Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

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kraut_ruebe
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Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#1

Beitrag von kraut_ruebe » Di 26. Sep 2023, 19:04

ORF Online:

Regenwürmer haben einen überraschend großen Anteil an der weltweiten Lebensmittelproduktion. Wie eine aktuelle Analyse aus den USA zeigt, gäbe es ohne Regenwürmer knapp 130 Millionen Tonnen weniger Weizen, Mais, Reis und Gerste im Jahr – die gesamte internationale Getreideproduktion würde um rund 6,5 Prozent sinken.

Gesamter Artikel:

https://science.orf.at/stories/3221401
There's a crack in everything. That's how the light gets in.

Eberhard
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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#2

Beitrag von Eberhard » Di 26. Sep 2023, 21:04

Dazu zwei Anmerkungen:

1) Es ist toll, wenn es in der Welt sehr nützliche Regenwürmer gibt. Der Praktiker sollte aber auch bei sich schauen, wie es aussieht im eigenen Boden.
In Anbetracht der aktuellen Studienergebnisse wäre es laut dem Agrarforscher jedenfalls wichtig, Regenwürmer besser zu schützen. Dafür sei es auch unabdingbar, generell stärker auf die Gesundheit der Böden in der Landwirtschaft zu achten, um den Einsatz von künstlichen Düngern in Zukunft zu reduzieren, die Biodiversität im Untergrund zu unterstützen und trotzdem eine sichere Lebensmittelversorgung zu garantieren.
Man sollte auch Pestizide und deren Einsatz in die Betrachtung einbeziehen.

2)
Anhand der mittlerweile recht gut untersuchten Regenwürmer können wir langsam anfangen zu verstehen, wie sehr sich eine gute Biodiversität im Boden auf den Ertrag verschiedener Pflanzen auswirkt – und das auf globaler Ebene
Regenwürmer sind "nur" ein leicht erkennbares Kennzeichen für Biodiversität, nicht Diversität an sich. Bodenbiologen sagen, dass der Artenreichtum im Boden nur im ganz niedrigen einstelligen Prozentbereich bekannt ist. Was da herumfleucht und was genau tut und bewirkt, ist in großen Zügen noch unbekannt. Eine Herausforderung dabei ist, dass viele Lebensformen nur in ihrer natürlichen Umgebung existieren können, ein "Umzug" in ein Reagenzglas oder auf den Objektträger eines Mikroskops sind da schon ein Problem.
Die Würmer zersetzen totes Pflanzenmaterial, erzeugen verschiedene Nährstoffe wie zum Beispiel Stickstoff
Das ist sehr populärwissenschaftlich ausgedrückt. Es ist eher so, dass Regenwürmer über ihre Oberfläche und über Darmausscheidungen Mikroben verteilen. Diese Mikroben zersetzen das Pflanzenmaterial, und die Regenwürmer schlürfen den Brei aus zersetzten Pflanzen, Erde und Mikroben, und die Mikroben dienen der Energiegewinnung. Die "erzeugten" Nährstoffe resultieren dann wiederum aus den teilverdauten Mikroben.

Der Regenwurmbauer Sepp Braun soll 300...400 Regenwürmer auf dem Quadratmeter haben, allerdings auf Grünland.
machen den Boden poröser, wodurch mehr Wasser einsickern kann
Die Röhren sorgen auch für eine Belüftung (kontrolliert aerobe Verhältnisse sind sehr wichtig). Pflanzenwurzeln bedienen sich solcher Röhren für ihren eigenen Vortrieb.
Mit freundlichem Glück Auf!

Eberhard

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#3

Beitrag von Rohana » Di 26. Sep 2023, 22:24

Und jetzt darf mal scharf überlegt und recherchiert werden wieviele Regenwürmer durch's pflügen getötet werden. Und was für Massnahmen eigentlich noch überbleiben wenn Pestizide UND Stahl wegfallen. :ohm:
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#4

Beitrag von Sonne » Mi 27. Sep 2023, 08:10

@kraut&rübe...danke für den interessanten Link. Da sind ja auch noch ein paar weitere spannende Themen dabei. :)

Der Regenwurm interessiert mich immer mehr.
Ich arbeite in einem Heim mit einem sehr großen Park mit asphaltierten Wegen. Und immer wenn es regnet bin ich sehr versucht ein Glas zu holen und die Regenwürmer, die dann auf dem Weg kriechen (und dort oft auch vertrocknen) einzusammeln und mitzunehmen. Ist das legal? :lol:

Ich frage mich sowieso, warum Regenwürmer und Schnecken grundsätzlich auf Steinterrassen und Wege flüchten, wenn es regnet. Wo das doch für viele ihr Tod ist. Zumindest wenn die Sonne wieder raus kommt. Naja, den Überblick über die Zusammenhänge haben sie nicht. Aber Gras wäre für sie doch auch so viel schützender - vor Frassfeinde zum Beispiel.

@Eberhard...das habe ich ja durchaus schon oft mal gehört, mit den 300 und mehr Regenwürmern/qm.
Ich zweifle das auch gar nicht an. Aber optisch vorstellen kann ich mir das nicht. :hmm:
Die leben ja schlimmer wie Menschen in einer Frankfurter Hochhausanlage.

Wie verteilen die sich auf 1qm? Wie tief zum Beispiel buddelt sich so ein Wurm in den Untergrund. Dachte ich hätte mal gelernt, dass die relativ an der Oberfläche bleiben, um sich bei Regen rechtzeitig 'ins Freie' retten zu können.
Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. 1. Mose 1, 31

Eberhard
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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#5

Beitrag von Eberhard » Mi 27. Sep 2023, 09:09

Ist das legal?
Nach Ansicht vieler räumst Du Müll weg. Da wird es wenig Widerspruch geben.

Warum kommen Regenwürmer bei Regen an die Oberfläche? Die Angst vorm Ertrinken wird es weniger sein. Es heißt, die auftretenden Schallwellen bei Regen sind jenen ähnlich, die Maulwürfe erzeugen, und letztere fressen Regenwürmer sehr gerne.
Zu Schnecken kann ich wenig sagen. Da habe ich wenig Interesse und gottlob wenig eigene Erfahrung (schmerzhafte Invasionen durch spanische Wegschnecken gibt es seit 10 Jahren nicht mehr).

Grundsätzlich sollte man unterscheiden zwischen Regenwürmern (Tauwurm u.a.) und Kompostwürmern (https://hypersoil.uni-muenster.de/1/02/07.htm).
Erstere gehen durchaus in Tiefen bis 6 Meter, und es sind diejenigen, die einen Grashalm in den eigenen Gang ziehen, damit der, benetzt mit eigenen Mikroben, bald zum Futter wird.
Kompostwürmer (Mistwürmer) leben oberflächennah, da kann bei etwa 25 Zentimeter schon Ende sein, und sie agieren nicht in Erde, sondern unmittelbar in Zersetzungsschichten. Daher werden Kompostwürmer gerne in Wurmfarmen eingesetzt. Zielsetzungen für Wurmfarm:
- Umsetzung Biomüll, unmittelbar in der Küche, aber auch Mengenverarbeitung bei Pferdemist
- Erzeugung von Wurmhumus und -tee als Dünger
- Erzeugung der Würmer für Verkauf und als Futter für andere Tiere
Kompostwürmer können sehr wanderungswillig sein, eines der sehr häufig besprochenen Probleme in einem Kompost(würmer) Forum.

Übrigens: Annie Francé-Harrar schrieb schon, dass es nicht sinnvoll ist, einfach zusätzliche Würmer auf seinem Boden mit der Zielsetzung der Bodenverbesserung auszubringen, es kann sogar schädlich sein. Lebensbedingungen und Besatz mit Leben sollten schon zusammenpassen.
Mit freundlichem Glück Auf!

Eberhard

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#6

Beitrag von Sonne » Mi 27. Sep 2023, 14:20

Danke für die Infos. Ich glaube als Kind habe ich mal gelernt, dass Regenwürmer bei Regen hoch kommen, damit sie nicht ertrinken. Naja...maches Wissen überholt sich wahrscheinlich...nach 4 Jahrzehnten.

6 Meter Tiefe - ja krass. Das ist aus der Perspektive eines Regenwurms ja schon ein Wolkenkratzer. :lol: Da kommen 300 Würmer dann schon unter.

Annie Francé-Harrar: Du meinst wahrscheinlich: Neu zugeführte Regenwürmer würden ehr verhungern. Die Anzahl der Würmer reguliert sich von selbst an Hand der zur Verfügung stehenden Nahrung.
Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. 1. Mose 1, 31

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#7

Beitrag von Eberhard » Mi 27. Sep 2023, 17:42

Einiges Wissen um Regenwürmer ist gar nicht so neu:
Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer
Mit freundlichem Glück Auf!

Eberhard

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#8

Beitrag von kraut_ruebe » So 12. Nov 2023, 16:12

Der Regenwurm als Gegenstand der Forschung - nächster Teil: Wie Regenwürmer das Klima beeinflussen

https://science.orf.at/stories/3221684/
There's a crack in everything. That's how the light gets in.

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#9

Beitrag von emil17 » Sa 18. Nov 2023, 18:58

Ich möchte zu diesen Beobachtungen und den möglicherweise so nicht sicher zutreffenden Schlussfolgerungen folgendes zu Bedenken geben:
Unsere Biosphärte besteht, nach Menge der beteiligten chemischen Elemente, fast nur aus Wasser-, Sauer- und Kohlenstoff., also salopp ausgedrückt aus Wasser und Kohle. Kohlenstoff ist zudem auch noch in riesigen Mengen in Karbonatgesteinen gespeichert, die nicht völlig vom biologischen Kreislauf entkoppelt sind. Das bedeutet, dass jede Veränderung der Menge oder Zusammensetzung eines Teils des biologischen Systems, hier der Regenwürmer, zu riesigen Veränderungen der Massebilanzen dieser Elemente führt, wenn man sie auf die Erdfoberfläche hochrechnet.
Langfristige Effekte solcher Prozesse sind bezüglich ihrere Effekte auf den gespeicherten Kohlenstoff viel schwieriger zu quantifizieren, weil sie meist auf kurzzeitigen Messungen bweruhen. Längerfristige Daten gibt es kaum, weil geringe Änderungen sehr grosser Vorräte schwer zu dokumentieren sind und sich noch vor wenigen Jahrzehnten schlicht keiner dafür interessiert hat.
Zur Zeit ist es aufgrund verständlicher Aktualität des Themas in Mode, alles Mögliche vom Reagenzglas oder Versuchsgarten auf die Erde hochzurechnen und als klimarelevant darzustellen.
Ob jetzt also Regenwürmer an Orten, wo es bisher keine gab, zu einer längerfristigen Bindung von Bodenkohlenstoff führen oder eher zu einem Verlust, traute ich mich nicht so sicher beurteilen zu wollen, wie es der Artikel erscheinen lässt. Bei uns gibt es wurmlose Böden mit viel Bodenhumus, wurmlose mit sehr wenig, aber auch wurmreiche mit viel und andere mit kaum Humus. Sehr schnell spielen dabei Eigenaschaften eine Rolle, die scheinbar nicht zur Frage gehören: Feucht oder trocken, steinreich, sauer, basisch, kalt, warm und so weiter. Das heisst, die gleiche Veränderung eines Wurmmenge kann auf verschiedenen Standorten zu völlig anderen Ergebnissen führen.
Vergleichbar trifft die an sich logische Vermutung, Bodenbearbeitung würde die Würmer stören und den Humusgehalt vermindern (der Spaten zerstört die Wurmgänge und belüftet den Boden, folglich ...) , nicht einfach so zu, sonst gäbe es keine regelmässig umgegrabenen Böden, die sehr wurm- und humusreich sind.
Im Falle von Kanada, wo vor 25^000 Jahren riesige Landstriche ebenso gründlich unter Eis begraben waren wie es in Europa der Fall war, könnte die Regenwurmarmut auch darauf zurückzuführen sein, dass riesige Flächen von Nordamerika aus von Gletschern überformtem Urgestein des kanadischen Schildes bestehen und heute mit Nadelwald oder Tundra bedeckt sind. Diese Vegetation über saurem Gestein ist jedoch auch bei uns fast regenwurmlos.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Wie Regenwürmer zur Lebensmittelproduktion beitragen

#10

Beitrag von Eberhard » So 19. Nov 2023, 14:26

Die forschenden Wissenschaftler aus dem verlinkten Beitrag sind sicher äußerst davon angetan, von einem weiteren Wissenschaftler mit dem wirklichen Durchblick aus dem Handgelenk heraus fachlich unterstützt zu werden.
Vergleichbar trifft die an sich logische Vermutung, Bodenbearbeitung würde die Würmer stören und den Humusgehalt vermindern (der Spaten zerstört die Wurmgänge und belüftet den Boden, folglich ...) , nicht einfach so zu, sonst gäbe es keine regelmässig umgegrabenen Böden, die sehr wurm- und humusreich sind.
Die "Nichtstörung und -minderung" ist selbstredend durch zugängliche Studien belegt oder nur eine subjektive Meinung?
Daneben ist Art und Umfang der Bodenbearbeitung nur ein Punkt unter mehreren, die man bezüglich eines guten humusreichen Bodens betrachten würde.

@kraut_ruebe: Danke für den interessanten Einblick. Ein Nützling kann eben auch ein Schädling sein, abhängig von der Menge und dem Ort des Wirkens. Den Maulwürfen, die es auch in Nordamerika gibt, scheint es da in Kanada wohl schon zu kalt zu sein.
Mit freundlichem Glück Auf!

Eberhard

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