Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#581

Beitrag von Manfred » Di 2. Aug 2016, 09:43

Da muss man die Details ansehen, ihno.
Bezüglich der Nitratbelastung sind viele fragwürdige Zahlen im Umlauf.
Wir hatten dazu ja schon mal eine Diskussion.
Problematisch sind anscheinend besonders Regionen mit viel Gemüseanbau, wo intensiv mit synthetischen Stickstoffdüngern gearbeitet wird, und Waldgebiete auf Sandboden mit hohen Stickstoffeinträgen aus der Luft. Quelle für letztere Stickstoffeinträge sind teilweise massive Ballungen intensiver Tierhaltungsbetriebe und teilweise Stickoxidemissionen aus Ballungsräumen.
Biogas-Gärreste waren dadurch besonders problematisch, dass sie einer Sonderregelung unterlagen und nicht auf die Begrenzung der Stickstoffdüngung aus Wirtschaftsdünger angerechnet wurden. Zudem enthalten sie im Gegensatz zu Mist und Gülle praktisch keinen Kohlenstoff, so dass der enthaltene Stickstoff leichter entweicht.
Man muss auch anmerken, dass die pauschalen gesetzlichen Regelungen zur Mengenbegrenzung wenig taugen, da die Aufnahmekapazität massiv von den Standortbedingungen und den angebauten Kulturen abhängt.
Bei meinem Onkel in Oberbayern wurden wegen Seenähe z.B. spezielle Proben aus tieferen Bodenschichten gezogen. Der könnte auf seinen Ackergrasflächen mit 6 bis 7 Schnitten im Jahr locker 350 kg Stickstoff pro ha aus Wirtschaftsdünger ausbringen ohne das Grundwasser im Mindesten zu gefährden. Anderswo können 150 kg schon zu viel sein.
Weitgehend sinnfrei finde ich auch den extremen Aufwand, der zur Begrenzung von Stickstoffausgasungen bei der Gülleausbringung betrieben wird. Das macht allenfalls in Regionen mit extrem hohem Gülleaufkommen in unmittelbarer nähe zu Waldstandorten mit wenig Pufferkapazität Sinn.
Auf 95% der Flächen in D ist das sinnlos verbratenes Geld, weil der Stickstoff eh in der Nähe wieder auf anderen Flächen landet und dort verwertet wird.

Es ist wie so oft: Eine hochkomplexe Thematik in der die Politik mit viel zu stark vereinfachten Antworten herumpfuscht und deshalb das Problem nicht löst, sondern an anderer Stelle neue Probleme schafft, z.B. in Form massiv steigender Kosten für die Wirtschaftsdüngerausbringung.
Man muss jeden betroffenen Brunnen und sein Einzugsgebiet einzeln ansehen und den Weg des Stickstoffs zurück verfolgen. Dann kann man dort mit geeigneten Maßnahmen Abhilfe schaffen.
Das Nitratproblem unter einem Wald in Niedersachsen löst man nicht, indem man einen bayerischen Bauern auf einem unproblematischen Standort zwingt, seine Flächen statt mit eigenem Wirtschafsdünger mit zugekauftem Mineraldünger zu düngen.

Benutzer 4754 gelöscht

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#582

Beitrag von Benutzer 4754 gelöscht » Di 2. Aug 2016, 09:59

Manfred :daumen:

Aber das mit den Gärresten bleibt bitte so :engel:
Dadurch kann Mais in viehlosen Betrieben ganz ohne Mineraldünger angebaut werden.
Vor der Saat etwas und dann noch mal bei 30-40cm Wuchshöhe etwas und der Mais ist rund um glücklich.

Bei Körnermais genau das selbe, nur kommt auf das Stroh eine dritte portion Gärrest um die Strohrotte zu verbessern.

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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#583

Beitrag von emil17 » Di 2. Aug 2016, 12:40

Mal ne Frage hierzu:
maximal 170 kg N pro ha und Jahr Eintrag durch Gülle - darf dazu noch Mineraldünger gegeben werden? falls ja wieviel?
Wie sieht bei euch Erwerbslandwirten die Stickstoffbilanz pro Fläche aus? (Eintrag durch Dünger, egal ob Gülle oder mineralisch, minus das, was in der Ernte enthalten ist und weggeführt wird)

Was bei Spaziergängern oft Ärger erregt, ist die Tatsache, dass organische Dünger (Hofdünger, Gärreste, früher Klärschlamm ...) manchmal in recht würzig riechenden Mischungen ausgebracht werden, was einem den Aufenthalt im Freien einigermassen verderben kann. Ich glaube, dass 90% von denen trotzdem billiges Gemüse jederzeit wollen und von Stickstoffbilanzen nichts wissen.

In der EU-Publikation zum Thema, die ich auf die Schnelle gefunden habe, werden zwar Quellen und Senken, aber nur Prozente (was sind 100%?) und keine Mengen pro Fläche genannt.
Hingegen wird in der DLG-Publikation (Fachorganisation der Agrar- und Ernährungswirtschaft Deutschlands) ein Stickstoffüberschuss der Nährstoffbilanz der landwirtschaftlich genutzten Fläche [Deutschlands insgesamt] von rund 60 kg N pro ha und Jahr genannt.

Es werden also 60 kg N pro Jahr durch die Landwirtschaft mehr in die Böden eingebracht, als geerntet wird. In manchen Gegenden und von manchen Landwirten weniger, in und von anderen dafür mehr. Fragt sich, wo geht dieses überschüssige Zeugs hin? Wenn es ein Nitratproblem im Trinkwasser aus landwirtschaftlich genutzten Flächen gibt, greift die Antwort "ich wars nicht" etwas kurz. Auch die Tatsache, dass es noch andere Stickstoffquellen gibt (Luftverschmutzung), hilft nicht aus dem Schneider.
Wie man das gerecht regeln soll, wenn der einzelne Landwirt ein wirtschaftliches Interesse daran hat, hoch zu düngen (Mehrertrag wegen mehr Menge pro Fläche oder durch bessere Preise dank Ernteverfrühung beim Gemüse übersteigt Mehraufwand), ist dann eine ganz andere Frage.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#584

Beitrag von Manfred » Di 2. Aug 2016, 13:40

Die Gesamt-Stickstoffmenge, die auf die Felder ausgebracht werden darf, wird durch die Düngeverordnung begrenzt.
In der Stickstoffbilanz des Betriebes darf der Überschuss im 3-jährigen Mittel max. 60 kg pro ha betragen.
Dabei wird idR mit Pauschalwerten gerechnet. Und es geht um die Stickstoffmengen die auf die Felder ausgebracht und von den Feldern mit dem Erntegut abgefahren werden. Lagerverluste z.B. sind darin nicht enthalten. Und Tiere mit Intensivtierhaltung mussten bisher auch keine Hoftorbilanz machen und brauchten deshalb die Stickstoffmengen aus dem Futterzukauf nur bedingt mit einzurechnen.

Am stärksten mit Stickstoff wird wohl im Gemüsebau und auf Intensivgrünland gedüngt.
Der Bedarf wird oft nach dem Nmin-Verfahren berechnet. Das sind Empfehlungen, wie viel Stickstoff für die Jeweilige Kultur mind. verfügbar sein soll.
Empfehlungen für den Gemüsebau finden sich z.B. hier:
http://www.igzev.de/publikationen/IGZ_N ... emuese.pdf
Stickstoffhungrige Kohlarten haben einen Bedarf von teilweise über 350 kg / ha.
Wenn auf einer Fläche mit 40 kg N-Vorrat z.B. im Frühjahr ein Satz Kopfsalat angebaut würde und danach ein Satz Brokkoli (Keine Ahnung, ob das eine realistische Kulturfolge im Profianbau ist. Ich nehme das einfach mal als Rechenbeispiel.) und für die Folgekultur wieder 40 kg N verfügbar sein sollen, dann müsste mindestens wie folgt gedüngt werden:
40 kg Vorrat
Der Salat hat einen Bedarf von 150 kg Nmin und mit dem Erntegut werden 108 kg N abgefahren.
Für den Brokkoli sollen nach dem Salat mind. 40 kg N-Reserve verfübar sein.
Also muss zum Salat mind. 150-40 = 110 kg gedüngt werden.
Nach dem Salat bleiben rechnerisch 150 - 108 = 42 kg
Der Brokkoli (starker Aufwuchs) benötigt 360 kg, es werden mit dem Erntegut 300 kg abgefahren.
Es müssen also mind. 360 - 42 = 318 kg gedüngt werden.
Es bleiben 360 - 300 = 60 kg auf dem Feld.

Mindest-Düngemenge: 110 + 318 = 428 kg. Dabei entstehen 20 kg Überschuss.
Maximal dürften 408 (Abfuhr mit den beiden Kulturen) + 60 kg (max. Überschuss im dreijährigen Mittel) = 468 kg gedüngt werden.

Entsprechend berechnen sich die Düngemengen im Ackerbau.
Je mehr Ertrag abefahren wird, desto mehr muss auch Stickstoff nachgefüttert werden.
Junges Gras enthält viel Eiweiß (und damit Stickstoff als Baustein der Eiweiße). Auf intensivem Grünland mit z.B. 7 Schnitten im Jahr wird entsprechend viel Stickstoff von der Fläche geholt.
Und ein Getreidefeld mit 12 Tonnen Kornertrag braucht natürlich mehr Futter als eines mit 5 Tonnen.

Wie der Überschuss in deinem Link oben kalkuliert wurde, kann ich dir nicht sagen. Ich vermute, dass darin auch gasförmige Verluste im Lager und aus den Ställen etc. enthalten sind, und auch die Import-Futtermittel.
Wo geht der Überschuss hin? Großteils in die Luft in verschiedenster Form. Teilweise wird er im Boden fixiert, teilweise ausgewaschen (oberflächlich oder nach unten). Was in die Luft geht, geht irgendwann wieder auf anderen Flächen (Forst, Siedlungsgebiete, Wasserflächen) nieder. (Die Imissionen auf die landwirtschaftlichen Flächen sind vermutlich schon mit eingerechnet.)
Und wie gesagt: Dies Berechnungen sind alle ziemlich fragwürdig, weil viele Annahmen und Pauschalen enthalten sind.

Benutzer 4754 gelöscht

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#585

Beitrag von Benutzer 4754 gelöscht » Di 2. Aug 2016, 14:44

Neben den Verlusten nach oben und unten wird der Stickstoff zum Humusaufbau benötigt.
Wenn der rechnerische Überschuss unter den Verlusten nach oben und unten liegt, wird massiv Humus abgebaut.
Dadurch kann der Mangel kurzfristig ausgeglichen werden, nach etlichen Jahren ist aber der Boden kaputt.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#586

Beitrag von Manfred » Di 2. Aug 2016, 15:09

Bei den "Verlusten" in die Luft muss man auch den Teil anrechnen, der von den Mikroorganismen zu N2 abgebaut wird.
Stichwort Denitrifikation.

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#587

Beitrag von Manfred » Di 2. Aug 2016, 15:18

Selbsthilfe. Endlich mal einen Landmaschinen-Dieb erwischt. Ein massives Problem nicht nur in Grenznähe.
https://www.facebook.com/brandenburgakt ... 670940578/

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#588

Beitrag von Manfred » Di 2. Aug 2016, 16:47

Ausgebrochene Pferde verursachen erhebliche Schäden:
http://www.ndr.de/nachrichten/niedersac ... te100.html

zaches
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Registriert: Mo 23. Aug 2010, 09:51
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Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#589

Beitrag von zaches » Mo 8. Aug 2016, 20:44

"Erdachtes mag zu denken geben, doch nur Erlebtes wird beleben." Paul von Heyse

www.hilshof.de

Manfred

Re: Meldungen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

#590

Beitrag von Manfred » Mo 8. Aug 2016, 21:31

Da ist einiges dran. Hauptsächlich deshalb, weil im ökologischen Landbau großteils nur der Kampf gegen die Natur mit etwas anderen Mitteln fortgesetzt wird.
Das muss aber nicht so sein. Im Bereich der Wiederherstellenden Landwirtschaft gibt es sehr viele spannende Entwicklungen, von denen ich ja auch immer wieder welche im Forum verlinke.
Der ökologische Landbau so wie er von unserer Bürokratie definiert wird, ist für mich überholt.
Was wir brauchen ist eine neu gedachte Landwirtschaft, die mit der Natur statt gegen die Natur arbeitet.

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