Angehörige mit Demenz

Was halt nirgendwo passt
Knurrhuhn

Angehörige mit Demenz

#1

Beitrag von Knurrhuhn » Sa 21. Aug 2010, 08:26

Hmm, mir lastet da ein problematisches und trauriges Thema auf der Seele .....

das ist für mich gerade aktuell, und ich kann (noch) nicht so recht damit umgehen. Hat vielleicht jemand in der Familie (Eltern?) Fälle von Demenz und mag sich mal mit mir per PN austauschen?

Aproximata
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Re: Angehörige mit Demenz

#2

Beitrag von Aproximata » Sa 21. Aug 2010, 08:57

Hallo Frau Hollerbusch, kannst mir gerne ne PN schicken. Meine Schwiegermutter war 4 Jahre davon betroffen, das letzte Jahr bis zu ihrem Tode mußte sie dann ins Heim, weil es nicht mehr anders ging.
Haben viel mitgemacht und kann Dich verstehen

Manfred

Re: Angehörige mit Demenz

#3

Beitrag von Manfred » Sa 21. Aug 2010, 09:16

Hallo,

meine Großmutter war viele Jahre dement und bettlägrig. Hat das ganze Programm durchgemacht, von ersten Ausfällen bis dahin, wo sie niemanden mehr erkannt hat, teilweise sehr aggressiv war, die Pfegenden geschlagen hat, und das letzte halbe Jahr praktisch nicht mehr ansprechbar war bzw. nur noch in hellen Momenten überhaupt auf Ansprache reagiert hat.
Unser Pfarrer (mein Großmutter war streggläubige Katholikin und hat, solange es ging, Krankenkommunion erhalten) hat meiner Mutter und meiner Tante, die zusammen die Pflege geleistet haben, gleich zu Beginn geraten:
Man darf nicht sein ganzes Leben auf die Pflege ausrichten und sich dafür aufopfern. Das kann sich viele Jahre hinziehen und man arbeitet sich mit so einer Einstellung nur ab und verliert einen großen Teil des eigenen Lebens. Nach all den Jahren sind ihm die beiden noch immer dankbar dafür. Obwohl meine Tante gelernte Krankenpflegerin ist, war es für sich wichtig, dass ihr das bei der eigenen Mutter noch mal jemand klar macht.
Das heißt nicht, dass man den Kranken nicht mit Liebe und fürsorglich pflegen soll. Aber man muss den nötigen Abstand gewinnen, um sein eigenes Leben weiter leben zu können. Alleine ist das eh nicht zu leisten. Bei uns war es ein 24 h Job mit vielen Nachtschichten. Wenn der Kranke noch mobil ist, ist es manchmal schwieriger als bei bettlägrigen, weil die Leute raus wollen. Eine Bekannte hier im Dorf konnte sich irgendwann nur noch an ihre Jugend erinnern. Dachte, in dem Haus, in dem sie ihre ganze Ehezeit verbracht und ihre Kinder großgezogen hat, sei sie fremd. Sie hat dann immer versucht zu fliehen, nach Hause zu laufen.
Wenn ihr nicht mehrere seit, die sich die Pflege teilen können, kann hol dir frühzeitig Hilfe. Pflegedienst etc. und lass dich gut über mögliche Unterstützung beraten, z.B. bei VdK.
Die Priorität sollte bei dir und dem Rest der Familie liegen. Wenn ihr umziehen wollt, zieht um. Es hat keinen Sinn, vorher 10 Jahre Pflege abzuwarten. Lieber den Kranken mitnehmen und sich am neuen Ort neu organisieren. Ob mit Pflege daheim oder im Heim oder eine Kombination mit Tagespflege etc.

Stehe auch gerne per PN zur Verfügung.

Knurrhuhn

Re: Angehörige mit Demenz

#4

Beitrag von Knurrhuhn » Sa 21. Aug 2010, 09:38

Herzlichen Dank euch beiden.
Es hilft schon mal zu sehen, daß andere ähnliches auch schon erlebt haben ... klar, man weiß natürlich, daß man sicher nicht der erste ist dem das widerfährt, aber trotzdem .... :gkusch:

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tzoing
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Re: Angehörige mit Demenz

#5

Beitrag von tzoing » Sa 21. Aug 2010, 10:32

Hallo zusammen,

Manfred, Du hast das Wichtigste schon geschrieben: Abstand und Hilfe von anderen Menschen!

Wir pflegen unsere Tochter seit 27 Jahren und waren - trotz wirklich sehr guter Hilfe von außen - schon mehrmals an und über unseren Grenzen.
Für uns gibt es jetzt noch zusätzliche Schwierigkeiten mit einem Elternteil, das teilweise dringend Betreuung benötigen würde, diese aber vehement ablehnt. Wir haben uns hier auch erst mal für Abstand entschieden, weil es sonst einfach zu aufreibend ist.

Ein lesenswertes Buch zum Verständnis für Menschen mit Demenz: In Ruhe verrückt werden dürfen
Öø¤º°`°º¤ø,¸¸,ø¤º°`°º¤øø¤º°`

Viele Grüße
Inge

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Re: Angehörige mit Demenz

#6

Beitrag von Spottdrossel » Sa 21. Aug 2010, 13:09

Auch beim Hausarzt mal die Augen offenhalten, was da an medizinischen Ratgebern rumliegt, ich bin da mal über einen interessanten Artikel mit Buchtipps für Angehörige gestolpert, ist leider schon mehr als 1 Jahr her, deshalb habe ich die konkreten Titel vergessen.
Wir haben grade unser Tantchen beerdigt, am schwierigsten fand ich es, wenn sie grade "in der falschen Schublade" dachte, und sich dann z. B. ungerecht behandelt fühlte, auch wenn man es nur gut meinte.
Und woran ich nie gedacht hätte: wenn eine 90jährige wieder im heimatlichen Dialekt spricht, den kein Lebender mehr versteht...
Hühner sind auch nur Menschen...
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Re: Angehörige mit Demenz

#7

Beitrag von moorhexe » Sa 21. Aug 2010, 21:31

ich habe auch ein 3/4 jahr meine mutter gepflegt. an die demenz konnte ich mich gewöhnen, aber heute würde ich mir hilfe und unterstützung holen für die pflege.. ich war 24 stunden am tag alleine mit der situation .dazu mein sohn, der damals erst 5 war.
ganz verrückt ist, oder war, ich wurde von meiner mutter enterbt, als sie für einige zeit wieder bei meiner schwester lebte :schmoll:
ich hatte gutachten für ihre demenz, aber am tage . als sie das testament geschrieben hat, hat sie kein arzt gesehen :neee:

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Re: Angehörige mit Demenz

#8

Beitrag von chiccan13 » Sa 21. Aug 2010, 22:22

ich geb da jetzt mal meinen senf dazu,

erstens als betroffene, die ihren dementen vater gut 3 jahre lang mitgepflegt hat - das drama also hautnah erlebte

zweitens als sozialarbeiterin, die ich 27 jahre lang war

und drittens als emanze, die ich halt nun mal bin: außer manfred haben sich soweit ich das sehen kann, nur frauen zu wort gemeldet. ist pflegearbeit rein weibliches thema? muß es so sein? ist sie deswegen unbezahlt, und bringt der einzige mann der sich hier einbringt auch deshalb die einforderung nötiger distanz und hilfe von aussen ein?

pflegearbeit führt sehr oft ins burn out, ist (zumindest bei uns in ö) meist unbezahlt und ohne absicherung im sozialsystem und ausserdem wenig geachtet. demgegenüber steht die hilfe von aussen - die kostet. und fordert das klare bekenntnis: es ist mir als pflegende angehörige einfach zu viel! UND DAS IST LEGITIM!!! jeder der selber mal in dieser situation war, weiss das. Deshalb kann ich dir, frau hollerbusch, raten: sags einfach. deinem mann, den kindern, dem ganzen sozialen umfeld, auch dem bürgermeister, wenns sein muss. hol dir hilfe, lass dich beraten, was es finanziell vom staat gibt und wer zumindest stundenweise nach hause kommt.

ich möchte dich einfach ermuntern, die arbeit die du leistest, publik zu machen. nicht als das selbstverständliche hinzustellen. auch das ist selbstversorungung.

in diesem sinne
lg chiccan

Knurrhuhn

Re: Angehörige mit Demenz

#9

Beitrag von Knurrhuhn » So 22. Aug 2010, 09:25

Ihr Lieben, dankeschön für Eure Beiträge.

Als vor Jahren eine Bekannte von mir ihre hochgradig demente Mutter ins Heim "gab" war sie völlig fertig und meinte, daß alle nun denken, sie sei eine fiese, undankbare Tochter, die die Mutter abschiebt aus Bequemlichkeit. Damals habe ich ihr gesagt, daß sie jedes Recht dazu hätte und sich selber fertig macht mit der 24-Std.-Schicht, und daß niemand sich selbst opfern müsse. Die Dame hatte nachts den Herd eingeschaltet und angelassen, lief nackend raus auf die Straße usw.... wie will das jemand bewältigen, permanent jemanden regelrecht zu bewachen? Außerdem wurde sie sogar handgreiflich und war zu der Zeit körperlich noch recht stark, und sie konnte sich nicht wehren, es war ja die Mutter .....

Aber im Moment geht es mir fast ähnlich und ich glaube, daß ich mich nun Tag und Nacht um meine Eltern kümmern müsste. Das Problem liegt in erster Linie bei meinem Vater, aber ich habe das Gefühl meine Mutter zeigt auch schon erste Anzeichen, und ich weiß halt nicht, wie lange sie beide noch alleine wohnen können. Ich lebe ja alleine, hab kein Kind und kein Rind, aber meine persönliche Situation ist gesundheitlich wie beruflich auch sehr verfahren und schwierig.
Ich weiß auch nicht ob ich mit ihnen zusammenleben könnte. Dort wo sie jetzt wohnen sowieso nicht, und in meinem Mini-Häuschen wäre auch kein Platz.

Ich fühle mich in der Pflicht, aktiv zu werden, meine Brüder sind, bis auf einen, gar nicht so involviert. Und der eine scheint mir emotional völlig überfordert zu sein. Er tut zwar in praktischer Hinsicht viel für meine Eltern, also an Erledigungen und Arbeiten, aber mit der anderen Seite will er nix zu tun haben. Ich glaube es liegt aber nicht in erster Linie daran, daß er meint, Pflege sei grundsätzlich Frauensache. Er will nicht mal mit mir gemeinsam mit den Ärzten reden und würde auch von Themen wie Patientenverfügung, Vollmachten usw. am liebsten gar nichts hören.
Ich habe das Gefühl, er kommt mit dem Thema geistiger Verfall und nahender Tod der Eltern nicht zurecht. Aber damit werden wir uns jetzt auseinander setzen müssen, ob ihm das gefällt oder nicht. Ich habe jedenfalls drauf bestanden, daß wir uns alle jetzt bald mal zusammen setzen, über die Situation reden und eine Lösung / Regelung finden. Doch vorher möchte ich mich bei geeigneten Stellen erkundigen und erklären lassen, wie das denn von Behördenseite überhaupt aussieht, wann und wie man Pflegestufen beantragt usw....
Mit dem Wissen und Fakten konfrontiere ich dann die Familie, und dann müssen wir alle gemeinsam Entscheidungen treffen.

Mir fällt das alles auch nicht leicht, aber ich stelle mich dem Thema - was bleibt mir anderes übrig. Hab die letzten Tage auch Rotz und Wasser geheult weil es mir weh tut, meinen Vater so zu sehen, das ging jetzt auch total schnell, daß er in diesen Zustand verfiel. Aber ich denke, irgendwann wird man es vielleicht einigermaßen akzeptieren können und sich damit arrangieren, daß es halt so ist, und das beste draus machen.
Ich will jedenfalls drauf achten, daß ich mich selbst nicht verliere und will versuchen, den nötigen Abstand zu halten. Im Moment kann ich das noch nicht, fühle mich komplett verantwortlich und mir geht das alles sehr nahe.

Aber es tut gut eure Beiträge zu lesen und zu sehen, daß andere vor mir es auch geschafft haben. Dafür sag ich euch allen noch mal "Danke"! :knudddel:

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Re: Angehörige mit Demenz

#10

Beitrag von tzoing » So 22. Aug 2010, 10:24

Hallo zusammen,
chiccan13 hat geschrieben: und drittens als emanze, die ich halt nun mal bin: außer manfred haben sich soweit ich das sehen kann, nur frauen zu wort gemeldet. ist pflegearbeit rein weibliches thema?
also bei uns nicht: mein GG und ich teilen uns die Pflege schon recht gut auf. Muss ja auch, die ich (Teilzeit) berufstätig bin und er nicht.
Vor einigen Jahren war das noch umgekehrt, und da hatte ich auch den Hauptteil der Pflege. Aber wir regeln das auch heute noch, wie wir gerade von außen belastet sind, bzw. wie wir gerade belastbar sind. Die Pflegekasse dürfte das allerdings nicht erfahren, da man ja immer die genauen Stunden angeben muss, wer wie viel pflegt. :roll:

Und hier die wohl übliche Praxis: Pflege ist wohl meistens "weiblich", weil viele Frauen "wegen der Kinder" nicht berufstätig sind und dann die Betreuung und Pflege der Elternteile "nebenbei" mit übernehmen.

Ansonsten hat jede/r Angehörige das Recht (und auch die Pflicht sich selbst und seiner eigenen Familie gegenüber), sich Hilfe von außen zu holen. Wir nehmen alles in Anspruch, was uns angeboten wird. Es tut uns und unserer Tochter sehr gut. Und ohne diese Hilfe wären wir vor Jahren schon am Ende gewesen.

Eine interessante Internetseite: Daheim statt Heim - gobt es auch in Österreich

@ moorhexe: eine solche Scheinheiligkeit "liebe" ich, und ich habe Ähnliches auch schon erlebt.
Vor einigen Jahren habe ich einen Spruch gehört, den ich oft anwenden kann:
Familie - ist das was zum Essen? Nein - zum K*tzen!
Öø¤º°`°º¤ø,¸¸,ø¤º°`°º¤øø¤º°`

Viele Grüße
Inge

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