sybille hat geschrieben: ↑Mo 7. Dez 2020, 21:17
Rohana, die große Masse will billig, billig.
Daran wäre nichts auszusetzen, wenn es nicht zu Lasten Dritter (der Umwelt, der Leute welche die Emissionen ertragen müssen, der Gemeinden, welche Mehrkosten für die Trinkwasseraufbereitung haben, der Erntearbeiter usw.) geschieht, denn so funktioniert die Marktwirtschaft.
Dass die Produzenten oder Händler gut davon leben können, ist in diesem Spiel nicht Regel, sondern Gewinnziel.
Der Staat hat in diesem Spiel die Rolle, durchzusetzen, dass alle Kosten auf den Produktpreis kommen, damit der Preis wenigstens eine halbwegs faire Vergleichsbasis bietet. Subventionen privater Gewerbe durch die öffentliche Hand sind damit nur soweit zulässig, wie sie mit klar erkennbaren Mehrleistungen des unterstützten Gewerbes für die Allgemeinheit verbunden sind. Verzicht auf Umweltbelastung genauso wie Schaffung von Arbeitsplätzen ist noch keine subventionswürdige Mehrleistung in diesem Sinne.
Hierher gehört auch das ganze Transportwesen: Die grossen Internet-Versandorganisationen wie Am*zon &Co. sind nur konkurrenzfähig, weil ihre Kunden nicht den ganzen Preis dafür bezahlen müssen, dass das System nur funktioniert, weil Heerscharen von schlecht bezahlten Kurieren die Auslieferung besorgen. (Weil die Genzen ja offen sind und man Polen noch schlechter bezahlen muss als Deutsche und die auch noch flexibler sind, haben die ihre Logistikzentren für Deutschland Ost auf der polnischen Seite der Grenze eingerichtet.)
Dem Kunden ist nicht zuzumuten, dass er für jedes Produkt umfangreiche Studien über Herstellung, Eigenschaften der Zusatzstoffe usw. anstellt, bevor er entscheidet, was er aus dem Regal nimmt. Die Lebensmittelbehörde stellt sicher, dass das, was ich in irgendeinem Laden aus dem Regal nehmen kann, nicht direkt gesundheitsschädlich ist. Wenn man die Lebensmittelkonzerne nach ihrer eigenen Werbung beurteilen würde, würde es diese Behörde gar nicht brauchen.
Der Staat hätte genauso die Aufgabe sicherzustellen, dass Importprodukte nach gleichen Regeln produziert werden wie es von einheimischen Produzenten gefordert wird. Tut er das nicht, wird er zum Gehilfen multinationaler Grosskonzerne.
Bitte beachtet, dass das alles nicht speziell für Landwirtschaft gilt, sondern für jeden Industriezweig.
Was die Landwirtschaft angeht, so kann ich keine prinzipiellen Unterschiede in der Produktionsweise "der grösseren Betriebe im Osten" zu denen in Übersee erkennen.
Warum Schweinefarmen und Eierfabriken dem Landwirtschaftsgesetz unterstellt sind und nicht als gewöhnliche Industrie behandelt werden, habe ich auch nicht begriffen: Die kaufen Rohstoffe (Futtermittel) ein, machen Produkte draus, und entsorgen ihre Abfälle. Genauso funktioniert auch eine Schrauben- oder Uhrenfabrik - wo die steht ist eigentlich egal, solange die Infrastruktur funktioniert. Deshalb ist es auch Beschiss, wenn die Landwirtschaftssubventionen kriegen, und dem Steuerzahler wird gesagt, Landwirtschaft habe eine wichtige Umweltfunktion und deshalb seien Subventionen gerechtfertigt.
Irgendwie sind die Deutschen ja auch ein wenig selbst schuld an der Misere, der Slogan "Geiz ist geil" ist ja nicht zufällig in diesem Land erfunden und berühmt geworden.
Ja, das war jetzt ein Rundumschlag. Es gibt auch in D genug Leute, die Lebensmittel nicht nur über den Preis kaufen. Die muss man als Produzent pflegen und umwerben. Solidarität mit grossindustrieller Landwirtschaft ist hier fehl am Platz, und noch schlechtere Beispiele lassen sich für so ziemlich jeden Missstand finden.