Manfred,
du spielst da zwei Dinge gegeneinander aus, die beide gleichzeitig nebeneinander ihre Berechtigung haben.
Wenn man einen Lebensraum "fett" macht, dann produziert er zwar viel Biomasse pro Fläche und Zeit, aber die Anzahl Arten, die wir bestimmen und zählen können, nimmt ab. Die, die übrigbleiben, werden sehr viel häufiger, und es sind auf vorher unterschiedlichen Standorten nachher überall die gleichen.
Für Landwirte, die von der geernteten Menge leben, ist es essentiell, das so zu machen. Für Flächen, deren Bewirtschaftungsziel Artenreichtum ist, ist es oft schlecht.
Vom Inventar der Arten eines Gebietes sind die meisten auf relativ wenige Flächen angewiesen, die für die Landwirtschaft nicht lohnend sind, weil sie wenig Ertrag bringen. Ein Grund dafür ist, dass die hohe Biomasse viel Schatten macht und die Erwärmung des Bodens verhindert, was dann das Aus für sehr viele Pflanzen und Insekten bedeutet.
Wird alles flächendeckend eutrophiert (nährstoffreich), dann bedeutet das, dass viele Arten aus dem Gebiet verschwinden. Das trifft für Grünland genauso zu wie für Fliessgewässer.
Einzige Abhilfe dagegen ist bei Grünland eigentlich nur das Relief (magere Böschungen bleiben mager, weil Bewirtschaftung nicht lohnt) und eben die Ausweisung von Schutzgebieten.
Gewöhnliche Leute merken das nicht, weil ja alles schön grün ist. Man kann zwar keine Feldblumensträusse mehr pflücken und es gibt nur noch wenige Tagfalter, aber das muss man nicht merken und das merkt man auch nicht, wenn man es nicht kennt.
Wenn man Biomasse als Mass für die Güte eines Ökosystems hernimmt, dann ist das deshalb so, wie wenn man Bücher nach Seitenzahl oder Möbel nach Heizwert taxiert.
Deshalb muss man Naturschutz in Schutzgebieten anders betrachten als Naturschutz in landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Natur strebt nach maximaler Produktivität und Stabilität (welche sie durch Diversität und Dynamik erreicht).
Wenn du optimal statt maximal geschrieben hättest, wäre es halb richtig. Ziel der Lebewesen ist es nicht, viel Biomasse pro Fläche zu erzeugen, sondern langfristig viele Nachkommen. Dazu gibt es viele Strategien. Den Nachbarn auszukonkurrenzieren mit Biomasseproduktion funktioniert nur auf hoch produktiven Standorten. Dort können sich nur die raschwüchsigsten behaupten, und entsprechend langweilig ist es dann auch. Extrembeispiel sind Brennessel- oder Brombeerbrachen, oder auch dichte Schilfbestände. Wobei diese, da wenig gestört, dann doch wieder viele Nischen für Kleinstlebewesen bieten, was bei Kunstwiesen nicht der Fall ist.
Stabilität ist etwas, was aus Sicht und Zeithorizont des Menschen existieren mag, es ist aber immer nur so stabil wie die Bedingungen es sind. Dauergrünland z.B. ist in Mitteleuropa nur stabil, weil dauernd gemäht oder beweidet wird, und weil das Klima gewöhnlich während der Vegetationszeit ausreichend feucht ist. Dass Dauergrünland nicht wirklich stabil ist, hat man anlässlich der Trockenheit letztes Jahr gut sehen können. Für Wald gilt das Gleiche.
Der Zusammenhang zwischen Artenzahl und Produktivität ist nun einmal so, dass hoch produktive Flächen artenarm sind, genauso wie extrem magere, wo nur wenige Spezialisten fortkommen können.
Was die Mikroben anbetrifft: Man weiss es nicht. Das liegt schon daran, dass es keine vernünftigen und praxistauglichen Kriterien gibt, um Arten zu unterscheiden. Auch mit DNA-Analysen kommt man da nicht weiter, denn dann würde man Stämme oder Ökotypen unterscheiden können. Zudem ist es auf kurzer Distanz hoch variabel.
Wenn man allerdings Massnahmen bewerten will, so muss man vor allem vorher mit nachher oder mit und ohne vergleichen können, und da wären Kriterien wie Mikroben aus oben erwähnten Gründen ungeeignet, weil Biomasse kein taugliches Mass für Biodiversität ist und weil in der Unschärfe der Bestimmung nach Arten alles andere untergehen würde.
Gefässpflanzen und Moose sind für eine einfache Bewertung von Bewirtschaftungszielen in Grünland und Wald gut geeignet, weil sie ortsfest sind, weil sie leicht erkennbar und im Allgemeinen auch leicht bestimmbar sind, und weil alles weitere Leben, von der Mikrobe bis zum Rebhuhn oder Hirsch, von dem lebt, was diese Pflanzen produzieren.
Da ist die Sache ziemlich eindeutig: In Mitteleuropa bedeutet mager fast immer artenreich.