Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

Benutzer 2354 gelöscht

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1581

Beitrag von Benutzer 2354 gelöscht » Mi 24. Okt 2018, 06:54

der 1000Ha Betrieb hat meist gar keine geigneten Schlepper und Maschinen um 2 Ha kleinteilig zu bewirtschaften.
Das es immer größer werden muss um wirtschaftlich zu sein ist schon ein sehr altes Lied .
Ich halte es für gefährlich wenn wir unsere Ernährung in die Hände einer weniger Grroßbetriebe geben.
Pauschal zu sagen klein ist gut und groxbetrieb ist schlecht geht natürlich auch nicht.
Landwirtschaft ist eben keine Industrie wie jede andere und darum müssen dort auch andere Masstäbe angelegt werden.


Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1583

Beitrag von Manfred » Sa 3. Nov 2018, 09:42

Laut BLW 22/2018 hat sich die Verschuldungssituation der dänischen Bauern in den letzten Jahren massiv verschlechtert.
2005, vor der "Finanzkrise" lag der Schuldenstand bei 29 Mrd. Euro. Heute liegt er bei ca. 47 Mrd.
In Dänemark ist die Verschuldung deshalb besonders hoch, weil keine steuerbegünstige Hofübergabe im Rahmen der Vorgezogenen Erbfolge wie in Deutschland erfolgt, sondern die Höhe idR an den Übernehmer verkauft werden.
Faktisch ist die Situation heute so, dass ein Großteil der landwirtschaftlichen Fläche als Sicherheit für die riesigen Kredite an die Banken übereignet ist.


Außerdem gibt es neue Zahlen aus Bayern.
Es scheint sich langsam durchzusetzen, was ich seit Jahren fordere:
Die Vollkostenrechnung, welche den Kapital- und Arbeitszeiteinsatz berücksichtigt und den danach übrig bleibenden echten Unternehmergewinn ermittelt:

In der aktuellen Ausgabe des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatts (44/2018) findet sich ein 2-seitiger Artikel zur Betriebswirtschaft, der empfiehlt, eine Vollkostenrechnung durchzuführen.
Darin wird auch die neue Auswertung der LfL Bayern über spezialisierte Milchviehbetriebe verlinkt.
https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/pub ... mation.pdf
Der Unternehmergewinn nach Vollkosten liegt im Schnitt bei -267 Euro pro Kuh bzw. -26.603 Euro für den gesamten Betriebszweig, inkl. Jungviehaufzucht (Siehe Seite 23).
Der kalkulierte Lohnansatz lag bei nur 17,50 Euro pro Stunde, also umgerechnet knapp über Arbeitnehmer-Mindestlohn.
Der kalkulierte Zinssatz für das Eigenkapital (außer Boden) lag bei 4%.

Es trifft also genau das zu, was ich ebenfalls seit Jahren erzähle: Die Bauernfamilien beuten sich selbst aus und arbeiten weit unter Mindestlohn.

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emil17
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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1584

Beitrag von emil17 » Sa 3. Nov 2018, 11:32

Das ist also eine Rechnung, die ein Unternehmer machen würde, der einen Hof pachtet, den Bauern als bezahlten Geschäftsführer anstellt und sich auch die Kapitalkosten in Rechnung stellt.
Diese Rechnung ist in Ordnung, weil alle Aktiengesellschaften so rechnen.
Dann könnten alle Kleinbetriebe zumachen, weil das in allen Branchen so läuft. Wie Centauri erwähnt hat, der Schreiner ohne Angestellte der am Wochenende die Rechnungen macht.
Müsste man auch noch jede Mitarbeit in der Familie fiktiv vergeben (Haushälterin zum Mindestlohn für kochen, putzen, waschen, einholen, Kinder betreuen), so würde sich auch eine Familie nicht rechnen.

Auch in der Schweiz mit Aussenschutz ist die Situation nicht besser: Link
Hier wird aber das Einkommen und nicht der Unternehmensgewinn genannt.
Man sollte, um die Zahlen zu verstehen, wissen, dass SFr. 50'000 kaufkraftmässig etwa dem Lohn eines schlecht bezahlten Angestellten etwa im Detailhandel entsprechen. Davon kann man kaum leben. Die Kaufkraft eines CHF (etwa 85 Euro-Cent) entspricht in der Schweiz bei weitem nicht derjenigen eines Euro in Deutschland. Eine 4-Zimmer-Wohnung 50km von Zürich weg kriegste nicht unter 2000 kalt und trocken.
Wenn man noch die Arbeitszeiten in den Familienbetrieben berücksichtigt, ergibt sich so ziemlich das gleiche Bild wie in D.
Was ich nicht weiss, ist, ob in den Einkommensrechnungen die Naturalleistungen an die Lebenshaltung (Kost, Unterkunft) eingerechnet sind oder nicht. In der CH entspricht die Eigennutzung eines Hofes als Wohnung im Schnitt etwa 2000 CHF pro Monat. Auch hier, wie bei Euch, aber über kleinere Distanzen: Extreme Unterschiede zwischen niedrigpreisigen Randregionen und in der Nähe grosser Städte.

Schlussfolgerung: Willste Kohle machen, bleib ledig und werde Anwalt oder Zahnarzt, oder erbe ein grosses Vermögen und verwalte es.

Was ich an diesen Rechnungen irreführend finde: Wenn man den fiktiven Unternehmensgewinn pro Kuh oder pro was-auch-immer angibt. Das würde für Manfreds Zahlen bedeuten, wenn du eine Kuh abgibst haste 267 E weniger Verlust. Eine Rechnung, die sicher nicht stimmt.

Was ich auch schlecht beurteilen kann: Ob ein Arbeiten auf dem eigenen Hof, das buchhalterisch gerechnet keinen Gewinn abwirft, deshalb sinnlos ist. Mit Geld kann man nicht alles messen. Wenn man soviel Bareinkommen erzielen kann, dass man gut davon leben kann, muss man ja nicht buchhalterischen Gewinn machen.
Was aber zu fordern wäre, ist, dass man steuerlich gleich behandelt wird wie grosse Unterehmen. Hier werde ich aber auch als Arbeitnehmer ungerecht behandelt, denn ein grosser Teil meiner Lebenshaltungskosten sind zur Erhaltung meiner Fähigkeit, Einkommen zu erzielen, unbedingt nötig. Wenn ich hungrig, unausgeschlafen und nackt zur Arbeit erscheine, wird das nix. Diese Kosten muss ich aber als Einkommen versteuern. Jemand, der vom Kapital lebt, muss das nicht und wenn er es schlau macht, wird sein Kapital dauernd grösser, ohne dass er je steuerbares Einkommen hätte. Aber das ist eine andere Diskussion.
---> Grössere Freibeträge, höherer Steuersatz auf dem Rest wäre gerechter. (Auch wieder eine andere Diskussion ...)
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1585

Beitrag von Manfred » Sa 3. Nov 2018, 14:10

Es ist ja nicht ohne Grund so, dass auch in der Schweiz viele Bauern aufgeben, auch wenn viele deutsche Landwirte mit Neid über die Grenze blicken und stauen, von was für kleinen Betrieben und Viehzahlen man von der Schweiz noch im Vollerwerb leben kann. Mein Onkel ist öfter mal in der Schweiz unterwegs, bei Züchter-Kollegen. Und da gibt es halt doch viele Betriebe in einer Größenordnung, die hier nebenher als Nebenerwerb oder Hobby betrieben wird. Dafür sind diese Betriebe inkl. Vieh dort aber auch blitzsauber und geleckt von vorne bis hinten.

Bei den Begriffen muss man etwas aufpassen. In D ist mit Unternehmensgewinn oder Betriebsgewinn (ein Unternehmen kann mehrere Betriebe haben) ist idR der steuerliche Gewinn gemeint.
Der Unternehmergewinn ist das, was vom Unternehmensgewinn nach Abzug der Faktorkosten (für Kapital, Pachtanspruch, kalkulatorische Entlohnung der unbezahlten Familien-Arbeitskräfte) übrig bleibt.
Den berechnet man, um seine eigene unternehmerische Leistung bewerten zu können. Wenn ich mein Kapital anlegen, mein Land verpachten und arbeiten gehen würde, und dann deutlich mehr in der Tasche hätte, ist halt fraglich, ob meine Selbständigkeit wirtschaftlich sinnvoll ist.
Und darauf sollten Bauern viel mehr achten. Leider wissen viele mit dem Begriff Vollkostenrechnung nichts anzufangen.
Mir ist durchaus klar, dass das auch viele andere Selbständige betrifft. Auch diesen kann man nur raten, das immer wieder zu hinterfragen.
Es heißt ja nicht, dass man gleich das Handtuch werfen muss. Aber eine genaue Analyse kann dabei helfen, die Betriebsblindheit zu überwinden und wirtschaftlicher zu werden.

Benutzer 72 gelöscht

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1586

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 7. Nov 2018, 09:00

Folgen der Dürre
Nothilfe für die Bauern
Bio-Betriebe in Bundesländern, die in diesem Sommer besonders von Dürre betroffen waren, dürfen bis zum nächsten Frühjahr auch konventionelles Raufutter wie Heu verfüttern. [....]
Die Zertifizierung bleibt den Betrieben erhalten.
(steht im aktuellen Naturkostmagazin eve, auf Seite 16)

sinnvolle Nothilfe finde ich! :daumen:

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1587

Beitrag von Rohana » Mi 7. Nov 2018, 09:23

Für die Viecher die Hunger haben ja, für alle anderen nein. Jetzt dürfen sie also alle Qualitäten füttern aber weiter als Bio vermarkten? Wo kein Bio drin ist, gehört kein Siegel drauf. Punkt.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

Benutzer 72 gelöscht

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1588

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 7. Nov 2018, 09:58

nicht ganz alle Qualitäten - nur Raufutter :pfeif:
hast du eine bessere Lösung für so einen Notfall?

Ich dachte, das wäre ein gutes Beispiel, wo "die Verbraucher" mal eine Idee unterstützen können, indem sie "ihren Biobetrieben" aus der Patsche helfen - wetterbedingt, dürrebedingt, nicht wegen eines groben Fehlers der betroffenen Betriebe!

:pft: Rohana, du bestätigst leider mal gerade das Klischee des ewig nörgelnden Landwirtes...
sorry! :flag:

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1589

Beitrag von Rohana » Mi 7. Nov 2018, 10:08

Stell dir mal vor wir als Konvi müssen Heu kaufen und unser Nachbar der Bio ist muss auch Heu kaufen. Normalerweise würde er Bioheu kaufen müssen, natürlich auch zu Bio-Preisen. Nun kann er mit seinem höheren Bio-Preis (denn er vermarktet seine Produkte ja weiter als Bio!) uns das Konvi-Heu einfach vor der Nase wegkaufen, er kann ja mehr bieten - zumindest, wenn der Händler mitspielt.

und das meinst du wäre fair und gut, ja? "Die Verbraucher" tun da überhaupt nix um den Bauern aus der Patsche zu helfen, es sei denn die heuen plötzlich ihre nichtvorhandenen Wiesen mit dem nichtvorhandenen Aufwuchs.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

viktualia

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#1590

Beitrag von viktualia » Mi 7. Nov 2018, 10:17

Und ich finde, die "eve" bestätigt meine Meinung von ihr, dass sie nämlich nur ein "grünes Livestyle-Blättchen" ist
und nicht zwischen genereller Zertifizierung
und dem Bio-Siegel für bestimmte Produkte in einem bestimmten Zeitrahmen differenzieren kann oder will.

Wenn die "Not leidenden Bio Bauern" billigeres Futter kaufen dürfen,
ihre Zertifizierung behalten UND das Siegel,
um z.B. Milch zum gleich höheren Preis zu verkaufen,
fände ich das, als nörgelnde- Nicht- Landwirtin auch doof.
Du nicht, Ina, echt jetzt?

Was is´n das für ne Info?
"Zertifizierung behalten" - als Verbraucherin werde ich da nur darüber informiert, dass nicht mehr drin ist, was draufsteht;
während die Info, die ICH gerne hätte, nämlich, ob ein Preisunterschied weitergegeben wird,
oder ob das nun mein (ungefragt) gegebener "Solidaritätsbeitrag" wird, ausgelassen wird. Tja.
"Verbraucherberatung" sieht, in meinen Augen, anders aus.

Ach, ja Rohana, noch´n Aspekt, danke:
wenn sich die Rest-Landwirte gegenseitig ausspielen, ist das auch nicht ganz der "grüne-Livestyle" für den ich normalerweise meine Groschen locker mache. Das ist der normale 0815 Kapitalismus. Im grünen Gewand.
"eve" - paradiesisch, jaja.

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