Kulturen und Enzyme bevorraten

Bunz
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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#11

Beitrag von Bunz » Mo 4. Jul 2011, 08:07

Hallo Landfrau,
beim Zusammenbruch der Zivilisation (und damit wäre bei einem mehrwöchigen Stromausfall schon zu rechnen) gibts eben nur noch das Lokale, das durch Zufall und Weitervermehrung entstanden ist.
Dann gibts keine 100 Bier- und Käsesorten mehr.
Dann kann man wieder in die Wirtschaft gehen und sagen:" Bitte ein Bier"
Fertig.
Dann muß man nicht mehr aus 20 Sorten wählen, oder Hell, Dunkel, groß oder klein, warm oder kalt, herb oder mild, und hopfig oder nicht und sonstwas.
Dann wäre ein Bier eben ein Bier, wie es DORT gemacht wird .
Fertig.
Das wär schön.
lg
Bunz
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Sebastian Kneipp

Landfrau

Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#12

Beitrag von Landfrau » Mo 4. Jul 2011, 20:40

Hallo Bunz,

schön, von dir zu lesen.

So ein bischen "von hier" Produkte finde ich auch nett.
Leider kauft die kaum keiner - weil zu teuer.
Die Leute auf dem Land haben eine merkwürdige Sparsamkeit. Essen darf nichts kosten, aber Urlaub und "modische". sprich unkleidsame Gewänder und Nahrung, die billig, bunt und abgepackt ist, ist gefragt.

Aber im Ernst: wenn "die Zivilisation zusammenbricht" und es keine Brauhefe zB mehr gibt und man die Gärung dem regionalen Zufall überlassen wollte - was meinst, wer käme damit zurecht?

Otto Normalverbraucher eh nicht, für den kommt der Strom aus der Steckdose, die Milch aus der Tüte und das bier eben aus der Flasche - der braut bestimmt nicht auf einmal selbst...nicht nur wegen keine Hefe, sondern woher das Malz, woher erstmal die Braugerste????? Und der Hopfen?

Fürchte aber, selbst Brauer, Bäcker, Käser, Fleischer von heute wären ohne "die kleinen gefriergetrockneten Helferlein" und all die Hilfsstoffe ziemlich aufgeschmissen. Die bekommen derart vorkonfektionierte Ware angeliefert, dass das handwerkliche Tun auf ein MInimum geschrumpft ist. Ich persönlich kenne nur Hobbytäter (auch gelernte) die ohne Hilfsstoffe und Reinkulturen arbeiten.

Nein, der Mensch wird nicht verhungern und verdursten, selbst Leute, die Kartoffeln nur als Chips kennen, werden im Zweifelsfall irgendwie rausfinden, wie das Laub aussieht, dass die unter der Erde wachsen, wie man die Knollen genießbar bekommt.
Und irgendwann auch, wie man Wodka draus macht.

Mein Resümee dazu:

Wer sich schon aus Spaß an der Freud und ohne Not mit Gartenbau und Kleintierhaltung und Lebensmittelverarbeitung befasst, ist da um 23 NAsenlängen voraus.
Trotzdem würde ich es als Einbuße an Lebensqualität empfinden, müsste ich auf den reinen Geschmack von Balkanjoghut verzichten und bekäme nur eine regional wild gesäuerte Dickmilch. Gut, vllt wäre ich sogar dankbar dafür eines Tages.
Ist eine Frage der Lebensumstände. MÖge es nie dahin kommen.

Vllt wäre ich einres Tages froh, Kleidung auf dem Leib zu haben und der Traum von einer Waschmaschine und einem 2. Satz Kleidung wäre Hybris. Vorläufig bin ich aber froh, eine Waschmaschine zu haben.
Und einen Kühlschrank, um Kulturen und Enzyme zu lagern.

Einen schönen Abend!

LAndfrau

Bunz
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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#13

Beitrag von Bunz » Di 5. Jul 2011, 05:44

Na gut, Landfrau,
ein Beispiel:
Früher, als mir noch nicht eingeredet wurde, daß man Reinhefen braucht, überließ ich meinen Obstwein einer wilden Gärung.
Es kam eben das heraus, was gerade vorhanden war als Hefe.
Na und?
Mal schmeckte er eben so, und mal so.
Allerdings gebe ich zu, daß ich beim Bier die Hefe kaufe, und das Lab auch. Hm.
Also muß ich mich auch da noch auf den "Zusammenbruch" vorbereiten.
Für das Lab habe ich allerdings schon die Alternative (Pflanzen). Ist eben nur mühsam und noch nicht ausprobiert.
lg
Bunz
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Sebastian Kneipp

Landfrau

Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#14

Beitrag von Landfrau » Do 7. Jul 2011, 15:13

Du warst ja früh auf, vorgestern, Bunz!

Na, zu den Hefen, hatten wir gestern auch Spaß mit....
Die guten gefriergetrockneten in der alukaschierten Papiertüte sind bestellt, aber noch nicht da.
Es fielen uns 4 Eimer Morellen in den Schoß.
Die haben wir geschreddert zu Maische.

Was tun?

Aus dem gärenden, besser gesagt ausgegorenen Holunderblütenwein einen Gärstarter herzustellen gelang nicht - der zuckte kein bischen.
Nix mit Weiterzüchten, der hatte wohl schon zuviel Alk, die Hefen hatten sich selber umgebracht (wobei ich hier immer den Analogieschluss zwischen Saccharomyces cerevisiae und Homo sapiens zu ziehen geneigt bin).

Also kurz vor feierabend in die nächste Fachdrogerie gefahren - und hier sind die Entfernungen weit - und Flüssighefe gekauft.

Nächster Gärstarter aufgesetzt. Bis zum Schlafengehen zuckte auch der nicht, trotz zärtlichster Bebrütung.
Flüssighefe ist verdammt empfindlich, die braucht in der Auslieferung nur einmal überwärmt zu werden - bingo.

Was tun?

Der LAndmann wuppte schnell entschlossen den ganzen Gärbehälter mit der Maische in die fast leere Tiefkühltruhe, nun warten wir auf bessere Zeiten bzw die Sendung mit der Hefe (nicht der Maus).

Und ich komme nicht an die Bratwürstchen, die liegen nämlich unter dem Gärbottich.

Na gut, war nur anekdotisch.

Und trotzdem lehrreich:

Selbstversorgung hat nichts mit Marmeladekochen zu tun, sondern mit der Frage: "Wie erfülle ich die Nachfrage meiner Familie nach gesüßten Fruchtprodukten, wenn es keinen Zucker zu kaufen gibt?"

oder auch: wie mache ich leckeren, kopfwehfreien Wein, wenn es weder Reinzuchthefe gibt, noch Strom für den Tiefkühler, um das Obst zwischenzuparken, bis DHL endlich das Paket mit der Hefe bringt?????

Land - frau, aber keine Selbstversorgerin

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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#15

Beitrag von BernhardHeuvel » Do 7. Jul 2011, 20:45

Ein Buch mit Anregungen zum Selberprobieren, daß ich empfehlen kann:

Wild Fermentation: The Flavor, Nutrition, and Craft of Live-Culture Foods
von Sandor Ellix Katz
ISBN: 978-1931498234

Hier sein Webauftritt: http://www.wildfermentation.com

Immerhin experi-fermentierte er 17 Jahren lang mit wilden Mikroben.

Gruß vom Lande
Bernhard

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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#16

Beitrag von Bunz » Fr 8. Jul 2011, 05:15

Landfrau hat geschrieben:was meinst, wer käme damit zurecht?
Alle.
Warum?
Weil alles von der Faulheit diktiert wird.
Im Moment kommt "man" besser (fauler) zurecht, wenn man sich aus dem Supermarkt ernährt (wenn man mal von der Qualität absieht).
Deshalb sind wir hier auch nur Wenige.
Was meinst Du wohl, was passiert, wenn der Supermarkt zu macht?
Ganz schnell wird man sich besinnen. Das kannst Du mir glauben.
Gut, ein Beispiel:
Fassungslos erlebte ich, wie "man" nach der "Wende" hier alle seine Obstbäume durch irgendwelche hinterindischen Zwirbelkiefern ersetzte und die Hühner köpfte.
Es war nämlich plötzlich weniger arbeitsintensiv, das einfach zu kaufen, was vorher Mangelware war.
Nur der Idealist Bunz blieb übrig.
Und wenn's wieder andersrum geht, "wendet" man sich wieder. Das geht ganz schnell. Nur keine Sorge.
Und nun zum Wein:
Nur Geduld, meine Liebe. Bei wilder Gärung dauert es halt etwas.
Das Ganze in den Tiefkühler zu stellen, war falsch.
Notfalls muß man eben auch das nötige Klima herstellen, also mit Zucker und Zitrone arbeiten, und mit Wärme sowieso.
Viel Erfolg!
lg
Bunz
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Sebastian Kneipp

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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#17

Beitrag von Rati » Fr 8. Jul 2011, 09:13

Landfrau hat geschrieben:...Aus dem gärenden, besser gesagt ausgegorenen Holunderblütenwein einen Gärstarter herzustellen gelang nicht - der zuckte kein bischen.
Nix mit Weiterzüchten,...
ich hätt ihm noch einen Tag gegeben. Kann zwar sein das tatsächlich schon alle tot waren, aber Bunz schriebs ja schon. Wild dauert etwas länger.
mein erster (und einzigster) Spuck Met hat fast drei Tage gebraucht bevor ich sicher war das er loslegt.
Landfrau hat geschrieben:...Nächster Gärstarter aufgesetzt. Bis zum Schlafengehen zuckte auch der nicht, trotz zärtlichster Bebrütung.
Flüssighefe ist verdammt empfindlich, die braucht in der Auslieferung nur einmal überwärmt zu werden - bingo....
da hätte ich auch noch ne Chance bis zum nächsten Morgen gegeben. Obwohl ich zugebe, das da die Gärung normalerweise recht flott sichtbar wird.
Klar, je länger es dauert, des to höher das Risiko das es daneben geht. Aber so lange du die Luftzufuhr unterbindest, wird - egal durch welchen Organissmus- fast immer eine alkoholische Gärung ausgelöst.

Hauptsache ihr habt eine Lösung gefunden.


Grüße Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

Landfrau

Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#18

Beitrag von Landfrau » Fr 8. Jul 2011, 13:25

Kenn das so, dass intakte gefriergetrocknete Hefen in ca 1/2 liter naturtrübem Apfelsaft bei ca 25 Grad innerhalb von 30 min anfangen zu schäumen.
Wie Backhefe.

Wir sind etwas nervös geworden, weil wir ja die Morellen schon geschreddert hatten, es warm war und wir jede Fremdinfektion vermeiden wollten.
Gab schon 2 mal Essigbakterieninfektionen bei uns. Das eine Mal bei einer MAische aus 16 kg SChlehen - man kann sich vorstellen, wie lange wir daran gepflückt haten......
Man kann, wenn früh genug bemerkt, bei einer Essigbakterieninfektion thermisieren (oder man schwefelt vorbeugend, würde aber die Weinqualität verderben) und neu impfen, aber das muss ja nicht sein. Hätte man die Möglichkeit, eine SChutzatmosphäre auf die Maische zu geben oder sie unter Druck zu lagern, könnte man 1 - 2 Tage auf den Gärstarter warten......

Übrigens hatte ich aus Zeitmangel den Gärstarter aus der Flüssighefe noch nicht entsorgt - als ich grad heimkam, blubberte der. 2 Tage später. War also noch nicht tot, aber nun ist die Maische im Tiefkühler......

Was lernt man daraus? Einen Gärstarter nicht eine halbe Stunde, sondern 2 Tage vorm Impfen ansetzen.
Nur leider weiß man nicht immer so genau, wenn man Obst geschenkt bekommt, mangels Kristallkugel.

Wobei das Tiefkühlen aber auch nicht nachteilig ist - der Sauerkirschwein soll als "Federroter" getrunken werden mit den Nachbarn und durch die Zwischenlagerung im TK kann ich nun den Tag dafür relativ gut vorherbestimmen.

Es ist und bleibt ein spannend Thema, wobei ich nach wie vor ungern auf sichere und reproduzierbnare Ergebnisse bei mikrobiell / enzymatisch veränderten Nahrungsmitteln verzichten würde.

Schön wäre, sich hier selbermacherisch freischwimmen zu können, ohne allzu große geschmackliche und qualitative Einbußen.

Wer bestimmt das Nullniveau bei Geschmack und Qualität?

Allzumeist die Lebensmittelindustrie. Kann man bedauern, ist aber so.
Balkanjoghurt aus demdt Supermarkt kann man gut essen.
Balkanjoghurt bei der anatolischen Hausfrau daheim macht Würgreiz.
Balkanjoghurt bei Selbstversorgers daheim erfordert viel Sorgfalt, Disziplin und Sauberkeit.

Vermutlich ist das Problem, dass wir Menschen immer alles wollen, ohne Rücksicht auf die Regionalität.

Balkanjoghurt, Trockenfleisch, Wein aus eigener Verarbeitung,
Tomaten, Pfirsiche, Melonen im Garten,
legende Hennen, wollige Schafe, zahme Bienen, klauengesunde Esel im Stall

- und das alles in Niedersachsen, wo nichts davon her- und hingehört.

Genauso wenig wie Gewürze und viele der feinen Kaltpressöle sowie unsere Genussmittel.

beschränkte mansich aufs Heimische, wäre man wieder bei den frugalen rezepten der anderenorts empfohlen GRundkochbüchern der ldl Hauswirtschaft: Getreide, Kartoffeln, fettiges Schweinernes, Milchprodukte, Grobgemüse, etwas GRünzeug und Obst.

Nix, was der Ernährungsberater empfiehlt.

LAndfrau

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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#19

Beitrag von stoeri » Do 30. Aug 2012, 08:01

schade das hier nicht weiterberichtet wird.

Kann man diese frischen Hefewürfel und den eigenen hergestellten Sauerteig einfrieren?
herzliche Grüße
Erika mit Lux und Ricky im Herzen

Wenns nur olle so waradn, wia i sei soiad.

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Re: Kulturen und Enzyme bevorraten

#20

Beitrag von Olaf » Do 30. Aug 2012, 08:25

Ja, find ich auch, aber grad LF und bunz schauen nur noch selten rein.
Aber der Thread trifft wirklich einen wunden Punkt bei unseren ganzen Selbstversorgungsgedanken, wo kriegt man das Zeug her, was man sich so locker in der Apo kauft und auch den Säurestarter fürn Käse, den kann ich prima selber vermehren, muss ihn aber in der TK aufbewahren zwischenzeitlich.
Wobei ich denke, grad in schlechten Zeiten wird sowas wieder eher verfügbar sein, weil dann gibts es einen entsprechenden Markt und nicht nur die Nischenproduktion für son paar Spinner.
Egal, vielleicht kann man ja mal was sammeln.
So wie Sabine letztens schrieb, das Kohl recht schnell "von selbst" milchsauer gärt wäre das z.B. ein Gedanke, ob man das als Säurestarter für Milch nutzen könnte, Kohl ist ja einen großen Teil des Jahres verfügbar. (Sicher, Milch wird auch so sauer, aber vielleicht ist es so reproduzierbarer? Fürn Käse z.B. ist der Säurungsgrad kritisch....)
Mir sind letztens entkernte und eingezuckerte Pflaumen so was von schnell in ne alkoholische Gärung übergegangen, da kommt Ratis Spucke als Starter nicht mit (die aber hat er ganzjährig). Den Aroniawein mit einem Schuss unfertigem Met in Gang zu bringen ging hervorragend.
Und was mich noch interessieren würde, was war als Notbremse daran falsch, den Weinansatz einzufrieren und auf bessere Zeiten zu warten (ursprünglich hatte ich mit den Pflaumen das gleiche vor, (abpressen, einfrieren), außer dass die freiwillig zu gären anfingen - die landeten aber auf dem Kompost.
und @ Erika: ST trocknest DU besser. Bei (Back-)Hefe scheiden sich die Geister, ich hätt immer nein gesagt, aber unlängst berichteten welche, denen ich glaube doch das ginge. Säurestarter wiederum kann ich versichern geht auch einzufrieren, da wiederum hatten andere das Gegenteil behauptet. Weinhefe geht nicht im Hausgebrauch einzufrieren, da sind sich alle einig, also es geht wohl, ist aber furchtbar kompliziert...
LG
Olaf
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

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