Oelkanne hat geschrieben: ↑Do 25. Feb 2021, 00:55
Ich glaube hier sitzt immer noch der Irrglaube fest das Familienbetriebe tier- und umweltfreundlicher produzieren als Kapitalgesellschaften.
Es ist eine Definitionsfrage. Wenn man das Tier als Methode zur Futterveredelung auffasst und es optimal hält, kann das selbstverständlich auch tierfreundlich sein.
Oelkanne hat geschrieben: ↑Do 25. Feb 2021, 00:55
Ob der Nachbar eine Mastanlage mit zwei Ställen zu je 30.000 Hühner betreibe oder ob auf dem Gelände acht Ställe stehen macht keinen Unterschied: die Ställe werden als fertige Einheiten gekauft und können beliebig oft nebeneinander gesetzt werden.
An diesem Beispiel zeigt sich deutlicher, wo die unterschiedlichen Auffassungen liegen: Mastanlagen für 30'000 Hühner sind reine Brathendelfabriken und haben mit tiergerechter Haltung wenig zu tun, auch wenn alle Standards der Hygiene eingehalten sind und es im finanziellen Interesse des Betreibers liegt, es "richtig" zu machen.
Ausgeblendet werden die nachteiligen Folgen der grossmasstäblichen Produktion für die Umwelt: Grössere Flächen lassen sich rentabler bewirtschaften, bedeuten aber einen Verlust an Strukturen und Grenzlinien und dadurch eine Trivialiserung der Umwelt. Bei den Hühnermastfabriken stellt sich die Frage, woher das Futter kommt und wo der Mist hingeht und was das noch mit Landwirtschaft zu tun hat. Diese Frage stellt sich genauso bei der Unterglasproduktion von Tomaten oder bei der Kuhhaltung im Laufstall, wenn die Tiere nie auf der Weide sind.
Aus Sicht des Produzenten ist klar, dass man nicht die idyllische Produktionsweise und gleichzeitig die Milch für 90 Cent pro Liter oder das Brathähnchen für 5.90 haben kann. Für den Konsumenten ist das nicht so klar, wenn beides im gleichen Regal liegt und auf den ersten Blick auch gleich aussieht. Ob die Brathendelfabrik nun in Polen oder in Deutschland oder in China steht, macht bezüglich der Produktequalität dann auch nicht mehr viel aus, was dann "inländisch" als Qualitätsmerkmal verwässert.
Die hocheffiziente und stark auf ein Produkt ausgerichtete Betriebsweise hat auch Konsequenzen auf die Persönlichkeit des Betriebswirts: man ist Fabrikant, nur halt eben Eier oder Schweine statt Schrauben oder Unterwäsche.
Oelkanne hat geschrieben: ↑Do 25. Feb 2021, 00:55
Hier höhere Umwelt und Tierschutzvorgaben durchsetzen zu können, ohne das die Landwirtschaft gänzlich zu Grunde geht ist aus meiner Sicht nur dann möglich wenn zeitgleich die Einfuhr von Produkten die nicht nach unseren Vorschriften produziert wurden verboten wird.
Das würde aber die Lebensmittel in Deutschland stark verteuern
Das ginge schon, aber man müsste die Landwirte nicht mehr für ihre Produkte subventionieren, sondern Beiträge aussschliesslich für gemeinwerte Zusatzleistungen bezahlen, die der Landwirt erbringt, als da wären Landschaftspflege, Arterhaltung und so weiter. Diese Leistungen wurden früher ja als unvermeidliche Nebenwirkung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung so nebenbei erbracht, und die fallen bei der modernen Landwirtschaft immer mehr weg. Der Landwirt hat aber Anrecht darauf, wie jeder, der für andere arbeitet.
Das würde bedeuten, dass der Schweine- oder Hühnermastintensivbetrieb gar nichts erhält, der Bauer, der 30 Kühe auf seinen Dauergrünlandflächen grasen lässt und Winterfütterung auf seinen eigenen Heuwiesen einwirbt, hingegen ziemlich viel.
Wenn man das meiste der Subventionen für blosse Bewirtschaftung oder produktbezogen bekommt, muss man logischerweise effizient produzieren und all die Umweltschutzauflagen werden nur als lästig empfunden, was auch aus Sicht des Steuerzahlers nicht Sinn der Sache sein kann.
"Einfuhr von Produkten die nicht nach unseren Vorschriften produziert wurden verboten wird" Wie soll das ohne Kontrolle gehen? und wie soll die ablaufen? Die Lebensmittelämter haben ja schon ihre liebe Mühe damit, die Vorschriften im Inland durchzusetzen.
Bei uns läuft grad eine Abstimmung über ein Handelsabkommen mit Indonesien, wo Palmöl der Streitpunkt ist: das soll nur darunter fallen, wenn es nachhaltig produziert wurde. Soll man jetzt den Indonesiern vertrauen (die vermutlich einen oder zwei Vorzeigebetriebe einrichten würden und im Alltag der Massenerzeugung dann vermutlich viel flexibler in der Auslegung der Vorschriften im Abkommen wären, als es eigentlich gemeint war), oder sollen Schweizer denen vor Ort auf die Finger schauen und sich hintes Licht führen lassen? Ich stelle mir grad vor, indonesische Beamte kontrollieren hier, wie Käse gemacht wird ...
Hohe Qualität kann nur dann gesichert werden, wenn es ein echtes Anliegen des Produzenten selber ist. Ein gutes Beispiel sind all die hochpreisigen AOC-Waren.