Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

Was halt nirgendwo passt
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Sonne
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#431

Beitrag von Sonne » Mo 23. Jan 2023, 18:58

Mir wird es schlecht, wenn ich den Artikel lese. Selbst wenn ich ihn nur überfliege.

Mehr Menschen aus dem Ausland zu holen ist nichts anderes, als arme Länder ihrer besten Kräfte zu berauben. Ich kenne die Problematik in den armen Ländern. Ich arbeite mit Menschen aus den Philippinen, Kroatien, Serbien ua zusammen. Die erzählen mir gerne von ihren Problemen in ihren Ländern und ich höre gerne zu. Aber Menschen von sonstwoher abzuziehen ist im Grunde keine Lösung.

Die Lösung kann man sich weder aus dem Ärmel noch sonst woher schütteln. Aber in großen Mengen Fachkräfte aus dem Ausland zu holen ist nichts anderes als eine weitere Ausbeutung eben dieser Länder.

Die arbeiten dann hier, haben Heimweh und schicken das Geld vom Lohn nach Hause, damit die Familie dort überlebt. Wir haben Frauen hier auf der Arbeit, die haben kleine Kinder zuhause wo sie her sind, die sie dann monatelang (dank Corona auch gerne mal jahrelang) nicht sehen. (Werden dort von Oma groß gezogen.) Tolles Leben.

Und wenn du Kinder hast...also ich wollte sie auch lieber selbst groß ziehen. Und - wenn man leidenschaftlich gerne in einem gut bezahlten Traumberuf arbeiten kann und der Partner auch und man auch gut organisiert und fit ist...da geht das vielleicht auch ganz gut.

Also ich arbeite in einem Altenheim - die meisten Frauen sind schon körperlich kaputt bevor sie überhaupt ihr erstes Kind bekommen. Und ehrlich gesagt glaube ich, dass ehr die wenigsten Menschen in einem Wunschberuf arbeiten. Wenn der Mann jetzt nicht gerade einen gechillten Job hat und ausgeruht von der Arbeit heim kommt und sie gerade mal so eben finanziell so durch's Leben kommen - ich frage mich, was dann daran gut sein soll den Frauen 3-und 4fach-Belastung aufzudrücken. Und nebenbei vielleicht noch Oma und/oder Opa mitversorgen. Kommt hier natürlich auch auf den Partner an.

Aber warum der Frau nicht statt dessen ein staatliches Gehalt zahlen, dass sie ihre Kinder ohne Streß aufziehen kann. Betonung auf: Ohne Stress.
Und wieder arbeiten geht, wenn die Kinder einigermaßen gut selbstständig sind. So ab 10 Jahre vielleicht. Nicht schon arbeiten müssen, wenn sie gerade aus den Windeln sind oder gar noch früher.

Zumindest müssten beide Modelle gleich gut gefördert werden. Das, wenn die Mutter aus welchem Grund auch immer bald wieder arbeiten gehen will und das, wenn die Mutter es vorzieht erstmal Familienfrau zu sein.

Was wir beobachtet haben, über die Jahre ist, dass der Trend zur 'höheren Bildung' ungebrochen hoch ist. Jeder will studieren und 'was besseres werden'. Niemand mag als Bäcker (und hier könnten noch viele andere Berufe stehen) arbeiten, weil die Bezahlung lausig ist. Weil der Beruf in der Gesellschaft nicht wertgeschätzt wird. Weil Handwerk nicht attraktiv ist. Da sollte man vielleicht mal ansetzen.
Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. 1. Mose 1, 31

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#432

Beitrag von sybille » Mo 23. Jan 2023, 19:37

Was wir beobachtet haben, über die Jahre ist, dass der Trend zur 'höheren Bildung' ungebrochen hoch ist. Jeder will studieren und 'was besseres werden'. Niemand mag als Bäcker (und hier könnten noch viele andere Berufe stehen) arbeiten, weil die Bezahlung lausig ist. Weil der Beruf in der Gesellschaft nicht wertgeschätzt wird. Weil Handwerk nicht attraktiv ist. Da sollte man vielleicht mal ansetzen.
So sieht es aus!
Ist man "etwas Besseres" wenn man studiert hat? Oder ist man auch wer wenn man ein Dach decken, eine Kloschüssel montieren kann ... ? Das Dach und die Kloschüssel brauchen wir alle.
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

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Sonne
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#433

Beitrag von Sonne » Di 24. Jan 2023, 00:13

Nein... @sibylle...man ist nichts 'Besseres'. Kein Mensch wird 'besser' durch Bildung. Große Verbrecher waren und sind oft sehr gebildet. Besser wurden sie dadurch aber nicht.

Ich weiß, folgendes wird vielleicht überspitzt klingen - aber - ist nur meine Meinung.

Also ich komme selbst aus dem, was man eine
'akademisch gebildete Familie' nennen könnte. Nur - die Familie hat es trotz aller Akademie nicht geschafft, überhaupt eine Familie zu sein. Aber immerhin - akademisch - das waren sie. Zumindest von Seiten meiner Mutter her.

Ich habe einen 'nichtakademischen' Menschen geheiratet. Für mich der klügste Mann der Welt (von den üblichen Fehlern, die die perfekte Ehefrau :mrgreen: nun mal im Lauf der Zeit so entdeckt, abgesehen). Nun - er würde jetzt laut lachen, wenn das lesen würde, aber ich darf in diesem Land ja denken was ich will. Sagen vielleicht nicht - aber denken schon noch. Und ich meine das tatsächlich so, wie ich es schreibe. Auch wenn es pathetisch klingt. Auch wenn mein Mann in der Schule nicht geglänzt hat und den Gebrauch von Fremdwörtern besser unterlässt. Er hat das, was man vielleicht gesunden Menschenverstand und Weisheit nennt. Gepaart mit einer gewissen Weitsicht. Also meine Erfahrung: Nicht unbedingt ein Studium macht einen Menschen klug und weise. Es muss noch was anderes sein.

Als ich anfangs die ersten Kinder hatte, dachte ich, es gehört sich, dass man, wenn irgend möglich, Abitur macht. Blöd dann - das erste Kind hatte sowas wie ADS und Legasthenie. Und dem folgten mehrere Kids mit ähnlichen Problemen.

Wenn ich daran denke, bin ich immer froh, dass ich mich ziemlich schnell und früh umstellen konnte und von keinem Abitur und Studium erwartet oder gar mit falschem Ehrgeiz dahin getrieben habe.

Heute bin ich sehr zufrieden mit dem was sie sind. Alle arbeiten in Berufen, die wichtig für unsere Gesellschaft sind. Manche könnten, wenn sie wollten studieren. Wollen sie aber nicht. Zumindest bisher nicht.
Warum auch, wenn man soweit zufrieden ist.

Ich hatte in der Schule auch diese komischen Lernstörungen. Damals hieß das aber anders. Das hieß dumm oder faul. Da hat es dann zum großen Ärger meiner Mutter auch nur mit Ach und Krach zum Mittleren Abschluss gereicht. Ja - dieses Kind machte Mutter keine Freude. Ich selbst habe es allerdings auch bedauert. Sehr sogar. Mein Wunschberuf wäre Lehrerin gewesen. Da wurde leider nix draus. Das nagte lange an mir. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das noch wollte, wenn ich könnte. Und Menschen, denen sooo wichtig ist, was einer für Schulbildung hat oder Menschen nach ihrem IQ bewertet, kann ich nicht leiden.

Ich habe inzwischen vor der sogenannten 'höheren Bildung' heute nur noch sehr begrenzt Respekt.

Die Menschen zum Beispiel, die uns regieren, also Politiker, sind alle hochgebildet. Aber was bringen sie zusammen? Das meiste ist zum Mäuse melken. Gerade laufen Nachrichten. Eine einzige Katastrophe. Keiner weiß was. Keiner blickt durch. Die haben aber alle studiert.

Die vom Gesundheitsministerium fand ich ja damals besonders amüsant. (Nein - bin kein Coronaleugner - bin ganz normal.) Und bei der 'Mutti aller Soldaten' hab ich mich schon immer ernsthaft gefragt, wer kam auf die Idee, die Frau dahin zu setzen, wo sie bis vor ein paar Tagen saß. Echt nur wegen Frauenquote? Das ist nur noch peinlich.

Ich weiß nicht, welche Blockaden die politischen Entscheidungsträger im Kopf haben und will mich politisch hier auch nicht weiter auslassen. Aber vieles finde ich sehr merk- und fragwürdig. Aber studiert - das haben sie. 'Studierte', die jahrelang Fachwissen gesammelt haben - und das ist alles was dabei rauskommt?

Oder Lehrer. Auch sehr gescheite Leute. Nur - die wenig wirklich guten Lehrer die wir hatten - da brauchen wir keine ganze Hand um die abzuzählen. Und wir hatten - zig davon. In einer Schule hat meine Tochter die Lehrer mal um einen konsequenteren und ambitionierteren Unterricht gebeten. Ich dachte, ich Fall vom Stuhl.

Oder Ärzte. :platt: Ich habe da einfach zuviel erlebt um vor der Intelligenz oder dem weißen Kittel eines Arztes auf die Knie zu fallen. Viele zeichnen sich vor allem durch einen intensiven Tunnelblick aus, der Dinge und Inhalte aber nicht in Zusammenhang bringen kann. Die muß ich mir heute selbst im Internet ergoogeln.

Oder ganz einfach - der ganz normale Beamte (der oft ja auch studiert hat). Unsere lieben Ukrainer zum Beispiel bekommen regelmäßig Post von Vater Staat. Seitenlange Briefe. Ausführlich und informativ und - für deutsche Beamte vielleicht auch spannend.

Nur - Ukrainer können das nicht lesen. Ich weiß nicht, warum es ein Beamtensystem nach einem Jahr massiver Kriegsflüchtlingsschaft nicht fertig bringt, das mal einfach, klar, kurz und in jeweiliger Landessprache auf's Blatt zu bringen. Das gleiche Problem ist ja wahrscheinlich auch bei Syrer, Afghanen, Nigerianer...was auch immer vorhanden.
Wir als Deutsche hatten manchmal Probleme das Beamtendeutsch richtig zu verstehen und zu wissen, was die eigentlich wollen. Intelligentes Vorgehen schaut für mich anders aus.

Oder ganz einfaches Beispiel - Die Öffnungszeiten von Ämtern. Da doch zum Glück immer noch mehrere Millionen Menschen in einem Beruf tagsüber tätig sind - warum gibt es keine Abendsprechstunden? Mein Mann muss zum Grundbuchamt. Sprechstunde Mo, Mi, Fr 8-11 Uhr. Wer bitte kommt auf sowas? Wer hat da Zeit? Sogar mein Mann als Rentner findet mit seinem Minijob am Vormittag kaum Zeit dafür. Geschweige denn, wenn es mal etwas schneller gehen sollte. Muss er wegen einer kleinen Frage oder einem Zettel den braucht jetzt 1 Tag Urlaub nehmen? Vielleicht ist das jetzt sehr banales Beispiel - aber der wo die Öffnungszeiten festgelegt hat, ist anscheinend nicht auf die Idee gekommen, sich an den Bedürfnissen des normalen Menschen zu orientieren. Aber Abitur hatte er bestimmt. Glaube nicht, dass der Hausmeister die Öffnungszeiten festgelegt hat.

Das was ich meine, nennt man allgemein 'gesunden Menschenverstand'. Und daran fehlt es bei den sogenannten 'Besseren'. Nicht bei allen. Man darf ja nicht verallgemeinern. Aber ich würde doch sagen, ganz allgemein bei vielen.

Und deshalb haben wir auch all die Probleme. Wie zum Beispiel Fachkräftemangel. Weil häufig der 'ganz normale gesunde Menschenverstand' nicht zum Zug kommt um ein Problem anzugehen.

Zum Threadtitel: 'Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?'

Ein Lehrer eines unserer Kinder sagte mal: 'Geht es dir gut - geht es einem anderen auf der Welt schlecht.'

Das ist sowas von wahr. Esse ich eine Banane - hustet ein anderer, weil er das Pflanzenschutzgift von der Plantage eingeatmet hat. Lache ich in mein Handy - weint vielleicht wo anders ein Kind, weil es zerschürfte Knie hat beim Raushämmern der seltenen Erden. Ich koche Reis - der Bauer ist verzweifelt, weil er heuer kaum Ertrag hatte, dafür viele Schulden. Und so weiter. Und kaufe ich keinen Reis, keine Bananen und kein Handy sind sie auch verzweifelt, weil sie dann gar nichts haben.

Ja - unser Wohlstandsmodell sollte beschnitten werden und statt 'unser Wohlstandsmodell' müsste es heißen: 'Wohlstand für alle'.

Ich persönlich denke, dass es machbar wäre und weiß doch, daß es eine Utopie bleiben wird.
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#434

Beitrag von emil17 » Di 24. Jan 2023, 09:17

Daher schlägt die KfW auch vor, die kulturellen und finanziellen Hürden für Frauen abzubauen, die sie bislang daran hinderten, mehr Stunden berufstätig zu sein. Konkret gehe es um eine Reform des Ehegattensplittings, "die eine Arbeitsaufnahme für beide Ehepartner finanziell attraktiv macht"
Für normale Menschen: Wenn Frauen freiwillig oder erzwungen Teilzeit oder gar nicht arbeiten, sind offenbar die Löhne zu hoch.

Die Unternehmer argumentieren wie jeher rein gewinnorientiert. Wenn wir mehr Leute brauchen, müssen wir die eben importieren. Wenn wir mehr Strom brauchen, müssen wir eben weiter Landschaften mit Wind- und Solarkraftwerken zustellen. Aber finanzieren und ertragen sollen das bitte "die anderen", denn D muss ja als Standort für Investoren attraktiv bleiben.
Ich würde wahrscheinlich auch nicht mehr studieren - allerdings ist das schwer zu entscheiden, weil mein Weltbild ja nicht mehr das von vor dem Studium ist.
Der "Import" von Arbeitskräften aus dem strukturschwachen Ausland ist seit nach dem Krieg das Erfolgsmodell der Wirtschaft.
Nur, wie es Max Frisch umschrieb, wir wollten Arbeiter und es kamen Menschen.
Da dürfen sich gerne auch all die Schlaumeier an der Nase nehmen, die die gebrechliche Oma mit einer unter Tarif bezahlten billigen Moldawierin in der Wohnung lassen, weil das billiger kommt als das Altenheim.

Ein Problem ist nach wie vor, dass Frauen, die nicht Vollzeit auf dem Beruf arbeiten, seit sie ihre Ausbildung fertig haben, "nichts" gemacht haben und sich bezüglich Einkommen und Rentenansprüchen schlechter stellen als Männer. Diese Einschätzung ist schon deshalb unfair, weil a) mann ohne Frau auch weniger leistungsfähig gewesen wäre (wir setzen eine funktionierende Ehe voraus) und b) jemand, der ein paar Kinder gehabt und noch teilzeitlich gearbeitet hat auch einiges drauf hat, was durchaus als ideale Ergänzung zum Spezialisten gesehen werden kann, der sich in sein Problem verbeisst und die Welt derweilen vergisst. (ich gehöre entschieden zu dieser Sorte).
Ich habe mehrheitlich Frauen als Vorgesetzte gehabt und es war, wenn sie kompetent waren, sehr angenehm, weil sie eher dazu neigten, die Umstände in die Planung mit einzubeziehen. Unfähige Frauen, auch die gibt es leider häufig, sind allerdings noch mühsamer als männliche Pfeifen. Vielleicht hat man aber auch als Mann einfach nur mehr Erfahrung damit; der Bund ist beispielsweise eine gute Schule dafür.

Die Wirtschaft will natürlich Gewinne optimieren und verlangt, dass - weil sie lebensnotwendig für die Gesellschaft sei - sich diese Gesellschaft bezüglich Ansprüchen und Voraussetzungen danach zu richten habe. Will überspitzt heissen, du nimmst gerne schlechten Lohn in Kauf, weil ja deine Firma konkurrenzfähig sein muss. In den Stellenanziegen suchen sie Fachspezialisen mit höherer Ausbildung und einigen Jahren Berufspraxis, davon gerne etwas Ausland, Maximalalter 25 Jahre. Man verlangt selbstverständlich dauernd erreichbare hoch motivierte flexible Mitarbeiter, die ihr Privatleben nach der Firma organisieren. Dass dabei die Sozialstrukturen des Privatlebens leiden, interessiert die Arbeitgeber offenbar nur auf dem Papier. Nein, ich bin nicht bereit, abends bis 23 Uhr und am Sonntag dauernd whatsapp zu checken um zu wissen was ich am anderen Tag zu tun habe, und wenn ich beispielsweise Mitglied in der freiwilligen Feuerwehr bin, ist es nicht witzig, nicht befördert zu werden, weil man den Job in Dubai nicht so toll findet.

Was den Abzug gut ausgebildeter Fachleute aus dem Ausland betrifft, so kommen die natürlich gerne selber - wenn du die Wahl hast, Mentzalitätsprobleme mal abgesehen, Zahnarzt oder Werkzeugmechaniker in Damaskus oder eben in Köln zu sein, ist es nicht erstaunlich, dass manche diesen Weg wählen. Zumal hoffnungslos korrupte und morsche Staaten jedem, der halbwegs leistungswillig ist, über kurz oder lang die Motivation zur Leistung nehmen.

Meine Erfahrung ist, dass man sehr wohl Leistung und Einsatz verlangen kann und der auch gerne kommt, aber nur wenn man eben auch Vertändnis dafür hat, dass die Leute das nicht als einzige Lebensaufgabe sehen, sondern weil sie sich und ihre Familie davon ernähren müssen.

Auf staatlicher Ebene muss man die Unternehmen und vor allem die Aktionäre an den Soziallasten mehr beteiligen, mit der ganz logischen Begründung, dass ein Unternehman nur in einer funktionierenden Gesellschaft erfolgreich sein kann. Das heisst, weniger Lohnnebenkosten und entsprechende Abzüge bei Dividenden und Unternehmensgewinnen. Dann braucht es endlich eine Finanztransaktionssteuer. Und die zusätzlichen Infrastrukturen, die es braucht, wenn mehr Leute da sind, die ja wegen Euch kommen sollen, dann dürft ihr die gerne mitfinanzieren.
D wird unattraktiver für Investoren? Gegenfrage: Müssen wir auf Kosten der Gesellschaft die Heuschrecken füttern?

Was die Einwanderung betrifft, so wäre ich dort selektiver in der Auswahl der Leute. Wer kriminell wird, zumutbare Arbeit ablehnt oder die Regeln UNSERER Gesellschaft nicht akzeptiert, darf wieder gehen. Es gibt genug andere, die bereit sind, sich einleben zu wollen. Ausserdem wird auf Dauer jedes Sozialsystem ruiniert, wenn zuviele da sind, die nur kriegen und nichts leisten.
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#435

Beitrag von penelope » Di 24. Jan 2023, 09:42

In dem Artikel wurde von qualifizierten Arbeitskräften gesprochen und nicht von Akademikern.

Das Problem beim Ehegattesplitting ist ja, dass Familien in Deutschland steuerlich sehr viel besser gestellt werden, wenn – sobald Kinder da sind, ein Part weiter Vollzeit arbeiten geht und der andere sich um die Kinder kümmert und nur noch Teilzeit mit einem geringen Anteil an Stunden macht, als wenn beide Ehepartner ihren Job zu ähnlichen Teilen reduzieren und sich Haushalt und Kinder zu gleichen Teilen aufteilen.

Im persönlichen Bekanntenkreis habe ich ganz viele Leute, die vor dem gleichen Problem stehen: beide Personen haben einen Job und sind ähnlich gut qualifiziert, sie würden sich an sich auch gerne die Kinderbetreuung gleichmäßig aufteilen, aber finanziell stehen sie wesentlich besser da, wenn einer weiterhin Vollzeit macht und einer (meist halt immer noch die Frau) den eigentlich mal gelernten Job aufgibt und sich wenn dann nur noch einen Minijob für nebenbei sucht.

Man muss sich da schon die Frage stellen, ob es gesellschaftlich sinnvoll ist, erst zwei Leute in Berufen auszubilden und dann einen Anreiz zu setzen, dass ein Part den Job frühzeitig wieder aufgibt.

Und es geht in der Diskussion explizit jetzt nicht darum, den Leuten mit der „klassischen Aufteilung“ (einer geht Arbeiten, einer bleibt bei den Kindern) was weg zu nehmen, sondern Paaren, die sich für eine andere Arbeitsaufteilung entscheiden, die gleichen Vorteile zu gewähren.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#436

Beitrag von emil17 » Di 24. Jan 2023, 10:09

Was ist denn der Grund dieser Ungleichbehandlung? Wollte man die Arbeitslosenkasse entlasten?
Es erinnert etwas an die Devise im Dritten Reich, wonach Frauen an den Herd gehören.
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#437

Beitrag von penelope » Di 24. Jan 2023, 10:57

Das ist ein Relikt aus den 50er Jahren, als das Modell "Abteilungsleiter heiratet Sekretärin" noch als gesellschaftliches Idealbild galt und in der Ehefrauen ohne die Zustimmung ihres Mannes gar nicht arbeiten gehen durften.

Man kann sich in Deutschland, wenn man verheiratet ist, Steuerklassen eintragen lassen, nach denen ein Einkommen recht hoch, und das andere Einkommen recht niedrig versteuert wird. "Klassisch" hat dann der Mann mit dem guten Einkommen einen Steuervorteil, das kleine Einkommen der Frau mit dem Minijob wird dafür aber quasi von der Steuer aufgefressen, aber die geht ja eh nur ein paar Stunden arbeiten, weil ihr sonst zu Hause die Decke auf den Kopf fällt (Achtung: das ist natürlich Sarkasmus).

Das ist natürlich dringend reformbedürftig, aber es gibt tatsächlich leider immernoch Parteien in Deutschland, die so ein verstaubtes Modell verteidigen.

https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-11/ ... ng/seite-2
Verheiratete Frauen mit mittleren und kleinen Einkommen bezahlen in Deutschland meist ab dem ersten Euro Einkommen gleich einen sehr hohen Steuersatz.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#438

Beitrag von Dyrsian » Di 24. Jan 2023, 17:44

Das Ehegattensplitting ist eine der unsozialsten Steuergesetze in diesem Land. Ich habe zwei Kinder zu versorgen, bei allen kostenpflichtigen Staatsdienstleistungen wird unser gemeinsames Einkommen herangezogen (Beispiel: Kindergarten, kostet hier viele tausend Euro im Jahr). Nur versteuern darf ich weiterhin mit Steuerklasse 1. Ich krieg schon Puls wenn ich nur das Wort höre!

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#439

Beitrag von Dyrsian » Di 24. Jan 2023, 18:25

Ich muss doch nochmal was schreiben, weil mich dieses Anti-Akademiker Gerede hier echt aufregt (ich bin. zugegeben, Akademiker).

Thema "Wir brauchen keine Akademiker, Was soll dieser ganze Bildungsquatsch?
Was in einem Land passiert, wenn alle Akademiker ausgerottet werden, könnt ihr euch in Kambadscha nach dem Ende der Herrschaft der roten Khmer anschauen. Da wollt ihr nicht leben!
Wahr ist: Es fehlen Handwerker und andere ausgebildete Arbeitskräfte. Wahr ist aber auch: Es fehlen an allen Ecken eben leider auch Akademiker. Wer sorgt denn im Hintergrund dafür, dass immer hygienisch einwandfreies Wasser aus eurem Wasserhahn sprudelt? Wer plant die Stromtrassen, die wir für den Ausbau der Erneuerbaren brauchen? Wer hilft euch, wenn ihr Brustkrebs habt? Wer bildet eure Kinder aus? Und wer ein Wasserwerk plant oder eine Herz-OP macht, der braucht eben ein bisschen mehr "Ausbildung" als jemand der eure Auffahrt pflastert. Das ist nicht besser oder schlechter, es ist einfach anders.


Thema Akademiker verdienen zuviel

Bedenkt, dass ein Studium Abitur erfordert (+3 Jahre Schule, unentgeldlich) und ca. 5 Jahre dauert. Ein Vollzeitstudium ist auf 40 Stunden / Woche ausgelegt. Dazu kommen dann noch 19 Stunden pro Woche Nebenjob, denn von irgendwas muss man ja auch als Student leben. Das heißt, während wir am Wochenende und Abends auf der Couch liegen, steht der gemeine Student dann irgendwo am Tresen, rackert beim Burgerladen in der Küche oder anderes. Irgendwann mit Mitte bis Ende 20 fängt man dann an, Geld zu verdienen. Da braucht niemand Mitleid zu haben, man sucht es sich ja selbst aus. Aber ein etwas höheres Gehalt sollte bei dem ganzen Aufriss dann schon drin sein. Bedenkt auch, dass bei vielen Studiengängen von 100 Anfängern dann vielleicht 30 den Abschluss auch schaffen. Haut man vorher in den Sack, hat man nichts.

Thema im öffentlichen Dienst arbeiten nur faule Säcke
Grade im öffentlichen Dienst haben wir das Problem eines eklatanten Personalmangels. Teilweise können Gelder die da sind nicht verausgabt werden, weil einfach keiner da ist der die Straßen, Kanäle, you name it, planen und bauen kann. Wenn in einer Behörde einfach keine Arbeitskräfte da sind (und da fehlen leider an allen Ecken und Enden z.B. Ingenieure, Ärzte, Naturwissenschaftler), dann ist diese Behörder völlig überlastet, wird aber nach Außen hin als träge wahrgenommen. Ein Teil der Wahrheit ist, dass die Gehälter und sonstigen Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst mittlerweile so unattraktiv sind, dass das einfach keiner mehr machen will. Die Leute die dann noch kommen sind leider oft genau die, die man nicht gebrauchen kann. Die nächsten 10 Jahre wenn die Babyboomer in Rente gehen werden gemütlich, das kann ich euch sagen. Die meisten Behörden sind so brutal überaltert (Einstellungsstops der 90er und 2000er Jahre), da rollt eine personaltechnische Katastrophe heran.

Zum Thema Zuwanderung
Deutschland ist als Einwanderungsland dermaßen unattraktiv für Fachkräfte, da wird kaum einer kommen, man sieht es ja. Von denen die kommen, müsste man strenggenommen die Fachkräfte die unser Land verlassen noch abziehen. Selbst die Leute die hier bei uns studieren kommen, das Land kennengelernt haben wollen oft wieder gehen, ich höre es an der Uni andauernd. Wir konkurieren mit Kanada, USA, Australien, Schweden. Die englischsprachigen Länder haben den Vorteil der Sprache (Deutsch ist extrem schwer zu erlernen, die Englischkenntnisse der deutschen Bevölkerung sind eher mau). Die Gehälter hier sind im internationalen Vergleich eher durchschnittlich, die Steuerlast aber extrem hoch. Die Bürokratie ist enorm. Dann (ist echt für viele ein Problem): Das Wetter ist elend, im Winter ist es extrem dunkel. Wir müssen als Einwanderungsland einfach attraktiver werden, sonst gehen hier echt bald die Lichter aus.
Was man hier im westlichen Ruhrgebiet sehr stark beobachten kann ist eine Einwanderung in die Sozialsysteme u.a. aus Osteuropa. Zumindestens die nächste Generation d.h. die Kinder dieser Menschen müsste man Qualifizieren und Integrieren. Passieren tut in der Richtung, nach meiner subjektiven Beobachtung, nix.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#440

Beitrag von fabfiddle » Di 24. Jan 2023, 19:02

Sorry wenn ich da jetzt heftig widersprechen muss, was die Akademiker angeht: ich denke nicht, dass irgendjemand etwas gegen Ärzte (Schönheitschirurgen vielleicht ausgenommen) hat, die Ingenieure des Straßenbaus oder Chemiker ausrotten will oder Lehrer als Anlernjob ins Gymnasium schicken möchte.
Diese Akademiker gab es früher, die gibt es heute.
Niemand möchte irgendwen ausrotten… aber es gibt heute eine „unendliche“ Zahl an Studierten, bei denen keiner weiß, wozu sie in der Firma sind.
Bei uns im Verlag hatte sich das auch eingebürgert: einen zusätzlichen Fahrer, einen Drucker oder einen Lagerarbeiter einzustellen, war nahezu unmöglich - erstens kam kaum jemand, und zweitens musste man den Business-case auf Jahre hinaus mit Gewinn berechnen.
Aber jedes Jahr bevölkern noch heute ganze Heerscharen neuer Studienabschliesser die Höfe und Flure, meistens beim gemeinsamen herumgackern oder auf den Wegen zwischen Meetings. Das sind zahllose Eventmanager, Communication-Manager, jeweils Senior und Junior, die passenden Assistenten, in jeder Abteilung eigene Junior- und Seniorcontroller, Businessplaner und Zahleninterpreteure, auch wieder mit Assistenten.

Die Aufzählung lässt sich noch fortsetzen, auch in Speditionen und Logistikbetrieben.

Und die Gehaltswünsche und Einzelaufgaben, insentives und Sonderregelungen für dieses Jungvieh kenne ich bis ins letzte Detail.

Aber es fehlen 60.000 Fahrer…

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