Small Talk: Der Thread für Belangloses

Forenschänke und Smalltalk
Benutzer 1612 gelöscht

Re: Der Thread für Belangloses

#3731

Beitrag von Benutzer 1612 gelöscht » Mo 15. Aug 2016, 21:09

Die wichtige Frage dabei ist ja: Wie viele Möpse...?

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Kultur"schock" (auch Belanglos)

#3732

Beitrag von emil17 » Di 16. Aug 2016, 15:11

War gerade einige Tage in Berlin als Tourist.
Hier meine Eindrücke (latent menschenmengenscheuer Bergbewohner eines Kleinstaates besucht deutsche Grosstadt):

- ALLES ist gross: Parks, Museen, Hotels, Bahnhöfe, der Zoo. Nur das berühmte Brandenburger Tor ist erstaunlich klein.

Ich geh mal "rasch" auf einen Trödelmarkt? Es gibt viele und alle sind so, dass man mehrere Stunden braucht, um einmal durchzugehen. Auf jedem Trödel finden sich massenhaft emaillierte Blecheimer und Waschschüsseln, Honecker-Portraits zum Aufhängen sowie irgendwelche Ausgehuniformen und Grabbelkisten voll mit Orden und Auszeichnungen.

Es ist nett, dass sie den Fernsehturm haben, denn wie sonst soll man sich in einer Gegend ohne Horizont orientieren?

Es hat sehr viele unbebaute Flächen (Parks, unbebaute Grundstücke aller Art), wo eine für mich ungewohnte Art Halbwildnis herrscht.
Überall hat es selbstverständlich grosse Flächen, wo massenhaft Leute sind, die einfach rumstehen oder denjenigen zugucken, die auch das tun.
Der Umgang mit städtischem Grünland wirkte auf mich angenehm locker - die Vorstellung des überall vorhandenen deutschen übergepflegten Zierrasens mit "Betreten verboten" Schild stimmt überhaupt nicht. Wenns doch eins hat, kümmern sich viele nicht darum.
Mna kann einfach irgendwo reingehen und sich hinsetzen - d.h. wenn man auf Müll und Tretminen achtet.
Viel Müll in den Grünanlagen - warum? Wer eine volle Flasche in den Park schleppt, kann doch die leere zum nächsten Mülleimer bringen.

Seltsam ist, dass die Radwege die Aussteigezone von Bus oder Strassenbahn vom Gehsteig trennen, dh. wenn man sich nicht SOFORT weit vom Bus wegbewegt, steht man auf dem Fahrradweg und wird unwirsch weggeklingelt.
Auch seltsam ist, dass sie an der U-Bahn einem nicht eine Liste der Stationen zeigen, d.h. es ist nicht leicht herauszufinden, in welcher Richtung man fahren muss, wenn man nur die Linie und die Aussteigestation, aber nicht die Endstation dieser Linie kennt.
Ebenfalls seltsam ist die Sitte, gewisse Parkbaumstämme und Mauerecken bis auf Kopfhöhe dicht an dicht mit alten Kaugummis zu bekleben.

Bei den zahllosen Imbissen und Kneipen kennzeichnet man sich schnell als Landei, weil man das Vokabular zum Bestellen nicht kennt. Man kommt sich vor, wie wenn man in die Staatsbibliothek ginge und dort beim Empfang fragte, ob sie was zum Lesen hätten. Dabei läuft alles angenehm unkompliziert ab, wenn man es mal raus hat.
Das Geld zum Essen reicht ungefähr doppelt so weit wie bei uns.

Die Museen sind sehr eindrücklich. Ein Tag pro Museum reicht nirgendwohin, wenn man sich die Dinge wirklich anschauen möchte. Didaktisch sind sie vorzüglich, aber man hat mehr davon, wenn man sich vorher etwas in die Thematik einliest. Falls man sich z.B. für alte Dampfloks interessiert, ist das Technikmuseum schon nur mal dafür für einige Tage gut.

Im historischen Museum ist die DDR etwas einseitig aufgearbeitet - ich habe wenig Hinweise auf das gefunden, was dort im Alltag gut war und von den Leuten geschätzt wurde, obwohl es das zweifellos auch gegeben haben muss. "Alles prüfe und das beste behalte" konnte 1990 offenbar nicht durchgezogen werden, unter anderem wegen dem drohenden wirtschaftlichen Kollaps. Das tut aber der gewaltigen Leistung keinen Abbruch, innerhalb eines halben Jahres einfach mal 106'000 km2 mit 17 Mio. Einwohnern wirtschaftlich und politisch aufzunehmen.
Vielleicht gibts auch bessere Museen dafür.

In der Mitte Berlins Deutsche Geschichte bis zum Abwinken. Die Sache mit der Mauer ist noch bescheuerter, wenn man das in Wirklichkeit sieht, was davon noch da ist. Dass nun ausgerechnet die Israelis (Grenze zum Gaza-Streifen) und die Amis (Grenze zu Mexiko) so was bauen, hat damit offenbar gar nichts zu tun.

Jetzt dürft ihr mich auslachen - ich mach dann mal ne Bergwanderung mit einem eingeborenen Tiefland-Städter zur Revanche.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Benutzeravatar
fuxi
Förderer 2019
Förderer 2019
Beiträge: 5900
Registriert: Di 3. Aug 2010, 10:24
Wohnort: Ruhrgebiet, Klimazone 8a
Kontaktdaten:

Re: Kultur"schock" (auch Belanglos)

#3733

Beitrag von fuxi » Di 16. Aug 2016, 15:36

emil17 hat geschrieben:Seltsam ist, dass die Radwege die Aussteigezone von Bus oder Strassenbahn vom Gehsteig trennen, dh. wenn man sich nicht SOFORT weit vom Bus wegbewegt, steht man auf dem Fahrradweg und wird unwirsch weggeklingelt.
Die Radwegsituation scheint in Berlin einfach furchtbar zu sein. Ich verfolge das ein wenig, weil ich ja auch Radfahrerin bin. In letzter Zeit wird da von engagierten Leuten viel Energie reingesteckt, die Berliner Entscheidungsträger zum Handeln zu bewegen (Volksentscheid Fahrrad, Critical Mass, etc.). Aber generell scheint da immer noch kein einziger Städteplaner, Beschilderungsverantwortlicher oder Politiker jemals auf einem Fahrrad gesessen zu haben, was im besten Fall zu absurden Beschilderungen und unsinnigen Radwegen und im schlimmsten Fall zu lebensgefährlichen Todesfallen führt.
We have normality. Anything you still can’t cope with is therefore your own problem.

Olaf
Beiträge: 13594
Registriert: Mi 4. Aug 2010, 14:25
Familienstand: glücklich verheiratet
Wohnort: Havelland BRB

Re: Der Thread für Belangloses

#3734

Beitrag von Olaf » Di 16. Aug 2016, 15:57

Sehr lustig zu lesen. :daumen:
Wir verirren uns ja auch nur gelegentlich dahin, und finden auch vieles dort etwas sonderbar. Und spüren dann wieder, dass wir Landeier sind und froh darüber bzw. froh, wenn wir aus dem Moloch wieder raus sind. Die sind auch alle so hektisch, und insb. Auto- und Fahrradfahrer oft recht aggressiv. Wird man da aber vermutlich von selbst...da fahren nur Idioten rum außer einem selbst...
An dem Ticketsystem der öffentlichen verzeifle ich schon in Groß Kreutz (das ist bei und das nächste Nest und zählt noch zur S-Bahn), und da gibts nur Richtung Brandenburg oder Richtung Berlin, sollte man meinen, kann man nichts verkehrt machen. Doch, kann man!
LG, gute Erholung!
Olaf
Edit: Hier kommen grad die Verkehrsdurchsagen, da muss man ja ne Macke kriegen....
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

strega
Förderer 2017
Förderer 2017
Beiträge: 2246
Registriert: Do 22. Mai 2014, 20:59
Familienstand: rothaarig
Wohnort: in der teutonischen Zivilisation, aber fast nie dort....

Re: Der Thread für Belangloses

#3735

Beitrag von strega » Di 16. Aug 2016, 17:01

@ emil17

Vergnüg dich in den Bergen, ich vergnüg mich auch nicht in Berlin...
war dort vor ein paar Jahren mehrmals, Radfahren bescherte mir einen himmelhohen Adrenalinspiegel, hatte das Gefühl, es ist unmöglich, auf alles zu achten auf das frau achten sollte aufm Zweirad.
Fürs U- und S-Bahnfahren brauchte ich ne Woche, um beim Einsteigen ins Verkehrsmittel nicht horrende Zweifel zu bekommen, jemals dahin zu finden wo ich hinwill. Und dann unter Umständen auch wieder zurückzukommen auf irgendeine Art (ohne was zu tun, was die grünen Männchen dazu gebracht hätte, mich irgendwann nach Hause zu fahren - aber vielleicht hätten sie das ja eh nicht getan) :ohm:

In den U-Bahnschächten krieg ich Depressionen, wenn ich da jeden Tag mehrmals hinmuss, ich brauch freien Himmel über mir, sonst helfen auch Vitamin-D-Tabletten nix. Einfach alles da so ungefähr 43928 Nummern zu gross für mich.

Aber im Checkpoint-Charly-Museum krieg ich immer noch irgendwie Gänsehaut und hab massenhaft Respekt vor den gewagten Durchbrüchen Richtung Freiheit....
Und so alle fünf Jahre tut mir die geballte Infrastruktur auch mal gut, die hab ich sonst nicht auf meinem Acker.
So halt für einen sehr limitierten Zeitraum. Aber für wie lange auch immer, irgendwie fang ich immer an, mitten in der Grosstadt irgendwas in der Wildnis sammeln zu wollen, so nen Reflex muss das sein: Brennholz, Brennesseln, Holunder, Schlehen...
das ist stärker als die Vernunft :mrgreen:
Frauen, die sich gut benehmen, schreiben selten Geschichte. Eleanor Roosevelt

fuente
Beiträge: 361
Registriert: Di 15. Feb 2011, 18:12
Wohnort: IBI / Alicante
Kontaktdaten:

Re: Kultur"schock" (auch Belanglos)

#3736

Beitrag von fuente » Di 16. Aug 2016, 17:04

Im historischen Museum ist die DDR etwas einseitig aufgearbeitet -


Die DDR-Wirklichkeit wird im DDR Museum dargestellt und beim Check Point Charlie gibt es ein weiteres. Wenn du also mehr Information willst, schau da mal rein.

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Der Thread für Belangloses

#3737

Beitrag von emil17 » Do 18. Aug 2016, 13:57

Das ist kein Vorwurf ans historische Museum. DDR ist ja auch nicht der Schwerpunkt der Daueraussellung zur deutschen Geschichte.
Nur hat es eben Verweise auf den Alltag der gewöhnlichen Leute in früheren Epochen der deutschen Geschichte.
Und da wird (auch im Technikmuseum) z.B. die Blockade und Luftbrücke 48/49 viel mehr thematisiert als das Gefühl der Ostberliner, die ja wohl auch noch anderes wollten als bloss rüber.
Wie lange muss man in Berlin sein, um alle Museen und Gedenkstätten gesehen zu haben (nicht bloss dortgewesen sein), die etwas mit dem Thema zu tun haben?
Wenn man in einem System gross geworden ist, wo die Waren nach dem Kunden Schlange stehen (für Geld kriegste alles, aber wie kommste zu Geld), dann ist es wohl schwierig, sich das umgekehrte - die Kunde stehen nach den Waren Schlange und Vitamin B ist wichtiger als Kohle - wirklich vorzustellen.
Dankbar bin ich meinem Staat aber vor allem dafür, dass er mich vor häufigen von der Regierung organisierten Pflicht-Demos, Uniformen, Zwangsmitgliedschaften in allen möglichen staatlichen Organisationen sowie Spitzeltum und politischer Schulung verschont hat. Das muss wirklich eine Plage gewesen sein und da kann ich keinen prinzipiellen Unterschied zwischen DDR und Adolfzeit erkennen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Olaf
Beiträge: 13594
Registriert: Mi 4. Aug 2010, 14:25
Familienstand: glücklich verheiratet
Wohnort: Havelland BRB

Re: Der Thread für Belangloses

#3738

Beitrag von Olaf » Do 18. Aug 2016, 15:28

Ach, wenn man da so reingewachsen ist und es nicht anders kennt, ists halb so wild. Gut, später gabs natürlich viele, die schon immer dagegen und Helden zugleich Opfer waren. Der Adolf-Vergleich, doch, der trifft es durchaus, mit seinen Erben: Sehr interessant fand ich es immer, mich mit einer Freundin meiner Frau zu unterhalten. Die war Chinesin, und erst als junge Frau mit ihren Eltern aus China abgehauen. Deren Kindheit war doch meiner verblüffend ähnlich. Stalin und Mao haben da sicher auch ihren Teil zu beigetragen....
Ich muss auch mal in so ein Museum gehen, mal gucken, wie's war bei uns :lol:
LG
Olaf
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

Rati
Beiträge: 5549
Registriert: Di 8. Mär 2011, 14:58
Wohnort: ein Sachse unter Niedersachsen

Re: Der Thread für Belangloses

#3739

Beitrag von Rati » Do 18. Aug 2016, 15:45

Olaf hat geschrieben:....Ich muss auch mal in so ein Museum gehen, mal gucken, wie's war bei uns :lol:
LG
Olaf
:lol: :daumen:

Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Der Thread für Belangloses

#3740

Beitrag von emil17 » Do 18. Aug 2016, 21:08

An der Bernauer Strasse gibts eine Stelle, wo sie die anno 61 zugemauerten Kellerfenster eines Wohnhauses zur Westseite hin zeigen. In der Erklärungstafel dazu steht was von archäologischen Befunden.
Anno 1961 hab ich schon gekräht und nun bin ich folglich selber vom Jahrgang her auch schon archäologisch interessant :platt:

Stalin und Mao können von der Anzahl der Opfer ihres Systems her durchaus mit den Nazis mithalten. Das Schema ist bei allen totalitären Systemen mit Weltanschauung (im Gegensatz zu reinen Kleptokratien, wo der grosse Boss bloss sich und seinen Clan bereichern will) immer so, dass die Untertanen durch die Hölle ins Paradies geprügelt werden.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Antworten

Zurück zu „Zur lustigen Wildsau“