Das Haus vom Gretchen

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Benutzer 947 gelöscht

Das Haus vom Gretchen

#1

Beitrag von Benutzer 947 gelöscht » So 15. Apr 2012, 17:52

Hallo liebe Foris,

im Dezember habe ich ein Haus gekauft. Das Haus vom Gretchen. Sie war 89 geworden, die Margarethe, und bis auf die letzten 2 oder 3 Jahre noch rüstig und unermüdlich im Garten tätig. Ich kannte sie nicht, die Nachbarn haben mir von ihr erzählt - und die Postbotin. Man hat sie geliebt hier in dem kleinen Dorf. Sie hatte ein offenes Haus und ein weites Herz. Dabei war sie eine energische Frau und nicht zimperlich. Oft wohl traf man sich bei ihr zum Kaffeetrinken und für ein Schwätzchen. Wer ihr etwas half, musste es nie umsonst tun (obwohl es jeder der Nachbarn auch so gerne für sie tat). Ihr Haus hat sie der Lebenshilfe vererbt, anderen Besitz und ihr Erspartes (das reichlich war) an zwei andere soziale Einrichtungen. Sie hat ihre Dinge beizeiten geordnet. Ich bewundere sie.

Das Haus habe ich der Lebenshilfe abgekauft. Knapp zwei Jahre stand es leer. Und weil der Haupthahn für das Wasser nicht mehr richtig schloss (was dem Testamentsverwalter entging) fror die Bleileitung hoch zum Badezimmer ein. Ein enormer Wasserschaden, der zwei Zimmer betrifft, war die Folge. Immer schlimmer wurde es, man sah die Nässe schon an der Außenwand. Das hat den Preis gedrückt und mir den Kauf ermöglicht. Nun wohne ich darin - mit meinen drei Kindern.

Es ist nicht genau das, was ich mir vorgestellt habe, das Haus vom Gretchen. Wir haben nur 1200 qm Grund und liegen an der vielbefahrenen Durchgangsstraße. Aber es hat etwas, das mich anrührt. Hell, sonnig, hohe Räume (herrlich, wenn man aus einem niederen düsteren Fachwerkaus kommt wie wir) und nichts gekünstelt Modernes (wenn man mal von dem nicht materialgerechten Betonputz am Sockel absieht, den der Sandputz darunter langsam aber konsequent von sich weist). Und überall die Spuren vergangenen Lebens... es war noch eingerichtet, das Haus vom Gretchen, so als wäre sie nur mal eben zum Bäcker. Das Frühstücksgeschirr weggeräumt, aber noch nicht abgespült. Die Krümel vom Brot noch im Brotkasten. Die Sonntagsbluse auf dem Bügel im Schlafzimmer. Anzündholz und Kohle neben dem Ofen. Ordentlich alles.

Es ist wie ein Vermächtnis, eine Verpflichtung, obwohl ich sie nicht kannte. Wir wollen es pfleglich behandeln, das Haus. Es erhalten und ihm doch im Laufe der Zeit unseren eigenen Stempel aufdrücken. Es ist nicht einfach, sich zu entscheiden, bestimmte Dinge abzugeben. Viele Antiquitäten gibt es hier - manches wollen wir selbst nutzen, anderes nicht. Wir müssen uns Raum schaffen, tun uns aber schwer damit.

Das Kostbarste, das sie uns hinterlassen hat, ist der Garten. Beste Erde, über viele Jahrzehnte natürlich bewirtschaftet. Es fanden sich noch selbst gewonnene Samen und biologische Dünger im Keller... und Marienkäfer, echte; in Scharen haben sie im Haus überwintert. Wenn das kein gutes Zeichen ist...

Das wollte ich euch einfach mal erzählen. Bilder kommen vielleicht noch (wenn ich es schaffe, welche einzustellen). Und vielleicht berichte ich hier an dieser Stelle ab und zu davon, was wir im, am und ums Haus so werkeln.

Liebe Grüße
S.

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die fellberge
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Re: Das Haus vom Gretchen

#2

Beitrag von die fellberge » So 15. Apr 2012, 17:58

Wie schön du das erfasst hast!

Ich denke ja, das Häuser eine Seele haben und einen willkommen heissen- oder eben nicht!

Ich wünsche euch auch ein solch erfülltes Leben wie Gretchen, macht das Beste draus und denkt dran- auf einer Wolke sitzend werdet ihr beobachtet und es wird so manches Problemchen mitangegangen.
Jeder Mensch ist schlau- der eine vorher, der andere hinterher!

LG Marianne

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citty
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Re: Das Haus vom Gretchen

#3

Beitrag von citty » So 15. Apr 2012, 18:10

Schoene story, ich wuensche Euch, dass Ihr Euch wohlfuehlt. Mag auch keine ganz neuen Haeuser ohne Geschichte, die wirken auf mich leblos und steril, egal wie schoen sie dekoriert sind. Ein Haus muss "wachsen".

LG Citty

PS: meine Oma hiess auch Margarethe (war eine grosse Gaertnerin und sehr kreativ), ihr Haus hatte auch etwas gewachsenes als ob es schon immer dagewesen waere. Bj. 17nochwas
Dr. Roger Liebi fan :)

Knurrhuhn

Re: Das Haus vom Gretchen

#4

Beitrag von Knurrhuhn » So 15. Apr 2012, 19:26

Oh, das liest sich soooo schön - richtig anrührend! Freut mich für euch, und ich glaube, daß das Haus die richtigen neuen Besitzer gefunden hat.
Ja, daß Häuser auch eine Seele haben, das glaub ich auch.
Und dann auch noch so ein toller, gepflegter und naturbelassener Garten - das dürfte wohl heute wirklich die Ausnahme sein bei dem, was man sonst so findet.
Wirklich klasse!

Schön finde ich auch, daß das Haus einen Namen hat - "Das Haus vom Gretchen" würde ich mir auf ein schönes Holzschild malen und über/an den Eingang zum Grundstück hängen, oder wo es eben hinpasst. :)

Fände es toll, wenn Du uns auf dem laufenden hältst und das mit den Fotos schaffst, ich seh sowas immer gerne.

Viel Freude am und im Haus und Garten wünsch ich Euch

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65375
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Re: Das Haus vom Gretchen

#5

Beitrag von 65375 » Mo 16. Apr 2012, 08:05

Schön, wie Du das erzählst! Herzlichen Glückwunsch an Dein Haus, das solch aufmerksame, freundliche neue Bewohner gefunden hat!

Wir räumen grade das Haus von Tante Margret aus. Vom Weinkeller bis zum Dach alles top in Schuß! In einem uralten Küchenschrank unterm Dach sind noch die Feldpostbriefe ihres Vaters von 1914/15, teils auf Birkenrinde geschrieben.
Im Keller Weine bis 1945 zurück. Ein alter Leiterwagen auf dem Boden der Scheuer.
Kein Garten, aber der Wunsch: im Hof sind ein paar Pflastersteine entfernt, ein kleines Quadrat, um wenigstens ein paar frische Kräuter zu haben. Ein großer, zur Zeit blühender Rosmarin steht jetzt in meinem Garten.

Alles ist so sauber und ordentlich, sie hat sich nie eine Nachlässigkeit durchgehen lassen. Sie war nach dem Tod der Eltern allein, hat ihr Weingut weitergeführt und selbstbestimmt gelebt; jetzt, mit Mitte 80, geistig klar wie Quellwasser, kann sie die Treppen nicht mehr hoch und mußte ins Heim, wo sie nichtmal eine Möglichkeit hat, für Besucher eine Flasche Wein kühlzulegen. Einen eigenen Kühlschrank wollten wir ihr ins Zimmer stellen, sie will keine Sonderbehandlung!

Daß sie keinen Mann hatte, findet sie nicht so schlimm, es gab halt nicht viele nach dem Krieg, aber Kinder, eins wenigstens, das fehlt ihr jetzt. Ihr Haus hat sie an Leute mit Kindern verkauft, das schien ihr wichtig zu sein.

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Re: Das Haus vom Gretchen

#6

Beitrag von Spottdrossel » Mo 16. Apr 2012, 10:19

Schön, wenn sich Haus und neuer Besitzer "gefunden" haben.
@Sheeplady, Du formulierst sehr schön, wie wäre es mit einem eigenen Blog? ;)
Ich beneide euch alle um die spannenden Fundstücke - in unserem Haus flog der "alte Plunder" in den 70ern raus, und als ich auf dem Dachboden einen Kartoffelsack mit Inhalt fand und -gespannt wie ein Flitzebogen- reinschaute, waren Videokassetten mit :schweinkram: drin.
Von den Erbauern des Hauses habe ich nur ein Bügeleisen, eine Milchkanne und eine supergeniale Hacke geerbt.
Hühner sind auch nur Menschen...
http://www.spottdrossel.net

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Re: Das Haus vom Gretchen

#7

Beitrag von Narrenkoenig » Mo 16. Apr 2012, 20:03

Schön daß auch andere ähnliche Erlebnisse haben.
Wir haben das Haus der "Holder-Rosel" gekauft. Dazu noch das älteste Haus im Dorf und an prominenter Stelle.
Holder Rosel weil sie mangels Führerschein alles mit ihrem, auf 6 km/h gedrosseltem, Holder B12 erledigte.
Leider war irgendwann auch die häusliche Pflege durch die Nichte nicht mehr möglich so das auch Rosa in ein Pflegeheim umziehen mußte.
Das Angebot das Haus entrümpelt zu übernehmen haben wir entrüstet abgelehnt. Auf diese Weise haben wir doch auch einen kleinen Einblick in das Leben hier auf dem Hof der letzten paar Jahrzehnte erhalten.
Neuzeitliche Plastetütten gefüllt mit allem möglichen, jede Menge bäuerliches Gerät das wir erst im Laufe der Zeit einer Anwendung zuordnen konnten, Münzen der letzten 200 Jahre. Keine Reichtümer, aber eine Münze mit dem Konterfei von Napoleon gehört wohl zur Geschichte des Hauses. Kleider, Geschirr, Kannen und Töpfe, Stühle und so weiter und so fort. Was eben zu einem bäuerlichen Haushalt dazugehörte.
5 Grabsteine schön verteilt auf dem Grundstück, Reste einer alte Kirchenbank.

Grüße

Robert
Ich bin zur Vernunft gekommen,
leider war sie grad nicht da.

Knurrhuhn

Re: Das Haus vom Gretchen

#8

Beitrag von Knurrhuhn » Mo 16. Apr 2012, 20:21

Auch 'ne schöne Geschichte, Robert.
Ich stöbere auch total gerne in alten Gebäuden, hatte zwei Mal die Möglichkeit, bei der Auflösung alter Läden dabei sein zu können, fand das klasse. Wenn man aber die Leute sogar gekannt hat, die da drin gewohnt haben, und es auch noch solche "Unikums" (positiv gemeint) waren, hat es noch mal 'ne ganz andere Qualität.

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Re: Das Haus vom Gretchen

#9

Beitrag von Narrenkoenig » Mo 16. Apr 2012, 21:26

Man wühlt sich aber auch durch ein fremdes Leben, Vieles erzählt eine Geschichte, die Säcke voll von leerem Bohnenstroh, Schubladen voller Knöpfe und Borten, Rosa ist von ihrem Vater in eine Fabrik geschickt worden um Näherin zu lernen. Nach Ausbildung und Arbeit hat sie beim Ausscheiden ihre Nähmaschine mitbekommen. Die steht noch hier, und darf eigentlich auch nicht entfernt werden. Das gebietet der Respekt vor einem fremden Leben an dem wir im nachhinein teilhaben dürfen.
Allerdings die Engel und Heiligenbildchen haben wir doch im Zuge eines Hofflohmarktes abgegeben.

Grüße

Robert
Ich bin zur Vernunft gekommen,
leider war sie grad nicht da.

Benutzer 947 gelöscht

Re: Das Haus vom Gretchen

#10

Beitrag von Benutzer 947 gelöscht » Mi 18. Apr 2012, 18:30

Danke für eure lieben und interessanten Rückmeldungen. Ich versuche jetzt mal, Bilder einzustellen.

Bild Bild Bild Bild

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