Projekt Faire Milch gescheitert

hobbygaertnerin
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Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#21

Beitrag von hobbygaertnerin » So 22. Jul 2012, 07:03

Hallo Heiko,
ja, ich bin ein freier Mensch- schreib fast ein Jahr hier mit und habe mir eigentlich vorgenommen, das Thema Landwirtschaft aussen vor zu lassen, weil ich damit als Bäuerin 365 Tage befasst bin.
Beim Lesen der Postings sind mir die vielen Schubladen in die Landwirtschaft gesteckt wird - wieder sehr bewusst geworden.
Ich möchte eigentlich niemanden in eine Schublade stecken, sondern immer wissen, was für ein Mensch hinter einem Vorurteil steht.
Beamte sind alle faul, Lehrer haben nur Ferien, die Handwerker kommen nie wenn man sie braucht, Bänker sind alle nur Abzocker, ja und die Selbstversorger- die sind doch alle etwas spinnerig.
Ich dachte immer, wer sich die Mühe der SV macht, der hätte einen anderen Zugang zu den Lebensmitteln und würde deren Wert höher einschätzen.
Dass das Projekt "faire Milch" scheitern musste, war mir von Anfang an klar, ich bin zu lange in diesem Fahrwasser, um mich für gute Lebensmittel einzusetzen und zu sehen, wer an welchen Strängen zieht.
Es ist natürlich sehr einfach sich hinter den ach so betrügerischen Landwirten zu verstecken und den Vorteil der billigst gemachten Nahrungsmittel auch noch mit gutem Gewissen - eben wegen der Betrügereien- zu nutzen.
Als Bäuerin kommt mir oft die Geschichte mit dem Esel, dem Vater und dem Sohn vor, die versuchen, es jedem recht zu machen.
In unserem Dorf haben ausser uns und einem Nachbarn alle mit der Milchviehhaltung aufgehört, ich lese gerade das Buch von Robert B. Laughlin "Der Letzte macht das Licht aus".
Irgendwann macht in unserem Dorf auch der letzte Bauer das Licht aus- ich frag mich manchmal mit bangem Herzen, woher kommen unsere Lebensmittel der Zukunft?
Aber es wundert mich auch nicht, dass es so ist wie es ist- zwischen dem Anspruch des Marktes und den Vorstellungen und Träumen des Konsumenten wird die Landwirtschaft vollkommen aufgerieben. Wer Kühe hat, muss ein Idealist sein, muss man sicher auch für jeden anderen Beruf-
aber mir fällt in diesem knappen Jahr des Mitlesens auf, andere Berufe scheinen nicht so im Fokus der Kritik zu liegen.
Billige Lebensmittel, der Erhalt der Natur, des Bodens, die überbordende Bürokratie, es gibt viele Punkte die das Leben nicht gerade einfach machen-
und mann muss wohl aus einem ganz besonderem Holz geschnitzt sein, um alles irgendwie zu verdauen.
Kühe leben oft mehr als 15 Jahre mit einem zusammen, es ist immer ein tränenreicher Abschied, wenn dann irgendwann die Entscheidung wegen wirtschaftlicher Gründe sie zum Schlachten führt.
Ich werde mich sicher in Zukunft wieder zusammenreissen und das Thema Landwirtschaft aussen vor lassen.
Gruss
hobbygaertnerin

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Tanja
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Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#22

Beitrag von Tanja » Mo 23. Jul 2012, 17:38

hobbygaertnerin hat geschrieben:Ich werde mich sicher in Zukunft wieder zusammenreissen und das Thema Landwirtschaft aussen vor lassen.
Nein, bitte tu das nicht. Beiträge zum Thema wie die Deinen werden hier gebraucht!
Tanja

:blah:

Manfred

Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#23

Beitrag von Manfred » Mo 23. Jul 2012, 18:40

Hallo hobbygärtnerin,

du schreibst mir aus der Seele. Wir sind ja Kollegen, bei mir leider nur Nebenerwerb, und haben noch mehr Bauern hier im Forum.
Kann dich gut verstehen. Wenn ich solche unsinnigen und falschen Beiträge wie den von Heiko lese, kann ich oft auch nur noch schlucken und mich fragen: "Was geht in dem Hirn vor?"
Wieso ausgerechnet die Landwirtschaft so unter Beobachtung steht erschließt sich mir noch nicht wirklich.
Habe mal einen Artikel von einem Psychologen gelesen, der meinte, das hinge mit der Sehnsucht der Menschen nach einem überschaubaren Leben zusammen. Die heute Welt ist viel zu komplex und überfordert unseren Geist mit ihrer Fülle an Information.
Diese Überforderung würde auf ein Wunschbild eines einfaches Lebens, einer kleinstrukturierten Landwirtschaft übertragen, ein Kosmos von dem viel meinen, sie würden ihn verstehen und könnten da auch mitmischen, wenn sie denn nur wollten.

Wer sich wirklich mit der Rinderhaltung beschäftigt weiß, dass es den allermeisten Milchkühen viel besser geht als vor Jahrzehnten, dass gerade in den übriggebliebenen Kleinbetrieben mit Anbindehaltung öfter schlechte Bedingungen herrschen als bei den Großen.
Aber Pauschale Aussagen kann man keinesfalls treffen. Ich kenne Kleinstbetriebe mit top gepflegten Tieren in Anbindehaltung und Große mit überforderten Betriebsleitern oder solchen, die in der Tierhaltung einfach fehl am Platz sind.
Die Richtung ist aber klar: Von miefigen, dunklen, schwülen, engen Anbindenställen mit hohem Keimdruck und relativ schlechter Pflege geht es in große, gut klimatisieren Laufställe und die Tiere werden optimal versorgt.
Milchviehaltung mit Weidegang ist wegen der kleinen Strukturen in Deutschland nur ganz wenigen Betrieben möglich.
Wer heute als spezialisierter Milchviehhalter ein halbwegs annehmbares Familieneinkommen erwirtschaften will, braucht 100 bis 150 Kühe + Nachzucht. Und er muss weiter wachsen, sonst ist er schnell weg vom Fenster.
Da hilft es nicht viel, wenn er 3 ha Grünland hinterm Stall hat. Die Fläche würden 100 Kühe innerhalb eines Monats in eine Schlammgrube verwandeln. Da kann er höchstens ein paar Färsen raus lassen.
Der Stundenlohn ist in den allermeisten Milchviehbetrieben lachhaft. Weit unter Mindeslohnsätzen. Und dann darf man sich für die erbrachte Arbeit noch beleidigen lassen von Leuten, die von einer Kuh so viel Ahnung haben wie der Hahn vom Eier legen. Und die beim Discounter ganz selbstverständlich zur billigsten Milchpackung greifen.
Aber die Kuh muss natürlich auf der Weide stehen, mit höchstens 10 anderen, darf kein Kraftfutter bekommen und nicht mehr als 3000 Liter melken. Und wenn ihre Tochter 500 Liter mehr Milch gibt, darf Mama natürlich nicht geschlachtet werden um den Platz frei zumachen, sondern soll Gnadenbrot und im Zweifelsfall auch intensive medizinische Betreuung (natürlich ohne Antibiotika aber mit Handauflegen und vielen Globuli) bekommen. Bei 28 Cent pro Liter ist das ja wohl selbstverständlich. :dreh:

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Heiko
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Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#24

Beitrag von Heiko » Mo 23. Jul 2012, 19:47

Manfred, Respekt was du aus meinen 3 Zeilen alles rausliest. Ja, die Welt ist komplex und du scheinst nicht kapieren zu wollen je größer die Rinderherden werden und die Milchleistung pro Kuh steigt, desto mehr Milch, desto niedriger der Preis. Einfachste Mathematik und die Schlußfolgerung im Sinne der Marktfetischisten (Preisfindung). Subventioniert ähnlich wie die Banken wird da eine Branche am Leben erhalten die nicht im kapitalistischen Sinne überlebensfähig wäre. Konsequent wäre, egal ob Bank oder Landwirtschaftsbetrieb, einfach Pleite gehen lassen. Oder gibt es doch das grenzenlose Wachstum bei Rindern und Milch in der EU?

Bevor du denkst ich bin sadistisch veranlagt und mir gefällt diese Wirkungsweise: nein.
Wieso ausgerechnet die Landwirtschaft so unter Beobachtung steht erschließt sich mir noch nicht wirklich.
Nein, geht es eben nicht. Es ist nur ein Teil vom Ganzen.
Deswegen ist das auch immer nur ein Abarbeiten an Symptomen, wenn man den Blick immer nur auf das Offensichtliche richtet.

Es ist ehrenwert von dir faktenreich die mitunter schlechte Lage der Kleinbauern aufzuzeigen, aber was ändert das. Wo sind die größeren Zusammenhänge? Denkst du das lamentieren wird zu deinem Vorteil irgendetwas in diesem System ändern?

Würde man das Motto "Think globally, act locally" ernst nehmen, müßte man mal 3 Schritte zurückgehen um einen besseren Zugang zur Selbstkritik zu finden. Global denken: Warum kann die EU mit seinen Preisen unter denen in der 3. Welt liegen? Lokal handeln: Wie sähe das Ganze ohne Subventionen aus? Wieso überläßt man der "unsichtbaren Hand" des Marktes die Preisfindung. Ist das Modell von Angebot und Nachfrage immer noch aktuell? Vielleicht ist es zu einfach, weil es Ressourcenverbrauch, Umweltschäden, schlechte Arbeits- bzw. Haltebedingungen etc... gar nicht mit einkalkuliert.
Die vollends aufgeklärte Welt erstrahlt im Zeichen triumphierenden Unheils.

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Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#25

Beitrag von hobbygaertnerin » Mo 23. Jul 2012, 20:50

Hallo Manfred,
danke für dein Posting.
Wir sind gerade mitten im Silier, Heu- und Erntestress,
mich stört an vielen Beiträgen, dass die Landwirte fast in die Betrügerecke gestellt werden.
Die Landwirte, die ich kenne und mich einschliesslich, wir achten den Verbraucher, den Boden, unsere Tiere und die Natur.
Was mich oft ärgert, wie selbstverständlich die billigen Lebensmittel genommen werden, es ist keine Selbstverständlichkeit, so eine Überfülle zu haben,
da hängt eine Menge Fleiss, Selbstbeherrschung, Arbeit, Kapital und vieles weitere daran.
Wehe man würde einmal als Bauer oder Bäuerin sagen, was man alles macht, dass es den Tieren, den Boden und allem gut geht, dann wird man gleich in die Jammerecke gesteckt. 7 Tage die Woche, egal ob Sonn- Feiertage, ob man krank ist, ob man Lust hat oder keine-
die Verantwortung für die Tiere erzwingen eine ganz gewaltige Selbstbeherrschung.

Ich hab echt keine Lust, mich hier auch noch mit den Problemen der Landwirtschaft auseinander zu setzen, wenn es einfache Lösungen gäbe, dann hätten wir sie schon längst umgesetzt.
Aber was mir wirklich Sorgen macht- und das scheint fast niemand zu interessieren,

wer soll einmal die Lebensmittel der Zukunft erzeugen?


Der Konkurrenzdruck von Lebensmittelerzeugung und Energie - wer füllt die Teller, wer sorgt für die Energie-
unsere Böden können den Druck der Gier nach billigen Lebensmitteln, von denen soviel weggeworfen wird, von Energie und Rohstoffhunger auf Dauer nicht standhalten.
Also bitte klopfe sich jeder zuerst selbst an die Brust, bevor er über andere sein hartes Urteil fällt.
Ich möchte im nächsten Leben vielleicht doch lieber eine Kuh auf unserem Betrieb sein, für sie wird gut gesorgt, sogar nach Tierschutz wird geschrieen, sie darf auf die Weide, sich im Schatten ausruhen, es wird alles gemacht, dass es ihr gut geht.
aber ich hab noch nie gehört, dass sich jemand Gedanken macht, ob sich nicht auch die Landwirte manchmal eine kleine Anerkennung für ihre Arbeit freuen würde, wie sie mit diesem immer stärkeren Druck zurecht kommen.
Es ist mir klar, dass es in anderen Berufen auch nicht gerade wohlfühlend zu geht,
aber ich kann inzwischen jeden Betrieb verstehen, der nicht mehr mag,
man muss wohl aus dem härtesten Holz, das es gibt, geschnitzt sein, um Landwirtschaft zu betreiben.

Von der Selbstversorgergilde hätte ich mir mehr Verständnis für die bäuerliche Landwirtschaft erwartet.
Heiko, unter Jammern verstehe ich was anderes,
etwas angefressene Grüsse
hobbygaertnerin

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Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#26

Beitrag von Tanja » Mo 23. Jul 2012, 21:53

Hi hobbygärtnerin,
hobbygaertnerin hat geschrieben:Von der Selbstversorgergilde hätte ich mir mehr Verständnis für die bäuerliche Landwirtschaft erwartet.
was Du schreibst, kann ich (inzwischen) nachvollziehen. Aber bitte, schere nicht alle Selbstversorger bzw. Fories über einen Kamm. Nur weil einige Leute sich so äußern heißt das ja nicht, dass alle hier so denken.

Davon ab: woher soll denn das Verständnis für die Lage der Landwirte und für die Zwänge, denen sie aufgrund all der Verzahnungen seitens Wirtschaft, Gesetzen und Verordnungen unterworfen sind, denn kommen? Wer nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen oder zumindest durch Familie oder Freunde involviert ist, der ist zunächst einmal überhaupt nicht in der Position, die es braucht, um die Gesamtsituation aus dieser Perspektive zu betrachten. Dessen Bild wird lediglich geprägt durch Informationen aus Medien und Wirtschaft, auch wenn er noch so sehr meint, den totalen Durchblick zu haben.

Umso wichtiger ist es, dass Leute wie Du und Manfred ihre Perspektive kommunizieren! Und ich glaube, dass das Forum ein sehr guter Ort dafür ist. Ich gehöre selbst zu denjenigen, die noch vor einigen Jahren anders gedacht und erst durch Diskussionen im Forum und erste eigene Einblicke/Erfahrungen in landwirtschaftlichen Betrieben, in dieser Hinsicht zumindest etwas dazu gelern haben.

LG
Tanja

:blah:

Manfred

Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#27

Beitrag von Manfred » Mo 23. Jul 2012, 21:56

@Heiko: Die Gesetze des Marktes sind mir bestens bekannt. Das Problem ist nicht mein mangelndes Verständnis, sondern dass du nicht zuende denkst.
Als Erzeuger im Milchmarkt habe ich 3 Möglichkeiten:
1) Ich gebe auf.
2) Ich macht mit und wachse, um über mehr Menge meine Kosten zu senken.
3) Ich finde ein Nische, die bei gleichbleibender Menge ein angemessenes Einkommen ermöglicht.

Nische heißt in aller Regel eigene Weiterverarbeitung und Selbstvermarktung. Das schließt schon ma alles aus, die an diesen beiden Betriebszweigen kein Interesse haben, oder nicht über das nötige Kapital oder die Arbeitskapazität verfügen.
Außerdem sind die möglichen Absatzmengen in den Nischen sehr begrenzt. Der Großteil der Verbraucher kauft billig. Mehr Platz wird in einer Nische nur, wenn sie billiger wird. Und dann geht das gleiche Speil von vorne los.

Bleibt für die restlichen Betriebe (und damit den größten Teil der Milchviehbetriebe) aufgeben oder mitspielen.
Übrig bleiben wird eine relativ kleine Zahl größerer Milchviehbetriebe. In Fachkreisen geht man von weniger als 20.000 aus.
D.h. mind. 4 von 5 noch bestehenden Betrieben werden weichen müssen.

Die Größe der in D produzierten Milchwenge ist für die Marktpreise nahezu irrelevant. Die Milchproduktion weltweit wächst jährlich um mehr als in D produziert wird und unsere Produkte müssen sich auf dem Weltmarkt durchsetzen.

Da kann man als Betriebsleiter von Abschottung a la Schweiz träumen, sie wird nicht kommen. D lebt zum großen Teil von Auto- und Maschinenexport. Und unsere WTO-Partner verlangen im Gegenzug freien Zugang zu unserer Agarmärkten. Daran kann ein Betriebsleiter nichts ändern und alle zusammen (wenn sie sich den einigen könnten) auch nicht.
Eine Mengenbeschränkung ist in so einem Markt völlig unwirksam. Braucht man sich nur den letzten Milchstreik anzusehen. Die Milchlaster von Müller sind einfach rüber nach Tschechien gefahren und haben dort die Milch geholt. Außerdem haben seine Werke in Irland was zugeschuster. Schon war der Streik ausgehebelt. Die Bauern versuchten dann, die Werkstore zu blockieren. m.W. laufen die Schadenersatzverfahren Müllers gegen den BDM noch.

Was also soll eine Mengenreduzierung der deutschen Milchproduzenten bringen, außer dass ihre Betriebe wegen der Einnahmeausfälle noch schneller pleite gehen?

Und von welchen Subventionen redest du? Die Milchintervention ist längst abgeschafft und neuen Forderungen dazu wird konsequent abgesagt (gerade wieder geschehen).
Was die Betriebe noch bekommen (und in vielen Fällen 1 zu 1 an die Verpächter der Landflächen durchreichen müssen) sind Ausgleichszahlungen wegen der viel höheren Prokutionsauflagen in der EU in vergleich zu ausländischen Erzeugern mit freiem Marktzugang. Sprich der ausgleich dafür, dass die Betriebe dem wichtigeren Autoverkauf geopfert werden.
Schafft man diese ab, bricht die Milchproduktion in D weiter weg. Sprich in D würde kaum noch Milch erzeugt und wir wären komplett von Importen aus Ländern mit besseren Bedingungen zur Milchproduktion (ganzjährige Wegetationsphase wie in Neuseeland) abhängig.

Es gibt sogar Leute, die sowas befürworten. Wieso sollte ein Land einen Großteil seiner Lebensmittel selbst erzeugen wollen, wenn man sie doch viel billiger im Ausland kaufen kann. Einige kapieren eben die Tragweite solcher Entscheidungen und andere nicht.

Das größte Problem für die Milchprodution ist m.E. zur Zeit die massive Subventionierung der nachwachsenden Rohstoffe. Gegen 3-fach geförderte Biogasanlagen kann kein Milchbauer um Pachtand anstinken. Und Importfuttermittel werden auch immer teurer (der Sojapreis ist in den letzten Wochen explodiert), weil SUV-Futter viel besser bezahlt wird als Kuhfutter und sich die Prioritäten beim Anbau entsprechend verlagern.

Unsere Verbraucher merken das kaum, weil die Agrarrohstoffpreise in den meisten verarbeiteten Nahrungsmitteln nur Bruchteile des Preises ausmachen.
Der Mais in einer Packung Cornflakes ist z.B. billiger als die Pappschachtel außenrum. Der Rest sind Verarbeitungskosten, Werbung, Transport und Verkaufskosten.
Wenn also der Maispreis sich verdoppelt, wird die Packung halt 2 oder 5 Cent teurer.
Leute, die Mais kaufen müssen (diverse Entwicklungsländer) erleben die Verdopplung der Preise 1 zu 1.

Weltweite Biotreibstoffmärke sind Sozialdarvinismus.
Womit treibt ihr eure Fahrzeuge an? Welcher Strom kommt aus der Steckdose?

Sorry, etwas abgeschweift.

Heiko, was soll ein Milchbauer nach deiner Meinung tun, wenn er weiter Milch produzieren will? Welchem Ausweg kannst du ihm zeigen? Und was tust du konkret dafür, dass sich der Milchmarkt nach deinen Vorstellungen wandelt? Oder meckerst du nur?

kleinesLicht
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Registriert: Do 13. Okt 2011, 07:56

Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#28

Beitrag von kleinesLicht » Mo 23. Jul 2012, 21:59

"7 Tage die Woche, egal ob Sonn- Feiertage, ob man krank ist, ob man Lust hat oder keine-
die Verantwortung für die Tiere erzwingen eine ganz gewaltige Selbstbeherrschung."

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufuegen! Ich verstehe deine Stimmung!

Mag mir jemand erklaeren, wie und in welcher Hoehe in der Milchwirtschaft subventioniert wird?
viele Grüße
ein kleines Licht

Manfred

Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#29

Beitrag von Manfred » Mo 23. Jul 2012, 22:20

@hobbygärtnerin: Wir stecken auch mitten in der Heuernte. Morgen wird der Großteil gepresst, der Rest am Mittwoch. Daußen auf den Feldern geht es zu wie in einem Bienenstock. Dreschen, Silieren, Heuen. Endlich ein brauchbares Wetterfenster und alle Bauern im Umkreis rotieren. :)

Bei uns im Dorf gibt es nur noch einen Milchviehalter. Und der hört auch bald auf und geht in Rente. Nach dem Krieg waren es noch über 50.
Sollte mein Betriebssitz hier bleiben, bin ich absehbar in ein paar Jahren der einzige Bauer im Dorf,von ein paar Hobbybetrieben (3 ha Acker oder 2 Mutterkühe oder 2 Pferde oder 5 Ziegen) und den Nebenerwerbs-Forstwirten abgesehen.

Was die Selbstversorger und ihre Sichtweisen angeht:
Nach meiner Erfahrung: Je mehr die Leute aktiv an dem Thema dran sind, desto mehr Wissen und Verständnis haben sie und umso mehr stehen sie auf der Seite der Bauern.Ich sage schon seit Jahren, dass ich froh um jeden bin, der neu mit der Kleinnutztierhaltung anfängt. Wer sowas macht, entwickelt meist mehr Realitätsbezug in Sachen Nahrungsmittelurproduktion.

hunsbuckler
Beiträge: 693
Registriert: Di 16. Nov 2010, 22:43

Re: Projekt Faire Milch gescheitert

#30

Beitrag von hunsbuckler » Mo 23. Jul 2012, 23:31

Als Niedriglöhner und nebenberuflicher Milchprobenehmer mit Landwirtschaftslehre kann ich beide Seiten gut verstehen und finde mich manchmal zwischen allen Stühlen.
Wenn man von 5-7 Euro Stundenlohn ein Haus mit Garten abbezahlen will, ist Bio einfach unerschwinglich.
Regionalprodukte sind ein gelegentlicher Luxus.
Schon die normalen Discounterpreise sind mir auf Dauer zu hoch, ich ernähre mich von Halbpreisbrot von gestern und aus der MHD-Kiste.
Natürlich mußte ich mich vor meinen Bauern dafür rechtfertigen, aber von einem, der selbst nicht fair bezahlt wird, sollte man zuletzt verlangen, ständig fair einzukaufen.
Die meisten Unkosten sind fix, das Essen ist eines der wenigen Gebiete, wo man noch täglich ein bißchen drehen kann.
Natürlich ist vieles Abwägungssache, ich habe Freunde, die ähnlich arm sind wie ich, aber fast ausschließlich bio essen.
Dafür haben sie eben monatelang kein Auto und leihen alle naslang meins...
Und manchmal will ich mir auch ein teures Fachbuch leisten, das muß dann vom Essen abgespart werden.
Die faire Milch war für mich uninteressant, weil ich die Milch direkt bei meinen Bauern kaufe, (50ct/l).
Bei einem führe ich ein Buch und arbeite meinen Milchverbrauch ab.
Nur wenn ich in Eile bin, kauf ich die ja-Milch im Rewe, das ist die einzige traditionell hergestellte Tütenmilch, die nehme ich auch zum Kochen, wozu die Rohmilch mir zu schade ist.
Die ESL-Milch finde ich zum K...., genauso eklig wie H-Milch.
Die Landliebe-Milch hab ich ab+zu wegen der Glasflaschen gekauft, die schmeckt aber auch nicht, weil sie tagelang beleuchtet wird.
Von ursprünglich acht Bauern in meinem Bezirk sind noch drei übrig.
Die sind seit dem Milchstreik untereinander zerstritten, sehr traurig - ich muß sehr vorsichtig sein, was ich sag, am besten gar nichts.
Von zweien war es allerhöchste Zeit, aufzuhören, es war für Mensch und Tier nur noch eine elende Schinderei...
Liebe Grüße, Hans www.jugendrettet.org

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