Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

Manfred

Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#21

Beitrag von Manfred » Sa 16. Mär 2013, 20:32

Im Landtreff hat neulich jemand zusammengezählt, wie konzentriert der Markt inzwischen ist.
In D gibt es jeweils ca. 20 Großschlachthöfe, -mühlen und -molkereien, die zusammen den Großteil der deutschen Lebensmittel umsetzen.
Und der Konzentrationsprozess geht weiter.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir extrem anfällig sind. Man braucht nur 60 weiche Ziele wegzubomben, um die ganze deutsche Lebensmittelindustrie lahm zu legen...

Sabi(e)ne
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#22

Beitrag von Sabi(e)ne » Sa 16. Mär 2013, 20:49

Oder der Regionalmarkt kann sich sogar im Ortskern etablieren, zwischen Metzger und Bäcker, wenn die noch vorhanden sind.
Es müsste halt schon ein gewissen Sortimentsbreite gegeben sein, damit der Kunde eben nicht 10 verschiedene Höfe in 30 km Umkreis abklappern muss, um seinen Wocheneinkauf zusammen zu haben.
Das haben wir hier, zweimal die Woche - aber zu gesalzenen Preisen. Für H4er unerschwinglich.
Hier gibt es alles, von Bio-Ziegenzeugs über Bio-Schafzeugs über Biobrot über Biokäse und Gemüse und neuerdings auch Bio-Blumen. Und etliche andere nicht bio, wie der Roßschlachter und die anderen 3 Metzger.
Biokisten (mit absolutem Vollsortiment!) werden im näheren Umfeld auch angeboten, ebenso Rohmilch und Bio-Fleisch/Geflügel, Eier, Brot, und volles Molkereisortiment nach Hause.
Diese Stadt hat aber nur 30.000 EW - und fast 1500 H4er Haushalte, von uns allein können die Marktbeschicker also nicht existieren, also beschicken nahezu alle auch alle umliegenden kleineren Märkte, das scheint dann zu passen, weil die beiden nächsten größeren Städte 45/50km weg sind.
Aber 6Tage die Woche Marktfahren ist hart.

Es gibt aber genug Regionen, wo sich das überhaupt nicht rechnet, weil einfach die Kundsschaft nicht das Geld hat.
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stoeri
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#23

Beitrag von stoeri » Sa 16. Mär 2013, 21:30

Hallo Freunde,

ich kaufte vor wenigen Jahren so gerne auf den Wochenmärkten ein, am liebsten bei den kleinen Ständen. ABer jetzt ist es wie Thomas V sagt die kleinen Stände gibt es nicht mehr sondern die auch nur im Großhandel einkaufen, das kann ich dann bei Feinkost Li oder Al auch kaufen. Ein bisschen ein Ratscherl mit den "Alten" oder den einen oder anderen Tip von der Gemüsebauerin und schon dafür ist mein Geld in gute Hände gekommen.
Aber ich glaube die Kleinen die mal so Ihre paar Steigen Äpfel verkaufen möchten oder ihren selbstgemachten Honigwein anbieten dürfen das gar nicht mehr, wegen den EU-Richtlinien. Alle Kartoffeln müssen die selbe Größe oder Gewicht haben das wird wohl bei Äpfeln auch nicht anders sein.
Und der der Zukauft darf ja auch nur noch dort seine Ware kaufen der nach EU Richtlinien produziert und da fällt die Bäuerin weg die von Ihren 50 Hühnern Ihre Eier dem zum weiterverkauf verkauft weil sie keine durchläuchteten Eier mit Größensortierung hat. Sondern selber jeden Tag die Eier absammelt.
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

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Firehorse
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#24

Beitrag von Firehorse » Sa 16. Mär 2013, 22:27

Manfred hat geschrieben:Im Landtreff hat neulich jemand zusammengezählt, wie konzentriert der Markt inzwischen ist.
In D gibt es jeweils ca. 20 Großschlachthöfe, -mühlen und -molkereien, die zusammen den Großteil der deutschen Lebensmittel umsetzen.
Und der Konzentrationsprozess geht weiter.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir extrem anfällig sind. Man braucht nur 60 weiche Ziele wegzubomben, um die ganze deutsche Lebensmittelindustrie lahm zu legen...
Es muss nur einen großflächigen Stromausfall geben, dann ist es auch soweit.
Wir hätten auch einiges zu bieten, Eier, Hähnchen, Ziege, Schaf, evt. Milch/ Käse... aber bei den ganzen Auflagen würde sich das nie rechnen, wenn man nicht wieder Massen von allem hat.
Wahrscheinlich dürfen wir froh und dankbar sein, dass Nutzviehhaltung für´s Volk noch nicht verboten ist.

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stoeri
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#25

Beitrag von stoeri » Sa 16. Mär 2013, 22:56

das ist doch alles so krank!!!
herzliche Grüße
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#26

Beitrag von Thomas/V. » Sa 16. Mär 2013, 23:49

stoeri hat geschrieben:das ist doch alles so krank!!!
Ja, wo das Geld die Welt regiert...

Letztens stand in der Zeitung, das sie einen "Direktvermarkter" ausfindig gemacht haben, der fast nichts selbst hergestellt hatte (war wohl als Fleisch- und Wurstverkäufer unterwegs), sondern alles woanders gekauft hat und selber gar kein Viehzeug mehr hält.
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#27

Beitrag von hobbygaertnerin » So 17. Mär 2013, 09:34

Hallo Erika,
ich hatte heute eine ganze Nacht Zeit zum Nachdenken, die Nachtwache war in 2erlei Hinsicht nicht umsonst-
1. haben wir mit Hilfe vom Tierarzt einer sehr grossen jungen Dame ins Leben geholfen, Mutter und Kind gehts gut und wenn ich die Kuh so hingebungsvoll ihr Kalb ablecken sehe, wie das Kalb so neugierig in die Welt blinzelt und nach gar nicht langer Zeit bereits die Milchquelle sucht- dieses Gefühl kann ich nicht beschreiben, es ist Rührung, Dankbarkeit, Freude, Glück- aber auch Stolz, dieses erleben zu dürfen, ich vermute mal, dass ich in meinem Leben viel mehr von der Natur gelernt habe als mir alle Fort-Weiterbildungsmaßnahmen und sämtliche Fachbücher und -zeitschriften rübergebracht haben.
2. mir ist zwar nicht die Lösung der milchviehhaltenden Probleme bekommen, dazu sind sie zu vielschichtig,
aber nach meinem Nachdenken sind mir 2 grosse Problembereiche untergekommen,

das Erste: die Welt besteht zwar aus 50 % von der einen Sorte und 50 % von der anderen, aber den Ton gibt eine Sorte an. Die Welt ist männlich, logisch, alles wird genau berechnet, die Lehre, sie ist in männliche Richtung ausgerichtet-
das was Frauen ausmacht, ihre Intuition, ihre andere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln- hatte früher keine Bedeutung und sehr viel hat sich nicht geändert.
Wenn ich nur drandenke, wie ich mich mit Stallplanern, Betriebswirtschaftlern anlegen musste, um die mir wichtigen Dinge in den Betrieb einzugliedern. Dass eine Kuh in einer eigenen Box und doch in der Herde nicht total abgesondert ihr Kalb in Ruhe bekommen kann, das Kalb wenigstens für ein paar Tage bei sich behalten darf- wieviele "Fachleute" wollten mir das ausreden und versuchen es auch heute noch, zum Glück bin ich unbelehrbar, zäh und verlasse mich auf das was sehr oft geringschätzig als gefühslduselei bezeichnet wird.
Frau kann nicht berechnen, was der Kuh und dem Kalb damit Gutes passiert, wenn sie ein Stück weit ihre Instinkte leben dürfen.
Man plant heute alles, es lässt sich sehr viel technisieren und alles ist nicht schlecht. Aber dennoch brauchen wir unsere Sinne unsere Gefühle.

das Zweite: wir haben eine verschobene Wissensvermittlung, auf der einen Seite, die das Wissen haben, es rüberbringen und die von dieser asymethrischen Wissenverteilung leben und auf der anderen Seite die Wissensempfänger, die davon und damit leben müssen, die Arbeit und das Risiko haben.

Wir bräuchten nur eine bessere Mischung von weiblichen und männlichen Fähigkeiten, gäbe noch eine ganze Liste, was alles fehlt.
Und meine Freude, es gibt sie noch, die jungen Leute, die sich ein Stück weit ihre Intuition, ihre Visionen bewahrt haben, das macht Mut.
Ich freu mich über jeden, der und wenn es auch nur ein Blumentopf oder ein Balkon ist, ein wenig oder mehr Pflanzen heranzieht, denn wer dieses Gefühl und diese Freude einmal erlebt hat-
das kann ein gewaltiger Anfang sein.
Das heutmorgendliche Glücksgefühl mit dem neuen Leben, die Sonne scheint, der Frühling wird auch irgendwann gegen diese Kälte gewinnen- trotz aller Schwierigkeiten, es ist dieses Gefühl, mit der Natur, in ihr und von ihr zu leben, das meist über diese anderen Probleme hinweghelfen.
Und die Hoffung, dass es auch in Zukunft noch ein paar Idealisten, Visionäre, "Spinner/innen" geben wird.

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stoeri
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#28

Beitrag von stoeri » So 17. Mär 2013, 09:47

Hallo Maria

das war jetzt wirklich schön zu lesen.

Is das Kälbchen für mich? ;-)
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

Wenns nur olle so waradn, wia i sei soiad.

utebo
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#29

Beitrag von utebo » So 17. Mär 2013, 12:09

Ich hab' hier im Rahmen des irischen Agrar-Umweltprogrammes mit einem Bauern zu tun, der seit eh und je auf 25 ha Ungunststandort Mutterkuhhaltung betreibt. Lange hat er versucht, durch Intensivierung mit den Entwicklungen Schritt zu halten. Arbeit und Kosten wuchsen ihm über den Kopf, da er mit dem im Laufe der Zeit auf 25 Kühe angewachsenen Bestand natürlich finanziell eh nicht weit kommt und "nebenbei" noch Taxi fährt, vorwiegend an WE und Nachts.
Dann ist er 2008 in das Agrarumweltprogramm gegangen und hat gleichzeitg auf Bio umgestellt. Runter auf 10 Kühe, die im Frühjahr geborenen Kälber werden im Herbst verkauft. Und siehe da: Wo er früher Heu oder Silage und Kraftfutter zukaufen und kräftig Mineraldünger ausbringen musste, hat er plötzlich Überschuss. In den schlechten Sommern 2011 und 2012 konnte er seinen Nachbarn, die ihre Tiere zum Teil im Juni aufstallen mussten, weil zu viele Tiere auf nassen Flächen die Grasnarbe zerstören, Raufutter verkaufen. Er hat jetzt soviel Gras, dass er sommers noch ein paar Masttiere dazustellen kann. Er braucht weder für Kraftfutter noch für Dünger Geld auszugeben, Fruchtbarkeits- und Abkalbeprobleme sind ein Thema der Vergangenheit, er kriegt am Markt mehr für seine Bio-Rinder, kann mit Leichtigkeit die Umweltauflagen und Bioverbandsauflagen erfüllen und bekommt dafür gut Zuschüsse. Zudem hat er jetzt mehr Zeit um endlich wieder eigenes Gemüse anzubauen und hat im Rahmen des Agrar-Umweltprogrammes noch einen Obstgarten mit alten Apfelsorten angepflanzt, die bald tragen dürften.
Ausnahmsweise mal Subventionen, die an die richtige Stelle fliessen. Manchmal ist Weniger mehr.

Manfred

Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#30

Beitrag von Manfred » So 17. Mär 2013, 12:41

@utebo: Ich bin mit meinem Hof ja auch den Weg gegangen, wie von dir beschrieben. Etwas schlechtes Gewissen bleibt trotzdem. Wir (also Betriebe wie der beschreibene und meiner) bekommen Geld dafür wenig Nahrungsmittel zu produzieren.
Aber am anderen Ende der Welt werden gleichzeitig Urwälder gerodet um unseren Nahrungsmittel- und Rohstoffbedarf zu decken. Mir wäre es am liebsten, ich könnte an Nahrung produzieren, was mein Hof nachhaltig hergibt, und von den Verkaufserlösen leben. Ein gesundes Mittelmaß eben und nicht diese Aufspaltung der Landwirtschaft in zwei Extreme, einmal maximal Intensivierung und auf der anderen Seite Ausgleichszahlungen für maximale Extensivierung. Einfach nur normale Landwirschaft in bäuerlichen Betriegsgrößen, zur Deckung unseres eigenen Bedarfs, ohne diese gwaltigen globalen Verwerfungen und Warenströme. Das würde ich mir wünschen. Aber als Bauer muss ich die realen wirtschaftlichen Bedingungen anerkennen und mich danach ausrichten, wenn ich meinen Hof erhalten will.

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