DieterB hat geschrieben:Manfred, es gibt bei mir keinen “gutmenschlichen Schnappreflex”. Das ist eine Unterstellung. Das ist eine Phrase, die scheinbar in letzter Zeit konjunktur hat. Hat aber nichts mit mir zu tun. Dass das fuer dich ausreicht, um mich mit den Rechten gleichzusetzen ist schon ein starkes Stueck. Die Frage ist daher eher woher kommt dieser agressive Reflex bei dir?
Wenn du meinen Beitrag ohne Vorbehalte gelesen haettest, dann haettest du verstanden, dass ich gegenueber anderen Nationen nicht weniger kritisch bin als in Bezug auf D. Wenn du mich kennen wuerdest, dann wuesstest du, dass ich mich seit ueber 40 Jahren in Tat und Wort dafuer einsetze dem negativen Image der Deutschen im Ausland entgegenzuwirken. Also nochmal ganz deutlich damit es auch jeder versteht: die Deutschen sind weder besser noch schlechter als andere.
Also lass deine Unterstellungen, das ist auch ganz ernst gemeint.
Hallo Dieter,
tut mir leid, wenn ich dir unrecht getan haben sollte.
Ich bin da wirklich empfindlich. Ich halte es für eine ganz üble Masche, Menschen als rechts abzusempeln, die klar Aussprechen, dass es zu ihrer Identität gehört, Deutsche zu sein, und ihnen einen Überlegenheitskomplex zu unterstellen. Leider ist dieses Spiel in Deutschland sehr verbreitet und wird regelmäßig genutzt, um Leute aus allen möglichen Gründen zu moppen und lächerlich zu machen.
Ich kenne kein Land, in dem die Bewohner eine vergleichbare Masche entwickelt hätten.
Das ist ein ähnlicher Mechanismus, wie ihn die katholische Kirche in Bezug auf die Sexualität verwendet. Man nutzt eine völlig natürliche Verhaltensweise, rededet den Leuten ein, sie sei von übel, und nutzt das entstehende schlechte Gewissen, um sie nach belieben zu manipulieren.
Es ist völlig normal, sich seiner Heimat verbunden zu fühlen. Fast jeder Mensch, egal woher er kommt, kenn das Gefühl von Heimweh, lernt mit zunehmendem Alter die Besonderheiten seiner Heimatregion und seines Landes zu schätzen, wie etwa Dialekte etc. Er lernt die Freiheit zu schätzen, die er im Vergleich zu anderen Menschen unter anderen Regimen geniest, die Leistung seiner Vorfahren, die Entwicklungen seiner Zeit, die er evtl. mit gestaltet hat. Und warum soll er darauf nicht stolz sein dürfen?
Es ist schon sehr weit hergeholt, da Überheblichkeit und Nationalismus und weitere negative Eigenschaften zwanghaft hineininterprätieren zu wollen.
Ich habe schon so viele Menschen von überall auf der Welt getroffen. Und alle erzählen von ihrer Heimat, ihrer Herkunft, und vom Schönen und Unschönen, das diese Heimat für sich ausmacht.
Wieso also diese tiefen Gefühle missbrauchen und so tun, als seinen sie untrennbar mit faschistischem Nationalismus verbunden?
Von dieser Interessensteuerung gilt es sich zu lösen. Die schafft nur neuen Selbsthass, der sich irgendwann Bahn bricht. Man kann auch ohne dieses Spiel ganz klar das Negative in der deutschen Geschichte benennen und vermitteln. Dazu braucht es kein Gerede von Erbschuld und kein schon kleinen Schulkindern anerzogenes schlechtes Gewissen ob der Taten ihrer (inzwischen) Urgroßeltern.
Aus meiner Familie sind im WKII mehere Männer gefallen. Mein Großvater väterlicherseits hat Jahre an der Ostfront gekämpft. Musste gleich zu Anfang erleben, wie polnische Kavalleristen mit Lanzen und Vorderladen von ihren Offizieren in den frontalen Sturmangriff gegen deutsche Panzer und MGs getrieben wurden. Wie sie im Hagel der Kugeln und Panzerkartätschen zerfetzt wurden. Er hat das Eiserne Kreuz dafür erhalten, dass er mehrere russische Panzer geknackt und dabei die Besatzungen getötet hat. Alles junger Männer wie er selbst. Und dieser Krieg hat ihn schwer traumatisiert und ihm einen steifen Arm (zerschossener Ellbogen) eingebracht. Gegenüber seiner Familie konnte er nie über seine Erlebnisse reden. Das wenige was ich weiß, weiß ich durch Bekannte, denen er sich in besonderen Momenten öffnen konnte. Für uns als Kinder war er ein Tyrann, hat gesoffen, ist bei jeder Kleinigkeit explodiert und jeden Tag gab es teils stundenlange Schreierei. Seine eigenen Kinder und seine Frau hatten massiv darunter zu leiden, einer seiner Söhne ist selbst zum Alkoholiger geworden. Und auch wir Kinder der zweiten Generation haben viel negatives davon Abgekommen fast jeder von uns hat schwer mit seinem Paket zu kämpfen. Selbst die Urenkelgeneration ist noch davon betroffen. Wir haben ihn gehasst.
In seinen letzten Monaten wurde er dann schwach und gebrechlich, seine Denkfähigkeit schlechter. Er verlor sich zusehens in Träumen und Wahnvorstellungen, konnte Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr unterscheiden und nicht Traum und Wirklichkeit. In den letzten Wochen musste ich oft nachts aufstehen um ihn zu beruhigen. Er träumte immer wieder davon, er sei im Schützengraben verschüttet und müsse ersticken. Lag laut schreiend eingedreht in seinem Bettzeug oder neben dem Bett auf dem Boden.
Erst da habe ich verstanden, wie viel leid dieser Mensch zu ertragen hatte und warum er so war, wie er war. Leider zu spät, um vieles ungesage nachzuholen. Hätte er sich je öffnen können, evtl. wäre seinen Nachfahren viel erspart geblieben.
Wenn es eine Erbsünde gibt, dann kann damit nur soetwas gemeit sein. Das Leid über Generationen hinweg, dass solche Traumatischen Erlebnisse einer Generation in den Familien verursachen können.
Mein Großvater mütterlicherseits war zu jung um noch an die Front zu müssen, hat dafür mit 13 die ganze Pferdearbeit auf dem Hof gemacht, der Urgroßvater zur alt und schwach (der andere schon verstorben). Dieser Urgroßvater hat in den letzten Kriegsmonaten einen Nachbarsjungen vesteckt, der mit gerade 16 Jahren noch an die Front geworfen werden sollte. Die Familie wusste nichts davon, nicht mal seine Frau. Das Risiko war viel zu groß, dass die Kinder etwas ausgeplappert hätten. Der Junge versteckte sich die meiste Zeit im Zwischenboden seiner Werkstatt. Mein Urgroßvater hat auf seltsam gemacht und sich sein Essen in die Werkstatt hinter dem Stall bringen lassen, wo er an Tischler- Dreher- und Schnitzarbeiten gebastelt hat. Hat den Jungen mit seiner Portion durchgefüttert und ist das Risiko eingangen, dass er selbst erschossen würde und seine Familie ins Lager käme, sollte der Junge entdeckt werden.
Bin ich wegen dieser Familienmitglieder als Deutscher ein schlechterer oder besserer Mensch als die Nachfahren eines Russen, Engländers oder Amis, Millionen die im gleichen Krieg um ihr Überleben und das der Männer neben sich und ihrer Familien daheim gekämpft haben und deren Familien auch in der 3. oder 4. Generation noch Nachwehen der damaligen Traumata spüren?