Planen fuer den Notfall oder nicht?

Was halt nirgendwo passt
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emil17
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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#771

Beitrag von emil17 » Do 1. Dez 2016, 19:06

Der Staat war ursprünglich nicht vom Haushalt des Fürsten getrennt bzw. die Aufspaltung einer eglitären Gesellschaft in Krieger und Priester und Bauern (die ersten verteidigen, die zweiten verstehen sich als das Bodenpoersonal der Götter, und die dritten ... irgendwer muss die Arbeit ja machen) führte, weil die ersten beiden Gruppen auch nur Menschan sind und gerne essen, ohne dafür zu arbeiten, zur Klassengesellschaft, wo sich die Fürsten schliesslich als von Gottes Gnaden berufen sahen. Sie können ja nichts dafür, dass das dumme Volk nur zum Arbeiten da ist.
"Als Adam schuf und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?" Antwort: Rübe ab ( --> Bauernkriege des 16. Jahrhunerts)
Im Zuge der Aufklärung verstand sich der Fürst dann mehr und mehr als Erster Diener des Staates, aber das Steuern zahlen und Kanonenfutter spielen überliess man weiterhin den gewöhnlichen Leuten.
Nach der französischen Revolution wurde Egalité, Liberté, Fraternité bald zu einem Freibrief der Kapitalisten. Bloss weil wir alle gleich sind, heisst das ja nicht, dass alle gleich viel haben und die Reichen plötzlich selber arbeiten müssen.
Auch die Gewaltentrennung hlft hier nicht weiter, denn die guten Posten werden überall mit Leuten aus den besseren Schichten besetzt.

Aus dem Selbstverständnis des Staates heraus muss jeder alles geben, wenn der Staat von aussen oder innen in seiner Existenz bedroht ist. ("Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche") In der Praxis heisst das, die Männer werden im Kriegsfall als Soldaten verheizt oder in Rüstungsbetrieben zwangsverpflichtet. Nahrungs- und Produktionsmittel werden zwangsbewirtschaftet oder beschlagnahmt. Reiche Leute werden nicht verheizt, denn die sind kriegswichtig. Arme und Alte lässt man verhungern, woran der böse Feind schuld ist.

Heute lebt man aber insofern besser, weil die Gefahr, in einen neuen Krieg eingezogen zu werden, geringer ist als je, und weil man dich in Ruhe lässt, wenn du deine Steuern zahlst und nicht lästig bist.
Sobald es aber an die wirtschaftlichen Interessen des Grosskapitals geht, wird einem sehr deutlich klargemacht, dass eben doch nicht alle gleich sind.

Dass bei Zwangsbewirtschaftung der Landwirtschaft und Preisdeckelung das Ziel, allen Leuten gleichen Zugang zu Nahrungsmitteln zu verschaffen, nicht erreicht wird, hat sich jedes Mal und in jedem repressiven politischen System gezeigt. Bei nicht kostendeckenden Preisen oder Gefahr der Beschlagnahme hat man keinen Grund, mehr als nötig zu produzieren. Dennoch ging es der Landbevölkerung im Vergleich noch gut. Als Fabrikarbeiter wurde man zwangsverpflichtet bei Lohnbindung, und war der Lebensmittelknappheit hilflos ausgeliefert. Ein unterschlagenes Huhn gebraten auf dem Tisch macht besser satt als eine Lebensmittelkarte, wenn es nix zu kaufen gibt. Das merken irgendwann mal auch die obrigkeitsgläubigen Nationalisten und daran ist - zum Glück - bisher noch jedes Zwangssystem gescheitert.
Ich denke deshalb, dass Bauernschläue auch in Zukunft eine gute Taktik gegen derartige Zumutungen von oben ist. Allerdings muss man ziemlich klug sein, um glaubhaft den Dummen spielen zu können.

Das Problem der Obrigkeit liegt vereinfacht dargestellt darin, dass drei Dinge nötig sind, die sich miteinander nicht vertragen.
Der (im Sinne der Obrigkeit) gute Bürger muss klug, arbeitsam und obrigkeitstreu sein.
Ist man klug und arbeitsam, ist man nicht obrigkeitstreu, (klug sein und in ein Fass ohne Boden arbeiten passt nicht zusammen)
Ist man obrigkeitstreu und arbeitsam, ist man nicht klug, siehe vorher.
Ist man klug und obrigkeitstreu, ist man nicht fleissig, sondern lässt die anderen den Dreck machen.
Die Katatrophe tritt dann ein, wenn die fleissigen Dummen Überhand nehmen, denn die verderben alles. Das tritt irgendwann unweigerlich ein, denn der kluge Krieger weiss, dass er weit vom Geschütz weg alt wird, und macht sich rar wo er kann.
Diese Regel hat sich auch in den Siegerstaaten stets bewährt, denn auch dort haben die Kriegsbeschädigten die Arschlarte gezogen. Weil man Kriege nicht gewinnen, sondern bloss übrigbleiben kann (der Verlierer ist völlig ruiniert, der Sieger fast völlig), kann man auch beim Besiegten nichts holen. Also müssen die Vertreter der bessern Klassen auch in den Siegerstaaten auf Kosten der eigenen Bevölkerung leben.

Eine egalitäre Gesellschaft kann es aber auch nicht geben, denn nicht alle sind gleich brauchbar. In der Gruppe, wo jeder jeden kennt weiss man genau, wer was kann und leistet. Sobald die Gruppe zu gross dazu wird, tritt obige Regel in Kraft.

Als Optimist darf man daher annehmen, dass man heute in einer ziemlich guten Welt lebt. Als Pessimist hat man Grund zur Annahme, dass das zutrifft.

Für die Notfallvorsorge haben wir relativ gute Karten, weil wir viel selber können und beizeiten gelernt haben, uns durchzuwurschteln, und weil wir ja eben nicht Güter für den Verkauf produzieren, die zwangsbewirtschaftet werden könnten. Mein steiler Wald, der in normalen Zeiten nie geldwerten Ertrag abwarf, bleibt selbstverständlich auf dem Papier ertraglos, und die Bürokraten gehen nicht selber in den Wald. Aber ich hab Holz.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#772

Beitrag von Thomas/V. » Do 1. Dez 2016, 19:19

:lol: :daumen:
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#773

Beitrag von fuxi » Do 1. Dez 2016, 22:28

emil17 hat geschrieben:Das Problem der Obrigkeit liegt vereinfacht dargestellt darin, dass drei Dinge nötig sind, die sich miteinander nicht vertragen.
Der (im Sinne der Obrigkeit) gute Bürger muss klug, arbeitsam und obrigkeitstreu sein.
Ist man klug und arbeitsam, ist man nicht obrigkeitstreu, (klug sein und in ein Fass ohne Boden arbeiten passt nicht zusammen)
Ist man obrigkeitstreu und arbeitsam, ist man nicht klug, siehe vorher.
Ist man klug und obrigkeitstreu, ist man nicht fleissig, sondern lässt die anderen den Dreck machen.
Sehr schöne Zusammenfassung :mrgreen:
We have normality. Anything you still can’t cope with is therefore your own problem.

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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#774

Beitrag von Rati » Fr 2. Dez 2016, 11:39

emil17 hat geschrieben:Das Problem der Obrigkeit liegt vereinfacht dargestellt darin, dass drei Dinge nötig sind, die sich miteinander nicht vertragen.
Der (im Sinne der Obrigkeit) gute Bürger muss klug, arbeitsam und obrigkeitstreu sein.
Ist man klug und arbeitsam, ist man nicht obrigkeitstreu, (klug sein und in ein Fass ohne Boden arbeiten passt nicht zusammen)
Ist man obrigkeitstreu und arbeitsam, ist man nicht klug, siehe vorher.
Ist man klug und obrigkeitstreu, ist man nicht fleissig, sondern lässt die anderen den Dreck machen.
bleibt für mich nur zwei Fragen
1. Zu welcher Gruppe gehören den die, welche die Obrigkeit sind?
2. gilt dieser Gruppenstempel lebenslang (das Volk)?

:kaffee:

Grüße Rati
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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#775

Beitrag von emil17 » Fr 2. Dez 2016, 13:35

Rati hat geschrieben:bleiben für mich nur zwei Fragen
1. Zu welcher Gruppe gehören den die, welche die Obrigkeit sind?
zur zweiten, die Kader oft zur Dritten
Rati hat geschrieben:2. gilt dieser Gruppenstempel lebenslang (das Volk)?
statistisch gesehen überwiegend ja. Die meisten, die als Hilfsarbeiter anfangen, bleiben das auch, aber nicht alle von diesen sind faul oder dumm.
Andersrum, wer sich reiche und einflussreiche Eltern ausgesucht hat, braucht sein Leben lang nichts zu arbeiten, wenn er nicht will, und hat viel mehr Einfluss, als ihm aufgrund seiner Person zukommt.
Das ist ein grundsätzlicher Einwand gegen unsere Gesellschaft, denn es ist eine Rückkehr zum Feudalismus.
Man muss allerdings auch sagen, dass unser System für schlaue und fleissige Leute viele Möglichkeiten bietet, sich recht weit hochzukommen.
Das erfordert allerdings, alles andere hintenanzustellen und sich mit der Obrigkeit nicht anzulegen oder erst, nachdem man sich schon weit hochgearbeitet hat.
Unser Nationalheld Wilhelm Tell würde heute schlicht als Terrorist ins Gefängnis gesteckt.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#776

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 2. Dez 2016, 14:17

frodo hat geschrieben:
ina maka hat geschrieben: Dass einer dem anderen im Notfall beisteht, war schon in den Stammesgesellschaften selbstverständlich.....
Das funktioniert aber auch nur in einem "Rudel" von der überschaubaren Größe, wo noch Jeder Jeden kennt, das mit dem freiwilligen Teilen.
:daumen: :daumen:

Da hast du ja genau die Methode entdeckt, um sich auf einen eventuellen Notfall vorzubereiten!!
Und "schade drum" ist es auch nicht, falls der Notfall dann doch nicht eintrifft....

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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#777

Beitrag von Rati » Fr 2. Dez 2016, 14:46

emil17 hat geschrieben:
Rati hat geschrieben:bleiben für mich nur zwei Fragen
1. Zu welcher Gruppe gehören den die, welche die Obrigkeit sind?
zur zweiten, die Kader oft zur Dritten)..
i.O. :hmm: also fängt die Obrigkeit bei dir schon mit dem kleinen Beamten an und dann gibt es da noch einen Kader obendrauf.
Wie ein fauler allerdings an die Spize kommt und was als Drek (den sie andere machen lassen) def. werden kann wäre schon interessant zu erfahren.... aber hey, ich mag ganz viele Sachen von dir, außerdem ist jetzt Wochenende also formuliere ich keine neue Frage.
:grinblum:
emil17 hat geschrieben:
Rati hat geschrieben:2. gilt dieser Gruppenstempel lebenslang (das Volk)?
statistisch gesehen überwiegend ja...
ach Statistik ;) statistisch gesehen sind Statistiken ein ziemlich ungenaues Abbild der Realität, weil statisch. :)

Grüße Rati
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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#778

Beitrag von emil17 » Fr 2. Dez 2016, 22:08

Rati hat geschrieben: Wie ein fauler allerdings an die Spitze kommt und was als Dreck (den sie andere machen lassen) def. werden kann wäre schon interessant zu erfahren.
wie ein fauler an die Spitze kommt? Durch Klugheit, wie denn sonst ...
Die Tatsache, dass du so fragst, zeigt schon, dass du nie dazugehören wirst. Manches muss einem gegeben sein. es braucht nicht nur Klugheit, sondern auch einen bestimmten Typ Charakter.
Rati hat geschrieben:außerdem ist jetzt Wochenende also formuliere ich keine neue Frage.
Kein Problem. die Fragen hier im Forum sind geduldig.
Rati hat geschrieben: statistisch gesehen sind Statistiken ein ziemlich ungenaues Abbild der Realität
Sie erklären ja nicht die Realität, sie beschreiben sie nur. Als Werkzeug ganz brauchbar. Die Statistik besagt z.B. nur, dass von 100 Personen aus der Unterschicht 80 - 90 da unten bleiben. Warum das so ist, ist eine ganz andere Frage, und ob Mitleid angebracht ist mit denen die es nicht schaffen, ist nochmals eine andere, denn ob und wie sie es versucht haben weiss man ja noch nicht.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

viktualia

Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#779

Beitrag von viktualia » Sa 3. Dez 2016, 15:26

@Emil, du bist zwar meist genial, aber manchmal auch bissl eklig.
Als ob die Bandbreite von Klugheit mit "Faulheit denkt scharf" abgedeckt sei; als ob "Obrigkeitstreu" nicht auch noch Spielraum von Loyalität bis Kadavergehorsam hätte; und arbeitsam ist auch mal hohl, mal engagiert.
Schere, Stein, Papier, mehr is das nicht.

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Re: Planen fuer den Notfall oder nicht?

#780

Beitrag von emil17 » Sa 3. Dez 2016, 19:10

viktualia hat geschrieben:@Emil, du bist zwar meist genial, aber manchmal auch bissl eklig.
Als ob die Bandbreite von Klugheit mit "Faulheit denkt scharf" abgedeckt sei; als ob "Obrigkeitstreu" nicht auch noch Spielraum von Loyalität bis Kadavergehorsam hätte; und arbeitsam ist auch mal hohl, mal engagiert.
Schere, Stein, Papier, mehr is das nicht.
Wenn du hier nicht recht hättest, wäre die Welt langweilig.
Selten genial, oft eklig trifft es vermutlich besser :holy:
Schere Stein Papier funktioniert im Haushalt mit Kindern ganz gut. Wer macht den Abwasch? Keiner will, Stein Schere Papier, der Gewinner ist erst morgen dran, und schon haben die lieben Kinder vergessen, dass eigentlich keiner wollte. Das funktioniert in der Gesellschaft auch erstaunlich oft.

Es ging ja eigentlich nur um die Frage, wie man für den Notfall vorsorgen soll und dann darum, dass es einem in der Not auch bleibt.
Dann gings darum, wieso ein Teil der Notvorsorge von Geld unabhängig sein sollte, und von da warum Geld als Wertaufbewahrungsmittel so seine Tücken hat.
Dann kam man auf die Probleme von Gesellschaften, die zu gross sind, als dass sich alle persönlich kennen. Hier taugt mein Schema als ganz grobe Klassifikation für Verhaltensmotive.
Was nicht heisst, dass andere Schemen falsch sind, von individuellen Unterschieden und weiteren Charaktereigenschaften gar nicht zu reden.
Was du auch noch nicht erwähnt hast: In gewissen Bereichen bin ich obrigkeitsgläubig und vertraue auf die Behörden, in anderen nicht, und in noch anderen habe ich keine Lust, mich zu engagieren. Das dürften viele so halten. Schon wird es komplizierter.

Letztlich geht es um das alte Problem, dass bei zu grossen Gruppen Egoismus belohnt wird, weil man den Vorteil sofort und persönlich und ungeteilt hat, während der Nachteil auf die ganze Gemeinschaft (meist eine Zwangsgemeinschaft) übewälzt wird und oft unmerklich klein ist.
Es ist die Logik der Warenhausdiebe: 5% des Preises ist Aufschlag wegen Verlusten durch Klauen, Veruntreuung usw., Also ist man blöd, wenn man nicht klaut - solange man nicht erwischt wird, denn andere klauen auch und das Warenhaus hält sich sowieso an allen schadlos.
Ich hab an mich den Anspruch, auch in Notzeiten moralisch akzeptabel leben und handeln zu können, deshalb sorge ich vor. Überleben um des Überlebens willen - ein Bunker voll Fressalien und eine Knarre um ihn zu verteidigen - ist keine Perspektive, denn es stellt sich die Sinnfrage.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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