Anlage. Zunächst öffne ich nur einen Raum. Da rennen zuerst die ranghohen Tiere rein.
Wenn die weggesperrt sind, öffne ich den zweiten Raum, in dem sich dann auch die rangniederen Tiere fangen lassen.
Wenn ich nicht alle Tiere erwische, öffne ich einen Durchgang zwischen den beiden Warteräumen, treibe alle bereits gefangen Tiere in einem Raum zusammen, und habe dann wieder den Raum frei, um die restlichen Rinder zu fangen.

Hier ein Bild Übersichtsbild meiner Anlage:
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Warteraum 1:
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Und Warteraum 2:
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Als Eintreibehilfe vom Warteraum in den Treibgang verwende ich ein Schwingtor wie in der ersten Skizze gezeigt.

Schwingtor geöffnet:
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Bilck vom Warteraum in den Treibgang:
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Schwingtor geschlossen:
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Manfred

Re: Rinder-Fanganlage

#2

Beitrag von Manfred » So 4. Aug 2013, 11:20

Der Treibgang ist so eng, dass die Tiere nur im Gänsemarsch durch können. So lassen sich die Tiere nach Bedarf vereinzeln und fixieren.

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Am Ende des Treibgangs befindet sich der Fangstand mit Halsfangvorrichtung.
In meinem Fall ist der Fangstand ein Eigenbau. Die Halsfangvorrichtung ist gebraucht gekauft und stammt vom US-Hersteller Priefert.
Der Fangstand hat einen festen Boden, damit die fixierten Tiere nicht loslaufen und den Stand einfach mitziehen können.
Alternativ könnte man die Fangeinrichtung auch mit starken Pfählen fixieren. Das ist aber für den mobilen Einsatz ziemlich umständlich. Bei einfachen Halsfangvorrichtungen sollte man wenigstens einen Ständer verwenden, auf dem die Tiere mit den Vorderbeinen zu sehen kommen, um das Wegschieben der Fangeinrichtung zu verhindern.

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Auf der anderen Seite des Fangstandes ist die Dreipunktaufhängung zum Transport per Traktor zu sehen.
Direkt hinter dem Fangstand ist eine seitliche Tür in den Treibgang eingebaut, als Zugang für den Tierarzt, z.B. bei Blutentnahmen (jährliche Pflichtuntersuchung) und für Trächtigkeitskontrollen. Ohne Tür müsste man jedes mal seitlich über die Gitter klettern...
Dann folgen zwei Schiebetüren. Die erste dient dazu, das gefangene Tier und den Tierarzt vor nachrückenden Tieren zu schützen.
In Kombination mit der zweiten Schiebetür können Tiere bei Bedarf im Treibgang vereinzelt werden. So kann man sie einzelne weiter in den Fangstand lassen oder man kann dort eine Waage einbauen oder einzelne Tiere durch eine seitliche Tür aussortieren (dort könnte man z.B. einen weiteren Warteraum anbringen, um die Herde zu sortieren).

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Noch ein Bild des Treibgangs. Tierarzt-Tür und beide Schiebetüren geschlossen.

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Noch einige Bilder von Patura:
So schaut es aus, wenn ein Tier im Halsfang fixiert ist:
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Eine sinnvolle Ergänzung für den Halsfang ist ein Fangkorb. Dieser wird vor den Halsfang geklappt, bis das Tier sicher fixiert ist.
Sonst kann es vorkommen, dass ein Tier durch den Halsfang entwischt, bevor dieser sicher geschlossen ist. Ist mit selbst schon passiert. Eine Sekunde nicht aufgepasst und der Tierarzt darf am nächsten Tag noch mal kommen, um das ausgebüchste und jetzt wieder gefangene Tier auch zu untersuchen...

Fangkorb geschlossen. So kann das Tier nicht entwischen, bevor es sicher fixiert ist:

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Der Fangstand kann mit zusätzlichen Zubehör versehen werden.
Hier eine Klauenpflegeeinrichtung.

Das Tier wird mit zwei Bauchgurten gesichert, damit es nicht stürzen kann, wenn die Beine angehoben werden.
Sie seitlichen Zugangstüren ermöglichen freien Zugriff auf das gefangene Tier.

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Dann können die Füße einzeln angehoben und behandelt werden.

Vorderfußwinde:

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Hinterfußwinde:

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Auch der Einbau einer Waage ist möglich.

Hier in Form vom Wiegebalken unter dem Behandlungsstand:

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Oder zwischen zwei Schiebetüren im Treibgang, mit einer Wiegeplattform:

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Manfred

Re: Rinder-Fanganlage

#3

Beitrag von Manfred » So 4. Aug 2013, 11:39

Noch ein paar Praxiserfahrungen:

Der Warteraum vor dem Triebgang sollte nicht zu groß sein. Je größere er ist, desto schwieriger wird es, die Tiere in die Eintreibhilfe und dann in den Treibgang zu bekommen. Bei großen Herden lieber mehrere Warteräume nutzen und jeweils eine größere Zahl Tiere gleichzeitig in den letzten Warteraum treiben.
Man sollte nicht versuchen, die Tiere einzeln von der gefangenen Herde weg in den Treibgang zu jagen. Rinder sind Herdentiere. Deshalb nach Möglichkeit immer in Gruppen bewegen. Also mögl. mehrere Tiere gleichzeitig in die Eintreibevorrichtung bewegen.
Beim Treiben keine Hektik aufkommen lassen. Je hektischer die Tiere werden, desto mehr laufen sie als Herde im Kreis und desto schwieriger gehen sie in den Triebgang.
Ruhig bewegen und öfter mal üben. Je besser die Tiere den Vorgang kennen, desto leichter lassen sie sich fangen.

Rinder laufen gerne im Kreis. Das kann man sich beim Aufbau der Anlage zunutze machen.
Im ersten Beitrag in der zweiten Skizze ist das zu sehen. Der halbkreisförmige Eintreibebogen und der Treibgang parallel zum Warteraum nutzen dieses Verhalten aus. Die Tiere im Treibgang müssen nicht weg von der Herde laufen, sondern können sich parallel zur Herde bewegen und darauf hoffen, am Ende wieder Anschluss zu finden.

Bei unseren kleinen Herdengrößen sind die Nutzungsmöglichkeiten des Kreislaufens begrenzt. Bei Fanganlagen für Großherden und bei Großschlachthöfen für Weiderinder in den USA und anderen Ländern werden Anlagen gezielt dafür optimiert.
Dabei hat sich vorallem Temple Grandin sehr verdient gemacht. Sie hat fast ihr ganzes Leben mit der Verhaltensforschung bei Nutztieren und mit der Optimierung von entsprechenden Fang- und Treibanlagen verbracht.
Auf deutsch ist ihr Buch "Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier: Eine Autistin entdeckt die Sprache der Tiere" erhältlich, dass einen Tiel ihrer Lebensgeschichte beschreibt.
Ein Fachbuch für Nutztierhalter hat sich auch geschrieben: "Livestock Handling and Transport", ISBN-13: 978-8190232012
Das richtet sich aber eher an Leute, die im großen Umfang Tiere halten und bewegen. Für Laien daher nur bedingt zu empfehlen.

Was Rinder auch nicht mögen, sind Rampen. Sie steigen lieber Stufen. Wer also beim Fangen/Verladen starke Steigungen überwinden muss, sollte eher mit Stufen als mit Rampen arbeiten.

hunsbuckler
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Re: Rinder-Fanganlage

#4

Beitrag von hunsbuckler » So 4. Aug 2013, 16:27

Vielen Dank, Manfred!
Ganz tolle Darstellung!
Hatte auch oft Rinder zu treiben und hätte mir manches Mal solche "Luxus-Korrals" gewünscht!
Stattdessen mußte ich mich mit Provisorien behelfen, die letztlich wg. Zeitaufwand und Risiko viel "luxuriöser" waren.
Mit Ruhe und "minimalinvasiver Einwirkung" kann man einiges kompensieren...
Liebe Grüße, Hans www.jugendrettet.org

Manfred

Re: Rinder-Fanganlage

#5

Beitrag von Manfred » So 4. Aug 2013, 17:22

Das ist der Punkt. Provisorien werden bei Rindern schnell zum exten Luxus. Fressen viel Zeit und sind teilweise lebensgefährlich.
Muss ja nicht gleich eine super Fanganlage sein. Aber einige Grundvoraussetzungen für sicheres Fangen sind einfach notwendig.
Ich hab z.B. selbst mit erlebt, wie jemand mit ein paar Panels und einem einfachen Halsfang ohne Ständer seine Jungbullen fangen wollte.
Das Zeug stand ohne Fixierung auf der Weide. Die Jungbullen waren drin. Er stieg rein, um einen in den Halsfang zu treiben. Da sind sie alle in die selbe Richtung losgerannt und haben die ganze Konstruktion einfach mitgeschleift. Über 100 m weit. Ich stand panisch da und konnte nichts machen. Wäre ich hinterher gerannt, wären sie evtl. vor Schreck noch schneller und weiter gelaufen. Ich konnte nur langsam nachgehen, um sie nicht noch mehr zu verschrecken.
Der Halter hatte Glück ohne Ende. Er konnte sich seitlich an einem Panel festkrallen und wurde so nicht überrannt, eingequetscht oder noch Schlimmeres.

Wenn die Gegebenheiten stimmen, reicht oft eine relativ kleine Investition. Ein Bekannter von mir hat eine kleine Gallowayherde arrondierten Flächen rund um seinen Hof. So kann er seinen Stall als Warteraum nutzen. Einen Treibgang hat er sich aus einigen Fichtenstangen und einbetonierten Metallrohren selbst gebaut. Vorne einen Halsfang dran und fertig. Die Tiere werden regelmäßig im Stall angefüttert. Dann wird die Tür zugemacht und der Treibgang auf und so war es für sie bald ganz selbstverständlich, den Stall durch den Treibgang zu verlassen.

Ich hab auf meiner Wunschliste noch einen Eintreibebogen und einen besseren Fangstand, mit Klauenpflegeausstattung. Das muss aber erst mal warten. Evtl. kriege ich ja auch mal einen gebrauchten Fangstand nach meinen Vorstellungen. Mutterkuhhaltung ist eh ein sehr knappes Geschäft. Da muss man sich schon überlegen, was man an Ausrüstung wirklich braucht. Dieses Jahr sind einige km neuer Zaun und der zweite Unterstand dran. Einen Schwader hat es mir auch zerlegt... Damit ist der Investitionsplan mehr als ausgeschöpft. ;)

Was ich oben noch vergessen habe:
Der eine Warteraum grenzt fast an den Zaun. Ist auf dem Bild nicht zu sehen. So ist es leichter, übrige Tiere zu fangen, die beim Anfüttern nicht gleich mit rein gehen. Ich öffne einfach ein Panel des leeren Warteraums und stelle es raus bis an den Zaun.
Wenn die Flüchtlinge dann um die gefangene Herde kreisen (siehe oben, sie kreisen gerne) laufen sie zwangsläufig in den Trichter aus Zaun und geöffnetem Panel und sind selbst gefangen.
Steht die Anlage allseitig frei auf der Fläche, kann man den ganzen Tag den Flüchtlingen hinterher im Kreis laufen, wenn die auf bockig machen. ;)

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Re: Rinder-Fanganlage

#6

Beitrag von stoeri » So 4. Aug 2013, 17:53

Hallo MAnfred,

vielen vielen Dank das ist ja hoch intereressant.
Wir hatten keine so tolle Anlage für die Schafe und wir nannten es Trichtern.
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

Wenns nur olle so waradn, wia i sei soiad.

Manfred

Re: Rinder-Fanganlage

#7

Beitrag von Manfred » So 4. Aug 2013, 19:03

Schafe sind wenigstens handlicher. :) Da kann man die nötigen Hilfsmittel leichter selbst fertigen.
Aber wenn man sie beruflich hält, braucht man viele. Das wirft wieder neue Herausforderungen beim Management und Handling auf.
Mit dem Nick Vogeler von den schaf-foren.de telefoniere ich ja öfter. Er macht sich deutlich mehr Gedanken über die Optimierung seiner Fanganlage als ich. Gerade bei den deutschen Einmannbetrieben ist das anspruchsvoll.
Wenn diese schönen Spielsachen aus Neuseeland nicht so teuer wären...

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Re: Rinder-Fanganlage

#8

Beitrag von stoeri » So 4. Aug 2013, 19:33

Hallo Manfred,

seit meine damalige Freundin weg gezogen ist bin ich dort nicht mehr.

Wie oft mußt Du die Rinder da durch treiben, wohl schon alle paar Wochen oder?
Ist es da nicht so das je öfter sie da durch müssen umso weniger gern wollen sie da durch meistens pixt es ja oder schmeckt es schlecht oder es ist einfach zuviel Streß es ist einfach immer unangenehm das werden die doch auch schnell kapiert haben oder nicht?
Wir haben ja die Hunde die sie uns reintreiben aber wenn die Schafe den Trichter sehen oder zum Schafstall getrieben werden dann brauchen wir schon sehr gute Hunde.

Muss man Rindern auch die Klauen immer wieder desinfizieren, da hatten wir so Wannen im Trichter wo die Schafe durchlaufen müßten?
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

Wenns nur olle so waradn, wia i sei soiad.

Manfred

Re: Rinder-Fanganlage

#9

Beitrag von Manfred » So 4. Aug 2013, 19:53

So oft müssen die Rinder da nicht durch. Hauptsächlich geht es darum, einzelne Tiere für den Verkauf heraus zu fangen oder halt für die Blutuntersuchung oder mal eine Klauenpflege oder um verlorene Ohrmarken zu ersetzen etc.
Ich lasse sie aber ab und zu zur Gewöhnung durchlaufen. Sie kriegen dann ja lecker Lockfutter, so dass Fanganlage für sie im Mittel ein eher positives Erlebnis ist.
Wenn sie nur gefangen würden, wenn eine Behandlung ansteht oder Tiere abgesondert werden sollen, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass sich eine generell negative Meinung über die Fangaktionen entwickeln könnte.

Klauenbäder sind bei Rindern eher in Milchvieh-Laufställen ein Thema, wo die Klauen durch die ständige Nässe der planbefestigen Laufflächen aufweichen und krankheitsanfälliger werden.
Ich musste noch nie ein Klauenbad machen. Zur Zeit habe ich noch einige Tiere mit zu starkem Klauenwuchs oder leichten Klauenfehlstellungen, die ab und zu ausgeschnitten werden müssen. Die selektiere ich aber nach und nach aus. Bei ganzjähriger Freilandhaltung sollte sich der Klauenwuchs mit dem Abrieb die Waage halten. Bei den meisten Tieren in der Herde funktioniert das schon gut.

Schafe sind halt trotz der langen Züchtungsgeschichte im Kern Tiere aus eher trockenem, bergigem, steinigem Gelände. Daher die Empfindlichkeit der Klauen vor allem auf nassem Gelände. Rinder als Flachland-Weidetiere sind da besser angepasst.
Mehrere 100.000 Jahre Evolution züchten sich nicht so einfach weg.

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Re: Rinder-Fanganlage

#10

Beitrag von stoeri » So 4. Aug 2013, 20:52

Hallo Manfred,

vielen Dank für Deine Beratung mir darfst solche Bilder nicht zeigen sonst hast ein Loch in Bauch gfragt.

Die Kühe sehen auch sehr cool und gelassen aus in den Ständen und das mit dem öfter mal so durchlaufen lassen ist eine super Idee.
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

Wenns nur olle so waradn, wia i sei soiad.

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