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von Manfred » Do 12. Jan 2012, 13:07
Die oben verlinkten Zahlen aus beinhalten Totgeburten und Verluste bei derAufzucht in den ersten 6 Monaten. Anteilig je ca. die Hälfte. Und die Zahlen kommen meines erachtens ganz gut hin.
Es gibt dabei immer wieder Betriebe mit sehr hohen Verlusten.
Einmal bei den Geburten durch Zucht- und Fütterungsfehler (Geburtsgewicht der Kälber zu hoch, Kühe zu fett. Beides macht Schwergeburten). Dazu kommt, dass bei Betrieben in der Arbeitsfalle Milchvieh öfter ohne Aufsicht kalben muss. Dass führt dann manchmal zu Verlusten, die mit Geburtshilfe vermeidbar wären.
Zum anderen in der Aufzucht durch Managementfehler (schlechtes Stallklima, zu späte Kolostrumgabe) oder schwer in den Griff zu bekommende Keime im Stall. Echt übel für den Bauern, wenn er so eine Erkrankunswelle erwischt und auch der Tierarzt eine ganze Zeit nicht wirklich helfen kann und ein Kalb nach dem andernen fällt, bis endlich eine Ursache ermittelt wird.
Wir hatten früher in manchen Jahren im Winter auch sehr hohe Verluste bis geschätzt 30% durch Durchfall- und Atemwegserkrankungen. Das Stallklima in dem alten, überfüllten, schlecht belüfteten Anbindestall war grauenvoll. Mein Großvater meinte, man müsse das Vieh und vorallem die Kälber warm halten. Dafür lief das Kondenswasser von der Decke...
Als junger Erwachsener hab ich mich dann in die Problematik eingelesen und gegen den Willen von Vater und Großvater ein paar Schnitte gemacht.
Die Belüftung im Stall durch entfernen von Fenstern deutlich verbessert und eine Kälberhütte draußen im Hof gebaut. Sie haben Zeter und Mordio geschrieen, dass jetzt alle Kälber erfrieren oder an Lungenentzündung verrecken würden, haben die Fenster wieder dicht gemacht, den Kälberstall mit Planen eingehült etc. Hat mich einiges an Nerven gekostet, den Mist jedesmal wieder zu entfernen. Irgendwann haben sie sich dann doch gewundert, dass nicht mehr 30% verrecken sondern gar keines mehr und nach ein oder zwei Jahren war es dann in den Hirnen angekommen, dass kalt und trocken viel besser sind als warm und feucht und dass es wichtig ist, dass das Kalb gleich Kolostrum bekommt und man lieber nachts eine Stunde länger wach bleibt bis das Kalb trinken mag als dass man es bis nach der morgendlichen Melkzeit warten lässt.
Heute ist das ja in gut geführten Milchviehbetrieben alles Standard. Die Kälber werden separt in peinlich gereinigten Hütten bei gutem Außenklima gehlaten etc. Aber manchmal schleicht sich halt doch ein Keim oder ein Fehler ein, der alles zunichte macht.
Bei meinen Mutterkühen hatte ich bisher einerseits viel Glück und andererseits habe ich dumme Anfängerfehler gemacht.
Bisher habe ich nur 2 Kälber durch eine Totgeburt verloren. War eine Zwillingskalbung einer älteren Kuh. War Abends noch auf der Weide, zur Kontrolle. Und als ich frühmorgens wieder nachgesehen habe, hatte die Kuh gekalbt und beide Kälber lagen tot auf der Wiese. Der Spurenlage nach kam wohl das erste Kalb verkehrt herum und hatte sich zudem in der Nabelschnur verdreht. Dadurch ist es vermutlich beim Geburtsvorgang erstickt und die Geburt aht so lange gedauert, dass auch das 2. Kalb mit verendet ist.
An den anderen beiden Verlusten bin ich schuld. Das erste Kalb habe ich im 2. Jahr verloren. Ich war noch in München und bin nur an den Wochenenden heim gefahren. Das Kalb war zu früh dran und wurde deshalb ein paar Tage vor dem Weideaustrieb im Tiefstreustall gebohren. Das war ein Einraumstall ohne Kälberbereich, weil nur für die Kühe vorgesehen. Mein Vater hat das Kalb am Donnerstagnachmittag gesehen. Ich hab ihm gesagt, er soll es raus holen. Hat sich aber nicht getraut. Ich habe darauf vertraut, dass es die Mutter bis Freitagnacht schützt, bis ich nach der Arbeit heim fahren konnte. Hätte liefer sofort fahren sollen. Das Kalb hat vermutlich einen Tritt in den Bauch bekommen und konnte nicht mehr aufstehen. Wir haben mehrer Tage versucht, es durchzubringen, bis es schließlich gestorben ist.
Das Zweite Kalb kam 1 Jahr später ebenfalls im Laufstall zu früh zur Welt. Diesmal wollte ich es gleich raus holen. Da der Deckbulle mit im Stall war, wollte ich zu meiner Sicherheit erst die anderen Rinder raus in den Auslauf scheuchen. Und das war schon der Fehler. Statt durch die Tür in den Auslauf ist die Herde 1 x im Kreis im Stall gerannt und das Kalb ist dabei trotz des verzweifelten Versuchs der Mutter es zu schützen unter die Räder gekommen und ebenfalls in den Bauch getreten worden.
Es ist mir noch ein drittes Mal passiert, dass ein Kalb zu früh im Stall zur Welt kam. Da bin ich aber dann einfach rein, direkt zum Kalb, Kalb geschnappt und wieder raus in den Auslauf. Die Mutter kam brav mit durch die Tür. Haben die Mutter gleich zur Weide gefahren, das Kalb sicherheitshalber separat hinterher und gut war es.
Wenn man die Kühe gezielt im Stall kalben lässt, braucht man einen separaten Abkalbebereich und einen Kälberschlupf. Selbst wenn das Kalb unbemerkt im Tiefstreustall bei der Herde zuer Welt kommt, sucht es bald den Kälberschlupf auf, wo es unbehelltig liegen kann. Und nach ein paar Tagen sind die Kälber eh so schnell und fit, dass sie ohne große Gefahr im Stall in der Herde laufen können.
Insgesamt liegt mein Verlust durch diese 4 Kälber bei ca. 4%. Ohne die 2 selbst verschuldeten wären es 2%. Ein Traumwert, den man nur mit entsprechendem Glück bei den Abkalbungen erreichen kann. Ich bemühe mich um Bullen aus leichtkalbigen Linien (geringes Geburtsgewicht) und darum, dass die Kühe vor der Kalbung nicht zu fett sind.
Aber Pech kann man immer haben. Mein Onkel hatte z.B. mal einen Deckbullen mit Doppellender-Gen erwischt. Der Bulle selbst war normal bemuskelt, aber bei den Kälber ist es voll durchgeschlagen und er hat in dem Jahr gleich mehrere durch Schwergeburt verloren. Seither lässt er die Bullen vor dem Einsatz darauf testen...
Einen Gesundheitsvorteil habe ich auch durch die Frühjahrskalbung auf der Weide. Da ist die Keimbelastung einfach viel geringer als bei Winterkalbung im Stall. Aber der Abkalbezeitpunkt muss zum Betriebskonzept passen. Frühjahrskalbung kann nicht jeder machen.