Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2961

Beitrag von Manfred » Mo 11. Okt 2021, 14:24

Zottelgeiss hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:08
Dazu ein kurzer Einwurf:
https://hamfelderhof.de/

Die erhöhen den Verkaufspreis pro Liter um 20 Cent.
Das ist ja gut und schön, dass es einen Nischenmarkt von kleiner 1% der Gesamtmenge gibt, der das kann,
aber es ist halt keine Lösung für die Masse der Betriebe.
Laut der betriebswirtschaftlichen Auswertungen sind sogar die meisten Milchautomaten defizitär. Da braucht es schon einen echt guten Standort in der richtigen Region mit entsprechend zahlungswilligen Kunden.

penelope
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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2962

Beitrag von penelope » Mo 11. Okt 2021, 14:52

Manfred hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:24

aber es ist halt keine Lösung für die Masse der Betriebe.
"Wachsen oder Weichen" ist nur eben auch keine Lösung, bei der alle gut wegkommen. Bei einem übersättigten Markt auf noch weitere Produktionssteigerungen zu setzen, bringt die Masse der Betriebe ja auch nur noch weiter ins Bedrängnis.

Ich will überhaupt nicht einzelne Menschen oder Betriebe kritisieren. Die Entwicklung und die Strukturen der letzten Jahre/Jahrzehnte sind aus meiner Sicht jedoch sehr kritisch.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2963

Beitrag von Manfred » Mo 11. Okt 2021, 17:03

Hier eine Grafik zur Preisentwicklung beim Stickstoffdünger.
Die Preise haben sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Gut die Hälfte der Preissteigerung erfolgte in den letzten Wochen.
https://www.agrarheute.com/media/styles ... alpter.png

@Penelope:
International gesehen, in der "westlichen Welt", sind unsere Betriebe ja sehr klein, selbst viele der für deutsche Verhältnisse großen Ostdeutschen Betriebe.
Der technische Fortschritt und die Stückkostendegression lassen sich nicht wegzaubern, genau wie die bereits stark fortgeschrittene Monopolisierung auf der Abnehmer- und Zuliefererseite.
In dieser Situation einfach immer noch höhere Anforderungen an die Betriebe zu stellen ohne nennenswerten Außenschutz und ohne Inflationsausgleich für die Kosten der Betriebe, führt halt nur zu einem Ergebnis: Der Strukturwandel hin zu immer größeren Betrieben wird weiter beschleunigt.
Nicht die zumeist gute Absicht hinter irgendwelchen Forderungen ist entscheidend, sondern die daraus tatsächlich resultierende Wirkung. Und die Wirkung ist, dass die Betriebe immer schneller immer größer werden müssen, um überhaupt noch davon leben zu können. Bayern schließt gerade wieder Berufsschulstandorte für Landwirte, weil kaum noch jemand diesen Beruf ergreift. Tierhaltungsbetriebe und Schlachthöfe finden keine Mitarbeiter mehr, nicht mal mehr aus Osteuropa.

Wir verlieren aktuell unsere Versorgungsicherheit bei den Lebensmitteln und den landwirtschaftlichen Nachwuchs. Die noch aktiven Bauern sind im Schnitt um die 60 und es kommt nichts mehr nach. Schon alleine deshalb werden die Betriebsgröße in Zukunft weiter stark zunehmen und die Tierhaltung weniger werden, obwohl wir für eine Kreislaufwirtschaft mehr Tiere bräuchten, natürlich besser in der Fläche verteilt als bisher.
Und der Staat kann heute schon nicht mehr gegen dies Entwicklung ansubventionieren oder auch nur die Inflation ausgleichen und versinkt gleichzeitig immer tiefer in Schulden. Also wird auch hier früher oder später die Landwirtschaft ohne Ausgleichszahlungen auskommen müssen.

Auf den besseren Ackerbaustandorten wird sich auch zukünftig Landwirtschaft halten können.
Auf den schlechteren Standorten kann unter den Voraussetzungen nur eine landwirtschaftlich ähnlich wie in Neuseeland funktionieren. Dafür braucht es aber arrondierte Flächen und einen massiven Abbau der Bürokratiekosten, sonst ist so eine Bewirtschaftung wirtschaftlich nicht darstellbar.

Ich habe letzte Woche meine Pflicht-Bodenproben gesammelt. Die Untersuchung im Labor kostet mich ca. 550 Euro.
Morgen kommt die Biokontrolle. Der wird ca. 3 Stunden hier sein. Mit Anfahrt und Nachbearbeitung bei denen im Büro wird mich das ca. 800 Euro kosten. Außerdem habe ich am Wochenende einen Tag lang die elektronischen Formulare der Prüfstelle vorab ausgefüllt, so gut ich konnte. Wobei die gar keine passenden Formulare für ganzjährige Freilandhaltung haben. Das ist selbst im Biobereich eine Ausnahmen, anscheinend. Nur funktioniert dann deren Nährstoffberechnung nicht, weil die aus den Stall-Belegungsplänen abgeleitet wird... Also wird wieder eine Sonderaufwand für händisches Nachrechnen des Kontrolleurs anfallen.
Ich hoffe, er gibt sich mit den Zahlen aus der ebenfalls verpflichtenden Nährstoffbilanz zufrieden, was aber eine elektronisches Formular des Bundeslandes ist und natürlich nicht mit den Formularen der Prüfstelle kompatibel, weil sonst könnten die ja einfach die Daten übernehmen und bräuchten keine Mehrkosten zu berechnen.
Es war vor 2 Jahren oder so mal angedacht das Bio-Kontrollintervall für Betriebe ohne nennenswerte Auffälligkeiten auf 2 Jahre zu verlängern. Das war auf EU-Ebene aber nicht durchsetzbar, weil sich die Kontrollindustrie massiv dagegen verwehrt hat...

Für die Tiere und Flächen interessiert sich der Kontrolleur übrigens nur am Rande. Da reicht eine 15 - 20 minütige Rundfahrt. Wichtig ist hauptsächlich, dass alle Formulare richtig ausgefüllt sind. Selbst die fehlerhafte Groß- bzw. Kleinschreibung der Kontrollstellennummern auf zwei Eingangsrechnungen wurde mir schon bemängelt mit der Auflage, zukünftig keine Rechnungen und Lieferscheine mehr anzunehmen, auf denen das "ÖKO" vorne an der Kontrollstellennummer des Lieferanten in Kleinschrift statt in Großschrift ausgeführt ist, weil das nicht normgerecht sei.

Als ich mit Bio angefangen habe, dachte ich ja mal, da ginge es darum, dass die Flächen naturnah bewirtschaftet werden und es den Tieren gut geht.
Solche Illusionen habe ich längst abgelegt...
Die sind mein privates Hobby. Ansonsten zählt nur der schöne Schein und das Geld in den Kassen der Beteiligten.

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2964

Beitrag von emil17 » Mo 11. Okt 2021, 19:45

Oelkanne hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:16
ich merke dass deine Kenntnisse über die landwirtwirtschaftliche Produktion, ihre Zusammenhänge und die nationale/internationale Situation immer noch nicht ausreichend sind oder du sie bewusst ignorierst.
Den Intensivierungs - und Effizienzsteigerungswettbewerb kann man nicht gewinnen, deshalb muss ich nicht alle Details der Tretmühle so gut kennen wie ein Dozent an einer Fachhochschule für traditionell- industrielle Agronomie. Nur, wenn ich merke, dass ich in einer Tretmühle bin, dann mache ich da mit - und jammere nicht über die Spielregeln - oder ich überlege mir, ob es andere Wege gibt.
Kurzfristig ist es natürlich verlockend, an den Umständen zu schrauben, die gerade besonders lästig sind. Etwas weniger Bürokratie, etwas weniger Umweltvorschriften, etwas mehr Subventionen, etwas mehr Importschutz, etwas billigere Investitionskredite, eine noch grössere Spritze, und sonst weiter wie bisher. Wenns trotzdem nicht recht funktioniert, dann weiss man auch immer genau, welche anderen daran schuld sind.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2965

Beitrag von Zottelgeiss » Mo 11. Okt 2021, 21:28

Manfred hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:24
Zottelgeiss hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:08
Dazu ein kurzer Einwurf:
https://hamfelderhof.de/

Die erhöhen den Verkaufspreis pro Liter um 20 Cent.
Das ist ja gut und schön, dass es einen Nischenmarkt von kleiner 1% der Gesamtmenge gibt, der das kann,
aber es ist halt keine Lösung für die Masse der Betriebe.
Laut der betriebswirtschaftlichen Auswertungen sind sogar die meisten Milchautomaten defizitär. Da braucht es schon einen echt guten Standort in der richtigen Region mit entsprechend zahlungswilligen Kunden.
Natürlich nicht, ich wollte nur darauf hinweisen, das es durchaus eine regionale Molkerei gibt, die ihren Kunden soweit vertraut, das diese den Preis mit trägt und dafür sorgt, das die Arbeit der Milcherzeuger auskömmlicher und besser bezahlt wird. Ist doch schon mal ein Anfang :)
Ich kaufe seit Jahren ausschließlich diese Milch, weil mich das Konzept überzeugt und die Qualität außerordentlich ist. Der Hofladen ist leider zu weit weg, daher über den Einzelhandel oder unseren Bio Großhändler (über die Food Coop).
Die eigenen Grenzen sind immer die Grenzen des anderen.

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2966

Beitrag von emil17 » Mo 11. Okt 2021, 21:43

Funktioniert hier auch, und zwar gut: Drei Gemeinden, eine Alpgenossenschaft. Die verkäsen die Milch auf eigene Rechnung, und weil der Käse gut ist, haben die auch nie Probleme mit dem Verkauf direkt ab Käserei. Keine Grossisten, keine Zwischenhändler. Für die Kunden kostet der Käse weniger als im Supermarkt - ich muss allerdings ganze oder halbe Laibe abnehmen - und die Bauern haben mehr Milchgeld. Passt!
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2967

Beitrag von sybille » Mo 11. Okt 2021, 21:58

emil17 hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 21:43
Funktioniert hier auch, und zwar gut: Drei Gemeinden, eine Alpgenossenschaft. Die verkäsen die Milch auf eigene Rechnung, und weil der Käse gut ist, haben die auch nie Probleme mit dem Verkauf direkt ab Käserei. Keine Grossisten, keine Zwischenhändler. Für die Kunden kostet der Käse weniger als im Supermarkt - ich muss allerdings ganze oder halbe Laibe abnehmen - und die Bauern haben mehr Milchgeld. Passt!
So ist das hier auch. Milch, Fleisch, Eier ab Hof. Für die Kunden ist das günstiger und der Landwirt hat mehr Gewinn.
SoLaWi ist eine sehr gute Möglichkeit Gemüse direkt zu vermarkten. Der Landwirt gibt den Preis an den er braucht und bekommt ihn auch.
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2968

Beitrag von Manfred » Mo 11. Okt 2021, 22:07

Ich werde dann mal beim DMK anrufen, einer deutschen Genossenschaft, dass sie doch bitte zukünftig noch noch hochwertigen Käse herstellen und in ganzen Laiben in der Schweiz anbieten sollen, einem Land völlig ohne Agrarsubventionen und Außenschutz?

Irgendwo meine ich gelesen zu haben, in der Schweiz gäbe es 50.000 Landwirtschaftsbetriebe, die im Schnitt ca. 20,6 ha bewirtschaften und zusammen in Jahr 2,8 Mrd. Schweizer Franken an Subventionen erhalten.
Das sind dann
2.800.000.000 / 50.000 = 56.000 Fränkli je Betrieb bzw. 2.718 Fränkli für jeden ihrer 20,6 ha.
Dass man da noch Käse verkaufen muss, um über die Runden zu kommen, mag dem deutschen Durchschnittsbauern erstaunlich erscheinen, aber in der Schweiz sind dank des konsequenten Außenschutzes die Lebensmittelpreise natürlich ungleich höher als in der EU, so dass der Käseverkauf sogar noch lohnt und weitere Einnahmen bringt. Der Milchpreis von 65 Rappen ist 1,75 mal so hoch wie in D.

Der deutsche Bauer dagegen ist einfach nur zu blöd, es richtig zu machen. Er bräuchte doch nur von den Kollegen im Südwesten zu lernen.
Hier erhält so ein Milchviehbetrieb immerhin 300 Euro je ha an Subventionen und einen Milchpreis von 35 Cent. Da sollte sich doch locker mithalten lassen...

Benutzer 4754 gelöscht

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2969

Beitrag von Benutzer 4754 gelöscht » Mo 11. Okt 2021, 22:23

Zottelgeiss hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 21:28
Manfred hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:24
Zottelgeiss hat geschrieben:
Mo 11. Okt 2021, 14:08
Dazu ein kurzer Einwurf:
https://hamfelderhof.de/

Die erhöhen den Verkaufspreis pro Liter um 20 Cent.
Das ist ja gut und schön, dass es einen Nischenmarkt von kleiner 1% der Gesamtmenge gibt, der das kann,
aber es ist halt keine Lösung für die Masse der Betriebe.
Laut der betriebswirtschaftlichen Auswertungen sind sogar die meisten Milchautomaten defizitär. Da braucht es schon einen echt guten Standort in der richtigen Region mit entsprechend zahlungswilligen Kunden.
Natürlich nicht, ich wollte nur darauf hinweisen, das es durchaus eine regionale Molkerei gibt, die ihren Kunden soweit vertraut, das diese den Preis mit trägt und dafür sorgt, das die Arbeit der Milcherzeuger auskömmlicher und besser bezahlt wird. Ist doch schon mal ein Anfang :)
Ich kaufe seit Jahren ausschließlich diese Milch, weil mich das Konzept überzeugt und die Qualität außerordentlich ist. Der Hofladen ist leider zu weit weg, daher über den Einzelhandel oder unseren Bio Großhändler (über die Food Coop).
Wir bauen auf 3.000 Hektar Brotweizen an. wie sollen wir ganz Bochum oder Ludwigshafen und Leverkusen zusammen mit Weizenmehl bedienen?
Vom Pro Kopf verbrauch und der Einwohneranzahl kommt es hin.
Ohne Verarbeiter und Zwischenhändler geht es nicht.
Selbst die DDR, welche ihr Wirtschafts- und Handelssystem völlig neu aus dem Boden gestampft hat um die Bevölkerung nach allen Möglichkeiten gut und günstig zu versorgen hat auf ein Netzt aus Zwischenhändlern und zentralen Verarbeitern gebaut

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#2970

Beitrag von emil17 » Mo 11. Okt 2021, 22:24

Schau mal die Geographie der Schweiz an; einfach Subventionen durch ha zu teilen gibt eine Zahl, die nicht viel aussagt.
Wir haben 8 Mio. Einwohner auf 42'000 km2 und wir haben etwa 1000 km2 Gletscher, also wohnen rechnerisch 190'000 Leute auf ewigem Eis. So einfach kann Statistik sein!
"Der Milchpreis von 65 Rappen ist 1,75 mal so hoch wie in D." - und die Konsumentenpreise und Lebenshaltungskosten sind doppelt so hoch wie in D. Das Einkommen einer Bergbauernfamilie, die nur von der Landwirtschaft lebt, ist unterduchschnittlich und gemessen an der Arbeitszeit miserabel.
Die Subventionen sind politisch nur dort umstritten, wo es Umweltprobleme in der Landwirtschaft gibt. Das sind - man staune - Intensiv-Betriebe im Tiefland.

Käseverkauf lohnt nicht "sogar" - viele Betriebe in der Bergzone können nur Milchwirtschaft, und wenn der Käse nicht gut ist liegt der wie Blei in den Regalen. Aber weil er gut ist, gibts auch anständige Preise dafür und die Leute sind zu Recht stolz auf ihre regionalen Käse.

In D gibt es auch genug Betriebe die so etwas können, also liegt es nicht nur an der EU oder nicht-EU. Aber wenn man nur Massenprodukte auf grossen Flächen kann, muss man auch mit anderen mithalten, die auch Massenprodukte auf grossen Flächen machen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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