Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

Manfred

Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#1

Beitrag von Manfred » Mo 3. Jun 2013, 11:43

Meldung von topagrar:
Gerade läuft das Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des Arzneimittelgesetzes.
Ein Schwerpunkt ist die geplante Änderung zur Informationsweitergabe über den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Peter Schaar), fordert eine Änderung in den Entwürfen. Er will im Interesse der Verbraucher öffentlich machen, welcher Betrieb wie viel Antibiotika einsetzt.
Die agrarpolitische Sprecherin der FDP (Dr. Christel Happach-Kasan) lehnt dies im Sinne der Hähnchen- und Schweinemäster strikt ab.
Man darf gespannt sein, wie sich die Sache entwickelt.
Ich ärgere mich schon länge darüber, dass die Landwirtschaft pauschal wegen des angeblich viel zu hohen Antibiotikum-Einsatzes an den Pranger gestellt wird.
Gerüchterweise höre ich immer wieder, dass der Großteil davon von den Vertragsmästern einiger weniger Schlachtgroßbetriebe in Nordwesten verwendet wird. In Süddeutschland gibt es fast nie auffällige Proben.
Die Verbraucher sind verunsichert und den Preis bezahlen alle Bauern.
Auf der anderen Seite besteht natürlich die Gefahr, dass einzelne Betriebe wirtschaftlich platt gemacht werden, die z.B. wegen eines Krankheitsausbruchs längere Zeit auf Antibiotika angewiesen sind, wenn die Daten jedes einzelnen Betriebes an die Öffentlichkeit gebracht werden.
Mich selber betrifft das Thema kaum. Wenn wir z.B. mal ein Kalb wegen Lungenentzündung spritzen müssen, ist es für mich auch OK, diese Info weiterzugeben.
Dass in einem Betrieb mit z.B. 5000 Schweinemastplätzen dagegen ständig irgendwelche Behandlungen nötig werden, ist auch klar. Bei der Zahl von Tieren sind immer mal welche krank oder verletzten sich.

Was meint ihr dazu?
Sollten solche Daten in die Öffentlichkeit und wenn ja: In welcher Form?

Rati
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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#2

Beitrag von Rati » Mo 3. Jun 2013, 14:38

Öffentlich gemacht werden sollten mMn alle Verstöße, also zB unangebrachter Einsatz, überdosierungen oder Schlachtungen vor Ablauf der Sperrzeit.
Dafür müßten natürlich Flächendeckend alle Daten gesammelt werden und zwar gründlich. (ich glaube gehört zu haben, das in der geplanten Datenerfassung die Bauern selber angeben sollen wie viel Ab sie einsetzen, das wäre natürlich sinnlos).
Außerdem sollten die Tierärzte nicht mehr gleichzeitig der Medikamentedealer sein.

Grüße Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

daemo
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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#3

Beitrag von daemo » Mo 3. Jun 2013, 17:27

hmm, schwieriges thema. grundsätzlich bin ich für völlige transparenz. alle informationen die betriebe ( und auch ämter) betreffen sollten frei verfügbar sein. hingegen sollten alle informationen die bürger betreffend nicht transparent sein. soviel zur grundsätzlichen utopie die mir vorschwebt.
aber ist das in der realität auch sinnvoll?
nehmen wir mal die schweinmast als beispiel. völlige transparenz würde bedeuten das alle informationen eines betriebes zur verfügung stehen. das heisst nicht nur wieviel antibiotika gegeben wurde sondern auch wie lange die schweine gemästet wurden. wurden die im schnellverfahren hochgemästet oder wurde den schweinen viel zeit gelassen? wie sehen die haltungsbedingungen aus. wieviel platz hat ein schwein, haben sie freilaufmöglichkeiten? was wird verfüttert? nur kraftfutter oder eine ausgewogene ernährung? da kommen endlos viele informationen zusammen und das führt uns zum ersten problem. wer liest sich sowas dann noch durch? bei jedem einkauf? bei jedem einzelnen teil das im einkaufswagen landet?
und was ist mit weiterverarbeiteten produkten? vollständige information über alle aufzucht und anbaubedingungen aller zutaten? was ist wenn z.b. das fleisch von mehreren betrieben verarbeitet wurde das unterschiedliche rahmenbedingungen hatte? das wäre wohl nicht praktikabel.
und selbst wenn es praktikabel wäre, die information "soundsoviel antibiotika pro kilo fleisch" ist nichtssagend. zumindest für den verbraucher. welcher nicht-schweinezüchter wäre denn dazu in der lage zu entscheiden welche antibiotikamengen normal sind und welche eher auf profilaktische vergabe hindeuten? und hinzukommt ja noch der unterschied zwischen einzelnen antibiotika. ein breitbandantibiotikum hat einen ganz anderen charakter als ein selektiv gegebenes antibiotikum.
wenn auf der anderen seite aber informationen zu sehr verdichtet werden, dann wird damit schindluder getrieben. gibt ja mittlerweile etliche bio-siegel u.ä. die kaum noch aussagekraft haben da nicht immer bio drin ist wenn bio draufsteht. durch diesen zertifikatedschungel blickt doch kaum einer durch. geht zumindest mir so. ich weiss zumindest nicht welche aufschriften offizielle zertifizierungen sind, was für rahmenbedingungen gelten müssen damit die zertifizierung vergeben wird und was lediglich marketingaufkleber sind um den preis hochzutreiben.

für realisierbar halte ich die utopie nur bei massiver computerunterstützung. ich stelle mir das so vor das ich in einer zentralen datenbank mir 2-3 betriebe raussuche die ich für gut halte. den einmaligen rechercheaufwand kann man sich dafür antun. dh einmalig raussuchen was an antibiotikagaben noch normal wäre und welche antibiotika vergeben werden, was haltungsbedingungen sind die ich für akzeptabel halte u.ä..
diese 2-3 betriebe werden dann als referenzbetriebe gespeichert. und beim einkauf stehen dann auf der verpackung die nummern der betriebe die ich einscannen kann ( oder ich tätige den einkauf gleich online ).
die software würde dann die informationen über die eingescannten betriebsnummern raussuchen und mit den referenzbetrieben vergleichen. sind nur marginale unterschiede vorhanden liefert die software ein ok. wenn nicht dann werden die gröbsten abweichungen dargestellt und ich kann entscheiden ob ich das produkt trotzdem erwerben möchte.
...
ich glaub ich sollte mal auf app-programmierung umsatteln und so ein tool selbst basteln ^^

fazit: solange keine einkaufsunterstützende software zur verfügung steht kann ich mit den informationen nicht viel anfangen. als grundsteinlegung für eine zentrale datenbank auf der dann so eine zukünftige software aufbauen könnte, würde ich eine offenlegung der informationen auf einer webseite begrüßen während auf verpackungen die betriebsnummern im kleingedruckten aufgelistet stehen.
um einen wildwuchs zu vermeiden sollten nur die produzenten selbst aufgelistet sein. bei getreide also der bauer der das getreide angebaut hat, bei schweinefleisch der mastbetrieb usw. wer das fleisch nachher weiter transportiert hat, wer die zutaten zusammengemischt hat oder wer das saatgut geliefert hat usw sollte zwar irgendwo für behörden einsehbar gespeichert werden, sollte aber auf der verpackung nicht auftauchen.
das hätte dann übrigens als positiven nebeneffekt das man erkennt wo denn die ware eigentlich herkommt. momentan ist es ja so, dass man "echten hamburger branntwein" so bezeichnen kann weil die abfüllanlage für den per schiff hertransportierten branntwein zufälligerweise in hamburg steht. als lokal hergestellt darf eben alles bezeichnet werden was lokal als letzter arbeitsschritt verpackt worden ist :motz:

Manfred

Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#4

Beitrag von Manfred » Mo 3. Jun 2013, 19:59

Hm. Mit den Daten kann natürlich auch jeder Wettbewerber alles über den Betrieb erfahren und entsprechend agieren.

Gegenvorschlag:
Der gläserne Verbraucher. Es sollte veröffentlicht werden, was welcher Verbraucher wo an Lebensmitteln kauft.
Dann wird ganz schnell klar, wer nach den moralischen Grundsätzen lebt, die er vor sich her trägt und von anderen fordert, und wer nicht.
So würde der nötige gesellschaftliche Druck entstehen, die ethisch hergestellten Produkte zu kaufen.

Benutzer 72 gelöscht

Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#5

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mo 3. Jun 2013, 20:59

Manfred hat geschrieben:Es sollte veröffentlicht werden, was welcher Verbraucher wo an Lebensmitteln kauft.
:hmm: ??

ich will schon wissen, wie die Produkte sind, die ich kaufe (für die ich Geld hergeb).
aber wofür ich mein ("hart verdientes") Geld ausgebe, geht egentlich niemanden was an.
- Es sei denn, man täte mich für mein Konsumverhalten bezahlen. :im:

"Fordern" kann ich eigentlich nur Dinge, die im Rahmen der Gesetze eigentlich sowieso schon verlangt werden ("anderen nicht zu schaden, der Natur nicht zu schaden")
oder eben, dass ich weiß, was ich kaufe, wen ich wo kaufe.

oder nicht?
ansonst kann ich bei daemo unterschreiben - schwieriges Thema.....

edit: ich seh grad meinen Tippfehler :haha:
"wen ich wo kaufe"
statt "wenn ich wo kaufe" ....

mags aber nicht ausbessern, weil es so herrlich zweideutig ist.

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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#6

Beitrag von kraut_ruebe » Mo 3. Jun 2013, 23:11

Manfred hat geschrieben: Der gläserne Verbraucher. Es sollte veröffentlicht werden, was welcher Verbraucher wo an Lebensmitteln kauft.
den gibt es schon längst. all die bescheuerten plastikkundenkarten von penny, merkur etc. erlauben einen haargenauen überblick wer wann was wo um wieviel und zu welchen uhrzeiten kauft. google analytics (und co) weiss, wer sich im netz kokosöl oder birkenzucker (oder schuhe oder pornos oder wasweissderhimmel) angesehen oder bestellt hat.

für n bisschen geld kriegt man diese daten von den adressvermittlern halblegal zu kaufen, inkl. haushaltsgrösse, alter, einkommensstruktur, postleitzahl - das krieg ich als unternehmer oft genug angeboten. wer so blöd ist und diese daten für ein viertel prozent oder ein kostenloses quartalweise erscheinendes magazin bekanntgibt oder google erlaubt sich alles zu speichern ist verraten und verkauft.

perspektivenwechsel:

in Ö ist es recht normal, dass am fleisch draufsteht welcher bauer aus welchem ort es in den supermarkt geliefert hat. und welcher bauer welche körndln oder karotten geliefert hat kann man auch teilweise online mit der chargennummer nachvollziehen, ebenso die qualitätskriterien denen sich der lieferant unterwerfen muss. bei uns hat der konsument die wahl ob er von anonym kauft oder nicht.
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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#7

Beitrag von Manfred » Mo 3. Jun 2013, 23:17

kraut_ruebe hat geschrieben: in Ö ist es recht normal, dass am fleisch draufsteht welcher bauer aus welchem ort es in den supermarkt geliefert hat. und welcher bauer welche körndln oder karotten geliefert hat kann man auch teilweise online mit der chargennummer nachvollziehen, ebenso die qualitätskriterien denen sich der lieferant unterwerfen muss. bei uns hat der konsument die wahl ob er von anonym kauft oder nicht.
Das finde ich einen guten Ansatz. Freiwillige Transparenz.
In D verhindern das die Lebensmittelkonzerne bisher weitgehend. Wäre ja ein Marktvorteil für die Kleinen.

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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#8

Beitrag von daemo » Di 4. Jun 2013, 10:25

Manfred hat geschrieben:Hm. Mit den Daten kann natürlich auch jeder Wettbewerber alles über den Betrieb erfahren und entsprechend agieren.
jo stimmt, seh ich aber nicht als problem. denn der wettbewerber hat keine einsicht in die bilanzen des anderen, kann also nicht direkt beurteilen wie erfolgreich oder erfolglos der andere ist. er weiss also nicht ob es sich lohnt umzustellen.
zum anderen gibt es einen markt für billige nahrungsmittel, einen markt für qualitativ hochwertige nahrungsmittel und einen markt für ethisch erzeugte nahrungsmittel. was bringt es einem (z.B. billigproduzenten) wettbewerber zu wissen das sein nachbar auf qualitativ hochwertige nahrungsmittel ausgerichtet ist? das sind unterschiedliche kundenkreise die da bedient werden. zumindest sollte das so sein.
der nutzen der transparenz wäre allerdings ( wenn die information in einfacher alltagstauglicher art und weise genutzt werden könnten) groß, denn derzeit verschwimmen die grenzen der einzelnen märkte. zumindest ist das mein persönlicher eindruck. ich würde gerne hauptsächlich ethische (also meiner meinung nach artgerechte haltung der tiere, kein oder nur geringer einsatz von pflanzenschutzmitteln die kollateralschäden anrichten, faire bezahlung und arbeitsbedingungen der produzenten u.ä.), wenn möglich lokal erzeugte nahrung kaufen, aber nur weil der preis hoch ist und da in irgendeiner art und weise bio draufsteht, heisst das ja noch nicht das die produktion ethisch war. und wenn da was von regional draufsteht, heisst das nur das zumindest der letzte arbeitsschritt lokal gemacht wurde. im schlimmsten falle also dort abgepackt wurde nachdem es aus übersee hertransportiert wurde.
wie soll ich durch meine kaufentscheidung ethische lokale produkte belohnen wenn ich nicht weiss was ich kaufen muss um das zu erreichen?
ina maka hat geschrieben:"Fordern" kann ich eigentlich nur Dinge, die im Rahmen der Gesetze eigentlich sowieso schon verlangt werden ("anderen nicht zu schaden, der Natur nicht zu schaden")
oder eben, dass ich weiß, was ich kaufe, wen ich wo kaufe.
da geb ich dir recht. bei "anderen und der natur nicht zu schaden" würde ich noch einen schritt weiter gehen. dieser grundsatz sollte nicht als gesetzliche vorgabe aufgefasst werden sonden als erstrebenswerte tugend.

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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#9

Beitrag von Rati » Di 4. Jun 2013, 10:31

Manfred hat geschrieben: Der gläserne Verbraucher. Es sollte veröffentlicht werden, was welcher Verbraucher wo an Lebensmitteln kauft.
find ich gar nicht so schlecht die Idee. :)
kraut_ruebe hat geschrieben:den gibt es schon längst. all die bescheuerten plastikkundenkarten von penny, merkur etc. erlauben einen haargenauen überblick wer wann was wo um wieviel und zu welchen uhrzeiten kauft. google analytics (und co) weiss, wer sich im netz kokosöl oder birkenzucker (oder schuhe oder pornos oder wasweissderhimmel) angesehen oder bestellt hat......für n bisschen geld kriegt man diese daten von den adressvermittlern halblegal zu kaufen, inkl. haushaltsgrösse, alter, einkommensstruktur, postleitzahl - das krieg ich als unternehmer oft genug angeboten...
:hmm: hast zwar Recht, aber als veröffendlicht würde ich das jetzt nicht bezeichnen.
Veröffendlicht hieße für mich, das ich jederzeit legal in das Kaufverhalten meines Nachbarn Einblick bekommen könnte.

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Re: Antibiotika - Datenschutzbeauftragter gegen FDP

#10

Beitrag von kraut_ruebe » Di 4. Jun 2013, 10:58

ja, rati. so hab ich das auch verstanden aber das ist datenschutzrechtlich ja gott sei dank keine mögliche option.

ich fänd das schlimm. das würde tür und tor öffnen dass sich bezieher staatlicher gelder vor den ämtern oder schuldner vor gläubigern oder übergewichtige vor dem arzt oder der versicherung rechtfertigen müssen warum sie x oder y gekauft haben wo es doch was billiges oder vernünftiges auch täte oder wahlweise was derjenige grad für ne einstellung hat. oder vorm arbeitgeber geradestehen müssen weil sie gestern ne flasche tequila gekauft haben und heute wetterbedingte migräne haben :eek: *grusel*

wenn man wissen will was der nachbar einkauft kann man sich bei ihm zu essen einladen oder zeitgleich mit ihm einkaufen gehen und in sein wagerl sehen :) ich seh immer fasziniert zu was die anderen vor und nach mir an der kasse so auf das laufband legen. und denk mir meinen teil ;)
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