Tiefenpflügen

Moderator: kraut_ruebe

Fred
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Re: Tiefenpflügen

#11

Beitrag von Fred » Do 11. Apr 2019, 00:35

Teetrinkerin hat geschrieben:Wie kann man diesen Prozess fördern?
Manfred hat da ja einiges schon gesagt. Ich finde die Erklärungen von Ray Archuleta NRCS-Boden Berater in USA mit seinen 5 Soil Health Principles am anschaulichsten. Ich habe mir das folgendermaßen zusammengefasst:

5 Regeln nach NRCS-Bodenberater Ray Archuleta:

1) Reduce Stress - Stress Reduzieren

Bodenbearbeitung und Chemieeinsatz, welche Entwicklung des Bodenleben zurückwerfen reduzieren.
(Zumindest soweit, daß nie mehr zerstört wird, als in zwischenzeit wieder aufgebaut wird.)
Statt regelmäßiger Eingriffe, wo mehr zerstört als zwischendrin aufgebaut wird,
Übergang zu wenigen strategischen Eingriffen, um neue Aufbauzyklen anzuregen ( vgl. 5.).

2) Cover the Soil - Boden immer Abdecken

Hautschutz für die Erde: Schutz daß Bodenleben nicht austrocknet. Nahrung für Mikroben, Schutz vor Regen (trommeln d. Regentropfen verdichtet Bodenoberfläche -> Luftabschluss -> Bodenleben wird anaerob).
Richtwert: Erst 20 cm Bewuchshöhe/ Mulch bieten guten Schutz. Z.B. Rasen so hoch mähen wie nur geht.

3) living Root 24/7 - Immer eine lebende Wurzel im Boden

Maximieren der Photosynthese über das Jahr. Denn der Aufbau von Dauer-Humus (Huminmolekühle) erfolgt durch Synthese des Bodenlebens aus Kohlenstoff von Wurzelexudaten der Pflanzen, meist unter Mitwirkung von Pilzen. [vgl. Dr. Christine Jones]

4) Diversity - Synergie mit Diversität

Natur arbeitet mehr kooperativ statt konkurierend. Artenmix steigert Biomasseerträge gegenüber Reinkulturen. Eine Art alleine ernährt Bodenleben meist nicht ausreichend für Humusaufbau.[vgl. Jena- Experiment, Zwischenfruchtversuch v. Gabe Brown.]

5) Animal impact - Tiere integrieren

Ohne Tierischen Einfluss, welche die Stoffkreisläufe schliessen bricht Ökosystem-Produktivität zusammen. Natur entstand in einer Koevolution von Pflanzen - Herbivore und Carnivore sowie der Destruenten.

Über Allem:
keep Context - beachte Bezug zur Umwelt.
Alle Maßnahmen darauf prüfen ob sie im jeweiligen Umfeld angemessen sind (auch sozial).

[Quelle: z.B. https://www.youtube.com/watch?v=OzcfYzvbhFA]
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Teetrinkerin
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Re: Tiefenpflügen

#12

Beitrag von Teetrinkerin » Do 11. Apr 2019, 08:00

Ganz lieben Dank für eure Antworten! Das regt mich sehr zum Nachdenken an.

Mulch:
An sich bringt es dem Boden nur soweit etwas, dass das Bodenlebewesen geschützt ist und der Boden vor Auswaschungen und Windabtragungen geschützt ist. Zum (Dauer-)Humusaufbau trägt es ansonsten leider nicht bei. Hab ich das soweit richtig verstanden?

Wichtig ist eine ganzjährige Begrünung der Fläche. Wie handhabt ihr das? Was macht ihr, damit der Boden ganzjährig begrünt ist. Wenn ich mir meine Beete anschaue - im Moment leider recht wenig begrünt - da muss ich unbedingt was ändern (das ist mir schon vorher bewusst gewesen).

Vielleicht könnt ihr mir da helfen:
Ich habe ein Beet, in das im Mai Zucchini gepflanzt werden sollen. Im Moment stehen dort noch ein paar Radicchio, die aber keine erntbare Größe mehr erreichen werden, bevor sie nicht komplett arg bitter werden. Wenn ich dann das Beet vorbereite für die Zucchini und sie pflanze, ist das Beet ja auch erst mal wieder sehr nackig. Was macht ihr in dem Fall? 20cm Mulch ist für mich nicht realisierbar, mein Mann mäht den Rasen immer recht bald und den Grasschnitt kann ich nicht so dick auftragen. Ich habe schon gelesen, z.B. mit Inkarnatklee einzusäen und dann einfach "Löcher" in die Gründünung hacken und da die Zucchini einsetzen. Da Zucchini relativ konkurrenzstark ist, dürfte sie keine Probleme damit haben, außerdem versorgt der Klee die Zucchini zusätzlich evtl. noch mit Stickstoff. Wäre das eine mögliche Umsetzung?

Aber was mache ich z.B. mit dem Beet, auf dem momentan die Zwiebeln gestupft und die Karotten gesät wurden? Hier kann ich ja derzeit weder mulchen und schon gar nicht Gründünung mit ausbringen.

Ich würde mich sehr über Praxistipps von euch freuen! Das Thema finde ich wirklich sehr spannend und vor allem auch wirklich sehr wichtig (in einer Zeit, in der Humus immer mehr verloren geht). Da ist vor allem das auf der vorigen Seite verlinkte Video sehr, sehr erschreckend! Vorher mit mehreren schweren Maschinen hintereinander den Boden extrem verdichten und dann die Bodenschichten von weit unten nach oben holen. Was ich gesehen habe, ist der Boden so schön dunkel gewesen und hinterher schaut es aus wie eine Mondlandschaft. Erschreckend!

Benutzer 72 gelöscht

Re: Tiefenpflügen

#13

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Do 11. Apr 2019, 08:32

Teetrinkerin hat geschrieben: Mulch:
An sich bringt es dem Boden nur soweit etwas, dass das Bodenlebewesen geschützt ist und der Boden vor Auswaschungen und Windabtragungen geschützt ist. Zum (Dauer-)Humusaufbau trägt es ansonsten leider nicht bei. Hab ich das soweit richtig verstanden?
Wieso "nur"?
Das ist ja schon eine genze Menge - wenn der Mulch Futter für´s Bodenleben ist, verdaut wird und dort bleibt, entsteht doch Humus! :)

Zu dick mulchen ist meines Wissens nach eher nicht so gut (also so dick, dass "Unkräuter unterdrückt werden") - denn darunter entsteht gerne Fäulnis, die Schnecken fühlen sich wohl, aber das Bodenleben eher nicht.
Ich "mulche" nur recht dünn, hab dazwischen auch ein paar Unkräuter und muss immer wieder für Nachschub sorgen, weil der "Mulch" verschwindet - wohin, wenn nicht in den Boden??
Bernhard aus dem alten Forum hat mal erzählt, dass er mit einer Schere Unkrautzupfen tut und - nicht lachen!! - ich mach das recht oft selber so: schneid die Sachen, die zu groß zu werden drohen einfach ab und lass sie dort liegen. weiß nicht, ob man das mulchen nennen kann....
Großer Nachteil: es ist ein ewiger Kampf gegen die Dominanz der Unkräuter über meine Kulturgemüse.
Da bevorzuge ich eindeutig Vogelmiere, Feldsalat, Schaumkräuter, Schachtelhalm, Minzen (wegen der Wühlmäuse - muss man aber auch in Schach halten), Klee und einjährige Gräser gegenüber Brennessel und Ackerwinden.
Ich schaff sowieso keine "nackte Erde"!

Karotten kommen mit diesen Verhältnissen nicht so gut zurecht, da hab ich leider auch keine Löung....

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Re: Tiefenpflügen

#14

Beitrag von Teetrinkerin » Do 11. Apr 2019, 10:05

Klar, das ist schon eine ganze Menge, was Mulch schafft ;) Aber lebende Pflanzen sind doch noch deutlich besser.

Es wurd in einem vorigen Beitrag was von 20cm hohen Pflanzen bzw. Mulchschicht geschrieben, die erst Nutzen für den Boden hat. Deswegen habe ich nochmals nachgefragt.

Bei mir ist es schon auch so, dass ich mit dem "Unkraut" nicht immer hinterher komme und der Boden sozusagen "begrünt" ist. Ich habe gerade mal beim Gaissmayer auf der HP vorbeigeschaut, er hat leider keinen Inkarnatklee da, aber Alexandrinerklee. Ich denke, da werde ich die Tage mal vorbei fahren und das testen. Ich denke, Zucchini und Klee dürfte eine gute Kombi sind. Und zwischen den Stangenbohnen - wenn das Bohnenkraut auch etwas gewachsen ist - werde ich mal versuchen, etwas Phacelia auszusäen.

Ich bin im Herbst leider immer viel zu spät dran, um noch eine Gründüngung einsäen zu können. Habe mir vor 3 oder 4 Jahren mal Winterroggen bei Dreschflege gekauft, hab es aber bisher nicht ausprobiert, da die abgeräumten Beete im Oktober noch mit Winterkulturen bestellt werden und zum anderen habe ich gelesen, dass es gar nicht so einfach ist, den Winterroggen wieder zu "eliminieren".

Mischkultur mache ich schon seit Jahren - nur Kohl pflanze ich gezielt begrenzt auf 3 Beete an, damit ich entsprechend die Anbaupause einhalten kann. Außerdem teste ich seit letztem Jahr, dass ich ein Beet sozusagen brach liegen lasse. Da dürfen dann die selbst ausgesäten Blumen und Kräuter (Borretsch - wobei ich den etwas einschränke - Ringelblumen, Dill, Koriander etc.) Dieses Jahr möchte ich noch etwas Kamille dazusäen - so haben Insekten eine Bienenweide, aber ich kann auch die Kräuter und Blüten nutzen.

Vogelmiere ist übrigens einer meiner Horrorkräuter ;) Das wuchert so schnell, da kommt ausgesätes Gemüse mit dem Wachsen nicht hinterher und ich mag es auch einfach nicht. Es schmeckt mir so überhaupt nicht.

Manfred

Re: Tiefenpflügen

#15

Beitrag von Manfred » Do 11. Apr 2019, 10:11

Der Mulch ist schon auch Nahrung für das Bodenleben. Ebenso jede organische Düngung.
Durch die Zufuhr größerer Mengen organischen Materials kann man schnell Bodenleben aufbauen.
Im Gartenmaßstab ist das Praktikabel. Im landwirtschaftlichen Maßstab nicht, bzw. in D durch das Düngerecht sogar verboten.
Wenn man sich ältere Bauerngärten ansieht, wo ein bis 2 Generationen oder länger mit Mist gedüngt wurde, haben die oft guten, schwarzen, sehr humusreichen Boden, in starkem Kontrast zu vorher vorhandenen, meist wenige Meter daneben sichtbaren Ausgangsböden.

Natur karrt aber nicht mit hohem Energieaufwand große Mengen Pflanzen und Dung durch die Gegend. Ihre Lösung ist die Ernährung des Bodenlebens durch und über die an Ort und Stelle wachsenden Pflanzen. Die zugehörigen Pflanzenfresser wiederum verhindern das Kränkeln und Überaltern des Pflanzenbestandes und schließen den Nährstoffkreislauf, indem sie frisches und abgestorbenes Pflanzenmaterial aufbereiten und als Urin und mikrobenangereicherten Dung wieder zur Verfügung stellen. Die Raubtiere sorgen dafür, dass die Pflanzenfresser nicht überhand nehmen und mobil bleiben, damit die Pflanzen nicht übernutzt werden.
Ein geniales System. Wir haben aber den natürlichen Herdenzug praktisch überall zerstört. Wir schaffen viel nackten Boden. Wir karren das Pflanzenmaterial weg in die Städte und verbrennen den dort entstehenden, chemikalienverseuchten Klärschlamm.
Je weiter wir uns von den Lösungen der Natur und unserer ursprünglichen Rolle als in die Kreisläufe der Natur eingebundenem, Diversität schaffendem und Gleichgewichte stabilisierendem Allesfresser entfernen, desto größer werden die Probleme.

Teetrinkerin
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Re: Tiefenpflügen

#16

Beitrag von Teetrinkerin » Do 11. Apr 2019, 11:14

Deutest du darauf hin, dass menschliche Väkalien in Komposttoiletten gesammelt und kompostiert werden sollten? Das ist ein sehr spannender Ansatz und beim Bau unseres Hauses habe ich tatsächlich daran gedacht. Aber mein Mann war leider nicht davon zu begeistern.

Ich bin da absolut deiner Meinung, dass wir uns immer mehr Probleme schaffen, je mehr wir uns von der Natur entfernen. Deswegen ist mir ein naturgemäßer Garten so wichtig. Und auch der Humaufbau in Bezug darauf, welch wichtige Funktionen der Humus übernimmt.

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Re: Tiefenpflügen

#17

Beitrag von Sonne » Do 11. Apr 2019, 11:28

Im Prinzip sollte man dann immer eine gut gefüllte Anzuchtschale mit kleinen, schon aufgegangenen Kulturen bereithalten.

Zieht man ein paar Karotten raus...zack...einen Kohlrabi rein...ein paar Bohnen wo ein Salat geerntet wird....usw

Das braucht vor allem gutes Timing und Logistik. :hmm:
Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. 1. Mose 1, 31

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Re: Tiefenpflügen

#18

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Do 11. Apr 2019, 12:30

Sonne hat geschrieben:Im Prinzip sollte man dann immer eine gut gefüllte Anzuchtschale mit kleinen, schon aufgegangenen Kulturen bereithalten.
hey, das ist mal eine Idee! :daumen:
Obwohl ich ja Direktsaat für "natürlicher" halte, aber so ganz "natürlich" ist ein Garten sowieso nicht...

ist nicht so schlimm, wenn die gut gefüllte Anzuchtschale dann doch keinen Platz findet - viele Pflanzen kann man ja statt sie einzusetzen, gleich direkt verspeisen ... :) :)

Samen bleiben eh meistens über und dafür könnte ich sogar die "abgelaufenen" verwerten!

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Re: Tiefenpflügen

#19

Beitrag von Sonne » Do 11. Apr 2019, 12:57

Ich halte Dirketsaat auch für natürlicher. Kann man ja auch machen.

Meine Direktsaaten sind aber gelegentlich irgendwie nicht immer von Erfolg gekrönt.

Oft sind es Schnecken...manchmal ??? :hmm:

Derzeit zieh' ich sogar Pastinaken und Karotten im Topf vor. Verrückt...ich weiß.. :pfeif: Aber damit hab' ich mehr Erfolg.
In Direktsaat muss ich erst mal wieder Vertrauen gewinnen.

Das Problem bei der Anzuchtschale ist (zumindest für mich) dass ich die nicht vergesse zu gießen. Das ist bei mir das Problem überhaupt,
die Dinger trocknen rasant schnell aus. Also immer in den Schatten stellen.
Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. 1. Mose 1, 31

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Re: Tiefenpflügen

#20

Beitrag von Fred » Do 11. Apr 2019, 22:48

Teetrinkerin hat geschrieben:
Es wurd in einem vorigen Beitrag was von 20cm hohen Pflanzen bzw. Mulchschicht geschrieben, die erst Nutzen für den Boden hat. Deswegen habe ich nochmals nachgefragt.
Der 20 cm Richtwert für Schutzschichthöhe bezieht sich vorallem auf die Frage, ob ein (stärkerer) Regenguß den Boden dann noch verdichten kann. Auch dünnere Mulch- oder Bewuchsschichten haben ihre positive Wirkung, zb. was Austrockung/Unkraut betrifft. Aber es kann sein, daß nach einem Gewitter dann der Boden doch gehackt werden muss, weil die Oberfläche wieder zu ist, weil Regentropfen eben doch durchgeprasselt sind. Gilt vorallem für Rasen, wo Boden zwar theorethisch bewachsen ist, aber auf einem einigermaßen lehmigen Boden doch vom Regen verdichtet wird. Ist das Gras hingegen hoch genug, wie bei Wiesen, so wird der Regen ausreichend abgebremst um Bodenaggregate und damit Struktur (sicher) zu schützen.

Fäulnisproblem von hohen Mulchschichten ist hängt neben Witterung auch vom Mulchmaterial, vorallem dessen C:N Verhältnis und Struktur ab. Rasenschnitt (und grüne Blätter), was für die meisten das leichtest verfügbare Mulchmaterial ist, neigt wegen hohem Stickstoffgehalt und seiner Neigung zu verkleben leider sehr zu Fäulnis, 20 cm Mulch sind damit nicht zu machen. 20 cm Stroh geht da schon eher. Am besten man tastet sich heran, was unter den Bedingungen vor Ort am besten geht.

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