phacelia

Das Faultier
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Gutmenschlichkeit mach manchmal auch nur Schaden

#11

Beitrag von Das Faultier » Sa 9. Jun 2012, 13:14

Sabi(e)ne hat geschrieben::lol: Imkerprotest!
Ein Hektar Phacelia ist bei richtigem Wetter und genug Bienen gut für 200kg Honig - bitte blühen lassen und erst NACH der Blüte absägen...
Wieviele Völker braucht es denn für 200 Kg Honig in ca. 4 Wochen ?
Wieviele Imker würden das denn gern machen, um ihren Honig dann
wie zu verwerten ?

Ich sag Dir jetzt genau, wie es läuft.
Honig kommt aus der Fabrik, es kostet 2,99 Euro das
halbe Pfund und das gibt's im Regal links gleich neben Kaffee und
Zahnpasta.
Imker hat noch 5 - bis 10 Völker nur so als Hobby,
er fährt sie auch nicht mehr raus, sondern läßt sie
in seinem eigenen Garten.
Im Umkreis von 10 Km, d.h. auf ca. 30 000 ha gibt es
noch 5 Imker und die haben ein Durchschnittsalter von
75 Jahren.

Aber nun kommt das Beste.
Unsere Wildbienen.
Es gibt vielleicht noch 100 Arten, die sich in Wald verstecken
und deswegen noch nicht kurz vor der Ausrottung stehen.
Warum wollen wir diese letzten Tiere mit Phacelia in die freie
Landschaft locken, wo sie dem nächsten zufällig abgespritzten
Insektizid zum Opfer fallen ?

Warum wollen wir den letzten 3 Hummeln Phacelia vorsetzen ?
Damit sie die Obstbäume links liegen lassen ?

Wie schon angedeutet, steht Phacelia bei mir als Beikraut
z.B. im Kohl. Da sollen ruhig mal ein paar Wildbienen oder
Wespen hin, damit sie die Raupen vergrämen, denn das
ist mir in Handarbeit zu aufwändig.

Das Faultier

Sabi(e)ne
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Re: phacelia

#12

Beitrag von Sabi(e)ne » Sa 9. Jun 2012, 16:26

Nein. Du weißt nicht soviel über Imker und Natur, wie du meinst.... :lol:

Erstens gibt s noch fast 1000 Berufsimker, mit Völkerzahlen über 150 bis 600, die ständig wandern müssen, und permanent auf der Suche nach zeitweisen Stellplätzen an Blühflächen sind, und zweitens gibt es auch noch etwa 60-70.000 Hobbyimker. Das ballt sich zwar hauptsächlich im Süden, wegen des begehrten Waldhonigs (wenn es denn welchen gibt), aber z.B. sponsort der Graf von Croy im Münsterland den Imkerverein Gescher, und wenn er dann zur Rapsblüte pfeift, kommen alle mit ihren Völkern - seine Erträge sind dank Vollbestäubung sehr gut, und durch die schiere Menge an Bienen braucht er sogar weniger PSM, weil die Käfer sich abfallen lassen, sobald eine Biene auf der Pflanze landet.
Die Käfer kommen dadurch nicht so wirklich zu ihrer Bestimmung... :lol:

Im Raps und Phacelia sind bei richtigem Wetter bis zu 50kg/pro Volk in 2-3 Wochen möglich und machbar.
Unsere Wildbienen.
Es gibt vielleicht noch 100 Arten, die sich in Wald verstecken und deswegen noch nicht kurz vor der Ausrottung stehen.
Warum wollen wir diese letzten Tiere mit Phacelia in die freie Landschaft locken, wo sie dem nächsten zufällig abgespritzten Insektizid zum Opfer fallen ?
Das ist schlicht Quatsch. Wildbienen sind alles Solitärbienen, also nicht staatenbildend, und die schlüpfen keineswegs alle im Frühjahr, sondern exakt auf ihre Bestäuberpflanzen abgestimmt - jede Art hat sich mit ihren Pflanzen entwickelt.
Solitärbienen leben im allgemeinen auch nur zwischen 2 und 6 Wochen, und vor allem "verstecken" die sich keineswegs im Wald, sondern leben im allgemeinen da, wo auch ihre Pflanzen verfügbar sind, also in allen möglichen Landschaftsformen, von Ödland über Magerrasen und was weiß ich, halt überall, aber eben artspezifisch gebunden.
Eine Sandbiene braucht, wie der Name sagt, Sand um ihre Eier zu verbuddeln, und exakt den Pollen ihrer Bestäuberarten - ihre Zungen passen nicht in alle möglichen Blüten.
Man wird also kaum jemals Sandbienen am Raps oder Phacelia auf schweren Böden sehen, die Solitärbienen sind alle extrem spazialisiert, was ihr Habitat, ihre Ernährung, und ihre Fortpflanzung angeht.

Daß die Bienen Wildarten den Nektar wegfressen, ist schon lange widerlegt - das Gegenteil ist der Fall.
Wenn es eine Delle in einer Population gibt, sind es die Allrounder Honigbienen und Hummeln, die dann bei den Pflanzen doch noch für Bestäubung und damit deren Erhalt sorgen.
Sind die Nahrungspflanzen einmal weg, siind sie weg, und in Folge stirbt auch die betreffende Bienenart aus.
Die gesamte Insektenpopulation stirbt eher an chronischer subletaler Vergiftung durch systemische Insektizide (minimalste Mengen im Wasser/Pollen/Nektar, als daß sie direkt vergiftet wird, siehe das Beispiel Guttationswasser in den Blattachseln von Mais - da lebt die Biene keine 2 Minuten mehr.
Von Ferkeleien wie frei herumliegende gebeiten Maiskörnern ganz zu schweigen, und von den anderen Sachen fange ich lieber gar nicht erst an....
Warum wollen wir den letzten 3 Hummeln Phacelia vorsetzen ? Damit sie die Obstbäume links liegen lassen?
Falsch - zum Zeitpunkt der Obstblüte sind bei Hummels die Königinnen grad mal wach und auf der Suche nach einem Bau, die haben gar nicht die Kopfzahl, irgendwas nennenswert zu bestäuben, außerdem sind sie nicht blütenstet wie Bienen.
Klar kann man im Labor gezüchtete Hummeln kaufen, auch Oscornia, aber man muß sich darüber im klaren sein, daß die Königinnen dauernd der Natur entnommen werden, weil die Inzuchtanfälligkeit bei Hummeln noch viel größer ist als bei Bienen.

Ich war vor 3 Jahren bei einem Vortrag von Rolf Witt über Bestäubung und Entwicklung von Blütenformen - absolut faszinierend, vor allem die laaaaaange Diareihe aus den Tropen, wo ja alles etwas größer ist bei Insekten & Blüten, da gibt es unter anderem einen 20cm großen Falter mit einer Zunge, die etwas über einen Meter lang ist, und entsprechend tiefe Blüten braucht - dieser Falter kann nur von dieser einen Pflanzenart leben, und diese Pflanze nur durch ihn.

Es ist alles viel komplexer als man denkt, und es drastisch auf sein eigenes Weltbild herunterzubrechen, ist eine fahrlässige Verallgemeinerung.

Wie schreibt Luitpold so schön: Fakten können Weltbilder ins Wanken bringen... :engel:
(und ich hoffe, ich höre NIEMALS auf zu lernen.)
I love life. And it loves me right back.
And resistance is fertile. :-)

Words are no substitute for actions...

AnamPrema

Re: phacelia

#13

Beitrag von AnamPrema » Sa 9. Jun 2012, 17:11

wow, danke :bieni: SaBi(e)ne :bieni: für die tolle Schulung,
ich hatte keine Ahnung davon.

AnamPrema

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Re: phacelia

#14

Beitrag von Sabi(e)ne » Sa 9. Jun 2012, 23:04

:lol: AnamPrema, das ist ein Thema, zu dem ich aus dem Stand drei-bis vierstündige Vorträge halten könnte, ebenso zu Wolle, allen anderen tierischen und pflanzlichen Fasern, und was man damit machen kann....
Ich hab ne Menge Schwerpunkte im Leben, und neben Bienen-Umwelt-Ökologie auch fiber-crafts. ;)
Ich färbe grad Kammzüge im Akkord für zaches WollWochenende um die Monatswende, und scheine doch ein gewisses Talent für Farben zu haben - wo man mir doch stets bescheinigte, außer mit Worten ziemlich unkreativ zu sein... :holy:
I love life. And it loves me right back.
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zaches
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Re: phacelia

#15

Beitrag von zaches » So 10. Jun 2012, 09:54

im Gegensatz zu Buchweizen schmeckt Phacelia richtig lecker
Gourmet-Protest: Buchweizen Honig schmeckt einfach köstlich!!!! BUchweizen gehört neben Phacelia hier in jede freie Ecke :holy:
wow, danke :bieni: SaBi(e)ne :bieni: für die tolle Schulung,
ich hatte keine Ahnung davon.
Anam Prena - wenn Du mehr wissen möchtest und DIch einen ganzen Tag damit beschäftigen,m dann komme doch zu unserem Wildbienentag. Du kannst Dir gerne ienes meiner Kinder ausleihen, wenn Du keines zur Hand hast.... :lol:

Und magst Du nicht zum Wollwochenende kommen? Sabine und Fuxi und Jochen kommen auch - dann können wir uns auch mal kennenlernen.
lg, zaches
"Erdachtes mag zu denken geben, doch nur Erlebtes wird beleben." Paul von Heyse

www.hilshof.de

happysebastian
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Re: phacelia

#16

Beitrag von happysebastian » So 10. Jun 2012, 10:25

wow, das ergab ja eine schöne "gesprächsrunde" :)
ich danke euch für die vielen informationen.
die phacelia bleibt jetzt jedenfalls stehen. das war auch vorher schon mein gedanke, es hatte mich nur interessiert
wie sehr das ausufern könnte. und noch eine gute neuigkeit. ich habe letztes jahr ein mulchbeet mit pappe und
laub gemacht. auf der einen hälfte stehen jetzt kartoffeln und die andere übrige habe ich jetzt vom laub befreit und
eine mischung aus phacelia und buchweizen drauf gepflanzt. das wird ein spaß :grinblum:
liebe grüße,sebastian .
you can learn of a tree how to live in ecstasy.

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Re: phacelia

#17

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » So 10. Jun 2012, 16:10

hallo!

Also soweit ich weiß, bestäuben auch Wildbienen Obstbäume. :im:
Hier steht das, was mich an den Honigbienen eher fast sogar ein bißchen "stört" (na ja, nicht wirklich - mögen tu ich alle Bienen):

Außerdem werden bestimmte Pflanzenarten, z.B. unsere Gartenerdbeere von Honigbienen so gut wie nie angeflogen. Sie ist keine Massentracht und daher für ein Bienenvolk in der Regel uninteressant..

Das Wildbienen nicht blütenstet sind, verhindert aber doch eine erfolgreiche Befruchtung nicht??
Bei uns jedenfalls gibt es Wildbienen oder Hummeln auch in den blühenden Obstäumen - vor allem bei den Himbeeren sind sie mir in Mengen aufgefallen!
(ich vermute, wir haben vor allem Mauerbienen und Erdhummeln).
Diese "wilden Bienen" fliegen bei uns auf Bartnelken!
Phacelia hab ich heuer das erste mal im Garten, ausgesäht mit "gestohlenen Samen" aus Wien! ;)

liebe Grüße!

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Re: phacelia

#18

Beitrag von Spottdrossel » Mo 11. Jun 2012, 13:07

:mrgreen: Ich hatte vor 3 Jahren oder so mal Phacelia ausgesät.
Jetzt ist der halbe Garten blau.
Von daher scheint er das mit Dunkelkeimer usw. nicht besonders ernst zu nehmen (die erste Ladung Samen hatte ich einfach in den Strohmulch der Kartoffeln gestreut, ohne sonstige Wartung und Pflege).
Die Brummsels freut´s, ich lasse auch weiterhin Samen streuen, und wer mal falsch parkt, wird halt rausgezogen.
Man sieht gut, wenn die Blüte kleiner wird und sich der Samen bildet, das wäre dann wohl der passende Zeitpunkt, wenn man regulierend eingreifen will.
Das Faultier hat geschrieben: Warum wollen wir den letzten 3 Hummeln Phacelia vorsetzen ?
Damit sie die Obstbäume links liegen lassen ?
Nach der Logik müßte ich jetzt meine Josta, Veilchen und was sonst noch so im Garten wächst, ausrotten, damit die Hummel "vorschriftsmäßig" im Wald hocken bleibt, wo sie nix findet?
Die Natur weiß das selber am besten.
Ich biete möglichst große Vielfalt an, und wen´s interessiert, der kommt vorbeigeflogen - und findet ein Buffet frei von Spritzmitteln und kommt wieder.
Hühner sind auch nur Menschen...
http://www.spottdrossel.net

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ja, schon klar

#19

Beitrag von Das Faultier » Mo 11. Jun 2012, 22:12

aber ich wollte ja auch mal wieder etwas provozieren.
Hab heute meine Mittagsruhe im Hausgarten verbracht und folgendes festgestellt:
- Phacelia war voller Insekten
- Hummeln haben sich am Salbei zu schaffen gemacht
- Marienkäfer sind kaum noch da
- Maikäfer fliegen wie die StuKa
- Staudenblumen wurden sehr wenig besucht
- wenn man genau beobachtet, sieht man viele Raubinsekten, z.B. mehrere Schlupfwespenarten

Aber kommen wir mal zur anfänglichen Frage zurück.
Es ging doch darum, zu verhindern, daß Phacelia sich nach der Blüte wieder aussät.
Vielleicht kann man ja eine konsensfähige Lösung durch eine Umplanung der Fruchfolge
erreichen ?
Wenn nach Phacelia einfach Rosenkohl oder Grünkohl käme, dann wäre die teilweise
Selbstfolge der Phacelia doch der Segen.

Noch eine Anmerkung zu Phacelia:
Sie macht verdammt gute Arbeit nach dem Wiesenumpruch.
Nur an einem einzigen Standort hat sie sich gegenüber der Brennessel nicht durchsetzen
können.

&& die Hummeln: sie sitzen unter meinem Pfirsich, dort haben sie eine Maus aus ihrem
Loch gejagt.

Aber wer meine frühen Äpfel bestäubt hat, kann ich nur vermuten. Hummeln waren nicht da,
weil noch zu kalt.
Vielleicht waren es ja die Aasfliegen, die von einem in der Feldhecke verendeten Waschbären
her kamen ?

Das Faultier

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Re: phacelia

#20

Beitrag von Sabi(e)ne » Mo 11. Jun 2012, 22:45

ina maka hat geschrieben:Also soweit ich weiß, bestäuben auch Wildbienen Obstbäume. :im:

Das Wildbienen nicht blütenstet sind, verhindert aber doch eine erfolgreiche Befruchtung nicht?
Doch.
Zwischen Nektar naschen und dann den Pollen auf dem Rücken genau zu der Art zu bringen, die ihn brauchen kann, sind zwei Paar Schuhe.
Grad Obstbäume haben in den onlinekatalogen nicht umsonst dabei stehen, was die beste Befruchtersorte für jede Sorte ist.
Eine (Wild)Biene, die von einer Pflaume kommt, wird so keinen Apfel bestäuben...(okay, das ist eingeschränkt durch die verschiedenen Blütezeiten...*gg* - aber es gilt trotzdem so), deshalb ist Blütenstetigkeit so wichtig.
In manchen Frühjahren blüht halt alles wirklich gleichzeitig - gar nicht gut für die Obsternte.
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