Versuch M6: Rinderbeweidung und Gewässerschutz

Moderator: kraut_ruebe

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Manfred

Versuch M6: Rinderbeweidung und Gewässerschutz

#1

Beitrag von Manfred » So 27. Mär 2016, 14:00

Ich habe mal wieder ein ökologisches Verbrechen begangen. Zumindest nach Lehrmeinung.

Weidetiere muss man ja von Gewässern fern halten, damit sie nicht die empfindliche Ufervegetation schädigen und so der Erosion Vorschub leisten.

Wenn man sich daran hält, also die Rinder per Zaun vom Gewässer weg hält, dann sieht das so aus, wie Wiesenbäche im Mittelgebirge halt aussehen, wenn man mal etwas genauer hinschaut.
Auf der Prallseite nimmt der Bach bei Hochwasser fleißig Boden mit. Bäume können sich dort kaum festsetzen. An der Kante werden die Keimlinge beim nächsten Hochwasser weggespült und oben haben sie kaum eine Chance gegen die Matte aus Gräsern und Stauden.
Rechts Kirchenland, links Bauernland, wo meine Familie seit Generationen Erlen und Weiden pflanzt und Lesesteine aufschüttet, um die Ufer zu stabilisieren.
Größere Steine können sich halten, feineres Sediment wird abgeschwemmt.

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Jetzt zu meinem Verbrechen: Ich habe an einer Stelle den Zaun entfernt, die Rinder die ausgespülten Steilufer platttreten lassen, und sie dann wieder ausgesperrt.
Sah am Anfang natürlich wüst aus. Es wurde auch etwas Boden abgespült. Aber jetzt, ein paar Monate später, zeigt sich dieses Bild.
Trotz des an der Stelle relativ starken Gefälles im Bach bildet sich eine breite Verlandungszone, in der die Hochwasser tonnenweise feineres Sediment ablagern, das umgehend von Pflanzen besiedelt wird. An den Ufern bilden sich ebenfalls Pflanzenmatten, die ein weiteres Abspülen von Boden unterbinden.

Jetzt kann sich jeder selbst eine Meinung darüber bilden.
Das eine Extrem, die Tiere komplett aussperren?
Das andere Extrem, die Tiere ständig rein lassen?
Oder ein geplanter Einsatz von Tieren, um die Erosionsprobleme zu beheben?

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Mich treibt seit längerem das Thema Bachperlmuschelschutz um. Es wird sehr großer Aufwand betrieben, um die noch vorhandenen, meist völlig überalterten Populationen zu erhalten.
Ich frage mich, wie diese Gewässer wohl ausgesehen haben, zu der Zeit als darin noch gesunde Muschelbestände mit guter Altersstruktur vorhanden waren.
Auf alten Fotos sieht man viel weniger Büsche und Bäume bei uns in der Landschaft, auch und gerade entlang der Bäche, und man sieht viel mehr Grünland und Weidetiere.
Um 1860 soll es in Deutschland z.B. noch 150 Millionen Schafe gegeben haben.
Wie haben sich diese Herden wohl auf das Landschaftsbild und auf die Gewässer und das Leben in den Gewässern ausgewirkt?

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Thomas/V.
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Re: Versuch M6: Rinderbeweidung und Gewässerschutz

#2

Beitrag von Thomas/V. » So 27. Mär 2016, 14:27

Durch die flacheren Ufer wird doch sicherlich die Fliesgeschwindigkeit geringer, was wiederum Hochwasserschäden dämpfen würde?
Ich kann mich erinnern, das zu DDR-Zeiten an vielen Bächen Tränkstellen für die Rinder eingerichtet waren, die damals im Sommer auf den Weiden waren.
Da brauchte man keinen Wasserwagen hin fahren. Heute gibst keine Rinderherden mehr hier, alles wird mit Traktoren gemäht.
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

Manfred

Re: Versuch M6: Rinderbeweidung und Gewässerschutz

#3

Beitrag von Manfred » So 27. Mär 2016, 14:57

Ja. Der Bach wird langsamer und breiter. Deshalb lagerst sich dort auch so viel Sediment ab, das vorher an anderer Stelle mitgerissen wurde.
Wenn man eine Tränkestelle macht und die immer wieder verlagert, könnte man so nach und nach alle erosionsanfälligen Uferbereiche behandeln. Oder auch einige gezielt aussparen, z.B. für Eisvögel und bestimmte Insekten.

Ich dachte früher, so ein Bach gräbt sich immer tiefer ein, über die Jahrtausende.
Dann haben wir neben dem Bach für die Rinder mit dem Bagger einen Brunnen ausgehoben und dabei habe ich in ca. 2,5 m Tiefe alte Zweige gefunden, die im Lehm durch den Luftabschluss konserviert waren. Das Tal war also mal tiefer ausgeschnitten als heute und der Bach hat es mit Sediment aufgefüllt. Ob es damals dort noch Bibersümpfe gab? Oder ob das die Wirkung der Weidetiere war? Jedenfalls hat sich der Bach anders verhalten als heute und mehr abgelagert als er mitgenommen hat.

Manfred

Re: Versuch M6: Rinderbeweidung und Gewässerschutz

#4

Beitrag von Manfred » So 1. Mai 2016, 13:51

Jetzt sieht man besser, dass sich durch den Tritt an der Stelle junge Erlen etablieren konnten, die sonst gegen die Staudenflur kaum eine Chance haben. Sie werden das Ufer weiter stabilisieren.

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Manfred

Re: Versuch M6: Rinderbeweidung und Gewässerschutz

#5

Beitrag von Manfred » Mo 8. Aug 2016, 21:16

Der Uferschutz-Versuch hat sich bei dem extremen Hochwasser neulich (das stärkste solange sich irgendwer hier erinnern kann) sehr gut bewährt.
Es wurde in den Bereich sogar wieder neues Material abgelagert.

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Die jungen Erlen hatte das Wasser flach auf den Boden gedrückt. Sie leben noch, richten sich langsam wieder auf und haben sogar schon wieder neue Blätter.

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Sogar Sandsteinblöcke aus einer alten Uferverbauung wurden im Versuchsbereich angespült.

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Zum Vergleich eine ausgezäunte, vorschriften-gerechte Stelle ohne Rinder-Impact und ohne händische Bepflanzung und -Verbauung auf der Kirchen-Seite:
Hier hat das Wasser fast einen halben Meter breit das Ufer mitgenommen. Mein Zaunpfähle wurden zum Teil komplett ausgespült und ich musste sie mit Abstand zum neuen Ufer wieder einschlagen.

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