Waldsterben durch "Umweltschutz"?

Sabi(e)ne
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Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#1

Beitrag von Sabi(e)ne » Mo 4. Jul 2011, 19:43

Moin,
ich arbeite mich grad das dritte Mal durch die "Laubgeschichten" (siehe Bücherthread), und dort wird durchaus ernsthaft die Theorie vertreten, daß durch das Nicht-aufräumen der Wälder der Boden gnadenlos überdüngt ist und dadurch versauert.
Vor hundert Jahren habe es einen jährlichen Stickstoffeintrag von etwa 1-6kg per ha gegeben, heute sind es um die 60kg.....Außer Stammholz wird nichts mehr entnommen, geschweige, daß es noch echte Waldweiden gäbe.
Der Autor ist ein starker Verfechter des Waldaufräumens in Form von Laub- und Streuentfernung per Besen, sein Argument lautet, daß unbeeinflußt eine zu dicke Auflage aus Laub/Nadelstreu und eine zu saure Rohhumusschicht entsteht, die jeden natürlichen Aufwuchs aus Samen so ziemlich verhindert.

Sehr viele Seiten weiter hebt er ab auf die Mistqualitäten, die aus Laub/Nadelfutter und Einstreu entstehen. Er beschreibt ausführlich, wie das alles präpariert wurde, und wieviel die Bauern verloren haben, indem sie sich Stroh als Einstreu haben einreden lassen - so wurden sie lebenslange Kunden der Düngerindustrie....
Die nominelle Aufteilung in Wald und Acker/Weide ist seiner Meinung nach der Anfang vom Ende bäuerlicher Landwirtschaft gewesen - Bauern werden zu reinen Produzenten, die ausschließlich nur noch produzieren, was der Markt bezahlt, ohne Rücksicht auf alles andere....

Er redet nicht von falscher bäuerlicher Romantik, sondern von dem Blick aufs Ganze - wie das eine dem anderen nutzt und umgekehrt, auf Wald und Acker/Weide bezogen.
Hier gab es eine echte Kreislaufwirtschaft, von der alle Seiten profitierten: der Wald, der Acker, die Weiden, die Tiere, und die Menschen.
Da gab es aber für die Industrie nichts zu verdienen - und unabhängige Leute sind jeder Regierung ein Graus, also förderte man gezielt "moderne" Landwirtschaft mit ein paar vielgelobten Musterbetrieben, die dann alle anderen nachzuziehen zwangen, um nicht als von vorgestern zu gelten....

Ohne es ausprobiert zu haben, glaube ich ihm nahezu jedes Wort - die Argumente und Beweise sind nicht objektiv zu widerlegen.
Vielleicht könnte das eine Nische für SVler werden - Acker/Gartenbau mit Tierhaltung und Baum/Waldnutzung in dieser alten bäuerlichen Art. Bäuerlich im besten Sinn des Wortes, nicht als Propaganda-Ausdruck.

Das Kapitel über die Laub/Nadelmiste fand ich extrem interessant, weil es quasi eine Ausweitung der Kompostwirtschaft darstellt, deren Fermentation aber bereits weit vor der Aufsetzung der Misthaufen beginnt - nämlich schon vor der Verfütterung des Laubheus an die Tiere zur Inhaltsstoffsteigerung.

Diese ganze Betriebsweise ist dermaßen durchdacht und wirklich elegant auf Mehrfachnutzung aller Komponenten ausgerichtet - da kann man vor diesem alten Wissen nur den Hut ziehen. Zumal wenn man bedenkt, daß es bei deren Erfindung kurz nach der Seßhaftwerdung des Menschen keine Labore gab, die irgendwelche Inhaltsstoffe analysieren konnten oder Futterpläne aufstellten.... :mrgreen:

Ich denke, daß es dem Wald mit so einer Betriebsweise wirklich besser gehen könnte, statt ihn zu kalken.

Ich freue mich auf eure Kommentare und Tomatenwürfe. :)
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Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#2

Beitrag von aron » Mo 4. Jul 2011, 19:58

Scheint mir nicht ganz einleuchtend. Bevor der Mensch sesshaft wurde und Ackerbau und Viehzucht betrieb, gab es auch schon Waelder , die in ihrem natuerlichen Kreislauf im Herbst ihr Laub abwarfen ohne dass dadurch der Boden versauerte. Ich denke mal, dass das von der Natur schon so sinnvoll angelegt ist, ohne dass der Mensch da in irgendeiner Weise eingreifen muesste!
LG
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exi123
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Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#3

Beitrag von exi123 » Mo 4. Jul 2011, 20:01

hallo sabine
"Vielleicht könnte das eine Nische für SVler werden - Acker/Gartenbau mit Tierhaltung und Baum/Waldnutzung in dieser alten bäuerlichen Art." ich versteh jetzt nicht ganz was für uns SVler daran neu sein soll. kannst du konkrete beispiele nennen, wie er das erzählt wie sie was früher machten?

mir ist schon klar: früher wurde einfach viel mehr auf alles aufgepasst, bedacht gemacht, genutzt - weil man eben nicht so mal um die ecke zum landhaus, supermarkt oder wo auch immer hinfahren konnte:)

btw: der boden versauert vorallem bei fichtenmonokutluren. in gesunde mischwälder muss der mensch nicht eingreifen, kann ihn aber nutzen. "zusammenräumen" möchte ich einen wald wirklich nicht...:)

Sabi(e)ne
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Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#4

Beitrag von Sabi(e)ne » Mo 4. Jul 2011, 20:06

Ahoj, exi,
ich kann nur sagen, lies das Buch, ich kann hier nicht mal 2% davon wiedergeben. Das hat nichts mit dem zu tun, was wir heute hier als SV bezeichnen, das ist eine komplette Kreislaufwirtschaft - und die dürfte kaum jemand hier wirklich haben.
Und nein, ich verdien nichts an der Lese-Empfehlung, ich bin nur wie bei einigen Büchern der soil&health-Bücherei wirklich glücklich, das lesen und hoffentlich auch umsetzen zu können.
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Manfred

Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#5

Beitrag von Manfred » Mo 4. Jul 2011, 20:11

Naja. Ziemlich kurzsichtiger Blick aus Ganze.
Zu der Zeit, als die Wälder noch aus Not ausgefegt wurden und gegen Null Rohhumusauflage hatten, bewegten sich die Erträge auf dem Acker nicht mal bei 1/3 der heutigen.
Und die Zuwachsraten im Wald waren ebenfalls viel geringer.
Das hat den Vorteil hochwertigen Holzes (sehr enge Jahresringe -> hochfestes, langlebiges Holz) für den Käufer und den Nachteil völliger Unwirtschaftlichkeit wegen viel zu geringen Ertrags für den Waldeigentümer. Wir haben eine Scheune, in der noch uralte, handbehauene Tannen- und Fichtenbalken verbaut sind. Die stammen vermutlich aus dem Abriss einer noch ältern Scheune. Die Jahresringe dort sind ca. halb so breit wie bei heutigen Bäunen. Das Holz ist inzwischen so hart, dass man kaum einen Nagel rein bekommt. Solches Holz muss man heute im hohen Norden suchen, wo die Wachstumsperiode entsprechend kurz ist. Aber hätte man hier welches, wollte es keiner Zahlen. Was zählt ist nur das Volumen und die Astreinheit. Von kleinen Mengen Schreinerware evtl. mal abgesehen.

Eine zu dicke Rohhumsauflage + keine Naturverjüngung hat in 99% der Fälle eine ganz einfach Ursache: Zu wenig Licht am Waldboden.
Sieht man vor allem in Fichtenwäldern sehr oft.
Da solche Bestände meist durch zu kurze Kronen instabil sind, hilft nur eine vorsichtige Durchforstung über Jahre.
Sobald wieder genug Licht zum Boden kommt, baut sich der Rohhums ab und der fertige Humus auf und die Naturverjüngung keimt in Massen.
Ob sie dann hoch kommt, ist noch eine nadere Frage. Da spielt der Wildbesatz eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Wo das Licht passt und der Wildbesatz durch Jagd oder Gatterung niedrig ist, kann man oft 100 Baumkeimlinge pro m2 und mehr zählen.

Die letzen Jahre wird wegen steigender Nachfrage mehr und mehr Kronenholz samt dünnen Ästen (hoher Rindenanteil = hoher Stickstoffanteil) und Nadeln (noch mehr Stickstoff) aus dem Wald genommen und für Heizkraftwerke gehäckselt. Im oberfränkischen Staatsforst werden bei Fichten inzwischen großteils 21 m Stammlänge abgesägt (eine LKW Ladelänge) und der Rest des Baumes komplett gehäckselt. Im Jahr sollen zur Zeit von hier 70.000 m3 Hackschnitzel an Heizwerke in Österreich gehen.
Die Forstprofis rufen zum Teil schon das Aushungern des Waldes auf diesem Wege aus.

Dass der Stickstoffeintrag zwischenzeitlich so hoch war (60 bis 70 kg pro ha und Jahr) lag hauptsächlich an Stickoxidemssionen aus Kraftwerken und Verkehr und an der hohen Düngung in der Landwirtschaft. Da beide Emissionsquellen seit Jahren Rückläufig sind, sind auch die Stickstoffeinträge durch den Regen wieder gesunken.
Von einer Stickstoffüberdüngung des Waldes kann nicht mehr die Rede sein.

Mein Rohhumus bleibt, wo er hin gehört. Ich hoffe unser Wald zahlt das an die Generationen nach uns in Form erntereifer Bäume zurück.

Manfred

Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#6

Beitrag von Manfred » Mo 4. Jul 2011, 20:26

Evtl. noch zur Verdeutlichung der Wirtschaftlichkeit:

Wenn ich heute 100 Euro in Pflanzen und Arbeit investiere, dann müssen meine Nachfahren in 100 Jahren dafür
Holz im Wert vom 1.922 Euro verkaufen, um eine Verzinsung von schlappen 3% zu erreichen.

Magere ich meinen Wald ab und der Zuwachs pro Jahr halbiert sich, brauchen die 3 bis 4 verkaufbaren Bäume also 200 Jahre bis zur Reife,
dann müsste die gleiche Holzmenge einen Preis von 36.935 Euro erzielen, um auf die 3% zu kommen.

Wer will da einem Waldeigentümer allen Ernstes raten, die Stickstoffdüngung zu reduzieren?

Landfrau

Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#7

Beitrag von Landfrau » Mo 4. Jul 2011, 21:02

Ein bischen beobachtung:

Wir haben hier eine Weihnachtsbaumanpflanzung, Sabine, du kennst die, überständig und Arten, die hier nicht hergehören und nicht unbedingt gut mit Boden und Kleinklima gedeihen. Rotfichte, Weißfichte, Nordmann, Seidenkiefer und eine Art, die ich bisher nicht bestimmt habe.

Da, wo sich die Rotfichten drängeln, ist es stockfinster am Boden, natürlich wächst nichts auf, eine NAdelspreu hat sich gebildet.

da, wo ab und an Bäume entnommen wurden, Verbisssachden ist oder eine Schneise und Licht auf den Boden gelangt, bildet sich trotz "Gras"narbe ganz von allein die regionaltypische Vegetation. Kiefern, Eichen, Birken, Weißbuchen. Ganz von allein.

Anfangs habe ich überlegt, wie hier LAubholz anzusiedeln wäre, heute weiß ich: durch Nichtstun.
Ein Stück Land erholt sich ganz fix, sobald Mensch die Pfoten von lässt.
Man kann der Sukzession der Arten entspannt zugucken.
Wenn sich das Jakobskreuzkraut ausbreitet, ist es allerdings mit der Entspannung dahin.

Ein wenig nachhelfen werden wir, indem die SChweine (die Genehmigung für die Freilandhaltung liegt vor :-)) stückweise in die zu dichten Rotfichten gestellt werden. Das wird etliche Bäume zum Umbrechen bringen, Licht schaffen und, wenn die Schweins wieder weg sind, auf dem offenen Boden für Aufwuchs sorgen.
Das KOpfholz bleibt natürlich liegen - das rauszuräumen entspräche 25 Osterfeuern......

Aber schon jetzt beobachte ich, dass gerade dort, wo Kopfholz liegengeblieben ist, die Bestockung besonders gut vorangeht. das schützt den Boden vor Austrocknung und die Sämlinge vor Verbiss.

Nun gut, diese alte Anpflanzung ist nicht die perfekte, alles ausknautschende Intensivstnutzung, eher leisten wir uns, einem Stück Land beim Selberrenaturieren zuzusehen.

falls jemand weiß, welche Nutztierart man in welchem Umfang mit Rot- und Weißfichten ernähren kann - ich bin für alle Hinweise sehr dankbar!!!!

Herzlichen Gruß, Landfrau

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Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#8

Beitrag von Sabi(e)ne » Mo 4. Jul 2011, 21:19

falls jemand weiß, welche Nutztierart man in welchem Umfang mit Rot- und Weißfichten ernähren kann - ich bin für alle Hinweise sehr dankbar!!!!
Steht im Buch, und ist zuviel zum hier zitieren, aber ich kann es dir ja mal leihen? :)
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Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#9

Beitrag von Theo » Mo 4. Jul 2011, 22:09

Sabi(e)ne hat geschrieben:...dort wird durchaus ernsthaft die Theorie vertreten, daß durch das Nicht-aufräumen der Wälder der Boden gnadenlos überdüngt ist und dadurch versauert.
Also mir ist rätselhaft, wie man sich mit sowas beschäftigen kann.
Menschliche Eingriffe beschädigen die "normalen" Kreisläufe und positive Eingriffe im Sinn von Kultivierung sorgen dafür, dass diese Eingriffe weniger zerstörerisch sind.
Eingriffe nur nach wirtschaftlichen Kriterien führen in aller Regel zu Raubbau. D.h. schon nach ein paar Jahren gibt's nichts mehr zu holen.
Gruß
Theo

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Re: Waldsterben durch "Umweltschutz"?

#10

Beitrag von Sabi(e)ne » Mo 4. Jul 2011, 22:34

Weil diese Methode ziemlich SEHR lange hervorragend funktioniert hat?
Ich sag ja nicht, daß damit ewige Seligkeit zu kriegen ist, aber es ist ein deutlich mehr nachhaltiger Kreislauf mit Vielfachnutzung aller Komponenten - sehr permakulturisch.
Gegenüber Biogasmasse-Produktion sogar eher Goldstandard. :roll:
Sagen wir so, hätte der Machatschek das auf englisch geschrieben, und Bill Mollison oder Steve Solomon getroffen, wär das Ergebnis wahrscheinlich die Bibel der Permakulturisten.
Lies das Buch, denk drüber nach, und wir reden nochmal? :mrgreen:

Es gibt bei Bäumen nicht nur einen Nutzen als den des reinen Holzzuwachses - fast alle Laubbäume sind genial gute Pollenspender für Bestäuberinsekten, und von Waldhonig von Läusen auf Nadelbäumen hat vermutlich auch schon jeder gehört. :mrgreen:
Desweiteren die Bodenbefestigung an steilen Hängen, die Nutzung von Blättern und Samenfrüchten auch für die menschliche Ernährung, und, und, und....
Das wie Manfred rein auf Wirtschaftlichkeit in Holzzuwachs zu sehen, finde ich sehr eindimensional und bestätigt nur nur die Zerstörung der Wirtschaftsweise durch die Trennung von Wald & Weide/Acker.
Und es war nun wirklich kein reines Notsystem für schlechte Zeiten, dafür war es zu komplex und auf lange Zeiträume ausgelegt - bitte lesen vorm Urteilen. :pfeif:
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