Was ist ein Schaf wert?

Landfrau

Was ist ein Schaf wert?

#1

Beitrag von Landfrau » Di 7. Jun 2011, 19:29

Moin,

ein paar Zahlen zum Nachdenken - über euer Feedback freue ich mich.

Heute habe ich, aus heiterem Himmel, ein Bocklamm verkauft, reines Ostfriesisches Milchschaf, maedifrei, für 85 Euro, was eine echte Ausnahme ist.

Ein Sack MIlchpulver zur Aufzucht eines mutterlosen Lammes kostet 30 Euro.
Um das zu verfüttern, bereitet man 70 - 100 mal eine Flasche Milch zu.

4 kg Schafkäse würden auch 84 Euro bringen.

Für einen 140 kg schweren gekörten Schafbock wurden einst 80 Euro geboten.

Die Selbstkosten (externe Kosten) für 1 Liter Schafmilch betragen hier 2 Euro.

Mit einem eingerechneten noch geringen Stundensatz für die Arbeit beläuft er sich auf etwa 20 Euro.

Vier Liter MIlch bei Vollkostenrechnung oder 4 kg Weichkäse bei Milchmädchenrechnung oder ein Lamm sind soviel wert wie ein gekörter Bock.

ZIeht man vom Preis für das Lamm das Milchpulver ab und schätzt 80 Fläschchen, so ist die Arbeit pro Fläschchen etwa 50 cent wert.


Natürlich, es ist alles Hobby und echter Luxus und ich bin ohne Wenn und Aber dankbar, mich dem widmen zu können.

Aber die Größenordnungen sind irgendwie - irrtierend?

Wie seht ihr das?

LAndfrau

Sabi(e)ne
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Re: Was ist ein Schaf wert?

#2

Beitrag von Sabi(e)ne » Di 7. Jun 2011, 20:57

Hallo, Claudia,
damit sind wir wieder bei der Frage: kosten die Dinge das, was sie wert sind?
Auf Ravelry gab es grad ne Riesendiskussion um eine Firma, die wollene Unterwäsche aus Rambouillet-Wolle herstellt, und für ein Damen-Unterhöschen 36-58$ nimmt
http://www.ramblersway.com/shop/womens/womens-brief
Wolle aus den US, verarbeitet komplett in den US, mit allen Schritten.
Fast alle fanden das zu teuer - einige wenige merkten an, daß DAS der unterste Preis wäre, wenn man eben nicht mehr in den Billiglohnländern produzieren könne, aus welchen Gründen auch immer.

Und bei den Schafen und ihren Produkten (und anderen Dingen) ist es doch genauso.
Solange es billige Nahrungsmittel aus dem Ausland gibt, wird hier kaum jemand freiwillig mehr bezahlen, auch nicht unbedingt für bessere Qualität, die ja nicht immer wirklich objektiv meßbar, sondern durchaus persönlichkeitsgebunden ist.
Der eine will nur absolut mageres Fleisch, der andere liebt fein marmoriertes - welches ist denn objektiv das bessere?

Ich hab grad 3kg handverlesenes rohes Nacken- und Schultervlies von Merino-Schwarzkopf-Kreuzungslämmern bekommen - genial supertolle Wolle zum Feinst-Spinnen, fast wie pures Merino, zu einem Preis, der nicht mal die Scherkosten deckt - ich hab nach dem Testen nochmal nachbezahlt, sonst wäre ich mir schäbig vorgekommen. :rot:
Das macht aber kaum wer, und anscheinend können auch die Produzenten nicht gut damit umgehen, und vernünftige Preise durchsetzen.
Die Arbeit bei diesem Vlies ist da auch "irgendwie" nicht drin im Preis, oder höchstens im Centbereich per Kilo.

Es ist schlicht ALLES zu billig (= nicht den wahren Wert des Aufwandes reflektierend).
Aber ich denke, das wird sich noch zu meinen Lebzeiten drastisch ändern - China und Indien kommen/sind grad in die Phase, die die Deutschen in den 50ern hatten - konsumieren ist angesagt.
Und das wird die Preise drastisch steigen lassen.
Auch und grad hierzulande.
Dann wird einmal die Woche Fleisch auf dem Teller schon Luxus sein....
I love life. And it loves me right back.
And resistance is fertile. :-)

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Bunz
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Re: Was ist ein Schaf wert?

#3

Beitrag von Bunz » Mi 8. Jun 2011, 05:54

Siehst Du, liebe Landfrau,
deshalb hatte ich den vielgeschmähten Satz über die zu billigen Lebensmittel geschrieben.
Wenn ich meine Kosten zusammenrechne, dann kommt ein Lamm-Steak vielleicht auf 50 Euro.
Kein Wunder, daß da nur die Härtesten Selbstversorgung betreiben.
lg
Bunz
Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche und nicht durch die Apotheke.
Sebastian Kneipp

Olaf
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Re: Was ist ein Schaf wert?

#4

Beitrag von Olaf » Mi 8. Jun 2011, 08:50

Moin,
ich rechne sowas nicht mehr. Das Resultat ist immer das gleiche.
Wenn meine Tochter erzählt, das sie auf "Ihrem" Pferdehof (sie hat da keine Beteiligung, für 100 Euro / Monat und sämtliche Arbeiten ist das quasi ihr Gaul auf Zeit) Möhren die Tonne für 90 Euro gekauft haben, da kannste noch nicht mal ne Rille ziehen, dich hinknien und die Samen reinstreuen, da biste schon überm Preis.
Unbezahlbar hingegen ist der Lerneffekt, mit all diesen Dingen achtungsvoll umzugehen.
Montag haben wir nun endlich neues Heu geholt. Normalerweise hab ich danach den Bus ausgefegt. Vorgestern hab ich mir ne Karre druntergestellt und das da reingefegt und gleich noch verfüttert.
Warum? Weil ich die Wochen davor das Futter erstmalig in Mengen selbst gemacht habe und weiß, das auch 2 Hände voll Heu eine Wert haben, sobald man sie selber machen muß.
Zum andern, der Sinn von Massentierhaltung, Monokultur, Landmaschinen ist natürlich, das Zeug zu einem UNSCHLAGBAR günstigen Preis herzustellen. Das ist Marktwirtschaft, und jeder der sich nicht daran hält geht zu Grunde.
Außer son paar Spinnern wie uns. Die bezahlen aber trotzdem ihren Preis dafür, dass sie sich nicht an Marktwirtschaftsregeln halten, nur das Geld müssen sie woanders generieren.
Und das scheint mir auch der Grund, warum einige hier mit dem Begriff Selbstversorgung sehr zurückhaltend sind.
Olaf
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

Landfrau

Re: Was ist ein Schaf wert?

#5

Beitrag von Landfrau » Mi 8. Jun 2011, 11:18

Sabine, Bunz, Olaf,

dank für eure Antworten und den Realismus, der sich darin äußert.

Habe manchmal den Eindruck, zu sehr den Spielverderber zu geben mit Ausführungen, dass Garten, Tierhaltung, Hauswirtschaft und allerlei Selbermachen zwar wunderbare Tätigkeiten sind, aber das Konzept Selbstversorgung - zur Zeit - wirtschaftlich nicht aufgeht.

Landfrau, sehr froh, es gab heut morgen einen echten niedersächsischen Landregen!!

Olaf
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Re: Was ist ein Schaf wert?

#6

Beitrag von Olaf » Mi 8. Jun 2011, 12:14

- zur Zeit -
genau, zur Zeit. Aber was Du immer wieder mal betonst, lokale Netzwerke.
Was wir allein durch die Viecher für Kontakte aufnehmen mussten, mit wem wir ins Gespräch kamen und jetzt wissen, was der hat oder kann, mit wem wir legal hin oder her Produkte ausgetauscht haben, bislang als freundschaftliche Geste oder aus Stolz über das Selbstgeschaffene, dass kann man auch nicht in Geld gegenrechnen. Wenn mans dann braucht. Vielleicht gäbs ja dann ne positive Bilanz ;)
Olaf
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

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Re: Was ist ein Schaf wert?

#7

Beitrag von Rati » Mi 8. Jun 2011, 15:20

Hi Landfrau,

Selbstversorgung ist nicht wirtschaftlich im Sinne von wieviel Geld ist es wert. Muss sie auch nicht, da mensch sich selber auch nicht mit Geld bezahlt. Und dann wenn sie wirklich Not tut, nämlich in einer Situation in der es keinen Geldwert mehr gibt, spielt die Wirtschaftlichkeit auch keine Rolle mehr.

Grüße Rati

PS:
Nein ich glaube nicht das es bald so eine Situation gibt, so eine ohne Geld. :mrgreen:
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

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Re: Was ist ein Schaf wert?

#8

Beitrag von Landfrau » Mi 8. Jun 2011, 15:41

Das ist wohl richtig, Rati.

gemeint war, dass es unsinnig ist, anzunehmen, man könne durch ein bischen Nutzgarten und Kleintierhaltung irgendwie "autark und unabhängig" werden.

Olaf hat das beschrieben: das geld für das Selbstversorgungshobby muss anderswo verdient werden.

Wenn die Zeiten wieder kommen (sollten), da die Kinder nach der Schule mit Sichel und HAndwagen Grünfutter schneiden gehen statt in den Waldpädagogischen Kurs, mag die Wertung eine andere sein, auch das ist richtig.
Aber vermutlich wird das dann wegen Kinderarbeit verboten, ist wegen der Zeckengefahr PfuiBäh und die Kinder verpassen dann womöglich ihre Lieblingssendung-

Aber, "endlosschleife", da sich hier ab und an Leute anmelden, auch Frustrierte, Ferstörte und Fantasten, die ernsthaft glauben, durch Gemüsegarten und Laufente frei von dieser Gesellschaft zu werden, kram ich das Thema ab und an immer wieder hoch.

Diese Freiheit kann man innerlich erlangen.

Oder, indem man sich als SChnorrer und Außenseiter fern der gesellschaft stellt - das ist aber eher für die drei F und außerdem a-sozial und das Gegenteil von Selbstversorgung.

Der Mensch funktioniert in Gemeinschaft deutlich besser als allein und es füht sich auch besser an.
Gemüse aus dem GArten, Milch und Fleisch von eigenen Tieren sind deutlich besser als gekaufte.
Das lohnt die Mühe.
Führt aber nicht dazu, kein geld mehr verdienen zu müssen.

Landfrau

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Re: Was ist ein Schaf wert?

#9

Beitrag von Rati » Mi 8. Jun 2011, 15:51

Landfrau hat geschrieben:gemeint war, dass es unsinnig ist, anzunehmen, man könne durch ein bischen Nutzgarten und Kleintierhaltung irgendwie "autark und unabhängig" werden.
ach so, hatte ich natürlich falsch verstanden. Ja, autark geht so nicht und in einem Land wie unserem ist das irgendwie sowieso nicht machbar. Zu dicht besiedelt, zu strukturiert oder?
Landfrau hat geschrieben:Der Mensch funktioniert in Gemeinschaft deutlich besser als allein und es füht sich auch besser an.
Gemüse aus dem GArten, Milch und Fleisch von eigenen Tieren sind deutlich besser als gekaufte.
Das lohnt die Mühe.
Führt aber nicht dazu, kein geld mehr verdienen zu müssen.
jepp. :)

Grüße Rati
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Re: Was ist ein Schaf wert?

#10

Beitrag von Olaf » Mi 8. Jun 2011, 15:54

ich les grad Astrid Lindgreen, Das entschwundene Land, hatte sich meine Tochter gekauft. Das einzige Nichtkinderbuch von ihr, stark autobiographisch, aber eigentlich die Liebesgeschichte ihrer Eltern.
Mit welcher Selbstverständlichkeit die Kinder damals von klein an, und wie viel helfen mußten.
Ich hätte auch keine Not mit den Ziegenfutter gehabt, ich hätt Kinder in unsern Wald geschickt, Ziegen hüten. Meine Mutter hat auch davon erzählt, dass sie das tun mußte. Und schon würde sich die Rechnung verändern, die Ziegen bräuchten kaum Heu und erst recht kein Kraftfutter, ich hätte Zeit für andere Arbeiten. Aber das setzt eben Voraus, dass alle Mäuler, die gestopft werden wollen auch etwas dazu tun. Dann könnte sowas funktionieren.
Ich habs Buch noch nicht zu Ende, vielleicht ist das das entschwundene Land???? :daumen:
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

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