Das kann man so nicht sagen. Diese Programme greifen zwar nur auf Standorten mit niedrigem Pachtpreisniveau (also meist da, wo die Erträge geringer sind), ohne sie wären aber längst noch viele mehr kleine Betriebe verschwunden. Andere Möglichkeiten als diese Programme zu nutzen, gibt es für die kleinen Betriebe ja kaum.gedaechtnisbuero hat geschrieben:Es ist also nicht so, dass von kleinen Landwirten die EU-Förderung tatsächlich als hilfreich wahrgenommen wird, weil auf der anderen Seite eine starke Abhängigkeit und Reglementierung steht?
Und das ist auch der Haken dieser Programme. Mit der einen Hand halten sie einem am Leben, mit der anderen würgen sie den Betrieb, weil sie so unflexibel sind. Und sie tragen das ständige Risiko in sich, dass durch staatlichen Ausgabenkürzungen die Betriebsgrundlade über Nacht wegbricht.
Eine solide Zukunft hätten auch Kleinbetriebe nur, wenn sie mit ihren Produkten Gewinne in einer Höhe erwirtschaften könnten, die sie aus der Abhängigkeit von den staatlichen Töpfen befreien.
Ja. Das ist ganz eindeutig so. Und das betrifft nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch das gesamte kleine Lebensmittelhandwerk. Auch den kleinen Verarbeitern geht wegen der explodierenden Auflagen reihenweise die Luft aus. Nicht umsonst ist die Zahl der handwerklichen Bäcker und Metzger genau so schnell geschwunden wie die der Bauern.Der direkte Marktzugang scheint durch die EU auch erheblich erschwert zu werden.
Auch denen wäre sehr geholfen, wenn die ganzen Auflagen wegfallen würden für die Produkte, die sie selber erzeugen und direkt verkaufen.
Wenn umnutzbare Räume vorhanden sind, würde ich die Investition für einen Zerlegeraum mit Kühlzellen auf ca. 20.000 Euro schätzen.Was kostet eigentlich die Einrichtung eines Zerlegeraums? Für mich hört sich das so an, dass sehr viel Geld bei den Dienstleistern wie Schlachter und Tierärzten bleibt. Stimmt das?
Eine eigene Schlachtstätte für Rinder auf mind. 50.000 Euro. Der komplette Neubau eigenen Schlachtstätte für Rinder liegt wohl eher in Richtung 100.000 Euro.
Aber das sind nur die Investitionskosten. Das ganze muss ja auch Genehmigt, abgnommen und ständig überwacht werden. Hygieneproben müssen genommen und das Labor bezahlt werden etc.
Das rentiert sich nicht mal für Metzger die 2 Rinder und 20 Schweine pro Woche schlachten. Selbst die sind idR nur noch Zerlegebetriebe und lassen das Schlachten im nächsten Schlachthof erledigen oder sie kaufen selbst gar keine Schlachttiere mehr ein, sondern lassen sich gleich mit fertigen Schlachtkörpfern beliefern.
Früher hat man das Schlachttier am Strick vom Hof zum Metzger geführt. Heute fährt das Tier im Sammeltransport 3 Stunden zum Schlachthof und von dort im Kühltransport zur Metzgerei. Und die Kosten dafür sind natürlich bei kleinen Tierzahlen viel höher als bei großen. Wenn ich als Viehkäufer jede Kuh bei einem anderen Bauern abholen muss, habe ich viel höhere Kosten, als wenn ich bei einem Großbetrieb den LKW vollladen kann. Und wenn die Großschlachterei für den Discountmarkt direkt an den Großschlachthof angeschlossen ist, fallen auch die Kosten für den Transport der Schlachtkörper zum Metzger weg.
Der Kostenabstand zwischen kleinen und großen Mengen geht immer weiter auseinander. Und die kleinen Betriebe kommen aus dieser Schraube nicht heraus, weil sie nicht kostengünstig selber schlachten können, wegen der hohen Auflagen und Überwachungskosten.
Als Direktvermarkter kann man die Arbeiten natürich auch vergeben. Beim Schlachten ist das Standard. Beim Zerlegen wird es zu einem gewissen Prozentsatz gemacht. Aber das reduziert natürlich für den Kleinbetrieb die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zu verwerten. Und der beauftragte Metzger muss auch Gewinn machen, was die Marge des Direktvermarkters weiter verkleinert, weil er ja dem Metzger entsprechend viel zahlen muss.
Wenn ich eh schon wenig Landfläche habe, muss ich natürlich versuchen, über die Arbeitszeit in der Verarbeitung und Vermarktung Geld zu verdienen. Und wenn ich diese Jobs extern vergebe, bleibt wieder nur das magere Einkommen aus der Urproduktion selbst.
Das kann man nicht pauschal beantworten.Wieviele RInder können Sie pro Jahr eigentlich verkaufen und was wäre die kritische Größe, aber der man von der Rinderproduktion leben kann?
Haben Sie auch schon mal über spezielle Nischen nachgedacht, z.B. die Züchtung besonders hochwertiger und teurer Rinder?
Bei einem durchschnittlichen spezialisierten Bullenmastbetrieb auf Ackerstandort kann man davon ausgehen, dass er ca. 100 ha Ackerland bewirtschaftet und ca. 150 Bullen pro Jahr verkaufen muss, um ein ausreichendes Familieneinkommmen zu erwirtschaften.
D.h. er kauft Kälber zu, und hat ständig gut 200 Tiere im Stall stehen, die versorgt werden müssen. Auf dem Ackerland erzeugt er das Futter und verwertet dafür die Gülle als Dünger. Ein Kleinbetrieb ist das natürlich nicht mehr. Und als Vollerwerbsbetrieb wird der nicht reich. Ein Handwerker verdient pro Arbeitsstunde mehr.
Bei mir in der Mutterkuhhaltung ist es so, dass die Tiere idR in der Erzeugung mehr kosten als sie an Erlös einbringen. Wenn es gut läuft, ist es ein Nullsummenspiel. D.h. ich halte nicht mehr Tiere als ich muss bzw. als ich zur Verwertung des anfallenden Futters von den Landschaftspflegeflächen benötige. Für die Programme sind mindestens 0,3 Großvieheinheiten pro ha Landfläche vorgeschrieben. Eine Großvieheinheit ist ein Rind ab 2 Jahren. Jungvieh und Kälber zählen entsprechend weniger. Um das anfallende Futter zu verwerten benötige ich auf meinem Betrieb ca. 0,6 GV pro ha.
Je nach Jahr verkaufe ich zwischen 10 und 15 Rinder verschiedenster Altersstufen, vom Schlachtkalb bis zum alten Deckbullen.
Ich hätte als ca. 1 Schlachtung pro Monat, wenn ich direkt vermarkten würde. Völlig unwirtschaftlich, dafür einen EU-Zerlegeraum einzurichten.
Würde ich meinen Betrieb intensiver führen, d.h. Mineraldünger einstzen oder Kraftfutter zukaufen etc. könnte ich natürlich mehr produzieren. Aber dann würden die Einnahmen aus dem Umweltprogrammen wegfallen und die Kosten pro erzeugten Tier würden eher steigen als sinken, so dass am Ende wieder nichts übrig bliebe.
Mein Vater hat das vor mir lange Zeit versucht. Er hat Milch produziert und die Jungtiere gemästet so viel der Betrieb hergegeben hat. Das Ergebnis waren über die letzten Jahre vor der Hofübergabe jedes Jahr einige tausend Euro Verlust. Er hat nebenher als Metzger gearbeitet und mit der Kohle und mit einer kleinen Erschaft den Hof quersubventioniert. Und für dieses Spiel hat er auch noch Steuern bezahlt, weil der Gewinn nicht buchhalterisch ermittelt, sondern nach §13a geschätzt wurde. Ein paar hundert Euro Steuern nach Schätzung abdrücken (dank 2er Pflegefälle und der noch laufenden Last durch die Altenteiler waren entsprechnde Freibeträge vorhanden) war billiger, als zusätzlich zum Verlust auch noch ein Buchhaltungsbüro für die offizielle Ermittlung desselben zu bezahlen.
Diesen Zustand musste ich nach Übergabe natürlich sofort beenden. Und die einzig realistische Perspektive war der Gang in die Abhängigkeit. Zum Glück waren mehrere Flurnachbarn bereit, Pachtflächen zu tauschen, so dass ich eine Teilarrondierung für die nötige Weidelfäche erreichen konnte. Hätte ich noch den alten Fleckerlteppich an Flächen und müsste ständig Tiere von einer Weide zur nächsten bringen und Wasser fahren etc. wäre die Sache noch unwirtschaftlicher.
Ja. Ich denke über diverse Nischen nach. Wir haben hier ein Markenfleischprogramm für Weidetiere, dass wenigstens ein paar Cent Aufpreis pro kg bringt. ( http://www.weidewelt-frankenwald.de/ ). Eine weitere Nische die ich besetze ist das Freihalten von Stromleitungstrassen durch den Wald per Beweidung. Das befindet sich aber noch in der Versuchsphase. Wenn die Ergebnisse der nächsten 5 Jahre gut sind, können wir das evtl. ausweiten. Und das Geld für diese Dienstleistung ist sicherer als das vom Staat.Haben Sie auch schon mal über spezielle Nischen nachgedacht, z.B. die Züchtung besonders hochwertiger und teurer Rinder?
Über Kobe-Rinder (Wagyu) habe ich eine Zeit nachgedacht. Das ist aber ein sehr schwieriges Gebiet. Diese Rinder werden inzwischen im großen Umfang in Australien produziert und zunehmend auch in den USA und gut bezahlt sind nur die edlen Teilstücke für die Gastronomie. Der restliche Schlachtkörper ist wegen des hohen Talganteils nach deutschen Verhältnissen kaum verwertbar. Und die Edelstücke erhält die Gastronomie billiger aus Australien.
D.h. diese Nische ist nur dann interessant, wenn man direkten Zugang zu Hochpreis-Endkunden findet. Und der ist hier in der Gegend nicht gegeben. Dazu müsste man nahe an einem Ballungsraum sitzen.
Bei dem Weidefleisch-Programm arbeiten wir u.a. mit "dem" Edelmetzger unserer Region zusammen. Der hat auch mal überlegt, Wagyu als Spezialität ins Programm zu nehmen. Aber selbst sein für unsere Region sehr nobler Kundenkreis ist nicht bereit, diese Produkte anzunehmen. Höchstens mal als Probierhappen zu Weihnachten.
Und ob man so einen Markt beliefern will, ist neben den Voraussetzungen auch eine Einstellungsfrage. Die meisten Kollegen wollen hochwertige Nahrungsmittel zu fairen Preisen erzeugen und nicht die Dekadenz weniger Superreicher befriedigen.