Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

Was halt nirgendwo passt
Eule
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#411

Beitrag von Eule » Di 17. Jan 2023, 19:11

emil17 hat geschrieben:
Di 17. Jan 2023, 17:53
Warmmieten sind in Altwohnungen, Zweifamilienhäusern usw. noch weit verbreitet, weil weder Heizung noch Wasser und oft auch die Elektroinstallation nicht nach Wohnungen getrennt sind.
Von den genannten Ausnahmen abgesehen, nicht mehr zulässig seit 2008
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi- ... os=0&anz=1
BGB §§ 556 Abs. 2 Satz 1, 558, 558 b
HeizkostenVO § 2
a) Die in einem Mietvertrag enthaltene Vereinbarung einer Bruttowarmmiete ist
- außer bei Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen eine der
Vermieter selbst bewohnt - gemäß § 2 HeizkV nicht anzuwenden, weil sie den Be-
stimmungen der Heizkostenverordnung widerspricht.

Dyrsian
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#412

Beitrag von Dyrsian » Do 19. Jan 2023, 11:20

Vieles in Bezug auf die Heizenergie wird sich in letzter Konsequenz "von allein" regeln, über den Preis. Leider wird es für uns alle weitaus ungemütlicher als man glaubt.
Unsanierte Altbauten wie der in dem wir derzeit - vergleichsweise preiswert - leben, werden aufgrund der hohen Energiekosten bald nicht mehr bewohnbar sein. Hier ist es im Sommer brüllend heiß drin (30°C, ohne Klimaanlage ist Schlafen unmöglich teilweise), im Winter könnte man ohne den Holzofen - den wir auf eigene Kosten eingebaut haben (in eine Mietwohnung!) - die Bude mit der vorhandenen Gasetagenheizung schon jetzt nicht auf menschenwürdige Temperaturen aufheizen. Es wäre schlicht nicht bezahlbar.
Gut isolierte Buden sind und werden ohne staatliche Förderung grade für Familien nur bezahlbar wenn man sich räumlich extrem verkleinert oder wirklich sehr gut verdient. Ja, jetzt kommen die Minimalisten um die Ecke und sagen "35 qm reichen doch für 4 Personen", aber sagt mal 2 Teenagern dass sie sich ab jetzt ein 15 m2 Zimmer teilen müssen.
Wir werden eine Situation erleben, in der es nur noch wirklich wohlhabende Menschen wirklich gemütlich haben. Empfänger von Transferleistungen können (noch!) wenigstens ihre Buden heizen, weil da der Staat die Heizkosten übernimmt.

Wir sind keine armen Leute, aber ich merke das echt am eigenen Leib, wie sich der Wohlstand von Generation zu Generation abbaut: Meine Eltern und Schwiegereltern haben noch BMW und Chrysler gefahren, wir fahren Zweirad. Die vor uns haben Eigenheim und Segelyacht, wir wohnen zur Miete im Ghetto. Klar, vielen Menschen geht es viel schlechter. Aber die goldenen Jahre in Deutschland sind Geschichte. Eine Politik für Wohlhabende und das extrem unfaire Steuer- und Bildungssystem sorgen dafür, dass sie auch nicht wiederkommen.

Ferry
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#413

Beitrag von Ferry » Do 19. Jan 2023, 11:26

Gibt ja auch schon Gerüchte das das Wohnen in unisolierten Häusern in ein paar Jahren verboten werden soll. Wie das dann wohl aussehen wird....

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emil17
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#414

Beitrag von emil17 » Do 19. Jan 2023, 13:33

@Dyrsian:
Du hast vermutlich ein schiefes Bild von der Gegenwart, aber das entspricht der weitverbreiteten Wahrnehmungsverfälschung, wonach man eine Abnahme der Zunahme des Wohlstandes bereits als Verschlechterung empfindet.
In der goldenen Zeit nach dem Krieg hat man bei Null angefangen, weshalb jede Verbesserung real und gefühlt sehr viel mehr brachte als heute.
Was besser ist als vor sagen wir 40 Jahren:
Lebenserwartung (statistisch)
Kaufkraft berzogen auf Alltags-Konsumgüter (Lebensmittel, Kleidung, Freizeit-Kram, Möbel usw.)
Alles was Medien und Kommunikation und Zerstreuung betrifft
Wohnraum in Fläche pro Person
Arbeitszeit
Mobilität
Das ist alles Segen und Fluch zugleich, weil der Kommerz um jeden Preis mehr Waren pro Zeit in die Bevölkerung drücken muss, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Rar werdende Güter sind alle, die aufgrund der Zunahme von Bevölkerung und des Konsums pro Mensch und Zeit knapper werden, weil Land und Umwelt begrenzt sind.

Ob jetzt BMW und Chrysler statt Golf oder Dacia geeignete Masstäbe für den Wohlstand sind, mag dahingestellt bleiben. Ein heutiger Golf bietet bezüglich Fahrkomfort und Sicherheit jedenfalls mehr als ein damaliger BMW.
Ja, früher konnte jeder Handwerker zum Eigenheim kommen, wenn er sich ins Zeug gelegt hat. Heute kannst du das nicht mehr mit 8 Stundentag, Zweitwagen, Skiurlaub und Sommer auf Malle, keine Kleider auftragen, und Frühballett und Karate für jedes der Kinder. Aber damals haben die für die eigenen Butze auch 20 Jahre auf (aus heutiger Sicht) gefühlt alles verzichtet.

Der Vergleich mit wer welche Marke fährt zeigt übrigens, warum die Wachstumszwangsspirale nie aufhört: Man möchte nicht hinter die Nachbarn der gleichen sozialen Schicht zurückfallen, und vergleicht unaufhörlich was sich bei denen tut. Deshalb kann die Mehrheit nicht so leben wie sie eigentlich möchte, und deshalb braucht auch der Vorstandsvorsitzende mehr Gehalt, weil er sich mit anderen Vorstandsvorsitzenden vergleicht und nicht seine tatsächliche Kaufkraft als Grundlage seines gefühlten Wohlstandes hernimmt. Die Werbung weiss das natürlich und bedient jeden, Hauptsache der Umsatz stimmt.
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#415

Beitrag von sybille » Do 19. Jan 2023, 18:24

Dyrsian, das sehe ich alles genauso wie Emil es schreibt. Denk mal drüber nach.

Ich habe immer in Altbauten gelebt und bin es gewohnt nur das Wohnzimmer zu heizen. Die Küche wird von selber warm wenn ich koche und im Schlafzimmer habe ich eine Wolldecke auf dem Bett. Eine heiße Dusche, einmal die Woche, im kalten Bad ist völlig ok. Ich stehe ja unter warmem Wasser in der Dusche. Die Menschheit ist viel verwöhnter als früher (ich kann mich erinnern das wir noch kein richtiges Bad hatten als ich Kind war) und tatsächlich tut die Werbung viel dafür. Meine Rede ist immer Werbung gehört verboten.
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#416

Beitrag von Dyrsian » Do 19. Jan 2023, 21:26

Wir reden hier nicht von der Kriegsgeneration oder vom Mittelalter, sondern von den Babyboomern. Und die hatten, im Gegensatz zu uns, die Mgölichkeit Vermögen aufzubauen, bekommen eine gute Rente und konnten sich - Fleiß und gute Ausbildung vorausgesetzt - eine adequate Wohnsituation leisten.
Wir haben in Deutschland derzeit - und nicht erst seit Ukrainekrieg und Inflation - einen spürbaren und messbaren Wohlstandsverlust. Das wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen.

Die Menschheit mag "verwöhnter" sein, allerdings gelten heute auch andere Maßstäbe als früher. Wenn ich mich morgens nicht dusche, stinke ich nach maximal 2 Tagen wie ein Ziegenbock. Man kann heute schlicht und ergreifend nicht mehr ungewaschen oder in muffeligen Klamotten auf der Arbeit erscheinen, ist so.
"Früher" ging der Mann arbeiten und Mama war Zuhause. Heutzutage müssen oder wollen beide arbeiten, da ist Pendeln in der Regel vorprogrammiert.

Es geht uns heute in Deutschland sicherlich besser als vielen Menschen in vielen anderen Ländern. Trotzdem muss man konstatieren, dass der Trend abwärtsgeht. Und das kann man durchaus mal thematisieren. Das hat mit Werbung nichts zu tun.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#417

Beitrag von emil17 » Fr 20. Jan 2023, 00:02

Dann musst du genau definieren, was Du als Wohlstandsverlust empfindest und wie du den missest.
Dyrsian hat geschrieben:
Do 19. Jan 2023, 21:26
allerdings gelten heute auch andere Maßstäbe als früher.
Auch heute kannst du Dir - Fleiß und gute Ausbildung vorausgesetzt - eine adequate Wohnsituation leisten. Allerdings geht das nicht mehr an unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz.
Dass man nicht ungewaschen zur Arbeit erscheint, stelle ich nicht in Frage. Ebenso sind die heutigen Renten eine Zwangsanleihe auf unsere Kinder.
Ich bin aber davon überzeugt, dass man sich zurückgefallen fühlt, wenn man sich nicht alles leisten könnte, was die anderen so an Trendaktivitäten machen. Ein schönes Beispiel ist Sport - es werden jedes Jahr neue Trendsportarten erfunden und für jede braucht man eine Spezialausrüstung, die dann die Wohnung verstopft.
Die schlichte Tatsache, dass man jeden Tag in die Mühle muss, das war früher nicht besser. Heute ist das moderne Menschenbild aber so, dass man erst dann erfolgreich ist, wenn einem scheinbar mühelos alles einfach zufliegt, alles nur Spass ohne Ende ist und wem es nicht gelingt so zu leben der ist eben ein Looser.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#418

Beitrag von Ferry » Fr 20. Jan 2023, 09:16

Ihr seid wirklich davon überzeugt das sich ein Handwerker immer noch ein Haus kaufen kann wenn er auf Kostspieligkeiten (Urlaub, Auto, Freizeit) verzichtet? Bei Hauspreisen um die 150 000€ ? Hier zahlt man an einen Dachdecker 40€ die Stunde. Davon zahlt er Steuern, seinen Betrieb und finanziert sein Leben. Wie viele Jahre muss er sparen um dann ein Haus zu kaufen in das man, um darin leben zu können, ja auch noch Geld investieren muss.
Und das ist ein ausgebildeter, selbstständiger (also nix mit 40h/Woche) Handwerker!
Als Gärtner könnte ich für 11,60€/h arbeiten gehen.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#419

Beitrag von Conny » Fr 20. Jan 2023, 11:19

Ich habe nicht alles gelesen aber ich möchte gern auf das Heizen zurück kommen.
Ich kann mich gut erinnern, wie es war, wenn wir früher bei den Großeltern zu Besuch waren. Die hatten nämlich in der Regel genau ein Zimmer geheizt, nämlich die Küche, weil da auch gekocht wurde. Und weil Sonntag war, vielleicht auch die Stube.
Dass in diese alten Häuser Zentralheizungen eingebaut wurden, hat dazu geführt, dass man trotz immensem Verbrauchs kein einziges Zimmer mehr richtig warm gekriegt hat.
Heute wohne ich in einem Haus aus den 30er Jahren, habe die Zentralheizung ausbauen lassen und heize mit den (noch vorhandenen) Öfen. Auf diese Art kann man mit moderatem Verbrauch die Zimmer bewohnbar halten (je weiter weg vom Ofen, desto weniger).
Wenn ich Freunde in neuen/gedämmten Häusern besuche, merke ich, dass bei denen die Türen offen stehen, Flure und Treppen mitgeheizt sind und es insgesamt deutlich wärmer ist als bei mir. Ich bin kein Physiker, aber vielleicht ist es sinnvoll, einzelne Räume zu heizen, und nicht alles drum herum per Thermostat gleich mit.

Und ja, das bedeutet einen Wohlstandsverlust, weil man mit Kohlen und Asche hantieren muss, einer zu Hause sein muss, der das macht und man sich warm anziehen muss, wenn man den Hotspot verlässt, um zur Toilette zu gehen.
Es ist nur eine Idee, die alten Häuser zu erhalten und nicht in die Stadt ziehen zu müssen.

Eule
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#420

Beitrag von Eule » Fr 20. Jan 2023, 13:21

Conny hat geschrieben:
Fr 20. Jan 2023, 11:19
Wenn ich Freunde in neuen/gedämmten Häusern besuche, merke ich, dass bei denen die Türen offen stehen, Flure und Treppen mitgeheizt sind und es insgesamt deutlich wärmer ist als bei mir. Ich bin kein Physiker, aber vielleicht ist es sinnvoll, einzelne Räume zu heizen, und nicht alles drum herum per Thermostat gleich mit.
Das ist insgesamt ein kostspieliger Trend, der auch 'was mit "moderner" Architektur zu tun hat, und mit Bequemlichkeit, nicht nur mit Isolierung:
Weil große, offene Wohn-Ess-Koch-Bereiche, manchmal sogar über 2 Stockwerke, "modern" sind, nutzen immer mehr Leute auch ältere Wohnungen/Häuser in dieser Art, in dem dort noch vorhandene Türen grundsätzlich offen stehen (außer Bad/WC).
Türen zu öffnen und hinter sich zu schließen, ist viel zu mühsam :roll:

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