Allgeiers Fragen zur Permakultur

Moderator: kraut_ruebe

Manfred

Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#11

Beitrag von Manfred » Mo 2. Feb 2015, 16:47

Für die Permakultur gibt es kein "anderswo".
Das wäre als würdest du von irgendetwas behaupten "Das hat mit Physik nichts zu tun".
Permakultur ist ein Planungssystem, eine Wissenschaft.
Sie sammelt und generiert Wissen über Nachhaltigkeit und Wiederherstellung.
Das allermeiste davon ist altes Wissen, dass von irgendwoher zusammengetragen und dann evtl. neu in Verbindung miteinander gebracht wird.
Ein Satz wie "Das ist keine Permakultur, weil wir das schon immer so gemacht haben" ist deshalb unsinnig.
Ursprünglich war der Schwerpunkt die Schaffung von nachhaltigen Landwirtschaftssystemen, aber mit der Zeit hat sich das auf alle Lebensbereiche ausgeweitet, vom nachhaltigen Gebäude bis zur nachhaltigen Organisation von Dörfern, Städten, ja ganzen Staaten.
Welchen Namen man einer Methode gibt und wer sie zuerst entdeck hat, ist egal. Wichtig ist, das Wissen zur Verfügung zu stellen und es in die Praxis umzusetzen.

Zuerst überlegst du dir, wo du hin möchtest und welche Ressourcen du zur Verfügung hast.
Und dann nimmst du dir den Baukasten und planst den Weg.
Und auf dem Weg kontrollierst du ständig, ob die Richtung noch stimmt und korrigierst umgehend, wenn nötig.

z.B. du hast
-2 ha Land mit einem Haus und einem Schweinestall
-Frau und Kinder
-Ein Dorf in der Nähe, wo du Arbeitskräfte anheuern kannst
-Eine Stadt in der Nähe, wo du deine Produkte verkaufen kannst
-Infos zum ungefähren Verlauf der jährlichen Niederschlagsverteilung, Temperatur, Sonneneinstrahlung, Wind usw.
-Eine bestimmte Menge Geld für Investitionen

Du möchtest:
-Gutes Wasser und gutes Essen für deine Familie
-Vom Grundstück ein Einkommen erwirtschaften, dass die Familie (teilweise?) ernährt
-Dein Grundstück verbessern statt es auszubeuten
-Von deinen Mitmenschen als ehrlicher, fairer, zuverlässiger Mensch angesehen werden
-Den dort noch vorkommenden seltenen Schildkröten helfen
-Mögl. unabhängig von äußerer Energieversorgung werden

Der Mensch neigt leider dazu, sich auf ein einzelnes Ziel zu konzentrieren und dabei die Gesamtheit seiner Zeile aus den Augen zu verlieren.
Wenn du z.B. sagst: Ich kümmere mich erst mal ums Einkommen. Dann findest du heraus: Die meiste und bequemste Kohle kann ich machen, wenn ich den Lohn für die Billigarbeitskräfte aus dem Dorf noch mal um die Hälfte drücke und sie auf dem Grundstück Elektronikschrott aus Europa abfackeln lasse, um die enthaltenden Bunt- und Edelmetalle zu gewinnen und zu verkaufen.
Dann hast du ein Ziel erreicht, aber fast alle anderen sind dabei auf der Strecke geblieben, d.h. nur noch sehr schwer oder gar nicht mehr zu erreichen.
Deshalb ist es so wichtig, jede Maßnahme bezüglich ihrer Wirkung auf alle Ziele zu bewerten.

Später mehr...

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Allgeier
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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#12

Beitrag von Allgeier » Di 3. Feb 2015, 08:16

guzzmania hat geschrieben:Mich erinnern solche Debatten immer an das Leben des Brian: "Judäische Volksfront oder Volksfront von Judäa".
Da hast du schon recht. Mir geht es darum zu wissen, welche Gruppe von Leuten diese Permakultur anwendet. Und bis jetzt scheint mir, das man dies eher in der Freizeit macht. Neben seiner normalen Arbeit. Vollzeitpermakultur Bauer, der von seinen Produkten lebt und nicht von Vortraegen und billigen Praktikanten und Hilfkraeften.
So etwas muss man sich als Vorbild nehmen wenn man von der Permakultur leben will.
Das ist hald meine Sicht der Dinge.

Die Werte wo Manfred aufgeschrieben hat sind vollkommend in Ordnung und erstrebenswert.
Nur wenn ich mir den Thread von der Wutrede vom Willi anschaue. Gejammert wird immer schnell.
Durch die jahrelange Indoktrin von "Geiz ist geil" kommt eben dann das. Geht mir ja auch so. Am essen kann man eben noch am meisten sparen.

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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#13

Beitrag von guzzmania » Di 3. Feb 2015, 10:12

Hallo Allgeier,
Ich teile Deine Einschätzung. ;-)
Und ich finds völlig okay, dass nicht jeder vollerwerbsbauer ist oder sein will. Auch ein wochenendgärtlein oder balkontomaten sind was, mit feines.

Lg
guzzi

Manfred

Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#14

Beitrag von Manfred » Di 3. Feb 2015, 13:21

@Allgeier:

Was das Erwerbseinkommen angeht: Ich kenne kaum einen Landwirt, der nicht irgendwelche Permakultur-Techniken anwendet, meist ohne zu wissen, dass es diese Wissenschaft überhaupt gibt.
100% Nachhaltigkeit dürfte kaum zu erreichen sein, zumindest nicht in einem einzelnen Betrieb. Man benötigt ja auch Maschinen, und sei es nur für den Transport der Ernteerzeugnisse. Und selbst wenn die dann mit selbst erzeugtem Pflanzenöl laufen, muss irgendwer diese Maschinen bauen und am Ende wieder entsorgen/verwerten.

Das Urproduktion und landwirtschaftliche Veredelung nur geringe Margen liefern, wird dir klar sein. Das ist auch bei Permakultur-Landwirten nicht anders. Wenn ich z.B. den Aufwand für Düngung, Bewässerung, Spritzmittel einspare, bezahle ich das oft mit einem Mehraufwand bei der Ernte und mit optischen Mängel, die den Verkauf erschweren oder unmöglich machen.
Und selbst wenn ich einen Premium-Preis erzielen kann, niemand wird mir das 10-fache zahlen, nur weil ich Permakulturtechniken anwende.
Im Agrotourismus, bei Seminaren, Vorträgen usw. ist die erzielbare Stundenentlohnung einfach höher. Wenn ich gut dafür bezahlt werde, mein Wissen weiterzugeben, und ich freiwillige Helfer finde, die für geringen oder keinen Lohn arbeiten, um bei mir zu lernen, wieso soll ich mir dann selbst den Rücken krumm machen, für einen deutlich geringeren Gewinn?
Natürlich kann ich mich als Ingenieur selbst ans Fließband stellen und Autoteile montieren, für geringen Lohn. Die meisten Ingenieure werden aber den besser bezahlten Büro- oder Laborjob vorziehen.
Wieso sollte das bei Permakulturleuten anders sein?
So entsteht halt oft die Kombination, dass man aus Überzeugung und Interesse Urproduktion im kleinen Maßstab betreibt, sein Haupteinkommen aber durch Tourismus oder eine Lehrtätigkeit erzielt.
Es gibt aber auch viele Beispiele, wo wirtschaftlich erfolgreiche Landwirte mit größeren Betrieben vermehrt auf Personal setzen und sich mit Vorträgen etc. ein weiteres Standbein aufbauen.
Joel Salatin erzielt Umsätze und Gewinne pro ha, von denen die allermeisten konventionellen Intensivbetriebe nur träumen können.
Noch nachhaltiger wirtschaftet Mark Shepard. Seine Landwirtschaft macht ebenfalls gute Gewinne, aber halt nicht genug, um davon einen großen Hof kaufen zu können. Über seine Firma und seine Vorträge verdient er mehr Geld.

Wenn man nur als Bauer arbeiten will, weil das den eigenen Neigungen besser entspricht, oder man z.B. keinen Besucherverkehr auf dem Hof mag oder nicht vor fremden Menschen als Vortragender reden kann, fallen solche Einkommenszweige weg. Man könnte höchstens mit einem PK-Lehrer kooperieren und seinen Betrieb gegen Entgelt für Schulungen und Führungen zur Verfügung stellen.

Mit der Direktvermarktung ist es auch nicht anders. Ein guter Verkäufer braucht sich eigentlich nicht mit Urproduktion abzuplagen. Der kein seine Brötchen mit weniger Aufwand verdienen. Wenn er es trotzdem tut, gehört schon ein gerüttelt Maß an Überzeugungstäterschaft dazu.

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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#15

Beitrag von Sabi(e)ne » Di 3. Feb 2015, 13:36

Zum Verdienst verweise ich nochmal auf das Paul Brown-Video, wo die Zahlen auf den Tisch kommen:
https://www.youtube.com/watch?v=L4_Qa0D3E1A
I love life. And it loves me right back.
And resistance is fertile. :-)

Words are no substitute for actions...

Manfred

Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#16

Beitrag von Manfred » Di 3. Feb 2015, 13:48

Ja. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie man sich aus der Durchlauferhitzer-Spirale löst und sich auf das konzentriert, was man mit den eigenen Mitteln erreichen kann.
Ein großer Teil der Landwirtschaft betreibt inzwischen eine Art Agrarlogistik, die Mineralöl (Maschinen, Treibstoff, Dünger, Pflanzenschutzmittel) in Cash Crops verwandelt.
Wenn es gelingt, sich aus dieser Zukauf-Abhängigkeit zu lösen, steigt die Marge, die im Betrieb bleibt.

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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#17

Beitrag von Allgeier » Di 3. Feb 2015, 14:28

Danke Manfred fuer deine Zeilen und auch dir Sabine, fuer den Link.
Ich glaube das es hier in Thailand mehr Moeglichkeiten gibt sich aus dieser Spirale zu loesen als in Deutschland. Ganz einfach weil man nicht an soviele Vorschriften gebunden ist.
Man kann doch etwas ausprobieren ohne zuerst zig Antraege zu stellen. Egal ob das jetzt Schweine, Enten oder Dinge sind, wo man auf dem Markt verkaufen kann.

Gute Bekannte von uns haben eine Farm und produzieren BIOreis. Die Ertraege sind im Vergleich zum konventionellen Anbau nicht zu verachten.
Wenn zu mir vor 5 Jahren jemand gesagt haette das BIO Anbau in Thailand moeglich ist, haette ich bei der hiesigen Insektenpopulation schon meine Zweifel gehabt. Heute bin ich ueberzeugt das es funktioniert, nur braucht es hald ein paar Jahre bis der Boden sich umgestellt hat. Das muss man hald durchhalten.

Aber da habe ich zuversicht und auf jedenfall ein interessantes Thema.

Fred
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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#18

Beitrag von Fred » Fr 6. Feb 2015, 01:46

Allgeier hat geschrieben: Gut, da kann ich mir etwas vorstellen das man den Boden nicht mehr pfluegt und dann hald mulcht und Zwischensaaten einsaet.
Das schwierige Permakultur zu erklären ist, daß es nicht etwas konkretes Spezielles ist, sondern eine Systematisierung, von Prinzipien, wie man verschiedene Techniken und Methoden am besten kombiniert. Vielleicht sind die Muster aus diesen Kombinationen die dann entstehen, dann das charakteristischte der PK was man anderswo nicht findet.
Bei dem was man dann praktisch tut, ist nicht wirklich etwas dabei, wo es nicht irgendwo jemand gibt, der sagt, "Ja, das machen wir aber auch". Bill Mollison beansprucht für sich ja nicht die vielen Dinge, die er anregt zu verwenden erfunden zu haben. Erst die Zusammenstellung von allem macht daraus eine Permakultur.

[/quote] Aber meine Gedanken gehen in die Richtung ob die Leute, das was ich anpflanze, dann auch wollen. Das geht es vorher herauszufinden. Produziert wird schon genuegend. Will mein Zeug ueberhaupts dann jemand? Oder ist es so teuer das es niemand will.[/quote]

Tja, ...das ist die Frage der Fragen (in unserer perversen Gesellschaft) und daran sind schon die größten Unternehmen gescheitert, weil sie etwas produzierten, das dann doch niemand wollte...und nichtmal mit Werbung lies sich das noch retten.

Im Permakulturhandbuch wird auch auf dieses Thema eingegangen. Allerdings nicht in fertigen Lösungen, sondern eben nur in der Handlungsanweisung, das selbst sorgfältig zu eruieren, was man in seiner Situation am besten verkaufen kann. Bei seinen "Marktprodukten" sollte man sich beschränken, auf das was vor Ort wirklich geht, und damit man sich nicht verzettelt. Man sollte sich aber auch nicht auf nur eines verlassen. Veredelte Produkte und andere kreative Ansätze sind oft erfolgversprechender.

Was du schön sagst, ist, daß bereits genügend produziert wird. In der Tat ist Produktion nicht das Problem. Am Markt einen auskömlichen Preis erzielen ist der Punkt, also sprich, einen Dummen zu finden, der dir mehr als genug dafür zahlt, damit ein Profit herausspringt. Am Ende sieht es so aus, daß unser System aus dem Handelssystem der Kaufleute entwickelt wurde. Seit Jahrhunderten sieht es so aus, daß die Kaufleute reich werden, und die Produzenten verarmen. Eben weil soviel produziert werden kann.
Am besten waere es seine Produkte direkt auf dem Markt zu verkaufen. Nur geht das so einfach in Deutschland?
Ja Direktvermarktung ist meist noch am Lukrativsten, da dann keine Händler mitfinanziert werden müssen. In Deutschland geht das teilweise, je nach Produkt, und Verbrauchernähe mehr oder weniger einfach. Am Ort, meiner Eltern wo ich herkomme vermarktet jemand sein Mastgeflügel, früher ging das klingeln, Kühltruhe auf, bestellte Hühnchen raus, fertig. Als ich letztens mal wieder vorbeikam, musste er sich ein Verkaufsraum einrichten, alles gekachelt und weiß wie in der Metzgerei.
Andere haben darauf ja schon detailierter geantwortet. Die bestreben der Lobbyisten der Handelsunternehmen Direktvermarktung zu erschweren sind zwar vorhanden, aber noch nicht ganz umfassend. Cannada sei wohl ein Land wo das noch schlechter aussieht.
Gibt es hier im Forum jemand der durch die Erzeugnisse seiner Permakultur lebt?
Bist du sicher, daß du wissen willst, ob man davon lebt? Oder willst du fragen, ob jemand damit das Geld verdient, um seine Rechnungen und Steuern zu bezahlen? Das ist ein himmelweiter Unterschied. ;)

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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#19

Beitrag von Allgeier » Fr 6. Feb 2015, 09:01

Fred hat geschrieben:Bist du sicher, daß du wissen willst, ob man davon lebt? Oder willst du fragen, ob jemand damit das Geld verdient, um seine Rechnungen und Steuern zu bezahlen? Das ist ein himmelweiter Unterschied.
Unter "leben" meinte ich Rechnungen und Steuern zu zahlen. Hald seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten und damit seine Familie zu ernaehren.

Hier in Thailand wird Verhältnis maessig viel Geld fuers Essen ausgegeben. Also ist das schon mal ein Ansatzpunkt. Was und wie wird sich mit der Zeit ergeben.
Als Beispiel muessen jetzt die Kuerbisse herhalten. Nach der Reisernte wurde bei einigen Leuten Kuerbiss gepflanzt. Natuerlich ist der Preis dann im Keller. Also warum dann nicht den Kuerbiss pflanzen wenn er teurer gehandelt wird? Weil dann keine Flaeche zum anpflanzen vorhanden ist weil Reis gepflanzt wird.
Das jetzt nur als Beispiel.



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Re: Allgeiers Fragen zur Permakultur

#20

Beitrag von Fred » Sa 7. Feb 2015, 00:51

Allgeier hat geschrieben:
Fred hat geschrieben:Bist du sicher, daß du wissen willst, ob man davon lebt? Oder willst du fragen, ob jemand damit das Geld verdient, um seine Rechnungen und Steuern zu bezahlen? Das ist ein himmelweiter Unterschied.
Unter "leben" meinte ich Rechnungen und Steuern zu zahlen. Hald seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten und damit seine Familie zu ernaehren.
Dann läßt sich die Frage im Forum leider nicht beantworten. Im anderen Falle hätte sich sagen lassen, daß Permakultur dazu geschaffen wurde, gemäß der 2. Ethik -für die Menschen Sorge tragen- daß man damit sein Leben versorgen, und sich ernähren kann.
Da hier allerdings niemand beurteilen kann, welche höhe Rechnungen und Steuern haben, läßt sich das kaum beurteilen. Und schliesslich kommt es dabei auch weniger auf die Fähigkeit zu produzieren an, als vielmehr auf dein Marketing Geschick. Wenn es dir zum Beispiel gelingt,deine Unkräuter für $10 das Stück an Gorumet Restaurants zu verschachern, sehen deine Chancen anders aus, wie wenn du gezwungen bist an windige Aufkäufer loszuschlagen.

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