Insekten-Diskussion

Manfred

Re: Insekten-Diskussion

#331

Beitrag von Manfred » So 10. Mär 2019, 16:25

Etwas Hintergrundwissen zur Entwicklung der Insektenbestände im Orbroiccher Bruch (Krefeld).
Bitte lesen.

https://www.bauerwilli.com/weniger-inse ... lt-gut-so/

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emil17
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Re: Insekten-Diskussion

#332

Beitrag von emil17 » So 10. Mär 2019, 18:35

Man beachte bitte auch die zum Teil sehr sachkundigen Kommentare.
Zum Beispiel, dass Insektenbiomasse aus Flugfallen eben nur ein Indikator ist, und zudem ein sehr zweideutiger.
Man kann mit einer Fliegenkalamität oder aufgrund Schädlingsplagen in grossen einheitlich bestellten Ackerkulturen hohe Werte erzeugen.
Grossgruppen von Insekten, die sehr wesentlich sind, fliegen nicht (Ameisen, viele Käfer) oder nicht weit.
Man könnte genau so gut die Qualität eines Waldes am erzeugten Brennwert pro Fläche messen.
Wenn Biomonitoring und Bewertung von Ökosystemqualitäten so einfach wäre! "Viel ist gut und mehr ist besser" ist doch gerade eben eine der Krankheiten unserer Gesellschaft.
Deshalb trifft auch zu, dass erfolgreich etablierte Naturschutzgebiete hohe Diversität und niedrige Biomasse in den Flugfallen bringen. Daraus zu schliessen, NSGs seien einem hohen Insektenbestand abträglich, ist jedoch unzulässig.
Wir hatten oft solche Diskussionen, z.B. wie man objektiv, also unvoreingenommen, messen kann, ob beispielsweise bei einer Magerwiese der Verlust einer sehr spezialisierten Art und dafür der Gewinn einiger Trivialarten (Brandorchis weg, dafür hats jetzt Löwenzahn und Brennesseln und Brombeeren) zu bewerten sei. Mit einer Messgrösse allein geht das nie und die Versuchung aller beteiligten Leute, ihr Eigeninteresse oder ihre Prägung (Erwerbslandwirt oder Naturschutzfreak), ihre Wertvorstellung als "sachliche" Grundlagen und nicht als Weltanschauung in die Diskussion einzubringen, ist gross.
Auch deshalb ist dieser obn verlinkte Beitrag wertvoll.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

viktualia

Re: Insekten-Diskussion

#333

Beitrag von viktualia » Mo 11. Mär 2019, 09:46

Daraus zu schliessen, NSGs seien einem hohen Insektenbestand abträglich, ist jedoch unzulässig.
Und so schnell läuft sie, die stille Post...
Das hier ist das "Original":
Der Rückgang der gefangenen Insektenbiomasse in einem gut entwickelten Naturschutzgebiet ist ein zentrales Indiz für die erfolgreiche Entwicklung zu mehr Artenvielfalt und ist umgekehrt gerade nicht besorgniserregend. Hohe Artenvielfalt im Raum bedeutet gleichzeitig fast schon zwangsläufig eine relativ geringe Individuen-Zahl der einzelnen Art. Daraus ergibt sich, dass die Insektenbiomasse in gut entwickelten Naturschutzgebieten mit der Steigerung der Artenvielfalt zwangsläufig sinkt.
Das mit dem "aus dem Entweder/Oder- Denken aussteigen" ist halt nicht ganz so einfach und hier haben wir einen "klassischen" Fall.

"Viele" Insekten haben wir bei Schädlingen, nennt sich dann Massenauftreten, gibt´alle paar Jahre.
Wenn wir die Schädlingsbekämpfung, also das Giftspritzen, weg lassen wollen - weil wir einsehen, dass es auch uns nicht gut tut - müssen wir nicht zwangsläufig "biblische Plagen" in Kauf nehmen.
Das ist der Punkt.
Weder quantitativ noch qualitativ, (Plagen) auch wenn das nicht der allererste Gedanke ist, der einem bei "Naturschutz" kommen mag.
"Zurück zur Natur" ist halt etwas komplexer.
Und - das "Massenphänomen Panikmache" ist wohl auch "natürlichen Ursprungs" und auch da hilft eher (Meinungs)Vielfalt um viele verschiedene Informationen zuzulassen.... Und dann zu selektieren, zwischen Nützlingen und Ausnutzern der Natur.

Benutzer 1612 gelöscht

Re: Insekten-Diskussion

#334

Beitrag von Benutzer 1612 gelöscht » Mo 11. Mär 2019, 10:28

Danke fürs Teilen!
Ich lese da für mich einiges Neue (bin aber ja botanisch nicht besonders versiert), vor allem in Hinblick auf Komplexität...

Findet Ihr es nicht auch (wie ich) sonderbar bis beunruhigend, dass dieser Mann so ohne Not von "Schädlingen" spricht?
Obwohl - wie gesagt - botanisch unversiert, so habe ich doch im Sinne von Kreislaufgedanke, Permakultur usw. gelernt, dass wenn meine Pflanzen von irgendwelchen Insekten befallen werden, dann sind letztere nicht per se schädlich, sondern der Befall hat irgendeine Ursache. und wenn ich den nicht will, weil z.B. meine Pflanze davon eingeht, suche ich diese Ursache zu ergründen. Eventuell ist dann die Lösung, diesen Befallinsekten den Garaus zu machen. Dennoch bezeichne ich sie nicht als Schädlinge. (Klassiker für diese Gedankenkette sind die Blattläuse)

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Re: Insekten-Diskussion

#335

Beitrag von emil17 » Mo 11. Mär 2019, 10:31

Ich habe in diesem Job Biomonitoring ein paar Jahre lang meine Brötchen verdient.
Meine Behauptung war und ist und bleibt, dass ein Rückgang der gefangenen Insektenbiomasse ein Hinweis auf das sein kann, was der Autor behauptet, es kann aber auch andere Gründe haben und deshalb ist der Umkehrschluss (weniger Insektenbiomasse, also keine Probleme mit den Ökosystemen) unzulässig.
Unter anderem deshalb, weil Flugfallen nur Aussagen über Fluginsekten erlauben.
Ausserdem ging es nicht um Massnahmen, sondern um Messungen.
Das alles ist ziemlich einfach zu verstehen, wenn man will.
Die stille Post geht zurück an den Absender.
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Re: Insekten-Diskussion

#336

Beitrag von emil17 » Mo 11. Mär 2019, 10:38

@Stadtgärtner: Wenn du Schädlinge als Lebenwesen definierst, die nachteilige Auswirkungen auf die Ernte haben, dann ist der Begriff schon berechtigt.
Ob man ihr gehäuftes Auftreten als Symptom eines Anbaufehlers oder als Krankheit auffasst, die es zu behandeln gilt - so wie man Medikamente nimmt, wenn man krank ist - ist eine Frage der Weltanschauung.
Weil die meisten Nutzpflanzen mit Gewinnabsicht angebaut werden, ist kurative Behandlung nicht absurd.
Ich baue auch einen Zaun um mein Gemüsebeet, damit die Hasen draussen bleiben und ich meinen Salat selber essen kann, obwohl man den Anbau von Gemüse an Orten, wo es Hasen hat, auch als Haltungsfehler anschauen könnte.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Benutzer 72 gelöscht

Re: Insekten-Diskussion

#337

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mo 11. Mär 2019, 11:20

@Stadtgärtner: Das ist eben Bauer Willi - kann mich noch an seine aggressive Wutrede gegen Konsumenten erinnern....
von dem her ist das für mich sicher nicht "die objektive Sicht" auf die Dinge, sondern einfach nur die andere Seite.
ist aber wichtig, immer beide Seiten anzuhören, oder?

Wir haben bei uns kaum Blattläuse, wenn ich mal wo ein paar seh, freu ich mich, weil die sind Futter für viele andere und am nächsten Tag sieht man schon kaum welche....
Vielleicht weil wir viele Libellen haben und andere Fluginsekten?
Bei den Nacktschecken bin ich noch am kauen - Futter für Glühwurm-Larven??
Laufkäfer werden auch immer mehr, wenn wieder mal viele Schnecken im Garten sind......

Aus Sicht der Natur ist es unsinnig, von Schädlingen zu sprechen, das ist nur die Sicht des Bauern und des Gärtners. ;)

Ich versteh nicht ganz, wieso mehr Artenvielfalt zu weniger Populationsdichte führt - dann gibt es halt statt 20 Mücken plötzlich 10 Mücken, 2 Libellen, 3 Schmeterlinge, 4 Käfer, 7 Blattläuse und einen Vogel. :im:

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Re: Insekten-Diskussion

#338

Beitrag von Rohana » Mo 11. Mär 2019, 11:32

Stadtgärtner hat geschrieben: Findet Ihr es nicht auch (wie ich) sonderbar bis beunruhigend, dass dieser Mann so ohne Not von "Schädlingen" spricht?
Obwohl - wie gesagt - botanisch unversiert, so habe ich doch im Sinne von Kreislaufgedanke, Permakultur usw. gelernt, dass wenn meine Pflanzen von irgendwelchen Insekten befallen werden, dann sind letztere nicht per se schädlich, sondern der Befall hat irgendeine Ursache. und wenn ich den nicht will, weil z.B. meine Pflanze davon eingeht, suche ich diese Ursache zu ergründen. Eventuell ist dann die Lösung, diesen Befallinsekten den Garaus zu machen. Dennoch bezeichne ich sie nicht als Schädlinge. (Klassiker für diese Gedankenkette sind die Blattläuse)
Was heisst denn hier "ohne Not"? Sorry, ich kenn keinen einzigen Fall wo sich jemand komplett und ausschliesslich von seinen Permakulturgedanken und Kreislaufgärten ernährt, auch wenn noch so viele davon reden dass sie es gerne möchten... Es gibt immer und überall Einkaufsmöglichkeiten und dadurch wird die echte "Not" so gut wie ausgeschlossen.

Vielleicht gefällt dir aber besser, wenn man z.B. Blattläuse und Zikaden "Vektoren" nennt: Dramatische Schäden verursachen die selbst nämlich kaum, trotzdem ist ihre Regulierung bzw. Bekämpfung in vielen Kulturen wichtig, weil sie Träger von pflanzenpathogenen Viren sind - und genau wie beim Menschen kann man die Viren nicht direkt bekämpfen. Also muss man die Übertragung verhindern, wenn man die teils dramatischen Auswirkungen der vom Virus erzeugten Krankheiten nicht in Kauf nehmen will.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

viktualia

Re: Insekten-Diskussion

#339

Beitrag von viktualia » Mo 11. Mär 2019, 11:34

Stadtgärtner, Danke für den Gedanken: ist nicht die eigentlich "überzogene Wertung", von "Nützlingen" zu reden?
Da fängt es an, die "Schädlinge" sind nur "schmückendes Beiwerk", oder nicht?
Eigentlich geht es um unser Essen....

Emil, der Postbote war´s. Wer hat denn den Umkehrschluss ins Spiel gebracht?
Nochmal:
Die Pflanzen- und Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten stabilisiert nicht nur die Räuber- Beutebeziehungen sondern auch die Insektenbiomasse auf niedrigem Niveau:
Es geht um "Räuber-Beute Beziehungen" und in diesem Kontext ist die Aussage sowohl wahr als auch sehr informativ. Den Punkt hätte ich gerne davor bewahrt, vom hohen gelben Wagen aus überrollt zu werden.

Ina, das war nicht der Willi, das war der Herwig. Herr Scholz.
Und die verringerte Populationsdichte liegt halt daran, dass es ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Jäger und Beute gibt, siehe oben.
Keine Plagen, aber mehr "Stämme".

Benutzer 72 gelöscht

Re: Insekten-Diskussion

#340

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mo 11. Mär 2019, 12:05

viktualia hat geschrieben:Und die verringerte Populationsdichte liegt halt daran, dass es ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Jäger und Beute gibt, siehe oben.
Keine Plagen, aber mehr "Stämme".
hm ... klingt logisch!
Aber wieso (sagt man doch?) finden dann die Vögel nicht mehr genug Futter?
Bei uns gibt es viele Insekten, aber (außer Schnecken) kaum "Schädlinge".
Nützlinge?? Definieren die sich nicht dadurch, dass sie "Schädlinge" reduzieren? Jetzt außer den sicher auch nützlichen Bestäuberinsekten....
Bei uns ist ein reges Gewusel, ein Kommen und Gehen und immer wieder gibt es "Plagen", die aber so wirklich niemanden plagen, weil sie echt zeitlich begrenzt sind.
Virenerkrankungen kenn ich nicht bei uns, vielleicht "brauchen" die eine große Populationsdichte einer Pflanzenart auf engem Raum??

Übrigens fressen "die Vögel" auch sehr gerne Getreide - Erntereste, wie ich beobachtet hab, ob sie auch aktiv ernten und sich damit als "Schädlinge" im Getreidefeld betätigen, weiß ich nicht. Beim Obst soll es ja so sein, aber auch da: Wenn genügend Vielfalt da ist, kann man das verschmerzen. Sie fressen nie alle Kirschen oder Beeren weg.
Und es gibt trotzdem noch genug Äpfel ohne "Wurm"....

Rohana hat geschrieben:Sorry, ich kenn keinen einzigen Fall wo sich jemand komplett und ausschliesslich von seinen Permakulturgedanken und Kreislaufgärten ernährt, auch wenn noch so viele davon reden dass sie es gerne möchten
Was aber wiederum nicht das Problem "der Bauern" ist, sondern derer, die so reden - lass sie doch? Was juckt es dich?? :aeh:

Oder geht es doch darum, dass "der Bauer" möglichst viel grüne Scheine ergattern will, um sie dann gegen von den Konsumenten produzierte andere Ware eintauschen zu können??
Wären alle Menschen Selbstversorger, gäbe es wohl keine Bauern mehr.
Also sind wir eigentlich Konkurenten :pft:
Nützling oder Schädling??

Mir eigentlich egal, aber dass die Tiere und Pflanzen, die vor uns da waren, auch ein Anrecht auf ihre Existenz haben, ist für mich außer Zweifel.....

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