Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 10814
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2971

Beitrag von emil17 » Di 12. Okt 2021, 05:46

Oelkanne hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 22:41
Es kommt nicht auf die Anzahl der Betriebe an, sondern auf die Fläche die mit diesen Absatzmethoden bewirtschaftet wird.
Aus Sicht des Betriebes ist das ganz egal, denn man muss nicht volkswirtschaftlich relevant werden, sondern seine Nische finden, die ein Auskommen für den Betrieb generiert. Für die Betriebe, die hier bei der lokalen Milchgenossenschaft und Käserei mitmachen, funktioniert es ganz gut, also macht man es, und ist dem Preisdruck der grossen Käsekonzerne ausgewichen.

Wahrscheinlich sind eure 3000 ha für ganz Deutschland auch weniger als 1 % - ist doch egal, solange für Euch die Rechnung aufgeht.
Wenn sie nicht aufgeht und ihr Euer einzigens Produkt nicht hochwertiger verkaufen könnt, müsst ihr halt anders wirtschaften oder etwas anderes erzeugen, was sich besser verkaufen lässt. Denn Euch dürfte auch wurscht sein, wie der Nachbar über die Runden kommt, der "nur" 500 ha hat. Das ist Marktwirtschaft - der Kunde bestimmt den Absatz, nicht der Produzent.
Bei der Landwirtschaft kann reine Marktwirtschaft nicht funktionieren, weil sie extrem umweltrelevant ist, deshalb gibts auch Subventionen vom Staat. Wenn die aber schon fliessen, bloss weil man Fläche bewirtschaftet, egal wie, dann setzt das falsche Anreize und die Zusatzprämien für Blühstreifen usw. lohnen sich nicht.
Die Erhaltungsprämien für den Krisenfall - Nahrungsmittel-Grundversorgung, früher der Hauptgrund eine eigentlich unrentable Landwirtschaft am Leben zu erhalten - sind der politischen Situation anzupassen und hier ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Länder in Europa wieder auf autark machen und ihre Grenzen schliessen.
Also muss man die Subventionspolitik insofern korrigieren, indem es nur für gesellschaftsrelevanten Zusatzaufwand überhaupt etwas gibt. Damit bezahlt die Gesellschaft dann den Zusatzaufwand der Landwirtschaft, der nicht durch den Produktepreis gedeckt werden kann, weil er nicht im reinen Interesse der Produktion ist. Lästigkeitsprämien - bezahlt mich dafür, dass ich darauf verzichte, die Umwelt zu belasten - dürfen auch nicht sein, denn dann will ich auch Geld vom Staat, weil mein Auto einen Kat hat und ich das Grundwasser nicht verschmutze. Das wäre auch fair nach dem Gleichbehandlungsprinzip - andere Gewerbe bekommen nicht bloss deshalb schon Geld vom Staat, weil sie es betreiben.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

penelope
Beiträge: 743
Registriert: Mo 26. Nov 2018, 15:41

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2972

Beitrag von penelope » Di 12. Okt 2021, 06:52

Oelkanne hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 22:41

Die Landwirtschaft könnte problemlos mit der Konkurrenz aus Osteuropa mithalten, wenn hier die selben Produktionsbedingungen herrschen würden.
Das tun sie aber nicht.
Abgesehen von allen Umweltaspekten: Löhne und Arbeitsbedingungen wie in Russland wären aber ganz sicher keine Verbesserung für die Menschen in der Landwirtschaft in Deutschland.

penelope
Beiträge: 743
Registriert: Mo 26. Nov 2018, 15:41

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2973

Beitrag von penelope » Di 12. Okt 2021, 11:33

Man kann einen Markt auch nicht nur von der Angebotsseite aus betrachten. Nur einmal als Gedankenspiel: Was würde denn passieren, wenn von jetzt auf gleich sämtliche Auflagen gelockert würden? Vermutlich wären dann recht kurzfristig merkliche Produktionssteigerungen machbar.

Das hört sich natürlich erst einmal gut an, aber wie geht es dann weiter? Die Nachfrage ist relativ stabil, die Preiselastizität (übrigens mal wieder ein wirtschaftswissenschaftlicher Begriff, den Friedrich Merz nicht so richtig versteht ;) ) ist sehr gering. Es entsteht ein Überangebot an einem bestimmten Gut. Die Produzenten werden Schwierigkeiten bekommen, ihre Güter los zu werden und die Verhandlungsmacht der Käufer (Molkereien, Verarbeiter, Lebensmitteleinzelhändler) steigt. Natürlich werden diese dann bei dem kaufen, der bereit ist, für den niedrigsten Preis zu verkaufen und die Marktpreise insgesamt werden fallen. Der Produzent „ackert“ (im wörtlichen Sinne) mehr, wird aber unter dem Strich am Ende wirtschaftlich nicht besser dastehen.

Eine noch weitere Steigerung der Produktivität in den Bereichen, in denen wir eh schon überversorgt sind, stärkt am Ende nur die Lebensmittelindustrie, aber schwächt die Position der Landwirte noch weiter.

Diese Strategie geht aus volkswirtschaftlicher Sicht, auch nach ganz klassischer erzkonservativer Linie, und auch unter Ausbeldung aller Umweltaspekte einfach nicht auf.

sybille
Beiträge: 4318
Registriert: Mi 2. Nov 2011, 20:48

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2974

Beitrag von sybille » Di 12. Okt 2021, 17:51

Hier erhält so ein Milchviehbetrieb immerhin 300 Euro je ha an Subventionen und einen Milchpreis von 35 Cent.

Mein Biomilchbauer nimmt 60 Cent/Liter ab Tank. Nur gekühlt, nicht pasteurisiert. Und er hat viele Milchkunden. Die einen kommen nur für die Milch, die anderen kaufen die Milch 10 l weise da sie Käse machen den sie aus der pasteurisierten Milch nicht machen können. Die frische gekühlte Milch hält sich im Kühlschrank mind. eine Woche. Ein Umdenken der Landwirtschaft und auch des Verbrauchers wäre sinnvoll. Unterstütze ich lieber den Landwirt selber oder die, die seine Produkte vermarkten?
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

Benutzeravatar
Rohana
Förderer 2018
Förderer 2018
Beiträge: 5346
Registriert: Mo 3. Feb 2014, 21:31
Familienstand: verheiratet
Wohnort: Oberpfalz

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2975

Beitrag von Rohana » Di 12. Okt 2021, 19:00

Eberhard hat geschrieben:
So 10. Okt 2021, 16:37
Es gibt auch jene, die feststellen, so wie sie bisher gewirtschaftet haben, können sie nicht mehr weitermachen.

Aus Syntropie statt Monotonie - Eine andere Landwirtschaft ist möglich.
„Mindestens elfmal pro Erntezyklus sprühen wir, also im Schnitt alle zehn Tage“, erzählt Borges, ein misstrauischer Grossbauer in Karohemd, Jeans und Strohhut. Der 49jährige besitzt 10.000 Hektar. Zweimal erntet er im Jahr, Soja und Mais im Wechsel.
Ja, in den ersten drei Sätzen steht schon was bei dem falsch läuft, und DAS mit der Landwirtschaft hier zu vergleichen, ist völlig sinnfrei. Wie gut dass ich hier zwei Tage nicht rein geguckt habe :roll:

Wie das so ist mit regionaler Versorgung übrigens... es gibt im näheren Umkreis keine Gemüsebauern, genauso gibt es hier keine Kühe auf der Weide. Warum? Weil's nicht funktioniert - oder zumindest nicht so gut, dass es sich lohnt! Essen wir jetzt nur noch ganz regionales Fleisch (davon gibts viel), Milch und Eier, oder fressen wir den Viechern das Futtergetreide weg und leben halt ohne Gemüse? :hmm:

Ich überlege übrigens rein zum Spass eine Pseudo-SoLaWi mit zwei Freundinnen* zu gründen, um Pleiten, Pech und Pannen gemeinsam zu erleben. Muss nur noch meinem Mann ein kleines Stück Acker abluchsen und überlegen wieviel wir wirklich in Handarbeit machen wollen, bzw wer es macht und zu welchem Preis...

* = überzeugte Bio-Grüninnen, aber mit Bezug zur Realität

Aktueller Milchpreis übrigens seit 4 Monaten gleich, auf 37 Cent. Hat schon irgendwer erwähnt dass Mineraldünger mittlerweile mehr als das Doppelte kosten?
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2976

Beitrag von Manfred » Di 12. Okt 2021, 21:15

sybille hat geschrieben:
Di 12. Okt 2021, 17:51
Mein Biomilchbauer nimmt 60 Cent/Liter ab Tank. Nur gekühlt, nicht pasteurisiert. Und er hat viele Milchkunden. Die einen kommen nur für die Milch, die anderen kaufen die Milch 10 l weise da sie Käse machen den sie aus der pasteurisierten Milch nicht machen können. Die frische gekühlte Milch hält sich im Kühlschrank mind. eine Woche. Ein Umdenken der Landwirtschaft und auch des Verbrauchers wäre sinnvoll. Unterstütze ich lieber den Landwirt selber oder die, die seine Produkte vermarkten?
Hm. Das sollte man evtl. nicht öffentlich schreiben. Das hört sich nach einem Geschäft unter der Hand und vorbei an den Behörden an.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er legal zu diesem Preis Vorzugsmilch vermarkten kann.

Wenn es nach mir ginge, würden die gesamte Direktvermarktung und das kleine Lebensmittelhandwerk von allen lebensmittelrechtlichen Vorschriften freigestellt.
Ein Schild an die Tür, dass dieser Betrieb nicht staatlich kontrolliert wird und man auf eigenes Risiko dort einkauft. Dann je jeder selbst entscheiden, ob er dort kauft oder nicht.
Und wer es als Verkäufer als Vorteil ansieht, könnte sich nach belieben freiwillig prüfen und zertifizieren lassen.
Wer dort nicht kaufen will, geht halt wie bisher in den Supermarkt und kauft die komplett kontrollierte und zertifizierte Industrieware.

Dann könnte jeder Bauer günstig Milch am Tank verkaufen und der kleine Dorfmetzger und -Bäcker hätten wieder eine reale Chance und deutlich mehr Lebensfreude durch viel weniger Bürokratie.

Es passiert aber das Gegenteil. Jedes Jahr kommen neue Vorschriften dazu, die die kleinen Betriebe systematisch wirtschaftlich erdrücken und zudem den Betroffenen die Freude an der Arbeit und damit die Lebensqualität rauben.

Eule
Beiträge: 494
Registriert: So 8. Aug 2010, 19:06
Wohnort: Hunsrück

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2977

Beitrag von Eule » Di 12. Okt 2021, 22:00

Manfred hat geschrieben:
Di 12. Okt 2021, 21:15
Ein Schild an die Tür, dass dieser Betrieb nicht staatlich kontrolliert wird und man auf eigenes Risiko dort einkauft. Dann je jeder selbst entscheiden, ob er dort kauft oder nicht.
Im Prinzip eine gute Idee, aber das Schild würde dann vermutlich nicht reichen, wie ich das mit dem Haftungsauschluss so kenne :roll:
Wahrscheinlich müsste jeder Kunde eine Auflistung mit möglichen Risiken und Nebenwirkungen per Unterschrift als gelesen quittieren :pfeif:

Ich kann mich erinnern, als Kind von meiner Mutter zum Milchbauern im Dorf geschickt worden zu sein, mit einer Milchkanne und einigen Münzen, um dort kuhwarme Milch zu holen. Irgendwie haben wir es schadlos überstanden :hmm:
Wenn's damals schon nicht legal gewesen sein sollte - es ist garantiert verjährt! :holy:

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 10814
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2978

Beitrag von emil17 » Di 12. Okt 2021, 23:02

Das mit der Bürokratie für Kleinerzeuger ist in der Tat eine Plage.
Manfred hat geschrieben:
Di 12. Okt 2021, 21:15
Das sollte man evtl. nicht öffentlich schreiben. Das hört sich nach einem Geschäft unter der Hand und vorbei an den Behörden an.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er legal zu diesem Preis Vorzugsmilch vermarkten kann.
Was ist daran illegal, so lange man alle Einkünfte deklariert? Knebelverträge mit Grossmolkereien, wo im Kleingedruckten steht, dass man nicht an denen vorbei verkaufen darf?
Rohana hat geschrieben:
Di 12. Okt 2021, 19:00
Wie das so ist mit regionaler Versorgung übrigens... es gibt im näheren Umkreis keine Gemüsebauern, genauso gibt es hier keine Kühe auf der Weide. Warum? Weil's nicht funktioniert - oder zumindest nicht so gut, dass es sich lohnt!
Dann muss halt einer anfangen, wieder ein wenig Kartoffeln und Krautköpfe zu machen und es ab Hof zu verkaufen und seine Kühe wieder mal auf die Wiese zu lassen. Wenn ihr eine Rasse habt, die mit vollem Euter selber in den Stall zurück kann, dann sollte das sogar funktionieren.
Aber es stimmt wohl, letzthin hat mir ein Bekannter erzählt, er sei im Allgäu gewesen und hätte dort riesige Ställe und knallgrüne Wiesen, aber keine Kühe gesehen.
Mal eben gegoogelt: Allgäuer Heumilch:
"Heumilch wird von "Heumilchkühen" ermolken. Diese genießen eine ganz besondere, traditionelle Fütterung: im Sommer Gräser und Kräuter auf der Weide, im Winter Heu."
Ja, wenn das schon was ganz besonderes ist, dass die Viecher im Sommer Gras und im Winter Heu zu fressen kriegen, dann habt ihrs wirklich weit gebracht. Fragt sich, was für Milchkühe inzwischen normal ist. Werden die im Sommer auf der Weide gefüttert oder weiden die?
Das mit dem Feldgemüseanbauklub würde ich mal ausprobieren, und wenn ihr das gut macht, besteht ernsthaft ein Risiko, dass ihr Kunden findet - also Vorsicht!
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2979

Beitrag von Manfred » Mi 13. Okt 2021, 00:09

Das war ein Versehen meinerseits.
Für den Direktverkauf auf dem Hof gibt es noch eine extra Regelung für Rohmilch, die mit weniger Auflagen verbunden ist als der Verkauf von Vorzugsmilch (besonders streng überwachte Rohmilch welche auch abseits des Hofs und über den Handel verkauft werden darf).
Der Rohmilchverkauf ab Hof muss beim Veterinäramt angemeldet und die Verkaufsstelle mit einem Warnhinweis zum Abkochen der Milch versehen werden. Es gelten Auflagen nach dem Lebensmittelrecht und dem Infektionsschutzrecht. Der Betrieb muss einmal jährlich an einer infektionsschutzrechtlichen Schulung teilnehmen.
Bei Vorzugsmilch gelten höhere Auflagen und es gibt häufigere Kontrollen.

Benutzeravatar
Rohana
Förderer 2018
Förderer 2018
Beiträge: 5346
Registriert: Mo 3. Feb 2014, 21:31
Familienstand: verheiratet
Wohnort: Oberpfalz

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2980

Beitrag von Rohana » Mi 13. Okt 2021, 00:30

emil17 hat geschrieben:
Di 12. Okt 2021, 23:02
seine Kühe wieder mal auf die Wiese zu lassen. Wenn ihr eine Rasse habt, die mit vollem Euter selber in den Stall zurück kann, dann sollte das sogar funktionieren.
Haja unsere Kühe können mit vollem Euter laut trompetend den Stall auf und ab galloppieren, an der Bewegungsfähgikeit liegts nicht...
Beim beweiden geht so viel Aufwuchs verloren, dass wir für dieselbe Anzahl Kühe deutlich mehr Fläche bräuchten, plus erhöhter Zeit- und Materialaufwand für Stallumbau, umtreiben und zäunen und Leistungseinbussen durch deutlich subtoptimale Fütterung. Klar, machen kann man irgendwie alles, dann müssten wir für unsere Milch aber einen ganz anderen Preis bekommen und das ist ohne weiteres nicht drin.
Das mit dem Feldgemüseanbauklub würde ich mal ausprobieren, und wenn ihr das gut macht, besteht ernsthaft ein Risiko, dass ihr Kunden findet - also Vorsicht!
Ich weiss, für ein paar Leute klingt es wirklich unglaublich, aber es ist wirklich nicht umsonst so dass es hier keinen Freilandgemüsebau gibt. Ich bin halt gespannt wer mehr Geld für potentiell qualitativ und quantitativ schlechtere Ware zahlen will, nur weil's ganz doll regional ist... wie weit geht die Liebe da?
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

Antworten

Zurück zu „Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion“