Fukuoka Masanobu

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poison ivy
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Re: Fukuoka Masanobu

#91

Beitrag von poison ivy » Mi 13. Jan 2016, 15:53

brrr, langsam bitte, mal schauen, ob ich Fukuamas 4 Prinzipien natuerlicher Landwirtschaft einigermassen richtig verstanden hab:
1. keine Bodenbearbeitung
jain, umgraben ist mir zuwider und seit ich die Rehe aus dem Haupt-Gemuesegarten aussperre konn ich da schier nicht mehr tillen, also schschraenkt sich meine Bodenbearbeitung auf hacken und glattziehen im Fruehjahr und was auch immer ich an Loechern buddeln muss zum pflanzen und ernten
die Hochbeete und die Halbhochbeete (kniehohe Rahmen, die die Erde an Ort und Stelle halten sollen, wenn Patricia oder El Ninjo meinen kompletten Garten um Fliessgewaesser machen) sind natuerlich bearbeitet, von allein fuellen die sich nicht, ausserdem bastel ich grad noch an einem Huegel mit Nebenjob als Swale, gilt der als bearbeitet oder im 2. Jahr als nicht bearbeitet?

- kein chemischer Duenger oder aufbereiteter Kompost
chemischer Duenger kennt mein Garten nicht, aber Mengen an organischem Material, ob Mist, alte Hackschnitzel oder Kompost, die sogar Gene Logsdon fuer ausreichend erachten wuerde
- keine Unkrautbekaempfung durch Bearbeitung oder Herbizide
Herbizide kennt mein Garten nicht, zum permanent graeseln bin ich viel zu faul, viel kommt durch meine Mulcherei auch nicht auf, nur winters macht sich Vogelmiere breit, die faellt im Fruehjahr weitgehend dem Glattziehen der Mulch-Schicht vom Herbst zum Opfer
- keine Ahbaengigkeit von Chemikalien
bin zu sparsam, irgendwelche Chemie zu erstehen

ist das jetzt Fukuama oder jemand anders oder bin das einfach ich?
darf das einfach ich sein, heisst meine Kombination aus Gelesenem und ueber Jahre probiertem und fuer meine Situation fuer machbar befundenem?
Fukuama in D oder hier 1:1 nachbasteln geht sowieso eher nicht, wenn mein Sieb da nix durcheinanderbringt hatte er winters Durchschnittstemperaturen von 50F,
will ich ueberhaupt auch nur versuchen Fukuama zu kopieren? wir essen weder Reis noch Gerste und wenn ich Klee im Gemuesegarten aussaehe, werde ich den nie wieder auch nur annaehernd los, wenn ich meine Beetrahmen wegreisse kann ich meinen Grund und Boden in Florida einsammeln
oder summiere ich einfach Fukuoma mit 'ultra low impact farming' und behaupte, genau das zu betreiben?

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Thomas/V.
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Re: Fukuoka Masanobu

#92

Beitrag von Thomas/V. » Mi 13. Jan 2016, 16:16

:mrgreen:

Man kann es auch "Biogarten" nennen oder "Holla-die-Waldfee". Ist doch Wurscht. Hauptsache, es funktioniert. ;)
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

Benutzer 72 gelöscht

Re: Fukuoka Masanobu

#93

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 13. Jan 2016, 19:01

poison ivy hat geschrieben:winters macht sich Vogelmiere breit, die faellt im Fruehjahr weitgehend dem Glattziehen der Mulch-Schicht vom Herbst zum Opfer
neeeeeeein!!

nicht wegrechen - wegessen! :aeh:

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poison ivy
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Re: Fukuoka Masanobu

#94

Beitrag von poison ivy » Mi 13. Jan 2016, 19:48

wir essen, aber mehr als an Suppe, Spinat und Salat reingeht, geht nicht rein
das Zeug freut sich bester Gesundheit, wenn nur alles so pflegefrei und ueppig wachsen wuerde
andererseits waechst Vogelmiere nur auf gutem, humosen Boden dermassen gut,
also nehm ich sie einfach als Bestaetigung, dass mein ehemals pickelharter, roter Dreck inzwischen humose Erde ist

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Thomas/V.
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Re: Fukuoka Masanobu

#95

Beitrag von Thomas/V. » Mi 13. Jan 2016, 21:18

jepp, bei mir wächst die auch, ich füttere sie den Hühnern
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DieterB
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Re: Fukuoka Masanobu

#96

Beitrag von DieterB » Do 14. Jan 2016, 23:07

Manfred hat geschrieben:Ich wäre interessiert, mehr über deine Interpretation zu erfahren und darüber, was du wie und warum bei dir auf dem Grundstück umsetzt.
Die Menschen verstehen in erster Linie das, was ihren eigenen Vorstellungen entspricht. Vieles, was uns zu fremd ist lassen wir einfach unter den Tisch fallen. So ist das auch mit Fukuokas Werk. Auch wenn PK urspruenglich durch Fukuoka inspiriert wurde, haben wir nur die aeussere Huelle uebernommen und sind nicht zum inneren Kern von Fukuokas Denken vorgedrungen. Dadurch besteht die Moeglichkeit, dass sich PK von Fukuoka wegentwickelt.

Um Fukuokas Weltbild zu verstehen, muessen wir untersuchen, wie sich das fernoestliche vom westlichen Denken unterscheidet. Das westliche Denken ist wesentlich durch die Idee eines Schoepfergottes gepraegt, der sich ausserhalb seiner Schoepfung befindet. Von daher ist es logisch der Natur von aussen ein Konzept (z. B. ein PK Design) ueberzustuelpen. Fuer Fukuoka ist das falsch, denn fuer ihn gibt es die Dualitaet von Schoepfer versus Schoepfung nicht. Fuer ihn ist der Schoepfer identisch mit der Schoepfung und die Natur entsteht aus sich selbst ohne aeusseres Zutun.

Als konkretes Beispiel koennen wir seinen 4. Grundsatz nehmen: „no pruning“ (du sollst die Obstbaeume nicht beschneiden). In den PK und Fukuoka Foren gab es endlose Diskussionen darueber, was das denn heissen soll. Jeder weiss doch, dass veredelte Baeume manchmal beschnitten werden muessen. Es gibt andere Baeume, die nicht beschnitten werden muessen, z. B. die Zitrusbaeume und Mispelbaeume auf Fukuokas Hof brauchen nicht beschnitten werden. Aber darum ging es Fukuoka nicht in erster Linie. Er hat ja keine Liste gegeben, von Baeumen, die beschnitten werden und die nicht beschnitten werden. Das muss der Gaertner von Fall zu Fall entscheiden. Er war wohl gegen extremes Zurueckschneiden, wie z. B. bei Spalier-Baeumen. Aber was er eigentlich anprangert ist, dass wir uns eine „ideale Form des Baumes“ vorstellen (also einen Plan oder Design machen) und glauben, und dass wir dem Baum unser Konzept aufzwingen muessen, weil wir es fuer besser halten als den eigentlichen Baum. Hier hast du wieder die Dualitaet zwischen dem „Konzept vom Baum“ und dem „Baum selbst“ (wie die Dualitaet zwischen Schoepfer und seiner Schoepfung), die fuer Fukuoka grundlegend falsch ist.

Die meisten, die Fukuokas Kritik der Wissenschaften gelesen haben, nehmen Fukuoka nicht ganz ernst, denn fuer uns sind die Wissenschaften die neue Religion. Fukuoka meint es aber ganz ernst. Das heisst zwar nicht, dass er die Wissenschaft ablehnt, denn er ist ja selbst gelernter Biologe, sondern dass er die Rolle der Wissenschaft in unserer Gesellschaft fuer zu dominant haelt. Frueher hat die Religion oder die Phylosophie den Menschen ein einheitliches Weltbild gegeben und die einzelnen Wissenschaften waren diesem Weltbild untergeordnet. Heute sind die Wissenschaften in die uebergeordnete Rolle getreten und bestimmen unser Leben. Wenn wir z. B. in die chemische Ernaehrung der Pflanzen glauben, dann wird sich der chemische/wissenschaftliche Landbau durchsetzen, wobei Bioanbau oder PK zu unwichtigen Anhaengseln des chemischen Anbaus reduziert werden. Es gab zwar immer wieder Pioniere des Bioanbaus, die versuchten eine phylosophische Grundlage zu schaffen, wie z. B. Steiner, H. P. Rusch, Ingram, usw., aber niemand hat es bisher geschafft, eine echte Alternative zum chemischen Model zu schaffen. Auf Dauer riskiert der Bioanbau deshalb zu verschwinden oder soweit aufgeweicht zu werden, dass es keinen grossen Unterschied mehr gibt zum konventionellen Anbau.

Fukuoka versucht den urspruenglichen Fehler (sozugagen die Ursuende) im Denken des Menschen zu finden, um dann eine radikale Umkehr (Revolution) in unserem Verhalten zu erwirken. Es ist sicher kein Zufall, dass fast die Haelfte seiner Buecher das Wort „Revolution“ im Titel traegt. Im Konkreten will er ein Umdenken, dass z. B. die Notwendigkeit des Pfluegens in Frage stellt, usw., aber bei allen konkreten Einzelmassnahmen riskieren wir trotzdem immer wieder in die Irre zu gehen, wenn wir den urspruenglichen Denkfehler nicht erkennen.

Die zentralen Themen in Fukuokas Denken sind vor allem durch den Mahayana Buddhismus inspiriert: sunyata (nothingness auf Englisch) und non-Duality (nicht-duales Denken), die beide eng zusammenhaengen. Deshalb hat er seine Methode als „do-nothing farming“ bezeichnet, wobei „nothing“ abgeleitet ist von der Mahayana Doktrin von „nothingness“ (sunyata in Sanskrit, 無 mu bzw. wu in Chinesisch und Japanisch).

Wenn ich demnaechst etwas mehr Zeit habe, werde ich auf den 2. Teil deiner Frage zurueckkommen.

lg. Dieter

Benutzer 72 gelöscht

Re: Fukuoka Masanobu

#97

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 15. Jan 2016, 09:06

DieterB hat geschrieben:Hier hast du wieder die Dualitaet zwischen dem „Konzept vom Baum“ und dem „Baum selbst“ (wie die Dualitaet zwischen Schoepfer und seiner Schoepfung), die fuer Fukuoka grundlegend falsch ist.
Da hats "klick" gemacht bei mir!!
Danke für diesen Satz! :)

Erinnert mich an einen Erziehungsratgeber - nannte sich allerdings "Gegen-Ratgeber" :pft: indem stand soetwas wie

"Lass die Babys ruhig ins Wasser, aber nicht um ihnen späteres Schwimmenlernen zu erleichtern, sondern nur deshalb weil sie es hier und jetzt genießen. Es sollte im Umgang mit Säuglingen kein "um zu" geben...."

Dieses "um zu" wäre irgendwie eine Dualität im Wollen - ich will es, aber nicht weil ich es will, sondern "um zu" (um irgendetwas zu erreichen).
So ich glaube, jetzt hab ich es geschafft, alle zu verwirren :duckundweg:

p.s.: Unser Boskoop hatte heuer sehr viele Äpfel auf seinen Wassertrieben und durch das Gewicht der Früchte haben die sich auch nach unten gebogen....

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#98

Beitrag von Manfred » Fr 15. Jan 2016, 09:47

@Dieter: Genau so verstehe ich Fukuoka. Hast du sehr gut beschrieben.
Was den Fehler im Denken angeht: Savory hat ihn gefunden. Wenn du fit in Englisch bist, lies "Holistic Management - A New Framework for Decision Making". Es wird dir manches wie Schuppen von den Augen fallen.

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Re: Fukuoka Masanobu

#99

Beitrag von DieterB » Fr 15. Jan 2016, 11:33

Manfred hat geschrieben:@Dieter: Genau so verstehe ich Fukuoka. Hast du sehr gut beschrieben.
Was den Fehler im Denken angeht: Savory hat ihn gefunden. Wenn du fit in Englisch bist, lies "Holistic Management - A New Framework for Decision Making". Es wird dir manches wie Schuppen von den Augen fallen.
Hallo Manfred, ich lese wahrscheinlich Englisch schneller als Deutsch, aber ich fuerchte, dass ich mich durch hundert Seiten Text durchackern muesste, um Allen vollstaendig zu verstehen. Das moechte ich meinen Augen nicht mehr antun, bin naemlich nicht mehr ganz der juengste. Deshalb waere es doch einfacher, wenn du in deinen eigenen Worten kurz zusammenfassen wuerdest, wie du Allen in diesem Punkt verstehst. Du hast dich ja bereits mit der Thematik beschaeftigt. Indem wir etwas selbst formulieren kommen wir manchmal zu einem besseren Verstehen. Im digitalen Zeitalter wird das Wissen immer oberflaechlicher, weil wir kaum noch Zeit haben, all die Links zu lesen und auch richtig zu verstehen.

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#100

Beitrag von Manfred » Fr 15. Jan 2016, 14:49

Es heißt ja öfter, wenn man etwas nicht in wenigen Worten verständlich erklären könne, habe man es noch nicht richtig verstanden und solle deshalb besser die Klappe halten und weiter darüber nachdenken.
Trotzdem würge ich immer wieder was dazu raus, obwohl ich merke, dass die meisten hier nicht verstehen, worauf ich hinaus will. Evtl. gar keiner bisher.
Allan selbst hat dazu im ersten Anlauf 600 Seiten gebraucht. Und selbst die sind schwer zu verstehen, obwohl die Sache im Kern recht einfach ist.
Das menschliche Hirn ist so gestrickt, dass wir die allermeisten Entscheidungen in einen sehr beschränkten Kontext setzen.
Zu viele Flüchtlinge? -> Grenzen zu. Habe Lust auf was Süßes -> Packung Industrie-Eis von Aldi. Ich hätte gerne eine schönes Auto -> kauf ich mir einen Benz.
Das hat sehr gut funktioniert, solange der Mensch nur beschränkten Einfluss auf sein Ökosystem nehmen konnte. Das war aber schon zu Zeiten der Jäger und Sammler vorbei, z.B. mit der Ausrottung ganzer Tierarten und spätestens seitdem der Mensch das Feuer gezielt zur Gestaltung seines Lebensraums einsetzt und noch mehr, seit wir in größerem Umfang Technologie verwenden.
Seiher produziert das Treffen von Entscheidungen mit beschränktem Kontext mehr und mehr unerwünschte und unerwartete Nebenwirkungen, die oft das Gegenteil des eigentlich gewünschten bewirken.

Die grundlegende Wünsche der allermeisten Menschen sind ziemlich ähnlich: Gute Nahrung, sauberes Wasser, ein Dach über dem Kopf, Sicherheit, Gesundheit, Freiheit (auch Religionsfreiheit, zumindest für sich selbst), ein gesundes soziales Umfeld, eine gesunde Umwelt (auch für die Kinder und Kindeskinder), ein gewisser Wohlstand, usw.
Ich denke, diese Wünsche können 90% der Menschen oder eher 99% für sich bestätigen.
Und obwohl wir so viel Reichtum und so viel Technologie und so viel Bodenschätze und so viel Wasser und so viel Boden und in vielen Ländern sogar Demokratie haben, kriegen wir es nicht mal im Ansatz gebacken, diese grundlegenden Wünsche und Bedürfnisse für den Großteil der Menschheit erfüllen.
Warum ist das so?
Eben weil wir die allermeisten Entscheidungen in einem viel zu engen Kontext treffen.
Weil wir nicht diese gemeinsamen, grundlegenden Wünsche zum gemeinsamen Kontext all unserer Entscheidungen erheben.
Und niemand hält uns davon ab. Das kann jeder für sich sofort tun. Und je mehr es tun, desto leichter wird es und desto weniger Kompromisse sind nötig.
Sich bewusst machen, was einem wirklich wichtig ist im Leben. Was man langfristig für sich selbst und für seine Mitmenschen wünscht. Und dann die eigenen Entscheidungen daran messen, ob sie dort hin führen oder nicht.
Ich habe Lust auf etwas Süßes -> Wenn ich dieses Industrie-Eis von Aldi kaufe, führt dass dazu, dass es langfristig sauberes Wasser, gesunde Nahrung, Sicherheit, Gesundheit, gesunde Umwelt usw. für mich und all meine Mitmenschen gibt? Wie und mit welchen Umwelt- und Sozialfolgen wird das Palmöl, das Milcheiweiß, der Rohrzuckersirup in dem Eis, der Verpackungskunststoff produziert und wer verdient daran? Wäre es evtl. besser, das Bauernhofeis aus der Region drüben bei Edeka zu kaufen?
In einen ganzheitlichen Kontext gesetzt (den natürlich nur jeder Einzelne für sich selbst festlegen kann), hat jede solche kleine Konsumentscheidung eine ganz andere Tragweite. Und für größere Entscheidungen trifft das umso mehr zu.

Später mehr. Es fehlen noch zwei Schritte, um den Kreis zu Fukuoka zu schließen...

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