Corona

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emil17
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Re: Corona (Wer ist Gewinner und warum?)

#451

Beitrag von emil17 » Sa 2. Mai 2020, 21:38

Zum Thema Gewinner oder nicht (vgl. Vorstellung von Kleiner Fuchs):
Ich denke nicht, dass es überhaupt Gewinner geben kann.
Was vielleicht so ist, man ist weniger Verlierer als andere. Da ich persönlich nie viel von Grossveranstaltungen gehalten habe, leide ich auch nicht darunter, dass es keine mehr gibt. Weil ich mich problemlos und gerne tagelang alleine beschäftige, schränkt mich ein Kontaktverbot kaum ein. Weil ich viele Sachen repariere und aufhebe und Improvisieren gewöhnt bin, musste ich bis jetzt nichts unterlassen aus dem Grund, dass ich bestimmte Waren, Werkzeuge oder Dienstleistungen nicht kaufen konnte. Weil ich selten in Kneipen gehe, musste ich mich auch da nicht einschränken.
Wirklich autarke Selbstversorger, die nicht auf Waren oder Dienstleistungen von aussen angewiesen sind, gibt es je nach Definition kaum oder gar nicht. Die in allen Kulturen übliche kleinste wirtschaftliche Einheit ist ein Dorf oder eine Gruppe von Familien, das ist kein Zufall. Nur die moderne extrem spezialisierte Dienstleistungsgesellschaft der modernen Industriestaaten von heute erlaubt es, scheinbar ganz alleine "unabhängig" zu leben. Dabei besteht diese Unabhängigkeit eigentlich nur am Fehlen von Sozialkontakten mit Menschen, die man sich nicht ausgesucht hat. In der Stadt kann man problemlos monatelang leben, ohne mit jemandem ausserhalb der Gelderwerbsarbeit ein einziges Wort zu wechseln. Sobald man aber Alltagswaren nicht mehr kaufen kann, merkt man, wie abhängig man doch ist.
Zum Thema Autarkie gab es schon mal eine ausführliche Diskussion und auch neulich sogar eine ziemlich hitzige.
Allgemein sind Krisen leicher zu ertragen, wenn alle in der Umgebung im gleichen Boot sitzen. Insofern sind alle Gewinner, weil doch viel Solidarität zwischen Leuten plötzlich da war, die sich vorher so ziemlich ignoriert haben. Dass die jungen für die Alten einkaufen gehen, ist nur ein Beispiel.
Für mich besteht der Gewinn hauptsächlich darin, dass ich viel mehr Zeit für mich habe, weil das Pendeln zum Arbeitsort wegfällt. Damit geht aber auch ein Verlust einher, die Arbeitskollegen regelmässig zu treffen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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kraut_ruebe
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Re: Corona

#452

Beitrag von kraut_ruebe » Sa 2. Mai 2020, 22:30

Gewonnen hat in meinen Augen keiner was (außer vermutlich Amazon), ich halte dem ganzen Tamtam aber zugute, daß vermutlich Viele vor Ansteckung bewahrt blieben.

Meiner SV hats nicht geschadet, so viel Zeit für den Garten hab ich im Frühjahr nie, das ist normaler Weise meine Hochsaison im Job. Ich hab sogar regelmäßig gemähten Rasen, und damit zum allerersten Mal ausreichend Mulchmaterial.

Was mein Lagerkeller so hergegeben hat und hergibt war/ist zeitgleich beruhigend und hilfreich, ich kämpfe so wie alle Kleinunternehmer in Österreich hart damit, betriebliche Fixkosten und zu zahlende Gehälter für ein paar Monate ohne Einkommen oder Ausgleich dafür zu stemmen. Auf der mentalen Ebene hat das schon was, zu wissen, daß man wenigst genug Essen und Tierfutter zuhause hat, wenn irgendwas bislang nicht vorstellbar gewesenes eintritt. Nur, autark ist das halt noch lange nicht, von auf Dauer alleine überleben ist keine Spur.
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Re: Corona

#453

Beitrag von Rati » So 3. Mai 2020, 09:32

Gewinner gibt es ja nur in einem Wettbewerb, es gab viel zu lernen und viele Möglichkeiten etwas auszuprobieren. Und das könnte als Gewinn für uns alle interpretiert werden. :)
Ich denke das da in den letzten Monaten ne Menge Ahaeffekte in aller Welt aufploppten.

Grüße Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

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Re: Corona

#454

Beitrag von kraut_ruebe » So 3. Mai 2020, 23:36

Rati hat geschrieben:
So 3. Mai 2020, 09:32
Ich denke das da in den letzten Monaten ne Menge Ahaeffekte in aller Welt aufploppten.
In den ersten beiden Wochen hatte es das, denke ich. Daß danach, früher oder später, die jeweils getriggerten (Ur-)ängste naturgemäß die Überhand gewinnen, wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen.

Ganz praktisch: Neben Germ (Hefe) braucht es bei mir im Vorratslager mehr Batterien für die Taschenlampe und Glühbirnen.
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Benutzer 72 gelöscht

Re: Corona

#455

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mo 4. Mai 2020, 10:50

Gegen die Angst hilft vielleicht
Es ist wie es ist, sagt die Liebe
(Erich Fried)

und wie es ist, ist es gut. weil es seiend ist, ist es gut :flag: :flag: :flag:

Trotzdem bitte nicht in Passivität versinken, aber das Frohe Schaffen wird bei uns persönlich von "corona" kaum beeinträchtigt.... eben dorthin schaun, wo man sein will, nicht dorthin wovor man (Zukunfts)angst hat ...
Als "Gewinner" tät ich mich trotzdem nie bezeichnen, wo es "Gewinner" gibt, gibt es auch "Verlierer" und die mag ich nicht erzeugen.

Was uns - also den Jungen in der Familie - wirklich fehlt, sind die echten sozialen Kontakte (Tanzen, Fußballspielen) mit anderen Menschen.

Ich hoffe, das gibt es bald wieder .... :flag:

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Re: Corona

#456

Beitrag von woidler » Mo 4. Mai 2020, 11:06

Ich werde auf die "echten" sozialen , also direkten Kontakte mit Mitmenschen außerhalb des eigenen Haushalts, gerne solange wie möglich weiterhin freiwillig verzichten, da ja jeder Kontakt nach wie vor , das Risiko beinhaltet , sich eine höchst unangenehme Krankheit einzuhandeln.
Wie es ja am Wochenende von verschiedenen Seiten schon formuliert wurde: mit einem Virus lassen sich eben keine gesellschaftlichen Vereinbarungen treffen.
Die fehlenden Kontakte sind mir lieber , als die Perspektive auf ein paar Wochen Krankenhausaufenthalt, von einer mehrwöchigen künstlichen Beatmung im künstlichen Koma mit ungewissen Spätfolgen ganz abgesehen .

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Re: Corona

#457

Beitrag von Oli » Mo 4. Mai 2020, 11:45

Ich möchte aus verschiedenen Gründen nicht an diesem Projekt teilnehmen, aber vielleicht kurz einen Kommentar zu einer Passage hierlassen.
kleinerfuchs hat geschrieben:
Sa 2. Mai 2020, 15:22
Mich interessiert ob ihr euch ähnlich wie viele in der Stadt auch beschränkt und der Freiheit beraubt fühlt. Ob durch die Krise sich euer Alltag verändert hat oder ob eben einfach alles gleich geblieben ist.
Das hat, glaube ich, weniger mit Selbstversorger vs. reiner Konsument zu tun, sondern vielmehr mit der Persönlichkeitsstruktur.
Wer es schlecht mit sich selber aushält oder seine Beschäftigung überwiegend im AUSSEN findet, der leidet unter den Maßnahmen in der Stadt wohl ebenso wie auf dem Land. Ebenso dürfte sich der Alltag umso mehr verändert haben, je mehr man im AUSSEN zu tun hat.
Das gibt es ebenso auf dem Land wie in der Stadt.

Beispiele dafür habe ich einige in Familie und Bekanntenkreis gesehen und interessiert registriert. Im Umkehrschluss sind - was diesen Punkt angeht -diejenigen im Vorteil (die 'Gewinner'), die sich schon vorher selbst genug waren und sich ihr Leben so eingerichtet haben, dass die notwendigen Kontakte nach draussen auf ein Minimum beschränkt sind. Und das meine ich durchaus nicht pathologisierend, sondern eher, wie eingangs erwähnt, in Bezug auf die Persönlichkeitsstruktur. Nach Carl Jung beispielsweise um das zu veranschaulichen INTJ.
Edit: Plus natürlich andere interne Faktoren wie die allgemeine Compliance mit staatlich verordneten Maßnahmen sowie der kognitiven Möglichkeiten, die es möglicherweise braucht, um die Sinnhaftigkeit einschätzen zu können.

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Re: Corona

#458

Beitrag von Rohana » Mo 4. Mai 2020, 13:23

Haja, die Sinnhaftigkeit. Ganz ehrlich, wenn man nur staatliche (!) Regeln einhalten würde, denen man(n) genug "Sinn" zugesteht, dann will ich nicht wissen welcher Teil der Bauern sich an die neueste Reform der refomierten DüVO und ähnliche Scherze halten würde. Autofahren würde ich dann auch nicht mehr wollen. :hmm:
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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Re: Corona

#459

Beitrag von Oli » Mo 4. Mai 2020, 14:38

@Rohana: es passt - so wie ich es geschrieben habe - wahrscheinlich auch sehr gut auf Bauern :) aber ich bin konkret am Thema Corona/ob ihr euch auch beschränkt ... der Freiheit beraubt fühlt.

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Re: Corona

#460

Beitrag von emil17 » Mo 4. Mai 2020, 15:23

Autofahren ist ein gutes Beispiel für Sinnhaftigkeit auf individueller bzw. gesellschaftlicher Ebene: wer sich nicht an gewisse gesellschaftliche Regeln hält, gefährdet damit andere, auch wenn man es selber nicht einsieht und nicht wahrhaben will. Wenn sich aber alle daran halten, ist es für alle von Voreil. Deshalb werden diese Regeln auch durchgesetzt.
Kurszfristig obsiegt in einer Gesellschaft, die nur das befolgt, was gerade passt, das Faustrecht. Langfristig gibt es immer eine Liste von Gesetzen und eine Struktur der Gesellschaft, die diese durchsetzt, auch gegen den Willen derjenigen, die gerade keine Lust haben,weil sie zu dumm, zu faul oder zu eigennützig sind.

Ansonsten sehe ich es wie Olli, es ist eine Frage der Persönlichkeit, wie man mit den Restriktionen umgeht.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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