Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

Manfred

Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#1

Beitrag von Manfred » Fr 15. Mär 2013, 17:56

Selbst die Großbetriebe in Nordostdeutschland schaffen es 2012 großteils nicht mehr, kostendeckend zu wirtschaften.
Nach einer Auswertung des landwirtschaftlichen Beratungsunternehmens Koesling Anderson erreichten die besten Betriebe (in der Regel die, die wegen nutzbaren Altgebäuden und abgeschriebenen Maschinen gerade keine hohen Abschreibungskosten haben) gerade mal 1,8 Cent Gewinn pro Liter Milch, die schlechtesten zahlten pro Liter 9,1 Cent drauf.

http://www.elite-magazin.de/news/Nordos ... 79756.html

Kann sich jeder an zwei Finger abzählen, wie es bei den Kleinbetrieben im Rest Deutschlands ausschaut.

Am Dienstag war ich bei meiner Steuerberaterin. Die hatte gerade die Abrechnung für einen Milchviehbetrieb mit 140 Kühen aus Oberfranken gemacht (und das sind hier in der Gegend die ganz großen und modernen Betriebe). Den Namen hat sie natürlich nicht genannt. Aber da würden 3 Familienarbeitskräfte 7 Tage die Woche schuften von früh bis spät. Und deren Betriebsergebnis sei nicht besser als das meiner kleinen Nebenerwerbslandwirtschaft. Sprich die arbeiteten 2012 für die Katz und konnten nicht mal annähernd die Zinsens fürs eingesetzte Eigenkapital wieder rein holen.

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Distelbauer
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#2

Beitrag von Distelbauer » Fr 15. Mär 2013, 18:23

Hallo Manfred,

ich bin betriebswirtschaftsmäsig kein Held. Ich hab auch ein wenig Mitleid mit den Milchbauern. Aber wenn ich sehe was unsre Bauern hier an Zuschuss bekommen. Ich möchte mit keinem Tauschen, aber die bekommen hier zwischen 30 und 45000€. Gut dann muß Pacht, Abnutzung ...noch gezahlt werden. Aber ich finde ein Betrieb sollte mit der Grundlage schon irgendwie durchkommen.
Ist natürlich auch Ansichtssache wie wohlhabend das man sein will/muss. Ich weiß nur mein Großvater konnte seine Familie noch gut von unserem Hof ernähren (finanziell). Mein Vater hörte dann irgendwann auf weil er nicht auf die Wachstumsschiene aufgesprungen ist. Wenn nun diejenigen die gewachsen sind an der selben Stelle stehen, dann kann ich meinem Vater nur danken, daß er sich dagegen entschieden hat.

Gruß Georg

borger
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#3

Beitrag von borger » Fr 15. Mär 2013, 19:06

Es gab mal Zeiten, da waren nahezu alle Molkereien als Genossenschaften fest in Bauernhand. Bewährt hat sich diese Form der Mitbestimmung nicht.
Die Niedrigpreise wurden – neben unsinnigen Gesetzesauflagen - gezielt eingesetzt, um die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zu reduzieren und so Raum für leistungsfähige Großbetriebe zu schaffen. Nur, wie weit will man das fortsetzen – bis die gesamte Landwirtschaft Deutschlands aus einem Großbetrieb besteht?
Die Lösung wäre einfach: Gesetzliche Mindestpreise – und der Spuk ist vorüber. Das würde dem Staat noch nicht einmal Geld kosten, weil dafür Subventionen abgebaut werden könnten. Aber unsere Politiker haben einfach kein Interesse am Erhalt einer bäuerlichen Landwirtschaft. Denn unbekannt ist ihnen diese einfache Lösung ganz sicher nicht. Bei der Förderung „alternativer“ Energien sind sie genau diesen Weg gegangen.

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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#4

Beitrag von hobbygaertnerin » Fr 15. Mär 2013, 19:17

Hallo Manfred,
zumindest unterstützt der bayer. Staat in diesem Wahljahr die Betriebe, die vergrössern und aufstocken wollen. Davon profitiert die Bauwirtschaft, die Flächen werden ausgerauft, die Landmaschinenindustrie bekommt auch ein Stück vom Kuchen und für die Bauern bleibt die Arbeit, das Risiko und der Kapitaldienst. Nach dem Ende der Quote wird wieder ein begrenzender Faktor dafür sorgen, dass nicht viel Luft nach oben bleibt.
@borger, genau der Spagat zwischen Energie und Ernährung droht einem grossen Teil der Landwirtschaft die Luft zu nehmen.

Manfred

Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#5

Beitrag von Manfred » Fr 15. Mär 2013, 21:11

@Georg: Das hört sich natürlich nach viel Geld an. Aber bau heute mal einen Milchviehstall. 1 Million ist das schnell weg. Und wenn er gebaut ist, dann milkst du ohne wenn und aber, mind. bis die Kredite abbezahlt sind.
Oder du brauchst mal wieder einen neuen Traktor oder Futtermischwagen oder...
Würde man die Kohle fürs Nichtstun bekommen, könnte man gut von Leben. Aber man kriegt sie, um sie wieder unter die Leute zu bringen. Und geschenkt ist sie auch nicht. Die Ausgleichszahlungen heißen nicht ohne Grund so. Sie sollten mal ein Ausgleich dafür sein, dass die deutschen und anderen EU-Bauern deutlich höhere Auflagen einhalten müssen als die ganzen Importwaren, die wir ohne Zölle rein lassen müssen, damit wir anderswo unsere Autos verkaufen dürfen...
Dass die Politik dieses Abkommen nicht lange hält, hätte jedem klar sein müssen. So werden jedes Jahr neue Auflagen drauf gepackt, um die gekürzte Förderung weiter zu erhalten. Gerade kommt das Greening, verbunden mit einer Kürzung des Agrarhaushalts. Also noch weniger Kohle für noch höhere Auflagen. Der Rest der Agrarwelt hält sich den Bauch über die europäischen Bauern. Und über die europäischen Politiker, die uns immer tiefer in die Abhängigkeit von Agrarimporten- und Exporten treiben, statt sich über eine vernünftige Eigenversorgung gedanken zu machen.

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Distelbauer
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#6

Beitrag von Distelbauer » Fr 15. Mär 2013, 21:41

Danke Manfred für die Erklärung. Ja da wird einem einiges klar. Die Bauern werden Quasi zu Leibeigenen der EU. Und mit dem Geld das man dafür bekommt kann man sich noch mehr Arbeit kaufen. Irgendwie fühle ich mich manchmal wie ein Ausserirdischer. Ausser ich les hier mal ab und zu ein paar Beiträge über wirklich wichtige Dinge des Lebens.

VG Georg

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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#7

Beitrag von stoeri » Fr 15. Mär 2013, 21:45

Hallo Freunde,
zumindest unterstützt der bayer. Staat in diesem Wahljahr die Betriebe, die vergrössern und aufstocken wollen.
umso mehr freut man sich wenn ein kleinerer Betrieb aufgeben muß. Genau das ist ja das Ziel.

140 Milchkühe arbeit arbeit arbeit und dann kommt nix dabei raus. Meine Güte. Wenn ich mir nur einen Teil vorstelle nämlich das 140 Kühe kalben müssen im Jahr man 140 mal auf passen muß wenn sie kalben egal um welche Uhrzeit man in den Stall muß, wenn immer einer da sein muß das da auch was schief gehen kann und es egal ist wann man fertig ist und dann keine Zeit mehr hat sich auszuruhen weil die Arbeit nicht wie füttern melken usw. nicht warten kann.
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

Wenns nur olle so waradn, wia i sei soiad.

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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#8

Beitrag von hobbygaertnerin » Sa 16. Mär 2013, 09:05

Hallo Erika,
in den neuen Ställen ist Füttern, Melken nicht mehr das Problem, 60 Kühe sind eine AMS-Einheit (automatisches Melksystem), füttern lässt sich mit dem Mischwagen technisch gut lösen, es gibt einen Stallbuttler (Gerät), der die Laufgänge reinigt, es gibt technische Lösungen, dass das Futter immer wieder nachgeschoben wird, die Kälber können mit einem Kälbertränkeautomat getränkt werden,
für die Geburt gibt es gute Systeme mit Kameraüberwachung, Aussenarbeiten können über den Maschinenring erledigt werden. Damit kann die freie Zeit für überbetriebliche Arbeiten oder ausserhäusliche Tätigkeiten genutzt werden.
Für die Tiere sind diese Ställe sehr angenehm, viel frische Luft, Bewegung, sie können sich ausruhen auf weichen Matten, können zum Melken gehen, wann sie das Bedürfnis haben- der Hofhund kann sich ebenso ausruhen, wo es ihm am besten taugt, die Katzen liegen in der Sonne oder im Schatten-
so gesehen, den Tieren wird heute sehr viel Wohlfühlen zugestanden.

Für jedes Kind besteht ab August dieses Jahres ab einem Jahr ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz- die Ernährungsindustrie bietet eine Fülle von Fertiggerichten, es gab früher mal Förderungen, dass die Obstbäume gerodet wurden, die Bauerngärten verschwinden und für alles, wofür keine Zeit mehr bleibt, gibts Dienstleister.
Das Handyklingeln ist bei vielen Betrieben eine stressige Sache, es zeigt eine Störung der technischen Geräte an.
Eigentlich machen die Bauern nur das, was ihnen in Fachzeitschriften, Vorträgen gezeigt wird- Unglücksfälle, Krankheiten im Stall oder bei den Betreibern, alles was diese "heile Welt" stören könnte, wird ausgeblendet.
Es wird ständig vermittelt, dass die "Guten und Fiten" das locker schaffen, nach Darwin haben die anderen eh nur zu verschwinden. Es verschwinden viele lebensqualitätspendende Sachen des Lebens auf dem Bauernhof, man muss sich heute nicht mehr so schinden, wie früher, aber so wie es zur Zeit läuft, da krieg ich Gänsehaut.
Man muss aber auch klar sehen, Lebensmittel müssen billig bleiben, wer in diesem Geschäft drinnen ist, weiß, wie hart das Ganze ist und für die Träume gibts Landlust und die vielen Nachfolgezeitschriften.
@Manfred, wenn ich in Vorträgen sitze, dann sehe ich immer die Powerpointpräsentationen der "Guten", da hat deine Steueberaterin wohl einen "Ausnahmebetrieb". :engel:

Manfred

Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#9

Beitrag von Manfred » Sa 16. Mär 2013, 10:16

Jaja. Die berühmten besten 25%. Dass das idR Betriebe sind, wo der Opa schon den ersten Laufstall gebaut und auch die vom Papa gebaute Verdopplung oder Verdreifachung bereits abgeschrieben ist und ein haufen Eigenland aus alter Zeit vorhanden ist oder diverse Bauplatze verkauft wurden, und das Geld reinvestiert, so dass ein Wachstumsschritt ohne Kredite finanziert werden konnte, das wird da gerne totgeschwiegen. Und welchen Stundenlohn die Vorfahren dabei hatten sowieso.
Interessanter sind da die Zahlen von den jungen Betriebsleitern, die einen 30er oder 40er Anbindestall übernommen und auf die mind. 120 Kühe aufgestockt haben, die man heute angeblich ungedingt braucht, mit neuem Laufstall, Milchquote, 2 Melkrobotern, Gülletank, Futteranschieberobotor, Mischwagen, und jedes Jahr ein paar dicke Rechnungen vom Lohner (selber hat man ja keine Zeit mehr, die Außenwirtschaft mit ein paar Gebrauchtmaschinen zu erledigen), vom Kunstdünger- und Kraftfutterlieferanten und dazu die ständig steigenden Pachtpreise für die Flächen, die man für den größeren Viehbestand ja auch braucht und für die man halt mehr zahlen muss, als der Biogaser in 15 km Entfernung wirklich oder angeblich bietet. Und wenn die Pacht gar nicht mehr zu bezahlen ist, kauft man halt einen Gülleseparator um den Trockenanteil einem 100 km entfernten Ackerbaubetrieb schenken zu können, der einem im Gegenzug Luzerneheu oder Mais liefert. Der Lohner macht das schon. Modere Großtraktoren laufen ja 80 km/h.
Die Zukunftsbetriebe halt, die alles vorbildlich so gemacht haben, wie es die Ämter, Berater und die Argar-Pornoblättchen (topagrar, elite, profi usw.) jeden Monat zeigen und wie man es in der Landwirtschaftsschule gelernt hat.
Klar. Die haben Zukunft. Mind. 20 Jahre. Ob sie wollen oder nicht. Aber man hofft halt drauf, dass die Lebensmittelpreise so steigen, dass den Biogasern die Einspeisevergütung irgendwann nicht mehr reicht und die dann den Löffel abgeben müssen, bevor ihre Anlagen abgeschrieben sind. Dann, ja dann kommt wieder die goldene Zeit der Milchviehhalter und die viele Arbeit hat sich gelohnt. Oder halt nicht...

hobbygaertnerin
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Re: Den Milchviehbetrieben geht die Luft aus

#10

Beitrag von hobbygaertnerin » Sa 16. Mär 2013, 10:34

Hallo Manfred,
das ist ein System, von dem viele profitieren. Für die Bauern bleibt die Arbeit und ??????????

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