Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

Sonne, Wind und Feuer
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kraut_ruebe
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Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#1

Beitrag von kraut_ruebe » Do 30. Sep 2010, 06:55

in güssing versucht man den nächsten schritt zum thema energieautarkie: als zwischenfrucht wird gras auf den äckern angebaut und zur energieerzeugung genutzt. es scheint so, als könnte es funktionieren:

http://burgenland.orf.at/stories/473021/
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Dieter2

Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#2

Beitrag von Dieter2 » Fr 8. Okt 2010, 03:45

Hallo Angela. Bitte verzeih mir, wenn ich skeptisch bin. Auf den ersten Blick tönt das nach einer guten Idee. Aber einige Dinge geben mir zu denken.

Denn die schnellwachsenden Gräser sollen nur auf frisch abgeernteten Feldern - als sogenannte Zwischenfrucht - angebaut werden.

Meines Erachtens dient die Zwischenfrucht der Regeneration des Bodens und und sollte beispielsweise im Winter das Feld bedecken. Wenn man andauernd nur nimmt, dann laugt der Boden aus, selbst bei intensiver Düngung (insbesondere Kunstdünger).

Es gibt meiner Meinung nach schon jetzt zuwenig Agrarland. Mit der Produktion von Biogas für den Elektromarkt bedient man den Energieverbrauch auf Kosten der Lebensmittelproduktion. Biogas kann man einsetzten, aber nur soweit, wie man ohnehin Grünabfälle hat, das reicht aber schon für einen Kochherd (So wie die Mönche dazumals).

Strom aus Gras erinnert mich etwas an Bio-Ethanol, also Benzin aus Zuckerrohr. Da hat man auch erkannt, dass es keine Lösung ist, insbesondere, weil in Entwicklungsländern die Lebensmittelpreise dadurch in die Höhe gingen.

Eine Hektare deckt den Bedarf von 3 Haushalten, heisst es da. Nehmen wir an, das sind 3000 Watt. Also pro Meter 0.3 Watt Dauerleistung. Solarzellen bringen aber etwa 50 Watt pro Quadratmeter (bzw. 100 Watt tagsüber). Eine Fläche von 6 mal 10 Meter- kleiner als die meisten Hausdächer - bringt also die gleichen 3000 Watt.

Und so eine moderne Biogasanlage mit Stromerzeugung ist High Tech. Das lohnt nicht für 3 Haushalte. Das zielt auf eine Umnutzung grösserer Agrarflächen hin - trotz der Beteuerung vwg. "Zwischenfrucht". Biogas ist ne Gute Sache, aber nicht bei einer Umnutzung des Bodens. Der Strom wird dann ja benutzt für 3 Meter Plasma-TVs und son Zeug. Dann doch lieber Kartoffeln.

Gerade weil es vor allem hier bei mir so schwer ist, überhaupt noch Kulturland angeboten zu bekommen, reagier ich immer grundsätzlich etwas ablehnend auf Umnutzungen von Agrarland.

War aber nicht besserwisserisch gemeint, ich hoffe, es kam nicht so rüber. :aeh:

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kraut_ruebe
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Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#3

Beitrag von kraut_ruebe » Fr 8. Okt 2010, 06:51

hallo dieter 2,

der versuch zielt darauf ab, energie eben NICHT auf kosten der lebensmittelgewinnung zu erzeugen.

und für sehr viele menschen, die vergleichzahl für drei haushalte war nur ein erklärungsversuch des flächen-ver/ge-brauches. dass anderswo auf der welt platz für ackerland knapp ist, kann ich mir gut vorstellen. hier jedoch nicht und ein verzicht auf nutzen der ressourcen vor ort bringt niemand was.

die gesamte stadt güssing mit etwa 4000 einwohnern ist energieautark und stolz darauf. und einige umliegende dörfer können schon mitversorgt werden bzw. die technologien nutzen. und natürlich gibt es auch solare energieaufbereitung und weitere vorstösse in richtung energiegewinnung aus der sonne. nur halt nicht an der landwirtschaftsschule. die ist für den boden da ;)

soll jetzt auch nicht besserwisserisch klingen. aber wenn jede stadt sich ebenso wie güssing so intensiv damit beschäftigen würde, seine eigenen ressourcen schonend einzusetzen statt atomstrom oder russisches erdgas von aussen zu ordern, wäre - meine meinung - die welt anders als sie es jetzt ist. und besser.
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aurora

Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#4

Beitrag von aurora » Fr 8. Okt 2010, 11:54

hallo beisammen.


bei der Argumentation, es gäbe eh zuwenig Agrarflächen, die können nicht für Energieerzeugung genutzt werden, bin ich skeptisch, auch wenn mir jetzt keine Zahlen präsent sind.

Der ganze Maisanbau dient fast ausschließlich der Fleischproduktion . Wenn der Fleischkonsum wieder zurückgefahren würde, könnten die Flächen für die Energieproduktion genutzt werden, wobei der konventionelle Energiemaisanbau natürlich ökologisch auch nicht sinnvoll ist.

Der Hunger in weiten Teilen der Welt läßt sich nicht mit Weizenspenden aus dem "Norden" kompensieren. Gerade derartige
Lierferungen machen die dortige bodenständige Landwirtschaft kaputt. Trotz Temperaturanstieg und Hochwasser wird es wohl noch etwas dauern, bis man mitteleuropäischen Reis und Hirse gegen Kaffee und Bananen direkt tauschen könnte.


aurora

roland
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Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#5

Beitrag von roland » Fr 8. Okt 2010, 12:57

Roland
Ich bin auch skeptisch, was die Stromgewinnung aus Biomasse angeht.
Ich befürworte die Gewinnung von Biogas aus den "Resten" der Nahrungsmittelherstellung, aber das Gas sollte dann ins Erdgasnetz eingespeist und nicht erst noch dreimal umgewandelt werden, bis es zuhause beim Nutzer genutzt wird (Gas zu Wärme, Wärme zu Bewegung, Bewegung zu Strom)
Den Strom sollte man lieber mit Sonne und Wind herstellen. Die Mischung machts!!

Natürlich stellt sich die ganz grosse Frage, wie viel Biomasse einem Hektar ohne Abbau des Bodens entnommen werden kann, aber das gilt auch für die Nahrungsmittelherstellung.
Ach ja, wg Fleischherstellung: Hier im Rheintal ist der Mais hauptsächlich Energiemais - mir wäre eine Wiese mit Kühen lieber, und aus deren Dung könnte man immer noch Biogas herstellen!! Nur halt nich so wirtschaftlich.
Roland

matt23
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Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#6

Beitrag von matt23 » Fr 8. Okt 2010, 14:20

Also fast alle Biogasanlagen die ich kenne verwerten bereits Gras und Kleegrasgemenge. Das ist nichts neues.
Nur ist der Aufwand für gutes Grünland halt höher als für Mais. Das Gras muss 4-5 mal gemäht, geschwadet, gehäckselt und einsiliert werden. Der Mais wird einmal gehäckselt und einsiliert. Der Aufwand ist also bedeutend weniger. Ackerland bringt einfach höhere Gewinne. Meiner Ansicht nach ist das eigentlich nur für Grünlandgegenden interessant, die aufgrund der Witterungs- oder Bodenverhältnisse keinen vernünftigen Ackerbau betreiben können.
Kleegras wird als Zwischenfrucht eigentlich nur von den Biobetrieben angebaut. Und wenn die selber keine Tiere haben und es somit nicht verwerten können, wirds halt auch an die Biogasanlagen verkauft.
Der ganze Maisanbau dient fast ausschließlich der Fleischproduktion
Bei uns in der Region mit Sicherheit nicht. Das war mal in den 70ern der Fall, als die Bullenmast mit Maissilage groß aufkam. Aber mittlerweile gibt es hier immer weniger Rinderhalter, dafür mehr Biogasanlagen, und Körnermais wird hier auch kaum gedroschen. Bei uns geht der meiste Mais in die Energierzeugung. Haben bei uns im Landkreis eh eine der höchsten Biogasanlagendichten in ganz Deutschland :hmm:
Mit Geduld wird aus Gras Milch.

aurora

Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#7

Beitrag von aurora » Fr 8. Okt 2010, 16:07

hmmhh ?? hallo Matt,

bei Euch gibts wohl Staudenmais. In unseren Breiten wird der Mais gesät, gedüngt, gespritzt und nach dem Häckseln wird die Fläche umgebrochen . Und der Mais wird nach der Ernte als ganze komplette Pflanze siliert und verfüttert. Uns wenns bei Euch keine Bullenmäster mehr gibt , dann umso "schlimmer". dann wird bei Euch das Fleisch wohl importiert ...

lg aurora

matt23
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Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#8

Beitrag von matt23 » Fr 8. Okt 2010, 17:34

Was soll denn Staudenmais sein??? Hab ich ja noch nie gehört....
Ich bezog mich bei meinen Ausführungen rein auf die Ernte, denn (nach-)gesät, gedüngt und gespritzt wird das Grünland auch. Der Mais wird ebenso als ganze Pflanze siliert und (an die Biogasanlagen) verfüttert.
Bullenmäster gibt es schon noch, aber halt nur noch sehr wenige.
Mit Geduld wird aus Gras Milch.

Manfred

Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#9

Beitrag von Manfred » Fr 8. Okt 2010, 18:12

Bullenmast kann wirtschaftlich nicht gegen Biogas anstinken.
Bei uns halten die ehemaligen Bullenmäster in der Regel nur noch genau so viele Bullen, wie sie zur Verwertung ihres Grünlandes (das sie mit den Äckern pachten müssen) und für die Ausgleichszahlungen (Mindestviehbesatz/ha) halten müssen. Jeder Bulle mehr wäre ein Draufzahlgeschäft.
Wo sich Biogras breitmacht, muss Bullenmast weichen, weil sie bein den Pachtpreisen nicht mithalten kann.

Auch bei den Biogasanlagen zählt nur billiges Futter.
Wie viel Euro kostet die Tonne Futter und wie viel Gas lässt sich daraus produzieren.
An Mais kann da in den meisten Regionen nichts hinstinken.
In Grenzertragslagen manchmal Getreide-Ganzpflanzensilage (GPS).
Alles andere wird nur in den Fermenter gekippt, weil es billig zu haben ist, weil die Flächen nicht mit Mais bebaut werden können oder dürfen, oder weil es hohe Zuschüsse dafür gibt.
Erst wenn jemand eine Pflanze oder Pflanzenmischung zuwegebringt, die bei Kosten und Ertrag mit dem Mais mithalten können, oder wenn andere Pflanzen viel höher subventioniert werden, wird sich daran was ändern.

Die Idee mit dem Gras als Zwischenfrucht lässt sich z.B. gut mit Mais kombinieren.
Nach Getreide wird im Spätsommer Gras gesät, und im Frühjahr vor der Maissaat siliert.
So hat man zusätzlichen Ertrag von der Fläche in einer Zeit, wo man keine verkaufbaren Nahrungsmittel darauf erzeugen kann.
In vielen Ländern ist 2 x Getreide pro Jahr bis zur Reife möglich. Bei uns (bis auf wenige Gunstlagen und da nur mit schlechten Erträgen für dei 2. Saat) nicht. Deshalb ist eine Zwischenfrucht zum Füttern der Biogasanlage durchaus erstrebenswert.
Auch die Stickstoffbindung des Ackers steigt durch den Winterbewuchs. So wird die Nitratauswaschung ins Grundwasser reduziert.
Wen der Ertrag die Kosten rechtfertigt: Sehr sinnvolles Projekt.

matt23
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Re: Strom aus Gras - ein 3-Jahres-Versuch

#10

Beitrag von matt23 » Fr 8. Okt 2010, 18:18

Manfred, du bringst es auf den Punkt!
Bei uns wird als Zwischenfrucht eher Grünroggen angebaut, da er mehr Ertrag bringt als Gras und relativ unkompliziert ist. Kommt natürlich auch in den Fermenter.
Mit Geduld wird aus Gras Milch.

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