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Beitrag
von Olaf » Fr 19. Sep 2014, 08:36
Moin,
ich hab ja echt nicht gedacht, dass so viel schönes bei dem Thread rauskommt, als die Reisende ihn angefangen hat.
Die Gefahr, die Vergangenheit zu glorifizieren ist natürlich groß, macht aber zum Glück keiner. Allerdings ist das menschliche Gehirn so ausgelegt, dass es zumeist nur die positiven Dinge behält.
Ich meine, eine Art Wirtschaftswunder gabs auch im Osten, bis in die siebziger Jahre, dem Erzählen meiner Mutter nach.
Einfach, dass die Leute das Gefühl hatten, es geht voran, es wird besser.
Denn, machen wir uns nichts vor, materiell gehts der durchschnittlichen Getto-Hartz4-Familie von heute besser als der durchnittlichen Familie zumindest im Osten damals, vermute auch im Westen.
Das was die Leute so unglücklich macht, ist die Perspektivlosigkeit.
So, jetzt bin ich leicht aus dem Thema ausgebrochen, und noch eines will ich erzählen, bevor ich zur Sache zurückkomme:
Ich hab durch diesen Thread beschlossen - in einer Woche sind wir im Urlaub - ich werde nicht nur ein altes Notebook, sondern auch eine richtige Tastatur mitnehmen. Und mal alles sowas aufschreiben für meine (@Reisende, da ist noch nicht mal was in Aussicht! Bin kein Opa!) Enkel.
Weil, ich bin so der letzte, der noch Geschichten meines Vaters und meiner Großeltern im Kopf hat. Meine Mutter kann ich noch fragen, wenn ich da auf Lücken stoße.
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So:
Zwei Stichworte, "asphaltierte Straße" und "Wir mussten rein, wenn die Laternen angingen" lösen die nächste Erinnerung aus.
Bevor wir, durch eher unglückliche Umstände, mein Vater war damals schon so krank, dass er nicht mehr in die 3. Etage steigen konnte, in die "Prachtvilla" mit eigenem Garten ungezogen sind, haben wir einem Altbaublock gewohnt.
Die Straße war Sand, verkehrstechnisch unbedeutend, die hatten wir für uns. Und, manchmal denk ich, ich spinne, die Laternen waren Gaslaternen, jeden Abend kam da einer lang, und hat die angezündet. Vermutlich morgens auch wieder ausgemacht.
Wir hatten einen Hinterhof, und ganz viele Kinder, die sich prächtig verstanden haben. Bis auf Schmidtchen, der wurde gemobbt, Kinder sind eben so, nicht fair.
Ich war so mit einer der kleinsten. Später hab ich mir den Hinterhof noch mal angeguckt, Gott, war der winzig!
Das hielt uns nicht davon ab, Fussball zu spielen, bis man den Ball in der Dunkelheit nicht mehr sehen konnte.
Ich hab anfangs die Regeln nicht so recht verstanden, manchmal schrienen die "faul". Warum? War da einer zu faul?
Bin ich einfach mal stehen geblieben.
"Was issn mit dir, spielste nicht mehr mit?"
Das war es also nicht. trial and error.
Aus dem Fenster guckte oft Oma Mahlendorf und schenkte uns Kindern Schokolade, Westschokolade.
Irgendwie konnten die uns alle gut leiden. Bis auf Schmidtchens Oma, Schmidtchen ist nämlich bei seiner Oma großgeworden.
Warum, darüber hat keiner nachgedacht.
Es gab auch da Glücksmomente:
Wir haben viel "Räuber und Bulle" gespielt, wir waren ein gutes Dutzend Kinder. Da wurden Manschaften gebildet, per "Piss-Pott".
Die Bullen mussten die Räuber jagen, heißt, in dem Karree aufspüren und mit Plastekegeln beschmeißen, dann war der tot.
Ich war nun ja einer der kleinsten, und als umdressierter Linkshänder auch nicht der Kegelwerfer vorm Herren. Und so nicht besonders erfolgreich. Also musste ich kreativ werden. Hinten bei den Mülltonnen gab es einen kleinen Mauerdurchbruch, der führte auf den Nachbarhinterhof. Da mussten alle durch, und da gab es Stau, das Loch war nur ganz klein.
Also hab ich mich mit ordentlich Kegeln bewaffnet in einer Mülltonne (wir hatten damals alle Kohleheizung) versteckt, und ich hab sie ALLE gekriegt. Ich war der Held! Bis ich meiner Mutter vor die Augen kam. Glück ist eben nicht von Dauer.
Und einmal haben wir eine Pfandflaschen gefunden. Hallo? Was für ein Glück! Das gab 30 Pfennige Pfand!
Wir haben, das war gegen die Spielregeln, zumal wir die Räuber waren, das Karree verlassen, die im HO abgegeben, und bei Bäcker Thonke 6 Brötchen gekauft. Die einfachen haben ja nur 5 Pfennige gekostet, die besseren 7. Was haben die gutgeschmeckt!
Thonke war damals ein kleiner Bäcker, heute hat er überall Filialen, sogar in Brandenburg. Aber ich glaub, die Brötchen schmecken nicht mehr so.
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So, und jetzt wird mal gearbeitet, ich hab heute nämlich frei, deswegen der lange Psalm....
LG
Olaf
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.