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von emil17 » Fr 5. Feb 2021, 12:28
Die Landwirte sollen sich nicht auf Almosen des Handels einlassen. Das ist kein Wertausgleich auf Augenhöhe, das kann so schnell wechseln wie der Sponsor eines Sportvereins. Zudem rechnet der Grosshandel auf den Cent genau und überprüft dauernd, ob es noch stimmt: Die machen das nicht wegen der deutschen Landwirtschaft, die machen das solange sie der begründeten Ansicht sind, dass wegen einem gut kommunizierten Solidaritätszuschlag mehr Leute in ihre Geschäfte kommen, die glauben, damit tatsächlich den Landwirten zu helfen.
Leider hat die deutsche Fleischproduktion in letzter Zeit schlechte Presse. Wie es bei der Schweinefleischproduktion und Veredelung in Deutschland wirklich läuft, hat ja Tönnjes schön gezeigt. Wie viel von den zwei Euro pro Tier kommt in die Lohntüte der Subkontraktarbeiter, die dort am Fliessband Industrieschweine zerlegen, und vieviel kommt bei den Produzenten der Tiere an?
Solche Produkte kauft man aus genau einem Grund: weil sie billig sind.
Auch die Vorstellung vom konkurrenzfähigen Musterbetrieb, 500ha oder mehr, Feldarbeit im Subkontrakt zum Festpreis an Dritte vergeben, die dann gerne aus Polen oder der Ukraine kommen dürfen, es sind ja immer noch deutsche Erzeugnisse - das ist kein Mehrwert, der einen freiwilligen Mehrpreis rechtfertigt.
Früher hat man Solidarität durch Einfuhrzölle erzwungen. Schön für die, welche im Inland sonst nicht bestehen können, aber schlecht für die, welche dadurch Absatzmärkte im Ausland verlieren - die möglichen Abnehmerstaaten kennen nämlich den Trick auch - , und eine Innovationsbremse, den unter Konkurrenzschutz muss man nicht mehr besser werden, solange die Rechnung stimmt.
Ein schönes Beispiel dafür ist die Schweiz: Abnahme- und Preisgarantie des Bundes für Wein, deshalb Weinschwemme bescheidener Qualität. Nach der einleuchtenden Logik: Wir können nur Fendant und wir können ihn nur so wie wir das schon immer gemacht haben. Helft uns mit Beiträgen, Familienexistenzen und eine Tradition stehen auf dem Spiel. Seit der Marktöffnung und dem Ende der Abnahmegarantie ist der Wein teurer, aber weniger und erheblich besser geworden. Weinbauern gibt es, trotz Untergangsgeschrei damals, immer noch.
Gerade in der Fleischproduktion gibt es viele Privilegien, die von der Sache her nicht berechtigt sind. Intensivmastbetriebe für Hühnchen, Schweine, Einerfabriken und dergleichen sind ein Beispiel dafür, die im wesentlichen nur eingekauftes Futter in Produktionshallen fahren und dort in Mist, Jauche und Fleisch verwandeln. Das gehört eigentlich wie jede andere Industrie ins Gewerbegebiet, nicht auf den viel billigeren Landwirtschaftsboden. Eigentlich ist es schon fast eine Frechheit, dass das dann auch noch im gleichen Regal feilgeboten werden darf wie Fleisch von naturnah produzierenden Familienbetrieben.
Ob jetzt Lidl recht tat oder nicht: wenn für den Verbraucher kein Unterschied zwischen in- und ausländischem Fleisch erkennbar ist, weder in Qualität noch in der Erzeugung, warum soll er dann mehr bezahlen?
Ein Handelsbetrieb kann genauso beschliessen, dass seine Kunden solidarisch zu sein haben gegenüber den italienischen Olivenölproduzenten, also 20 Cent mehr pro Liter aufs Etikett. Warum nicht, wenn der Umsatz stimmt. Wenn die Kunden zu einem anderen gehen, der genau die gleiche Öl-Massenware hat, dann wird es nicht funktionieren. Wenn das Öl den Mehrpreis wert ist, dann verkauft es sich auch zum Mehrpreis, dazu braucht es keine Solidaritätszuschläge.
Es gibt ja genau deswegen Bio-Produkte mit Herkunftsnachweis, und geschützte Herkunftsbezeichnungen, deren Eigentümer die Qualität ihrer Ware streng überprüfen, und es ist am Produzenten, die Kunden dazu zu bringen, seine Ware und nicht die der anderen zu wollen.
Zudem setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Umwelt kein nationales Gut ist. Auch deshalb ist das Herkunftsland alleine noch keine mehrpreiswerte Eigenschaft und deshalb ist mir ausländische Bioware lieber als inländisches Industriefleisch.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.