wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

Was halt nirgendwo passt
Wildmohn

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#81

Beitrag von Wildmohn » Di 30. Okt 2018, 13:22

Manfred hat geschrieben:
Pitu hat geschrieben:Ich meine die Frage ernst als Gedankenexperiment: Wie würde/könnte sich das entwickeln? Was meint Ihr?
Die meisten Bauern gehen pleite und die meisten Verbraucher kaufen das billigste Importzeug, egal wie produziert, das sie kriegen können. Genau wie heute. Geht solange gut, bis es mal eine ernstafte Krise gibt. Und dann gibt es Hungertote, weil unser Land schon lange nicht mehr in der Lage ist, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Würden wir dagegen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, würden sich Fragen stellen wie:
-Wie können wir unsere Ernährung und sonstige Agrarrohstoffproduktion dauerhaft sichern, auch für den Krisenfall?
-Welche Mindeststandards möchten wir in der Tierhaltung, beim Bodenschutz, beim Umweltschutz allgemein und wie können wir sicherstellen, dass diese bei allen für uns erzeugten Agrarprodukten eingehalten werden?
-Wie stellen wir sicher, dass die Menschen, in in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei etc. und Nahrungsmittelverarbeitung etc. für uns arbeiten fair entlohnt werden und eine gute Lebensqualität haben?
Und die Folge wäre dann zwangsläufig eine komplett andere Politik als heute.
Leider gibt es keine einzige Partei in D, die so einen Ansatz verfolgt.
Also bleibt nur jedem einzelnen Verbraucher, sich selbst diese Fragen zu stellen und sei Konsumverhalten entsprechend umzustellen. Würden das nur die Hälfte derer tun, die ständig über die Landwirtschaft schimpfen, würde sich schon sehr viel ändern.
Gibt es in D wirklich keine einzige Partei, die so einen Ansatz verfolgt?
Lies mal diesen Auszug aus dem Grundsatzprogramm einer deutschen Partei:
Wir wollen eine Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie, die Tiere würdig behandelt, das Klima schützt und die Artenvielfalt bewahrt. Eine Landwirtschaft, in der Bäuerinnen und Bauern ein gutes Auskommen haben und faire Preise erhalten, in der Bauernhöfe nicht zu riesigen Agrarfabriken wachsen müssen, um zu überleben. Umwelt- und Tierschutz dürfen kein Wettbewerbsnachteil sein, den erhöhten Aufwand wollen wir daher ausgleichen und belohnen. Neben einer grundsätzlichen Umverteilung der Agrarfördermittel ist die transparente Kennzeichnung der Lebensmittel zentral. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Tierschutz und regionale Lebensmittel. Wir wollen, dass sie beim Einkauf schnell sehen können, wo und unter welchen Bedingungen Lebensmittel erzeugt wurden. Wir fördern eine Landwirtschaft ohne Gentechnik, Antibiotikamissbrauch und Unmengen an Pestiziden.
Ganz so pessimistisch wie Du sehe ich das nicht, gesellschaftlicher Wandel braucht halt seine Zeit. Gute Ansätze hierfür gibt es schon...

Manfred

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#82

Beitrag von Manfred » Di 30. Okt 2018, 13:30

Wildmohn hat geschrieben: Gibt es in D wirklich keine einzige Partei, die so einen Ansatz verfolgt?
Lies mal diesen Auszug aus dem Grundsatzprogramm einer deutschen Partei:
Parteiprogramme sind idR das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Siehe z.B. die Grünen, die auch vorgeben, sich für Naturschutz und bäuerliche Landwirtschaft einsetzen zu wollen, aber in der Praxis genau das Gegenteil tun.

Von welcher Partei stammt denn dein Text und wie genau sehen die praktischen Vorschläge dieser Partei aus?

Manfred

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#83

Beitrag von Manfred » Di 30. Okt 2018, 13:40

@ihno & centauri:
Der von euch beschriebene Egoismus ist in unserem System leider zwangsläufig das Beste was der Bauer für sich tun kann.
Die Frage ist halt: Wollen wir so eine sich immer mehr entsolidarisierende Gesellschaft.
Meine Überzeugung ist, dass die meisten Menschen soziale Wesen sind und sich auch für ihre Mitmenschen gute Lebensbedingungen wünschen.
Und das wiederum wirft die Frage auf, wie wir endlich ein besseres System hinbekommen, in dem wir uns gegenseitig fördern, statt uns die Köpfe einzuschlagen für Brosamen.
Ich kenne euch ja gut genug, zumindest centauri, um zu wissen, dass ihr letzteres in eurem privaten Umfeld lebt.

Ich kenne auch niemanden, der fordert, Altenpflegern und Krankenschwestern soll es schlecht gehen und die von ihnen gepflegten Menschen sollen in der Schnell-Schnell-Welt immer mehr entmenschlicht und entwürdigt werden, weil niemand mehr Zeit für sie hat. Trotzdem lassen wir das zu.

Manfred

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#84

Beitrag von Manfred » Di 30. Okt 2018, 13:43

REWE verkauft einstweilen Milch von Weideochsen.
Vermutlich spermienfreies Ejakulat mit reichlich Wasser vermischt.
Keine Ahnung, wie man das so billig produzieren kann.

Ochsenmilch.jpg
Ochsenmilch.jpg (107.74 KiB) 1232 mal betrachtet

Wildmohn

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#85

Beitrag von Wildmohn » Di 30. Okt 2018, 14:12

Manfred hat geschrieben:
Wildmohn hat geschrieben: Gibt es in D wirklich keine einzige Partei, die so einen Ansatz verfolgt?
Lies mal diesen Auszug aus dem Grundsatzprogramm einer deutschen Partei:
Parteiprogramme sind idR das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Siehe z.B. die Grünen, die auch vorgeben, sich für Naturschutz und bäuerliche Landwirtschaft einsetzen zu wollen, aber in der Praxis genau das Gegenteil tun.

Von welcher Partei stammt denn dein Text und wie genau sehen die praktischen Vorschläge dieser Partei aus?
Der Auszug stammt von den....GRÜNEN! :lol: ;)

Im Ernst, was erwartest Du von der Politik. Veränderungen, mal so eben ratzbatz realisiert?
Es braucht Zeit sich gegen vorhandene Widerstände durchzusetzen, gegen Lobbyismus, also wirtschaftlicher Interessengruppen und sonstiges, bevor ein spürbarer Wandel eintritt. Dies betrifft ebenso den gesellschaftlichen Zeitgeist.
Den Ansatz der Grünen zur Agrarpolitik finde ich sehr lobenswert, da u.a. ausdrücklich kleinbäuerliche Strukturen mit nachhaltiger Produktionsweise gefördert werden sollen, indem eine grundsätzliche Umverteilung der Agrarfördermittel angestrebt wird.
Wenn man gute und sinnvolle Ansätze gleich in die Tonne tritt, wird das nichts mit der notwendigen Veränderung agrarpolitischer und gesellschaftlicher Zustände.

Manfred

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#86

Beitrag von Manfred » Di 30. Okt 2018, 14:58

Du solltest dich von deiner Realitätsverweigerung lösen und dir ansehen, was die Grünen im Detail tun, und welche Auswirkungen das auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft hat.

Aktuell kostet mich als Grünlandbetrieb z.B. alleine die von den Grünen und den angeschlossenen NGOs auf EU-Ebene erreichte Ackerstatusregelung 150 Euro pro ha Ackerfläche und Jahr, während mir die Umverteilungsregelung für kleine Betriebe nur ca. 40 Euro pro ha bringt.
Also ein Verlust von Wettbewerbsfähigkeit von 110 Euro pro ha und Jahr gegenüber den großen Ackerbaubetrieben.
Das entspricht im Übrigen dem jährlichen Deckungsbeitrag vieler Ackerkulturen.

Wie genau die Grünen die naturnahe Grünlandwirtschaft fördern, indem sie die Bauern, die Grünland anlegen, mit Mehrkosten von 150 Euro im Jahr bestrafen, müsstest du mir schon genauer erklären.
Die Neuanlage von Dauergrünland wurde durch diese Regelung sogar unmöglich gemacht.

Oder die Wölfe. Der Grauwolf ist als Art nicht mal ansatzweise gefährdet. Trotzdem wird er streng geschützt und damit die Existenz vieler Weidetierhalter vernichtet.
Der durchschnittliche Mutterkuhbetrieb in Bayern z.B. bewirtschaftet ca. 50 ha Land und erwirtschaftet pro Jahr ca. 10.000 Euro Gewinn.
https://www.lpv.de/fileadmin/user_uploa ... altung.pdf
Die wirtschaftliche Situation ist also dramatisch schlecht und der geringe Gewinn reicht nicht annähnernd aus, um die eingesetzte Arbeitszeit und das eingesetzte Kapital zu entlohnen.
Zur Förderung dieser naturnahsten Form der Landwirtschaft schlagen die Grünen jetzt vor, man möge sich doch einige Herdenschutzhunde anschaffen, um seine Tiere zu schützen. Und nicht nur das, sie fordern auch gleich noch, das fehlen eines solchen Schutzes zum sanktionspflichten Cross-Compliance-Verstoß zu erklären (was sie in Bundesländern, in denen sie mitregieren, schon getan haben.
Jetzt hat so ein Betrieb im Schnitt zwei bis drei Herden. Bei nur 2 Hunden pro Herde benötigt er also 4 bis 6 Hunde. (Die noch nicht alleine einsatzfähigen Junghunde und die nicht mehr einsatzfähigen Althunde, die nicht eingeschläfert werden dürfen, sondern gefüttert weden müssen noch gar nicht mit gerechnet.)
Ein Hund kostet inkl. Anschaffung und Mehrarbiet ca. 2.000 bis 2.500 Euro pro Jahr.
Bei 4 Hunden hat der durchschnittliche Mutterkuhbetrieb also gar keinen Gewinn mehr.
Wie das die bäuerliche Landwirtschaft fördert, müsstest du mir bitte ebenfalls erklären.

Von all den weiteren teuren und lebensqualitätzerstörenden Auflagen gar nicht zu reden.
Wo die Grünen eine Regierungsbeteiligung erlangen, beschleunigt sich der Strukturwandel, weil die kleinen Betriebe aufgeben müssen.
Wer Grün wählt, wählt Stall-Tierhaltung im industriellen Maßstab, weil nur diese Betriebe die Mehrkosten auf ihre Masse umlegen können. Alle anderen werden gezwungen aufzugeben.

Wildmohn

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#87

Beitrag von Wildmohn » Di 30. Okt 2018, 20:17

Manfred hat geschrieben:Du solltest dich von deiner Realitätsverweigerung lösen und dir ansehen, was die Grünen im Detail tun, und welche Auswirkungen das auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft hat.

Aktuell kostet mich als Grünlandbetrieb z.B. alleine die von den Grünen und den angeschlossenen NGOs auf EU-Ebene erreichte Ackerstatusregelung 150 Euro pro ha Ackerfläche und Jahr, während mir die Umverteilungsregelung für kleine Betriebe nur ca. 40 Euro pro ha bringt.
Also ein Verlust von Wettbewerbsfähigkeit von 110 Euro pro ha und Jahr gegenüber den großen Ackerbaubetrieben.
Das entspricht im Übrigen dem jährlichen Deckungsbeitrag vieler Ackerkulturen.
Bevor ich mich meiner "Realitätsverweigerung löse, bitte ich Dich, Deine Behauptung, die Grünen und angeschlossene NGOs seien auf EU-Ebene dafür verantwortlich. Ein kleiner Text, ein kleiner öffentlicher Beleg hierfür würde mir weiterhelfen.
Was ich von offizieller Seite ermitteln konnte ist folgendes:
https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/A ... tzung.html
Das hört sich ersteinmal nicht danach an, dass die "Kleinen" im Sog der Förderbenachteiligung untergehen... und wenn ist es eine unverschämte Behauptung allein die Grünen seien dafür verantwortlich. Über konkrete Hinweise diesbezüglich bin ich sehr offen.
Oder die Wölfe. Der Grauwolf ist als Art nicht mal ansatzweise gefährdet. Trotzdem wird er streng geschützt und damit die Existenz vieler Weidetierhalter vernichtet.
(...) Zur Förderung dieser naturnahsten Form der Landwirtschaft schlagen die Grünen jetzt vor, man möge sich doch einige Herdenschutzhunde anschaffen, um seine Tiere zu schützen. Und nicht nur das, sie fordern auch gleich noch, das fehlen eines solchen Schutzes zum sanktionspflichten Cross-Compliance-Verstoß zu erklären (was sie in Bundesländern, in denen sie mitregieren, schon getan haben.
Das Wolfsproblem wird viel diskutiert, aber da Du die Grünen zusammen mit den NGOs in einen Topf wirfst, kann man in der Tat nicht mehr differenzieren, was der eine, noch der andere für eine Grundhaltung dazu hat.
Zum Thema Cross-Compliance habe ich folgendes gefunden:
https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/F ... iance.html
Ausserdem ist "man" ja bemüht, die Geschädigten zu unterstützen:
https://um.baden-wuerttemberg.de/filead ... n_Wolf.pdf

Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass Du ausgerechnet die Grünen (aus welchem Grund auch immer) zum Sündenbock verfehlter Agrarpolitik machst, obwohl sie doch (noch) sehr eigeschränkte Regierungsverantwortung haben.

Wenn Du schon so tolle Ambitionen hast, wie z.B. die regenerative Landwirtschaft, dann wären die Grünen die ersten aus dem Parteienspektrum, die sich zu Dir ins Boot setzen würden...

Benutzer 72 gelöscht

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#88

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Di 30. Okt 2018, 20:33

@Wildmohn: mir deucht, Manfred macht die Grünen dafür verantwortlich, dass es den Landwirten sehr schwer gemacht wird, von Grünland zu Ackerfläche hin und her zu wechseln. Das wäre ja an und für sich im Sinne einer guten Fruchtfolge irgendwie sinnvoll.

Siehst du das anders bzw. sind dafür gar nicht "die Grünen" verantwortlich??

Ich will auf gar keinen Fall "die Grünen" angreifen. Nein, was Umweltschuz angeht, habe ich denen eigentlich immer vertraut. :im:

Wildmohn

Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#89

Beitrag von Wildmohn » Di 30. Okt 2018, 20:55

ina maka hat geschrieben:@Wildmohn: mir deucht, Manfred macht die Grünen dafür verantwortlich, dass es den Landwirten sehr schwer gemacht wird, von Grünland zu Ackerfläche hin und her zu wechseln. Das wäre ja an und für sich im Sinne einer guten Fruchtfolge irgendwie sinnvoll.

Siehst du das anders bzw. sind dafür gar nicht "die Grünen" verantwortlich??

Ich will auf gar keinen Fall "die Grünen" angreifen. Nein, was Umweltschuz angeht, habe ich denen eigentlich immer vertraut. :im:
ina maka, ich muss gestehen, dass mir für die Beantwortung Deiner Frage schlicht und einfach das Wissen fehlt. Das ist ein ganz spezieller Sachverhalt...
Was mich halt an Manfreds Äußerungen stört ist, dass er ganz offensichtlich gegen NGOs und halt die Grünen agiert, obwohl die Interessenlage seiner propagierten "regenerativen Landwirtschaft" sehr nahe am Ideal derer ist...

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Re: wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?

#90

Beitrag von Rohana » Di 30. Okt 2018, 21:24

Hilft ja nix nahe an irgendeinem Ideal zu sein, wenn die Realität einfach eine ganz andere Sprache spricht. Ich war überzeugte Grüne - bis ich mich näher mit der Landwirtschaft beschäftigt habe. :kaffee:
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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