@Ina:
Um ehrlich zu sein, komm ich mir langsam von dir veräppelt vor.
Hier wurde mehrfach ausführlich erklärt, wie es sich mit der Sache verhält.
Wenn du etwas davon nicht verstehst, dann sag doch mal ganz klar was, damit wir den Punkt noch mal im Detail erläutern können.
Wenn ich mich recht erinnere, hast du irgendwann mal geschrieben, dass du das Handbuch Samengärtnerei in deinem Besitz hast.
Dort ist doch für jede gängige Gemüseart aufgeführt, welche Maßnahmen einzuhalten sind, um unerwünschte Verkreuzungen möglichst zu vermeiden.
Ich fasse noch mal kurz zusammen:
Art = Grundeinheit der biologischen Systematik.
Verschiede Lebewesen werden anhand gemeinsamer Eigenschaften zu Arten zusammengefasst. Eine klare Definition oder Regel dafür gibt es nicht. Aufgrund neuer Erkenntnisse werden immer wieder mal Zuordnungen zu Arten geändert, vor allem bei den Pflanzen, oder neue Arten abgegrenzt, weil neue Unterscheidungsmerkmale entdeckt werden.
Beispiele für Arten:
Pferde, Kühe, Schweine, Äpfel, Birnen
Rasse (Tierreich) oder Sorte (Pflanzenreich):
Mit diesen Begriffen kann man innerhalb der Art Wesen mit verschiedenen Eigenschaften unterscheiden.
Die Kriterien für die jeweilige Art oder Rasse wurden und werden irgendwann von irgendwem willkürlich festgelegt.
Beispiel:
Die Rinderrasse Hollstein Frisean (Schwarzbunte Milchkühe).
Für diese Rasse gibt es folgendes Zuchtziel:
http://www.holstein-dhv.de/exterieur.html
Zu Bewertung, wie nahe ein Tier am Zuchtziel liegt, gibt es feste Kriterien mit unterschiedlicher Gewichtung:
http://www.holstein-dhv.de/exterieur.html
Um die Rasse (Sorte) zu erhalten und zu verbessern, werden immer die besten Tiere (also die, die die Standards am besten erfüllen) ausgewählt und weiter vermehrt.
Durch die sexuelle Vermehrung gibt es natürlich immer eine Gewisse Streuung in den Eigenschaften der Nachkommen.
Das ist von der Natur so gewollt, damit sich die Art veränderten Umweltbedingungen leichter und schnell anpassen kann. Die Natur ist quasi ständig am experimentieren, wie es noch besser geht.
Dem Menschen, der bestimmte Sorten- oder Rassekriterien festgelegt hat, passt dieses Experimentieren aber nicht in dem Kram. Er will ja die Eigenschaften seiner Sorte oder Rasse erhalten. Also sortiert er in jeder Generation die Experimente der Natur aus und vermehrt wieder nur diejenigen Individuen, die seine Kriterien erfüllen.
Jeder Sortenerhalter muss das tun, sonst ändern sich mit der Zeit die Eigenschaften der vermehrten Pflanzen und die Sorte geht verloren.
Außerdem werden zur Sortenerhaltung immer nur Individuen der gleichen Sorte vermehrt. Man muss also aufpassen, dass die Hollsteinkuh immer nur durch einen Hollsteinbullen befruchtet wird. Sonst ist der Nachwuchs nicht mehr zur Rassenerhaltung zu gebrauchen.
Lasse ich die Hollsteinkuh von einem Angusbullen decken, dann bekomme ich als Ergebnis Kälber mit mehr Fleisch auf den Rippen aber weniger Milchleistung.
Das ist nicht schlecht, für die Fleischproduktion sogar vorteilhaft, hat aber halt nicht mehr die Eigenschaften der Milchviehrasse, die der Rassezüchter erhalten will.
Das gilt auch für deinen Kohl (hab jetzt nicht nachgelesen, was es bei dir genau war. gehe jetzt einfach mal von Kopfkohl aus). Wenn du eine Kohlsorte erhalten willst, dann nimmst du als Elternpflanzen nur die, die die Sortenkriterien erfüllen.
Du hast z.B. 100 Samen der Sorte gekauft und ausgesät.
Dann schaust du dir die gewachsenen Kohlköpfe an. Wenn die Sorte z.B. grüne, fest geschlossene, runde Köpfe haben soll, einige Pflanzen aber lockere Köpfe oder spitze Köpfe oder Köpfe mit roten Flecken haben (Weil die Natur experimentiert oder weil evtl. doch ein paar Blüten der Mutterpflanze von einem Kohl anderer Sorte befruchtet wurden), dann erntest du diese Abweichler und isst sie auf. Sie schmecken auch gut, erfüllen aber nicht die Sortenkriterien und taugen deshalb nicht für die Sortenerhaltung.
Von den verbleibenden Kohlköpfen suchst du dann z.B. die 10 besten aus und behältst diese zur Vermehrung.
Bei der Vermehrung musst du wie gesagt darauf achten, dass keine Fremdbefruchtung durch eine andere Sorte erfolgt.
Da bei Pflanzen je nach Art die Bestäubung sehr unterschiedlich verläuft, schaust du im Handbuch Samengärtnerei nach, was zu tun ist.
Dem Buch liegt eine Tabelle "Was, Wann, Wie" bei. Da sind die wichtigsten Daten kurz und bündig zusammengefasst.
Unter Kreuzblütler -> Weißkohl finde ich folgendes:
Weißkohl gehört zur Art Brassica oleracea. Bei dieser Art erfolgt die Bestäubung überwiegend durch Insekten. Die einzelnen Pflanzen sind nicht selbstfruchtbar, sondern sind auf Fremdbestäubung durch ein andere Pflanze der gleichen Art angewiesen.
Um die nötige genetische Vielfalt in der Sorte zu erhalten, sollten für jede Vermehrung mindestens 10 bis 15 ausgewählte Elternpflanzen herangezogen werden, die gleichzeitig am gleichen Ort abblühen.
Da die Pflanzen durch alle anderen Pflanzen der Art Brassica oleracea bestäubt werden können (z.B. Weißkohl anderer Sorten, Rotkohl, Wirsing, Kohlrabi, Blumenkohl, Brokkoli, Rosenkohl, Grünkohl, Blattkohl, Markstammkohl etc. etc.) muss zu solchen gleichzeitig blühenden Pflanzen ein Mindestabstand von 150 Metern eingehalten werden.
Da man einen Umkreis von 150 Metern im Dorf kaum überwachen kann (wer weiß schon, was beim Nachbarn im Innenhof blüht) ist es sicherer die Elternpflanzen in einem Zelt aus insektendichtem Vlies anzubauen und darin geeignete Bestäubungsinsekten auszusetzen.
Dann erntest du die Samen und treibst in der nächsten Generation das gleiche Spiel:
Größere Zahl anbauen. Aussortieren, was nicht zur Sorte passt. Beste Pflanzen (und davon genug, wegen der genetischen Vielfalt in der Sorte) aussuchen und vermehren.
Wenn dein Kohl als Einzelpflanze offen abgeblüht ist, dann muss er fast zwangsläufig von irgendeinem Kohl anderer Sorte befruchtet worden sein (wäre schon ein sehr großer Zufall, wenn beim Nachbarn gerade die gleiche Sorte blüht).
Du hast also sehr wahrscheinlich Keuzungen erzeugt und kommst von da nicht mehr zur Ursprungssorte zurück.
Wenn du mehrer Pflanzen der gleichen Sorte hattest, ohne dann Abstand zur anderen blühenden Pflanzen zu kennen und ohne Schutzzelt, dann hattest du evtl. Glück und die meisten gewonnenen Samen sind Sortenecht.
Dann noch zum Begriff Hybride:
Ursprünglich sind damit Kreuzungen verschiedener Arten gemeint. Also z.B. Schaf mit Ziege.
Der Begriff hat sich aber mit der Zeit in der Zucht auch für Kreuzungen innerhalb der gleichen Art, aber zwischen verschiedenen Rassen / Sorten eingebürgert.
Wenn ich also einen Angusbullen mit einer Hollsteinkuh kreuze, habe ich einen Hybride.
Und wenn ich einen Weißkohl mit einem Rotkohl kreuze, habe ich eine Hybride. Und wenn ich einen Weißkohl der Sorte Ina 1 mit einem Weißkohl der Sorte Ina 2 kreuze, habe ich auch eine Hybride.
Darin ist nichts schlecht, es sind halt einfach keine Sortenechte Nachkommen mehr.
Wenn man selber keine Sortenerhaltung betreiben will, ist es egal, ob man sortenechtes oder Hybridsaatgut verwendet (es sei denn, man will die Sortenerhaltung indirekt fördern und kauft deshalb sortenechtes Saatgut von entsprechenden Vermehrern).
Und mit Hybridsaatgut kann man relativ einfach wünschenswerte Eigenschaften erzeugen, die mit sortenechten Samen erst viel später (nach langjähriger Auslese) oder gar nicht zu erreichen werden. Diese Eigenschaften spielen aber mehr im Profibereich (Gemüsebau ist ein Centgeschäft) eine Rolle. Im Kleingarten ist der Unterschied zwar Gegeben, aber nicht so wichtig.
Und wie entsteht eine neue samenechte Sorte?
Indem man gezielt (Kreuzung) oder per Zufall (die Natur hat mal wieder experimentiert) erzeugte Eigenschaften durch Auslese stabilisiert.
Wenn du also z.B. bei deinen Kohlköpfen 5 Stück findest, die rote Sprenkel haben, passen die war nicht zur alten Sorte. Aber will sie dir so gut gefallen, willst du sie weiter vermehren und zu einer neuen Sorte machen.
Dann nimmst du die 5. Vermehrst sie kontrolliert (sie oben beschrieben) und selektierst beim Nachwuchs wieder alles aus, was dir nicht gefällt. Das wird in den ersten Generationen der allergrößte Teil der Pflanzen sein. Und wenn du dann nach vielen Generationen Selektion fast nur noch Nachwuchs mit den gewünschten Eigenschaften hast, dann kannst du deiner neuen, samenechten Sorte einen Namen geben und die Kriterien festschreiben, die die Pflanzen deiner Sorte erfüllen müssen.
Heißt im Umkehrschluss: Alle samenechten Sorten sind irgendwann durch Kreuzung oder Mutation (waren also mal Hybride oder Mutanten) entstanden und wurden durch fleißige Leute vermehrt und in ihren Eigenschaften stabilisiert.
Und was ist jetzt eine F1-Hybride? Gaaanz böse?
Ne. F1 heißt einfach nur Kreuzung der ersten Generation.
Es wurden also zwei Elternsorten verpaart.
Der Saatguterzeuger nimmt also z.B. einen schönen, grünen, festkopfigen Salat als eine Elternsorte und einen sehr blattlausfesten als 2. Elternsorte und erhält durch die Verkreuzung Saatgut, dass schöne, grüne, festkopfige, blattlausfest Salatköpfe erzeugt.
Der Profianbauer oder Hobbygärtner kann dann sofort diesen Salat anbauen und von den Vorteilen profitieren und muss nicht erst 20 Jahre warten, bis der Züchter eine neue samenechte Sorte mit den gleichen Eigenschaften selektiert hat. (Es kann aber sein, dass in den 20 Jahren die Blattläuse sich über 60 Generationen so verändern, dass die ursprüngliche Resistenz gegen Blattläuse gegen die neuen Blattläuse gar nichts mehr hilft. Dann waren die 20 Jahre Selektionsarbeit ganz für die Katz.)
Wenn der Hobbygärtner mag, kann der diese Selektionsarbeit aus dem Hybridsaatgut ja selber leisten. Essbar werden alle erzeugen Salatköpfe sein und für die Vermehrung muss der sich halt die gewünschten raussuchen.
Ich hoffe, jetzt war es verständlich?
LG,
Manfred