Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

Moderator: kraut_ruebe

DieterB
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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#11

Beitrag von DieterB » Mi 23. Mär 2011, 03:05

Manfred hat geschrieben:Was du schreibst, trifft auf Fukuoka im wesentlichen nicht zu. Dieses "Unterlassen" aus der japanischen Philosophie führt immer wieder zu Übersetzungs- und Interpretationsfehlern/Missverständnissen.
Manfred, du hast recht, dass Fukuoka fast immer falsch verstanden wird, aber selten so sehr wie bei dir. Ich hoffe du nimmst es mir nicht uebel, wenn ich das sage, aber du liegst mit deinen Vermutungen total daneben.

Hier nur ganz kurz einige Punkte:
Der Hof ist nicht klein, er ist normal fuer japanische Verhaeltnisse. Es gibt nur sehr wenig Nutzflaechen in Japan. Deshalb sind landwirtschaftlich Nutzflaechen viel kleiner als in Europe, werden aber intensiv betrieben, um trotzdem eine grosse Bevoelkerung zu ernaehren. So gibt es z. B. fast keine Grosstiere wie Kuehe in der traditionellen Landwirtschaft, dafuer waere einfach nicht genug Weideland vorhanden. Dementsprechen werden in der japanischen Kueche weder Milch noch Milchprodukte und nur sehr wenig Fleisch verwendet.

Fukuoka hat den Hof alleine Bewirtschaftet, wie Generationen seiner Vorfahren auch. Die Jungen Leute, denen er in spaeteren Jahren Unterkunft geboten hat, waren wohl meistens mehr Hindernis als Hilfe.

Die ewige Litanei von den Naehrstoffen, die den Hof mit der Nahrung in Richtung Stadt verlassen ist zutreffend bei chemischen Monokulturen, war jedoch waehrend tausender Jahre traditioneller Landwirtschaft nie ein Problem, und geht am Thema vorbei, denn die meisten Naehrstoffe gehen bei der Bodenbearbeitung verloren: Pfluegen plus nackter Boden.

Klee und Akkazien waren fuer Fukuoka nuetzlich, er hat aber nie behauptet, dass das ueberall gemacht werden sollte. Im Gegenteil, er soll sinngemaess gesagt haben: "du darfst meine Methoden nicht nachahmen, du musst deine eigenen Methoden entwickeln".

Enten sind traditioneller Bestandteil des Landlebens in Japan. Wieso sollte das bei Fukuoka anders gewesen sein. Jedoch hat seine "ununterbrochene Reis-Weizen-Klee Kultur" auch ohne Enten funktioniert. Reis wird meistens mit Wasser angebaut.

"Geld abwerfen" sollte der Hof ja auch nicht. Er hat jedoch Fukuoka und seine Familie stets ernaehrt, genauso wie er seine Vorfahren ernaehrt hat und wie er heute die Familie seines Sohnes ernaehrt. Sie haben stets ohne Not von den Produkten ihrer Erde sowie vom Verkauf dieser Produkte gelebt.

Glaub mir, ich kenn Japan, die par Kroeten, die er als junger Angestellter bei der Yokohama Zollbehoerde verdient hat, waren wahrscheinlich gerade genug, um ihn selbst zu unterhalten. Davon ist sicher nichts in den elterlichen Hof gegangen.

Von den Einkuenften seiner Buecher hat er erst etwas gehabt als er schon alt war. Er hat sogar einige auf eigene Kosten herausgebracht. Das war sicher eher ein Verlustgeschaeft. Im Ausland sind die meisten seiner Buecher ohnehin nur als Piratenkopien verbreitet. Ich hatte mal Kontakt zu jemandem, der fuer die Lizenzen zustaendig war. Die wussten nicht mal in welchen Laendern welche seiner Buecher von welchen Verlagen herausgeben wurden. Das war alles sehr Laienhaft und ihnen sind sicher viele Einkuenfte entgangen.

Was soll der Unsinn mit dem Feldwebel und der SV-Kommune? Das ist doch frei erfunden.

Fazit:
Man kann Fukuoka viel Vorwerfen: z. B., dass er durch seine besondere Art der Kommunikation den Leuten Floehe in den Kopf gesetzt hat. Aber er, wie wir alle, hat nach Ausdrucksformen gesucht, die seine innersten Erkenntnisse den Mitmenschen verstaendlich machen sollten. Angesichts der grossen kulturellen Unterschiede ist das notwendigerweise ein schwieriges Unterfangen.
Man kann ihm jedoch nicht vorwerfen, dass er nicht praktiziert haette was er geschrieben hat. Im Gegenteil, von allen Landwirtschaft- oder Garten-Gurus ist er vielleicht der einzige, der ganz fuer die Sache gelebt hat und, der nur davon berichtet, um eine dringende innere Erkenntnis den Mitmenschen mitzuteilen. Bei Fukuoka gibt es kein Show Business wie bei Holzer, kein Permakultur Franchising Business mit 700 Euro Seminaren in denen Leute anderen Landbau beibringen weil sie selbst nicht vom Landbau leben koennen. Nein, Fukuoka ist anders. Man mag ueber seine Philosophie streiten, als Bauer war er ein Genie.

Dieter

PS: Ich weiss nicht, wo du das Problem beim "Unterlassen" siehst. Das ist doch noch am einfachsten zu verstehen. Obwohl es natuerlich am schwersten ist durchzufuehren, weil wir immer mehr wollen.

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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#12

Beitrag von Theo » Mi 23. Mär 2011, 09:54

DieterB hat geschrieben:...Fazit:
Man kann Fukuoka viel Vorwerfen: z. B., dass er durch seine besondere Art der Kommunikation den Leuten Floehe in den Kopf gesetzt hat. Aber er, wie wir alle, hat nach Ausdrucksformen gesucht, die seine innersten Erkenntnisse den Mitmenschen verstaendlich machen sollten. Angesichts der grossen kulturellen Unterschiede ist das notwendigerweise ein schwieriges Unterfangen.
Man kann ihm jedoch nicht vorwerfen, dass er nicht praktiziert haette was er geschrieben hat. Im Gegenteil, von allen Landwirtschaft- oder Garten-Gurus ist er vielleicht der einzige, der ganz fuer die Sache gelebt hat und, der nur davon berichtet, um eine dringende innere Erkenntnis den Mitmenschen mitzuteilen. Bei Fukuoka gibt es kein Show Business wie bei Holzer, kein Permakultur Franchising Business mit 700 Euro Seminaren in denen Leute anderen Landbau beibringen weil sie selbst nicht vom Landbau leben koennen. Nein, Fukuoka ist anders. Man mag ueber seine Philosophie streiten, als Bauer war er ein Genie.
Ich habe von beiden und über sie was gelesen und denke, dass man direkt für die Praxis nur wenig rausziehen kann. Beim Holzer muss man eben die Seminare besuchen, und bei Fukuoka sollte man sich gut mit asiatischen Philosophien und japanischer Kultur auskennen. Ich würde trotzdem eher Fukuoka trauen, auch wegen des Idealismus. Mir sind aber meist viel zu wenig praktische Anleitungen bei ihm zu finden; meist geht es ja gleich ins Philosophische. Aber vielleicht sieht es ja ein richtiger Landmann anders...

Das "Unterlassen" freut natürlich einfache Gemüter. Wenn ein berühmter Philosoph sagt: Ich weiß, dass ich nichts weiß, sind ja auch viele Unwissende froh, dass der auch nicht weiter ist als sie. Aber ganz so einfach ist es eben nicht. :michel:
Gruß
Theo

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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#13

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 23. Mär 2011, 11:02

hallo!
Theo hat geschrieben:Wenn ein berühmter Philosoph sagt: Ich weiß, dass ich nichts weiß, sind ja auch viele Unwissende froh, dass der auch nicht weiter ist als sie. Aber ganz so einfach ist es eben nicht.
Nö - so einfach ist es nicht!
Der Origionalspruch lautet nämlich:
Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und damit weiß ich mehr als ihr alle!
oder so ähnlich... (mit diesen Worten hat es mir mein Vater übermittelt - hier steht mehr.....

Ich bin wieder am Ansähen und Umtopfen und hab mir überlegt - ernsthaft, ob ich nicht auch ein bisschen "weglassen" sollte?
Nicht sooo viele verschiedene Pflanzen und bei den Chilies zum Beispiel - tät s da nicht einer allein?
Und zwar der, der uns am besten schmeckt und bei uns gut wächst?
Das Problemchen ist halt, dass ich gerade diesen Chili erst finden muss!
hmmm....
Reduzieren und Weglassen - wenn man es richtig machen will, ist eine Kunst! :wink_1:

liebe Grüße!

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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#14

Beitrag von Dagmar » Mi 23. Mär 2011, 11:40

Hallo ina maka,
ina maka hat geschrieben:Der Origionalspruch lautet nämlich:
Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und damit weiß ich mehr als ihr alle!
ist doch jetzt einfach eine Definition von dir und/oder auch anderen. Keiner von uns war damals dabei, als Sokrates diesen Spruch gesagt hat. Und was aus Überlieferungen im Laufe der Jahrtausende wurde - da gibt es genug Beispiele für.

Für mich ist der Spruch wie ich ihn gehört habe (und wie er unter jedem meiner Beiträge steht), sehr wichtig. Er sagt mir sehr viel. Aber das wäre hier eine längere Diskussion.

Und ich ärgere mich immer gewaltig, wenn dann der Nachsatz "und damit weiß ich mehr als ihr alle" einfach drangehängt wird und behauptet wird - das sei der "Wahre". Das bedeutet dann auf einmal dann wirklich was ganz anderes. Diesen Spruch würde ich persönlich für mich zu 100 Prozent ablehnen.

Aber damit solls genug sein.


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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#15

Beitrag von Theo » Mi 23. Mär 2011, 12:56

ina maka hat geschrieben:Nö - so einfach ist es nicht!
Der Origionalspruch lautet nämlich:
Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und damit weiß ich mehr als ihr alle!
oder so ähnlich...
Wenn Du es mit Zitaten nicht so genau nimmst, solltest Du Dir Kommentare dazu lieber sparen.
Übrigens ein hervorragendes Beispiel für sinnvolles Unterlassen :kuuh:
Dagmar hat geschrieben:...Und ich ärgere mich immer gewaltig, wenn dann der Nachsatz "und damit weiß ich mehr als ihr alle" einfach drangehängt wird und behauptet wird - das sei der "Wahre". Das bedeutet dann auf einmal dann wirklich was ganz anderes.
Einzige Quelle dieses sinnfreien "Nachsatzes" ist laut Goggle übrigens: ...Einfach selber schauen :lol:

Nun mal zu den Quellen:
"Die geläufige Übersetzung von oîda ouk eidōs trifft nicht den Sinn der Aussage. Wörtlich übersetzt heißt der Spruch „Ich weiß als Nicht-Wissender“ bzw. „Ich weiß, dass ich nicht weiß“. Das ergänzende „-s“ an „nicht“ ist ein Übersetzungsfehler, da die Phrase „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ auf altgriechisch οἶδα οὐδὲν εἰδώς (oída oudén eidós)[4] heißen würde. Mit seiner Aussage behauptet Sokrates also nicht, dass er nichts wisse. Vielmehr hinterfragt er das, was man zu wissen meint."
Gruß
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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#16

Beitrag von Dagmar » Mi 23. Mär 2011, 16:42

Hallo Theo,

will die Diskussion hier nicht weiterführen, geht ja eigentlich um Fukuoka. Aber
Theo hat geschrieben: Mit seiner Aussage behauptet Sokrates also nicht, dass er nichts wisse. Vielmehr hinterfragt er das, was man zu wissen meint."
das ist eben wirklich das Wichtige. Weil dadurch ist man immer wieder gezwungen aufs Neue zu hinterfragen was man wirklich weiß, oder glaubt zu Wissen, oder meint zu Wissen. Was bedeutet überhaupt Wissen. Ist diese Definition von Wissen dann nicht auch schon zu hinterfragen, etc. etc. etc.

Aber diese Diskussionen sollen dann doch lieber in "Philosophen" Foren ausdiskutiert werden. Sonst schlagen wir uns hier auch noch (unnötigerweise) die Köpfe ein. :haha:


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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#17

Beitrag von Theo » Mi 23. Mär 2011, 16:44

Hallo Dagmar,
Dagmar hat geschrieben:das ist eben wirklich das Wichtige. Weil dadurch ist man immer wieder gezwungen aufs Neue zu hinterfragen was man wirklich weiß, oder glaubt zu Wissen, oder meint zu Wissen. Was bedeutet überhaupt Wissen. Ist diese Definition von Wissen dann nicht auch schon zu hinterfragen, etc. etc. etc.
ja, mir ist das schon klar... ;)
Gruß
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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#18

Beitrag von Dagmar » Mi 23. Mär 2011, 16:56

Hallo Theo,

:) :daumen:


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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#19

Beitrag von ANDAL » Fr 25. Mär 2011, 20:46

Bernhard, vielen Dank, das Buch werde ich mir demnächst zulegen; und wie ich bei allen Antworten bemerke, ist es nur wenigen Menschen möglich, Fukuokas Welt wirklich zu verstehen. Ich will auch nicht behaupten, dass ich es kann. Vielleicht habe ich mit meinen Fragen auch zuviel Raum für Interpretation oder Spekulation gelassen.

Für die Menschen, die auf der Welt sind, um Geld zu verdienen oder durch Leistung zu überzeugen, möchte ich für mich noch einmal klarstellen. Es geht mir nicht um das Nicht-Tun, sondern um unnötigen Aktionismus zuunterlassen, der weder Mensch noch Natur (falls man sie getrennt betrachten will) irgend einem Vorteil bringen - Vorteile für mich und den weiteren 7 Generationen (oder etwa 100 Jahre).
Der Biobauer, Selbstversorger, Industrielle oder sogen wir nur zukunftsorientierte Mensch kann vieles tun, um Geld zu verdienen und vermeintlich fortschrittlich zu sein; manches schaut über ein paar Jahre auch so aus, also ob dem Menschen (für viele heißt das halt Geld verdienen) und der Natur gedient ist. Vieles aber, so bemerkt man nach einer gewissen Zeit, diente nur dem Geldbeutel. Ich will nicht einmal unterstellen, dass das immer pure Absicht ist. Schließlich und endlich aber hat die Erde in vielen Fällen (und damit auch der Mensch in den nächsten Generationen soweit er sich zugehörig fühlt ) den Schaden.
Zurück zu Fukuoka und wie ich seine Anbauart und Lebensweise sehe: er sieht die Welt, die Landwirtschaft, den Menschen und das kleinste Wesen und seine Ernährung gesamtheitlich – was passiert, wenn ich was tue (und diese bewusste Entscheidung kann ich wohl nur als Mensch machen, soweit mir das mit meinem derzeitigen Wissen bekannt ist), was passiert, wenn ich es lasse...heute, morgen, in ein paar Jahren, in vielen Jahren. In interessierte dabei nicht der unmittelbar Gewinn, er hatte keine Existenzängste, kein Mangeldenken, die vielen von uns – und damit schließe ich mich ein – dazu treibt in den unkontrollierten Aktionismus zu gehen. Und genau aus diesem Grunde interessiere ich mich für eine Art des Anbaus in unseren Breiten, die seiner Philosophie entspricht.

Andal

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Re: Fukuoka - Erfahrung mit dem Unterlassen

#20

Beitrag von DieterB » Sa 26. Mär 2011, 01:07

Theo hat geschrieben:...bei Fukuoka sollte man sich gut mit asiatischen Philosophien und japanischer Kultur auskennen. Ich würde trotzdem eher Fukuoka trauen, auch wegen des Idealismus. Mir sind aber meist viel zu wenig praktische Anleitungen bei ihm zu finden; meist geht es ja gleich ins Philosophische. Aber vielleicht sieht es ja ein richtiger Landmann anders...
Natuerlich hilft eine Erfahrung mit fernoestlicher Kultur, um die Hintergruende besser zu verstehen, aber ich glaub nicht, dass eine Vorkenntnis asiatischer Philosphie notwendig ist, um eine Inspiration in Fukuokas Werken zu finden. Die meisten Texte sind ja auch sehr einfach geschrieben. Das gilt besonders fuer sein erstes Buch: "The One Straw Revolution", zuerst herausgegeben in Japanisch in 1975. Der englische Titel ist eine direkte Uebersetzung aus dem Japanischen, wogegen der deutsche Titel dieses Buchs: "Der Grosse Weg hat kein Tor", eher irrefuehrend ist. Seine philosophischen Werke wie MU 1 und MU 2 sind selbst fuer Japaner schwer zu verstehen. Die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen Ost und West koennen an sich schon ein Hindernis darstellen. Bei Fukuoka kommt noch erschwerend hinzu, dass er wohl immer ein eingefleischter Exzentriker war und auch bei Japanern auf Unverstaendnis stoesst. Die Japaner werfen ihm haupsaechlich seine etwas "barsche" Art vor. Das kann sich auch in einer Art Kompromisslosigkeit aeussern, die in der japanischen Gesellschaft nicht gut ankommt. Fuer Fukuoka ist dieses barsche oder kompromisslose Verhalten aber wahrscheinlich nur natuerlicher Ausdruck seiner tiefen inneren Erkenntnis. Er hat gewisse Zusammenhaenge erkannt, und ist sich seiner Sache ganz sicher.

Dass er versucht eine allgemeine Philosophie zu vermittlen, die seinen Anbaumethoden unterliegt, ist auch nur konsequent, denn er weiss, dass seine Erfahrung nicht eins zu eins auf andere oertliche Bedingungen uebertragen werden koennen. Er versteht, dass der Gaertner oder Landwirt sehr viel Offenheit mitbringen muss, um sich auf oertliche oder sich veraendernde Bedingungen einzustellen. Deshalb versucht er allgemeine Ideen zu vermitteln, die den einzelnen motivieren sollen, selbst, die fuer das eigene Land am besten geeigneten Methoden, zu finden.

Trotzdem laesst er sich an anderen Stellen mit fast wissenschaftlicher Akribie ueber seine landwirtschaftlichen Experimente aus. Wie coligni bereits festgestellt hat, enthaelt „The Natural Way of Farming“ viele detaillierte Beschreibung seiner landwirtschlichen Experimente. Dabei ist die Uebersetzung unvollstaendig. Beschreibungen seiner Reisanbaumethode wurden teilweise im Englischen weggelassen, wahrscheinlich weil man annahm, dass das den westlichen Gaertner weniger interessiert.
Das "Unterlassen" freut natürlich einfache Gemüter. Wenn ein berühmter Philosoph sagt: Ich weiß, dass ich nichts weiß, sind ja auch viele Unwissende froh, dass der auch nicht weiter ist als sie. Aber ganz so einfach ist es eben nicht. :michel:
Als Zoegling einer Bauernfamilie weiss Fukuoka, dass Landwirtschaft immer mit Arbeit zu tun hat. An einer Stelle schreibt er ja auch, dass seine „Nichts-Tun-Landwirtschaft“ ganz schoen harte Arbeit sein kann. Es hat also nichts mit Daeumchen drehen oder mit den gebratenen Huehnern zu tun, die einem in den Mund fliegen.

Es ist einfach die Erfahrung, dass wir uns viele unnoetige Arbeiten ersparen koennen, wenn wir durch eine extrem intime Kenntnis der Natur (die manchmal fast intuitiv sein kann) dazu kommen, zusammen mit der Natur zu handeln und genau das richtige zur richtigen Zeit tun. Das ist sehr wichtig. Z. B., genau zu verstehen, wie sich welches Gras oder Unkraut verhaelt wenn wir es zu welchem Zeitpunkt schneiden. Die konventionelle Landwirtschaft geht den entgegengestzten Weg. Wir haben jetzt schon einen Grossteil des Wissens oder Know-Hows verloren, das traditionelle Bauern ueber Generationen angesammelt hatten. Wir entfernen uns von diesem direkten Zugang zur Natur und bauen einen riesigen wissenschaftlichen und technologischen Komplex auf - zwischen uns und der Natur. Durch die Industrialisierung haben wir einen alten Menschheitstraum verwirklicht und Maschinen entwickelt, die unsere Arbeit machen koennen. Diese Arbeitserleichterung hat aber ihren Preis. Der Bauer muss jetzt nicht nur genug anbauen, um sich und seine Familie zu ernaehren, nein, der groesste Teil seiner Arbeitszeit geht dabei drauf, um die Kosten fuer Maschinen, Kraftstoff, Kunstduenger, Saatgut, Chemikalien, Steuern, Versicherungen .... abzubezahlen. Und wenn der alte Traktor abbezahlt ist, muss schon der neue gekauft werden oder irgendwelche anderen Maschinen. Das ist ein staendiger Wettlauf bis ins Grab. Und was passiert wenn die fossilen Brennstoffe fuer unsere Maschinen knapp werden, daran mag ja gar niemand denken.

Dieter

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