Fukuoka Masanobu

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emil17
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Re: Fukuoka Masanobu

#281

Beitrag von emil17 » Sa 4. Jan 2020, 18:17

Ich kenne Elefanten nur aus dem Zoo.
Hochmoore gibt es nur in Klima, wo der Niederschlag dauernd die Verdunstung überwiegt. Ob dort Elefanten wohl sind?
Hochmoore gab es schon bevor es menschen gab, also auch bevor Mensch die Megaherbivoren dezimiert hat (wenn das denn so war).
Hochmoore sind für schwere Weidetiere nicht begehbar, ausser in gefrorenem Zustand, und wegen extremer Nährstoffarmut lohnt es sich auch nicht, dort Futter zu suchen.
Weil es sehr viele Pflanzenarten gibt, die extrem auf diesen Standort spezialisiert sind und nur dort fortkommen können, und die sich in Physiologie und Habitus stark von verwandten Arten unterscheiden, bedeutet das, dass dieser Standortstyp schon sehr alt ist und vor dem Anthropozän flächenmässig bedeutend gewesen sein muss. Folglich müssen Hochmoore grossflächig zu Zeiten der Megaherbivorendominanz (falls es die je gab) existenzfähig gewesen sein.
Ob jetzt Hochmoore nicht stabil sein können, weil die Evolution "die Aufgabe hat, Vorräte und Umsätze zu optimieren", kann in einer Diskussion um Fukuoka offenbleiben, es sei denn er hätte sich dazu geäussert. Da in Hochmooren nur die alleroberste Schicht überhaupt aktiv ist - alles andere ist durch Sauerstoffmangel und Humussäuren inaktiv - würde die Betrachtung des gesamten organischen Kohlenstoffvorrates diesbezüglich auch keinen Sinn machen.
Und den Kohlenstoff aus den Mooren wieder freizusetzen, ist ja nur aus der menschlichen Perspektive schlecht, keine Veränderung zu wollen.
Sogar nur aus der heutigen, denn jahrhundertelang hat man Torf gestochen und Moor entwässert, um die Fläche landwirtschaftlich nutzbar zu bekommen. Bei den Schutzgebieten handelt es sich um letzte Überreste ehemals viel grösserer Flächen. Man könnte also Moorschutz durchaus als Beispiel für eine Ablösung alter Perspektiven nehmen.
Und gerade davon, also von Festrennen in liebgewonnenen Perspektiven, versuchte Fukuoka sich ja zu lösen.
Pass auf, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten: Nicht alles, was man liebgewonnen hat, muss deswegen schon eine Sackgasse, überholt und ablösungswürdig sein. Und nicht alles, wo es um das Ablösen altgewohnter Perspektiven geht, ist deswegen schon im Sinne von Fukuoka.
Zudem tun das (einen besseren Weg zeigen) alle Neuerer, man könnte sich dafür also auch auf Mao oder Jesus berufen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

viktualia

Re: Fukuoka Masanobu

#282

Beitrag von viktualia » Sa 4. Jan 2020, 19:54

Oh Mann, Fukuoka sprach nicht explizit über "liebgewonnene" Perspektiven.
Er sprach darüber, dass Perspektiven "Orte im Raum" (Begriffflichkeiten) sind, die die Sichtweise bestimmen.

Er sprach vom Raum.

Du sprichst von Perspektive, von dem einzelnen Punkt, der die Relation festlegt: Begrifflichkeit!
Viele übersehen den "Raum" dadurch, dass sie an ihrer Perspektive festkleben
und rhetorische Manöver dem Wachsen vorziehen.

Aber er ist da, der Raum, in dem das alles statt findet.

Dieser Blödsinn über "ohne Begrifflichkeiten geht nix" geht schlicht am Punkt vorbei.
Und es geht auch nicht um "Lieblingsvorstellungen".
Es geht um die Korrektur des Kollateralschadens, der durch die Ungenauigkeit unserer Sicht entsteht.

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emil17
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Re: Fukuoka Masanobu

#283

Beitrag von emil17 » Sa 4. Jan 2020, 23:14

holzgaser hat geschrieben:
Sa 4. Jan 2020, 11:32
Bisher konnte ich kein Beispiel der praktischen Anwendung seiner Technik in unserer heutigen Zeit finden.
(...)
Denn, wie Fukuoka schreibt, ...
Ich vermute, in Fragen der praktischen Gartenbestellung ist es zielführender, sich an Autoren des unkonventionellen Gärtnerns zu halten, die in unserem Klima gewirkt haben.
Gewisse Prinzipien kann man ja übernehmen. Bei dem was du schreibst, ginge es wohl darum, eine Kultur zu finden, die nicht vorwiegend aus dem Kampf gegen Schnecken besteht, auch wenn das den Verzicht auf deine bevorzugten Pflanzen bedeuten könnte. Da es ja nicht nur darum geht, Ernte zu erzielen, sondern weil man auch Freude am Anbau wegen der Tätigkeit an sich haben sollte, und weil wir ja so privilegiert sind, dass wir keinen Hunger haben werden, wenn etwas nicht klappt, könnte man damit weiter kommen.
Manche Dinge in Fukuokas Werk, etwa das Motiv seines Weges aus der Gesellschaft über die Ausweglosigkeit in die Erleuchtung, sind doch sehr religiös und tauchen in Werken vieler Religionen immer wieder auf.
Wenn ich Stellen lese wie diese:
Es heißt, daß Einstein den Nobelpreis aus Achtung vor der Unverständlichkeit seiner Relativitätstheorie erhielt. Hätte seine Theorie die Erscheinung der Relativität in der Welt klar erklärt und so die Menschheit von den Grenzen von Zeit und Raum befreit und eine angenehmere und friedlichere Welt herbeigeführt, wäre das lobenswert gewesen. Seine Erklärung ist jedoch verwirrend, und sie brachte die Menschen dazu. zu denken, die Welt sei komplex jenseits jedes möglichen Verstehens. Stattdessen wäre besser eine Auszeichnung für "Stören des Friedens des menschlichen Geistes" verliehen worden.
... dann hat Fukuoka mit unserer Art, die Welt zu verstehen, ebensoviel Mühe wie wir mit der seinen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#284

Beitrag von Manfred » So 5. Jan 2020, 00:18

Dass seine Prinzipien nicht in irgendeiner unter bestimmten Bedingungen passenden Methode zu suchen sind, sondern in seiner Herangehensweise, sollte aus den Interviews hervorgehen.

Die spanische Wegschnecke ist zwar ein Spezialproblem, weil die heimische Natur ja noch nicht viel Zeit hatte, sich darauf einzustellen. Aber einige gängige Herangehensweisen der Natur, eine Übergleichgewicht einzudämmen, sind Konkurrenz, Habitatveränderung, Krankheiten und Fressfeinde.
Oder wie Bill Mollison sagte: Es gibt keine Heuschreckenplage, sondern einen Truthahnmangel.
Fukuoka würde wohl versuchen, Habitat für mögl. viele verschiedene Schneckenfresser zu schaffen oder diese gezielt anzusiedeln.
In seinen Reisfeldern und Obstgärten tummelten sich z.B. reichlich Enten und Amphibien.

z.B. hier:
"One component in his integrated agroecosystem approach are ducks that eat slugs and deposit nitrogen-rich fertilizer in the rice paddy fields, as well as provide high-protein eggs and meat."

"Ein Baustein seines integrierten Agro-Ökosystem-Ansatzes sind Enten, die Schnecken fressen, stickstoffreichen Dünger in den Reisfelder ausscheiden und proteinhaltige Eier und Fleisch liefern."

Quelle:
https://gemeducationcenter.wordpress.co ... r-tsunami/

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Re: Fukuoka Masanobu

#285

Beitrag von Rati » So 5. Jan 2020, 12:43

Manfred hat geschrieben:
Sa 4. Jan 2020, 17:21
Rati hat geschrieben:
Sa 4. Jan 2020, 15:21
@Manfred, es liegt mir fern dich zu ärgern.
Zu den Elefanten: die Frage beantwortet sich mit einer Gegenfrage: Sind die so von den Elefanten genutzten Feuchtgebiete verschwunden oder existieren sie noch?
Hast du schon mal ein Hochmoor mit Elefanten drin gesehen?
Ich kenne Elefanten nur in Feuchtgebieten unterhalb des umliegenden Geländeniveaus.
Und selbst da bringen sie Struktur rein und schaffen so aerobe Substrathügel oberhalb der Wasseroberfläche.
wieso ich? :lol:
Du hast doch durch Moore wandernde Mammuts ins Spiel gebracht und dann die Elefanten erwähnt.
Ich habe nur geschrieben das du an den von die genannten Elefantengenutzten Feuchtgebieten sehen kannst welchen Einfluss die Tiere hatten.
Wenn sie wie du jetzt schreibst die Moore gar nicht betreten (was mir eh schon klar war, weil sie einfach versinken würden :pfeif: ) dann stell ich mir die Frage warum du den Gedankengang von Megaherbs in Mooren überhaupt aufgebracht hast. :aeh:

Grüße Rati

ich versuche mich hier jetzt rauszuziehen. :)
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Re: Fukuoka Masanobu

#286

Beitrag von Rati » So 5. Jan 2020, 14:24

ah, kann doch noch nicht raus. :)
Manfred hat geschrieben:
So 5. Jan 2020, 00:18
.... Aber einige gängige Herangehensweisen der Natur, eine Übergleichgewicht einzudämmen, sind Konkurrenz, Habitatveränderung, Krankheiten und Fressfeinde.
Oder wie Bill Mollison sagte: Es gibt keine Heuschreckenplage, sondern einen Truthahnmangel.
Fukuoka würde wohl versuchen, Habitat für mögl. viele verschiedene Schneckenfresser zu schaffen oder diese gezielt anzusiedeln.
In seinen Reisfeldern und Obstgärten tummelten sich z.B. reichlich Enten und Amphibien.

z.B. hier:
"One component in his integrated agroecosystem approach are ducks that eat slugs and deposit nitrogen-rich fertilizer in the rice paddy fields, as well as provide high-protein eggs and meat."

"Ein Baustein seines integrierten Agro-Ökosystem-Ansatzes sind Enten, die Schnecken fressen, stickstoffreichen Dünger in den Reisfelder ausscheiden und proteinhaltige Eier und Fleisch liefern."

Quelle:
https://gemeducationcenter.wordpress.co ... r-tsunami/
Der erste Satz stimmt und macht gleichzeitig den Unterschied zwischen Fukuoka und der Natur klar. In der Natur wären die Überangebote von Nahrungspflanzen für die Schnecken- welche auf Nutzflächen des Menschen nun mal künstlich erzeugt wreden- gar nicht vorhanden.
Vielen dank für das Übersetzen übrigens. :)

Grüße Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
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viktualia

Re: Fukuoka Masanobu

#287

Beitrag von viktualia » So 5. Jan 2020, 14:48

Rati,
wieso ich? :lol:
hast recht, ich war´s, post 262:
Was mit nem Moor passiert, wenn da viele Megaherbivoren drin untergehen, weis ich nicht.
Ich nehme an, es würde stinken.
(Wir waren ja beim "Einfluss nehmen/Moor".)

Manfred sagte dazu (278)
Wenn eine Herde Mammuts sich im Gänsemarsch durch eine Hochmoorlinse pflügt: Wie wirkt der entstehende Graben?
Würden die nicht machen? Elefanten nutzen Feuchtgebiete jedenfalls intensiv, als Nahrungsquelle und für die Hautpflege.
Und seitdem ging es um Elefanten.

Manfred

Re: Fukuoka Masanobu

#288

Beitrag von Manfred » So 5. Jan 2020, 16:58

Rati hat geschrieben:
So 5. Jan 2020, 14:24
Der erste Satz stimmt und macht gleichzeitig den Unterschied zwischen Fukuoka und der Natur klar. In der Natur wären die Überangebote von Nahrungspflanzen für die Schnecken- welche auf Nutzflächen des Menschen nun mal künstlich erzeugt wreden- gar nicht vorhanden.
Seltsame Vorstellung von Natur.
In der Natur ist das Auftreten solcher Ungleichgewichte völlig normal. Die Erdgeschichte ist voll davon. Praktisch immer, wenn sich eine erfolgreiche neue Art breit gemacht hat.
Aber es wurde danach immer ein neues Gleichgewicht eingestellt.

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Re: Fukuoka Masanobu

#289

Beitrag von emil17 » So 5. Jan 2020, 19:08

Manfred hat geschrieben:
So 5. Jan 2020, 16:58
Seltsame Vorstellung von Natur.
In der Natur ist das Auftreten solcher Ungleichgewichte völlig normal. Die Erdgeschichte ist voll davon. Praktisch immer, wenn sich eine erfolgreiche neue Art breit gemacht hat.
Aber es wurde danach immer ein neues Gleichgewicht eingestellt.
Das kann aber dauern: Im boralen Nadelwald sind immer noch wenige Nadelbaumarten über riesige Flächen dominant, und dieser Lebensraumtyp ist schon sehr alt.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Fukuoka Masanobu

#290

Beitrag von Rati » Mo 6. Jan 2020, 08:00

viktualia hat geschrieben:
So 5. Jan 2020, 14:48
Rati,
Rati hat geschrieben:wieso ich? :lol:
hast recht, ich war´s, post 262:
Was mit nem Moor passiert, wenn da viele Megaherbivoren drin untergehen, weis ich nicht.
Ich nehme an, es würde stinken.
(Wir waren ja beim "Einfluss nehmen/Moor"..
Nööö. Manfred wars (post 278) du hast ja in deiner Aussage im Gegensatz zu Manfred instinktiv gewust was mit so nem Fleischberg passieren würde wenn er ein Moor betritt. Während Manfred meint sie könnten durchmarschieren und Gräben hinterlassen. :pfeif:
Und genau genommen war ich der erste, da ich spekuliert habe das Manfred mal wieder seine eiszeitklimatische Wunschlandschaft samt Megaherbs bei all diesen Gedanken im Kopf hatte (und mittlerweile glaube ich ich hatte da nicht unrecht).

Manfred hat geschrieben:
Rati hat geschrieben:Der erste Satz stimmt und macht gleichzeitig den Unterschied zwischen Fukuoka und der Natur klar. In der Natur wären die Überangebote von Nahrungspflanzen für die Schnecken- welche auf Nutzflächen des Menschen nun mal künstlich erzeugt wreden- gar nicht vorhanden
.Seltsame Vorstellung von Natur.
In der Natur ist das Auftreten solcher Ungleichgewichte völlig normal. Die Erdgeschichte ist voll davon. Praktisch immer, wenn sich eine erfolgreiche neue Art breit gemacht hat.
Aber es wurde danach immer ein neues Gleichgewicht eingestellt.
Manfred, es gibt eine Statistische typische Sinuskurvenbewegung zwischen Beute unbeutegreifern in einem Ökosystem, das ist richtig.
Durch Kultuanpflanzungen also künstlich erzeugte konzentrierte Nahrungsangebot oder künstlich angelegte besonders geeignete Lebensbereiche (zB die ersten Städte für Ratten) sorgen für ein total unausgeglichenes überschwingen dieser Sinuskurve, Und wärend in der uneinbeflussten Natur immer schon irgend ein Gegenspieler vorhanden ist dessen Populationsgröße dann auf die beginnende Überproduktion einer anderen Spezies sofort reagieren kann muß in der menschlich geförderten Überlast erst ein Gegenspieler mit entsprechender Gegenmasse erst eingebracht werden.
Auch hier ist der Faktor Zeit wieder sehr entscheidend den du bei deinen Betrachtungen so gern ignorierst.

Grüße Rati
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