Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

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henmen
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Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#1

Beitrag von henmen » Mo 11. Apr 2016, 09:24

Trauger Groh gilt als einer der Väter der CSA-Bewegung (Community Supported Agriculture, s.u.) in den USA. Nach dem zwangsweisen Verkaufes des Hofes im Jeverland, der dem geplanten Bau eines Militärflugplatzes weichen musste und den er zusammen mit seinem Bruder bewirtschaftet hatte, kam er Ende der sechziger Jahre auf den Buschberghof, wo der Verkaufserlös in die neugegründete Landbau-Forschungsgesellschaft eingebracht wurde. Siebzehn Jahre später lebte er bereits in den USA, wo er die erste CSA-Farm gründete (http://www.twcfarm.com) , In allen Veröffentlichungen, die seinen Namen tragen, ist immer von einer Vision einer Landwirtschaft der Zukunft die Rede. Am bekanntesten ist vielleicht sein Buch „Farms of Tomorrow", das er zusammen mit Stephen McFadden schrieb. (Groh, T. und Mc Fadden, S., Farms of Tomorrow - Community Supported Farms - Farm Supported Communities, Biodynamic Farming and Gardening Association, Inc., Kimberton.1990)

Eine deutsche Übersetzung ist Ende 2013 unter dem Titel „Höfe der Zukunft″ im Verlag Lebendige Erde, Darmstadt erschienen.

http://www.lebendigeerde.de/index.php?id=buch13

Höfe der Zukunft
Manuskript einer Rede , die er am 29.10.1993 in London gehalten hat. Hier stellte er das Programm dar, das er selbst in den USA verwirklichte, aber auch auf dem Buschberghof ohne sein persönliches Mitwirken lebendig werden konnte.

Unsere Nahrung stellt einen kleinen Ausschnitt aus der uns umgebenden Umwelt dar. Diese kann sehr wirkungsvoll in Form von kleinen landwirtschaftlichen Organismen als einzelne gesunde Biotope gestaltet werden. Nur auf diese Weise können wir zu gesunder, lebensspendender Nahrung gelangen. Diese Nahrung wiederum kann man zu geringen, mittleren oder hohen Kosten erhalten, je nachdem, wie wir als Gemeinschaft mit der Natur in kleinen Höfen kooperieren.

Die Natur produziert und reproduziert ohne jede Kosten, wenn man es in der richtigen Art und Weise organisiert. Der Mensch ist der einzige – fast einzige – Kostenfaktor. Dies läßt sich in jedermanns Hintergarten erproben. Das physische überleben des russischen Volkes, ob unter Kommunismus oder einer beginnenden Marktwirtschaft, hängt weitgehend von Hausgärten ab, die die meisten Familien besitzen.

Marktwirtschaft in der Landwirtschaft führt weder zu gesunden Hoforganismen noch zu gesunden, lebensspendenden Lebensmitteln, wie die letzten 120 Jahre der landwirtschaftlichen Entwicklung deutlich gezeigt haben. Die Idee, daß Profiterwartung in Verbindung mit Wettbewerb auf dem Markt Qualitätsprodukte erzeugt, hat sich in der Landwirtschaft nie bestätigt.

Worin unterscheidet sich industrielle Produktion von der Landwirtschaft?
Wenn man ein Auto produziert, dessen Räder nach den ersten 10.000 km abfallen, müssen alle betreffenden Autos zurückgerufen werden und der Schaden beglichen werden.
Wenn hingegen die Lebensmittel keine lebenserhaltenden Qualitäten besitzen und mit chemischen Rückständen behaftet sind, und man dadurch 30 Jahre später vielleicht von chronischen Krankheiten geschwächt ist, kann man diese Tatsache kaum bis zur Ernährung und Umgebung seiner Kindheit zurückverfolgen. In der modernen Landwirtschaft bedeutet der Profit des Einzelnen meistens für alle anderen Verlust. Wenn man einen Wald geerbt hat und die Bäume rodet, ist der eigene Gewinn zugleich Verlust für alle anderen. Der fortdauernde Abtrag der Humusreserven der Erde kommt einer schrittweisen Rodung gleich.

Um gesunde Lebensmittel zu produzieren, muß man die Frage stellen, unter welchen Umweltbedingungen sich jede Art, Pflanze oder Tier auf die gesündeste, artgerechteste Weise entwickeln und wie Pflanzenarten und Haustiere sich gegenseitig positiv beeinflussen. Die Fragestellung kann zu einem grundlegenden Konzept für eine ökologisch ausgewogene Landwirtschaft führen. Dieses Konzept soll hier in drei Punkten charakterisiert werden:


Vielfalt : Aus einer großen Vielfalt heraus produziert die Natur am meisten. Je höher die Artenzahl in einem bestimmten Gebiet (Hof) ist, desto größer ist die Produktivität.
Harmonie: Die größtmögliche Artenvielfalt kann nur in Harmonie der einzelnen Arten miteinander existieren.
Geschlossenheit: Die Harmonie, die auf diese Weise hergestellt wurde, kann nur erhalten und die Anpassung an die örtlichen Bedingungen nur erzielt werden, wenn aus dem Hofbiotop größere Substanzimporte wie Futtermittel, Mist, Düngemittel und Pestizide herausgehalten und ausgeschlossen werden.

Die markt- und profitorientierte Form der modernen Landwirtschaft mit ihrem hohen Import von Chemikalien und Fremdfutter hat in die entgegengesetzte Richtung geführt. An die Stelle der Vielfalt trat Monotonie (meist nur zwei oder drei Feldfrüchte und/oder nur eine einzige Haustierart auf jedem Hof). Anstelle von Harmonie trat Disharmonie und Unausgewogenheit auf (Auswahl der Feldfrüchte und Tiere nach Gewinnerwartung und nicht als Teil eines größeren harmonischen Ganzen). Anstelle von Geschlossenheit und Anpassung an das Hofbiotop kam der Import von großen Mengen Düngemitteln, Pestiziden und Futtermitteln aus der ganzen Welt. Aus makroökonomischer Sicht ist dieser Trend völlig unwirtschaftlich. Die Konsequenzen hiervon sind: Massenproduktion mit fallenden Preisen, Verschmutzung der Umwelt, Verschuldung der Höfe.

Was können Bauern und Verbraucher, Umweltschützer und jeder, der darüber nachdenkt, in Bezug auf die Zukunft der Erde und der Menschheit tun, um die Höfe der Zukunft zu schaffen, die sich ausschließlich an Qualität und echter Wirtschaftlichkeit ausrichten?
Sie müssen sich an einer geistig-kulturellen Idee orientieren, die zugleich höchst wirtschaftlich ist. Diese Idee ist oben mit den Grundgedanken von Vielfalt, Harmonie und Geschlossenheit charakterisiert worden. Der Geist eint die Menschen, wirtschaftliche Interessen nach persönlichem Profit treibt sie auseinander. Und sie müssen gemeinsam das Produktionsrisiko tragen, was möglicherweise bedeuten kann, die Produktion vorzufinanzieren. Diese zwei Elemente kommen in allen Gemeinschaftshöfen oder von Gemeinschaft unterstützten Höfen zusammen.

Auf allen Gemeinschaftshöfen ist das Streben nach Qualität offensichtlich. Ich kenne keinen einzigen solchen Hof, der konventionell chemische Landwirtschaft betreibt. Das Element der Risikoteilung ist allen mir bekannten Systemen in den USA zu eigen.

Die Notwendigkeit eines solchen neuen sozialen Ansatzes in der Landwirtschaft ist so groß, daß während der acht Jahre, in denen ich nun in Nordamerika gelebt und gearbeitet habe, die Zahl der Gemeinschaftshöfe von null auf weit über 400 gestiegen ist. Gleichzeitig ist eine verwandte und sogar noch größere Bewegung in Japan entstanden und wächst immer mehr in Europa. Qualität und Erschwinglichkeit sind das Hauptthema.

Es ist ein bewiesenes Experiment, daß, wenn eine Gruppe von Menschen ihr Interesse nicht nur allein auf organisch angebaute Nahrung richtet, sondern auf konkrete gesunde Hoforganismen in ihrer Nachbarschaft, daß die Nahrung nicht teurer wird, sondern für jedermann erschwinglich. Der unausgesprochene Vertrag in einer Beziehung zwischen aktiven und nicht-tätigen Landwirten auf einem Gemeinschaftshof kann folgendermaßen beschrieben werden: „Ich als aktiver Landwirt verspreche dir, daß ich mich im Betreiben meiner Landwirtschaft nur von Grundsätzen leiten lasse, die aus dem Geist entspringen, und nicht von solchen, die aus dem Wunsch nach Geld entstehen. Ich werde dafür arbeiten, daß höchste Qualität erreicht wird.“ Der nicht-tätige Landwirt dagegen erklärt: „Wenn du dies wirklich tust, sind wir als nicht-tätige Landwirte der Gemeinschaft bereit, dein Risiko mitzutragen, dich auf jede mögliche Art zu unterstützen und deine Produktion vorzufinanzieren."

„Der Hof der Zukunft “ kann dann als Basis für drei verschiedene Ziele dienen:

Ein geistig-erzieherisches Ziel: Die Kräfte, die in der Natur und im Hoforganismus wirken, immer besser zu verstehen.
Ein soziales Ziel: Jedem Menschen, der es möchte, Zugang zu fruchtbarem Boden zu verschaffen als Mittel, seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Ein wirtschaftliches Ziel: Eine in ihrer Vielfalt ständig wachsende Produktion zu haben, die den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft angepaßt ist, während der Import von Energie und fremden Stoffen in den Hof immer mehr gegen Null strebt.

Dieses letzte Ziel, das erreicht werden kann und muß, ist die Grundlage eines fortdauernden menschlichen Lebens auf der Erde und des Schutzes unserer Umwelt.

Es gibt viele Details, die bei den „Höfen der Zukunft“ zu berücksichtigen sind. Einige davon sollen hier noch erwähnt werden.
Für die „Höfe der Zukunft“ ist es nötig, die Beziehung zwischen Mensch und Boden neu zu überdenken und Wege zu finden, vererbbare Eigentumsrechte in langfristige Bodennutzungsrechte umzuwandeln. Wir müssen die Beleihung von Land überwinden durch persönliche und gemeinschaftliche Kreditgarantien.

Obwohl bei rechtem Licht besehen Land- und Forstwirtschaft die einzigen produktiven Teile der Wirtschaft sind, müssen wir dennoch berücksichtigen, daß sie teure Investitionen in Maschinen und Gebäude nicht tragen können. Deshalb muß man soviel wie möglich selbst machen mit der Hilfe der Gemeinschaft und möglichst wenig von außen zukaufen. Und nochmal: Folgt der Führung des Geistes und nicht finanziellen Beweggründen und ihr werdet wahrhaft produktiv sein.

Wenn wir die Natur mit einem neuen Sinn für Wahrheit betrachten, wird sie klar und großzügig antworten, denn sie ist keine geist- und seelenlose Anhäufung von Molekülen, und wenn wir nach einem solidarischen und brüderlichen Geist unter den Menschen streben, werden wir in der Lage sein, die neuen sozialen Formen der „Höfe der Zukunft “ zu schaffen.

Anmerkung: Inzwischen gibt es ca. 12.000 Höfe und Inniativen in den USA, in Deutschland 100 bestehende und die doppelte Menge CSA Höfe/Innitiativen in Entstehung. In Japan ist ein Viertel der Bevölkerung an CSA beteiligt.

Bekanntestes Beispiel eines CSA Hofs in Deutschland ist sicher Hof Pente in Bramsche:

http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/s ... 47932.html
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#2

Beitrag von Thomas/V. » Mo 11. Apr 2016, 12:21

Grad letztens habe ich so über diese CSA nachgedacht und dachte mir, das es doch keine schlechte Idee wäre, wenn die Leute nicht nur dort einkaufen, sondern je nach Wunsch, Können und Wissen aktiv mit arbeiten würden. Also bei der Ernte helfen ect., was auch eine Laie ohne Studim der Ldw. tun kann. Das würde Kosten senken, das Gemeinschaftsgefühl stärken, die Verbundenheit und das Wissen über den Boden, Tiere ect. verbreiten helfen und auch als Fitnesprogramm wäre das nicht zu verachten.
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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#3

Beitrag von henmen » Mo 11. Apr 2016, 12:51

Die Mithilfe und Einflussnahme der Partner und Konsumenten ist eine der Säulen von CSA und trägt sicher sehr dazu bei, dass dieses System allen Beteiligten wirklich Spaß macht und seit Jahren enorm schnell wächst.
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#4

Beitrag von Rohana » Mo 11. Apr 2016, 17:38

Joa. Ich bin ja auch in einer CSA, aber in einer, die Mithilfe "anbietet" und nicht verpflichtet. Geld per Lastschriftverfahren ist pünktlich und verlässlich; verpflichtende Mithilfe ist weit komplexer, man muss sich halt drauf verlassen können dass die Leute auch wirklich da sind und anpacken. Ausserdem wird der potentielle Kundenkreis weiter beschnitten als nötig, so können nämlich auch Städter mit wenig(er) Zeit am Projekt teilhaben, die sonst rausfallen würden. Menschen die sich unbedingt noch mehr einbringen wollen können natürlich auch das tun.

Jeder CSA ist ein individueller Fall, aber grad Mithilfe und Planungsrechte sind ein Punkt wo ich finde dass die eigentlichen Bauern die Hauptverantwortung tragen müssen (und ggf über bezahlte Arbeitskräfte absichern) damit die Sache ordentlich läuft.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#5

Beitrag von Thomas/V. » Mo 11. Apr 2016, 18:02

Naja, zumindest in D. wird man wohl bei Mithilfe gegen Warenbezug eine Art Arbeitsverhältnis beurkunden müssen. Man stelle sich vor, jemand hackt sich in seiner Freizeit beim Jäten auf dem Feld der CSA in den Fuß, da spielt dann die Krankenkasse verrückt...
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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#6

Beitrag von Rohana » Mo 11. Apr 2016, 18:51

Stimmt, die Seite hab ich noch gar nicht betrachtet. Ein weiterer Punkt der dagegen spricht :/
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#7

Beitrag von henmen » Mo 11. Apr 2016, 21:03

Die Mithilfe in allen CSA die ich kenne, sind allesamt freiwillig aber nicht verpflichtend. Es gibt auch kein Arbeitsverhältnis, sondern die Mitglieder finanzieren die Arbeit des Landwirts und sind Miteigentümer der Ernte.
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#8

Beitrag von henmen » Mo 11. Apr 2016, 23:18

Hier noch ein bemerkenswerter Beitrag im Rahmen von WestArt Talk (WDR) zum Thema Bauer sucht Zukunft unter Beteiligung von Tobias Hartkemeyer vom CSA Hof Pente:

https://www.youtube.com/watch?v=MkNHxvfRyNE
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

marabu
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Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#9

Beitrag von marabu » Mi 20. Apr 2016, 20:36

@henmen, danke für diesen schönen Beitrag. Habe schon einiges über/von CSA gehört und gelesen. Aber vom "Gründer" noch nichts.
Eine wirklich spannender Blick in die Zukunft...
Grüße
Marabu
aller doucement, n'empêche pas d'avancer - langsam gehen, hindert nicht daran voran zu kommen

Manfred

Re: Torgen Groh - Der Erfinder der CSA

#10

Beitrag von Manfred » Di 10. Mai 2016, 06:34

"Overview of Community Supported Agriculture in Europe"
von der European CSA Research Group

http://urgenci.net/new-report-european- ... rch-group/

Antworten

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