Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

Empfehlungen, Kritik, Hinweise
Benutzeravatar
fuxi
Förderer 2019
Förderer 2019
Beiträge: 5900
Registriert: Di 3. Aug 2010, 10:24
Wohnort: Ruhrgebiet, Klimazone 8a
Kontaktdaten:

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#11

Beitrag von fuxi » Di 21. Jul 2015, 15:40

Sabi(e)ne hat geschrieben:Wann haben wir die Wertschätzung der Tiere aufgegeben, daß sie nur noch "Betriebsmittel" sind? :rot:
(Gilt für Hühner/Hähnchen ebenso).
Seit sie (oder ihre Produkte) abgepackt, steril und unpersönlich zu kaufen sind.
We have normality. Anything you still can’t cope with is therefore your own problem.

Manfred

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#12

Beitrag von Manfred » Di 21. Jul 2015, 18:18

Reisende hat geschrieben:das kann doch viele ursachen haben, die meisten liegen sogar nicht mal in der kuh selbst begründet. das 5. kalb könnte dann wieder top sein, oder irre ich mich da?
also zumindest bei schafen ist ein ausrutscher in der aufzuchtleistung kein direkter grund zum aussortieren. :aeh:
Eben. Könnte. Und alle möglichen Ursachen, wenn nicht eine klar erkennbar ist. Deshalb kommt die Kuh weg. Da bin ich ganz bei der Zucht-Philosophie der Familie Lasater.
In den Anfangsjahren habe ich mehrfach Tiere durchgeschleppt, mit denen ich nicht zufrieden war, in der Hoffnung, es würde besser. Meistens wird es aber nicht besser. Und dann hat man die Chance vergeudet, dafür ein gutes junges Tier aufzustellen. Also lasse ich liebe eine Färse leben und gebe ihr eine Chance und die Kuh kommt weg.
Und selbstverständlich ist das auch bei Schafen ein Grund zu selektieren. Bei dir halt nicht. Die Folge dieser fehlenden "Härte" sind dann all die kränklichen und parasitenanfälligen Herden hier in Deutschland. Unter neuseeländischen Bedingungen würde von einer deutschen Herde im ersten Jahr die Hälfte drauf gehen, trotz des besseren Klimas, wegen des komplett anderen Managements. Dafür wäre die Herde nach ein paar Jahren gesund und würde keine Probleme mehr machen.
Es ist zwar menschlich, aber langfristig tut man seiner Herde und der Wirtschaftlichkeit seines Betriebs keinen Gefallen, wenn man die Tiere verhätschelt.

Benutzeravatar
Reisende
Beiträge: 4268
Registriert: Fr 20. Jul 2012, 15:05
Wohnort: Altmoränenlandschaft in Klimazone 8a

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#13

Beitrag von Reisende » Di 21. Jul 2015, 18:31

verhätscheln und nicht gleich merzen bei einem aufzuchtverhältnis gut-schlecht von 3-1 sind nun wahrlich zwei verschiedene paar schuhe. bei deiner vorgehensweise kannste es auch haben, dass du eine gute mutter wegschlachtest und die färse, die dafür bleiben durfte, enttäuscht.
aber gut, seine selektionskriterien muss jeder für sich selbst festlegen.
bei mir wurde noch nichts aussortiert, weil ich gute tiere habe, nicht weil ich "zu weich" bin. alle bisher gesund bis auf eine konjunktivitis. keine ausbrecher. selbständige lammungen, sehr mütterlich, schöne lämmer.
da ich laktose und gluten hervorragend vertrage, leiste ich mir als ausgleich dafür einige intoleranzen im zwischenmenschlichen bereich.

Benutzer 2354 gelöscht

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#14

Beitrag von Benutzer 2354 gelöscht » Di 21. Jul 2015, 18:56

Euch ist jetzt aber schon klar das ihr jetzt Äpfel mit Birnen bzw. Kühe mit Schafen vergleicht ? :)

Manfred

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#15

Beitrag von Manfred » Di 21. Jul 2015, 19:26

@ihno: Nicht wirklich. Das Grundprinzip ist schon vergleichbar.

@reisende: Wenn man mit einer Herde guter, junger, gesunder Tiere anfängt und das Zuchtziel nicht ändert, dann hat man natürlich gute Chancen, einige Zeit lang nicht selektieren zu müssen. Dafür kommt dann halt irgendwann ein ganzer Schub in kurzer Zeit. Ich habe mit mittelprächtigen Tieren aus einer anderen Haltungsform angefangen und mein Zuchtziel inzwischen mehrfach der Weiterentwicklung meiner Ansichten angepasst. Da ist immer genug zu verbessern. Gestern Abend habe ich z.B. entschieden, meine Selektion auf guten Klauenwuchs und Klauengesundheit konsequent weiterzuführen, auch wenn mich das dieses Jahr einige der Kühe mit der besten Aufzuchtleistung kosten wird. Ist hart, aber das langfristige Ziel einer gesunde Easy-Care-Herde ist nur so zu erreichen. Evtl. finde ich jemanden, für den die Klauen keine Priorität haben und der es in Kauf nimmt, die Klauen alle ein oder zwei Jahre schneiden zu müssen. Die Aufzuchtleistung passt ja. Wenn nicht, dann halt zum Metzger.

Und die nächste Generation birgt nicht nur das Risiko, ebenfalls schlechte Leistung zu bringen, sondern auch die Chance, bessere Leistung zu bringen.
Eine genetische Verbesserung ist nur durch neue Tiere möglich.

cfun
Beiträge: 416
Registriert: Sa 23. Mai 2015, 10:24
Wohnort: Brandenburg

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#16

Beitrag von cfun » Di 21. Jul 2015, 19:29

Angie hat geschrieben:Wieso hat dein Versuch nicht geklappt? Wir kommen ohne Milch klar :aeh:
Na ja, Menschen sind eben unterschiedlich, würde ich sagen. Ich ekel mich z.B. leider vor Reis-, Soja- und Hafermilch, während ich Tofu gern mag. Außerdem liebe ich Käse. Mir würde schon etwas fehlen, wenn ich das nicht hätte. Ich bin aber bereit mehr zu zahlen und weniger zu essen.
Angie hat geschrieben:Glaubst du sie zeigen es ganz öffentlich? Warum wohl geht es den Ausstellkühen auf dem Bio-Bauernhof so gut?
Nein, das waren keine Ausstellkühle, ich habe alle gesehen, die sie dort hatten.

50svent
Beiträge: 10
Registriert: Sa 1. Feb 2014, 16:41

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#17

Beitrag von 50svent » Mi 22. Jul 2015, 01:10

Man könnte bei den erstickenden Kälbern auch sagen, das bei hochträchtigen Kühen auch das Kalb noch "normal getötet" werden muss (innerhalb von sagen wir mal unter 2 min)

Oder ist das von der "Zugänglichkeit" her komplett ausgeschlossen??


Ich werd jetzt auf jeden Fall mal wieder nach einem Direktvermarkter in der Gegend suchen...

Benutzeravatar
Reisende
Beiträge: 4268
Registriert: Fr 20. Jul 2012, 15:05
Wohnort: Altmoränenlandschaft in Klimazone 8a

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#18

Beitrag von Reisende » Mi 22. Jul 2015, 09:50

Reisende hat geschrieben:
was die milchkühe angeht - ich glaube die landwirte machen da denselben denkfehler, wie die reeder vor einiger zeit. die haben wie die verrückten neue schiffe bauen lassen, und sich hinterher gewundert, warum die charterraten in den keller gesackt sind und die kapazitäten nicht mehr ausgelastet werden konnten. haben sich also den markt selbst kaputt gemacht.
genau das gleiche prinzip gilt doch überall. der preis bildet sich über angebot und nachfrage. immer mehr produzierte milch führt folgerichtig zu immer mehr preisverfall, wenn die nachfrage nicht in gleichem maße steigt.
bin soeben über einen artikel gestolpert, der meine these untermauert.
http://www.taz.de/Krise-der-Milchbauern/!5209351/
Dass Russland seit August 2014 EU-Milchprodukte boykottiert, hat nicht nur laut BDM lediglich zu einem kleinen Teil zu dem Preisverfall beigetragen. Bereits im Vorjahr hatten die Landwirte die Produktion kräftig ausgeweitet, um sich beim Auslaufen der Milchquote in der EU im April 2015 Marktanteile sichern zu können. Seitdem gibt es keine Begrenzung der Produktionsmenge per Gesetz mehr. Die Bauern expandierten stärker, als die internationale Nachfrage stieg.
Höfe geben auf
Viele Bauern hatten also schon vor April dieses Jahres mehr gemolken. Manche kauften Lieferrechte von anderen Bauern, andere nahmen bewusst eine Strafzahlung in Kauf. So haben sie die Preise selbst kaputtgemacht – nicht nur für sich selbst, sondern auch für diejenigen, die lediglich ihre Quote erfüllt haben. Darunter dürften vor allem kleine Höfe leiden, die pro Liter Milch meist höhere Produktionskosten haben.
da ich laktose und gluten hervorragend vertrage, leiste ich mir als ausgleich dafür einige intoleranzen im zwischenmenschlichen bereich.

Manfred

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#19

Beitrag von Manfred » Mi 22. Jul 2015, 11:42

@reisende:
Die Frage ist halt, was der einzelne Bauer da tun kann. In D ist die Milchmenge 2015 sogar gesunken, aber europa- und weltweit geht sie deutlich hoch.
Und Versuche, den Markt neu zu gestalten, gab es ja von Seiten der Bauern. Aber wenn nicht genug mitmachen, dann funktioniert das halt nicht.
Da kannst du als Milchbauer über deine Kollegen fluchen, so viel zu willst, du musst dich mit der Realität auseinandersetzen.
Mancher kann in eine Nische gehen, siehe der Biobauer mit Direktvermarktung in der Doku, aber für die Masse der Betriebe ist da kein Platz oder sie haben nicht die nötigen Voraussetzungen.
Wenn sich wirklich an der Masse der Produktion etwas ändern soll, dann braucht es dafür grundlegend neue Voraussetzungen.

@50svent:
Ich schätze, dass es von der Betäubung der Kuh bis zum Ausnehmen ca. 5 Minuten dauert. Im Film sieht man ja den Fixierstand für die Betäubung.
Nach dem Betäuben wird die Kuh durch Öffnen der Hals Arterie (n) ausgeblutet.
Die Kuh stirbt also auch einen Erstickungstot, aber halt ohne Bewusstsein (Betäubung) und relativ schnell durch den Blutentzug.
Das Kalb hat einen eigenen Blutkreislauf und ist nicht betäubt.
Danach wird der Kuh die Haut abgezogen und dann wird der Bauchraum geöffnet, um die Organe zu entnehmen.
Erst dann kommt man an das Kalb und könnte es noch mal betäuben und ausbluten. Das Kalb wird dann in der Regel aber schon tot sein.
2 min schneller ginge es evtl. wenn der Bauch schon vor dem Abziehen der Haut geöffnet würde. Dafür sind die Schlachtbänder aber nicht ausgestattet und von der Schlachthygiene her wär das sicher auch nicht besonders gut.
Das müsste man aber mal mit den entsprechenden Spezialisten abklären.
Evtl. könnten die auch einen Vorschlag machen, ob und wie das Kalb evtl. direkt nach dem Ausbluten der Kuh noch im Bauchraum getötet werden könnte.
Und Daten, ob und was das Kalb überhaupt mitbekommt, sollten auch erfasst werden. Ich weiß nicht, ob es dazu schon Untersuchungen gab.

zaches
Beiträge: 2335
Registriert: Mo 23. Aug 2010, 09:51
Familienstand: rothaarig
Wohnort: Niederrhein Klimazone 8a

Re: Das Leiden der Turbo-Kühe für billige Milch

#20

Beitrag von zaches » Mi 22. Jul 2015, 12:19

unter http://www.milchtankstellen.de/front_content.php kann man sich die Direktvermarkter, die eine Milchtankstelle haben raussuchen. Dort könnteman auch immer den Stall begutachten, die Tiere sehen, das Futterlager und das Gespräch mit dem Landwirt suchen.

Aber: die Erfahrung der letzten 6 Wochen zeigt - von derzeit etwa verkauften 35 Litern am Tag, sind nur1-2 Kunden an einem Gespräch interessiert und bisher hat keiner (!!!) Interesse gezeigt, sich die Tiere mal anzuschauen!
Ja, vor 6 Wochen hat unser Nachbar seine Milchtankstelle eröffnet, mit Jerseymilch, und einer kleinen Verkaufsbude dabei, die Regionale Eier vom Hühnermobil, Kartoffeln und Fruchtaufstriche von der Streubobstwiese anbietet.

lg, zaches
"Erdachtes mag zu denken geben, doch nur Erlebtes wird beleben." Paul von Heyse

www.hilshof.de

Antworten

Zurück zu „Bücher und andere Medien“