Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

Manfred

Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#1

Beitrag von Manfred » Do 31. Jul 2014, 09:18

Getrieben von meinen Bemühungen den Weidestart zu verfrühen, habe ich seit diesem Frühjahr verstärkt das Graswachstum unter verschiedenen Bedingungen beobachtet.
Zuerst war mit aufgefallen, dass das Gras im Straßengraben neben meiner Weide im Frühjahr viel stärker und schneller wächst, als das auf der Weide selbst.
Zuerst dachte ich, das länge hauptsächlich daran, dass die Weide sehr kurz abgefressen war, weil die Tiere den ganzen Winter drauf waren. Und das sehr niedrige Gras hat natürlich auch viel weniger Assimilationsfläche für die Photosynthese und viel weniger Wurzelvolumen um sich Nährstoffe und Wasser erschließen zu können. Bis es dann endlich mal in Schwung kommt, ist das Gras im Graben schon 10 cm gewachsen.
Bei der weiteren Beobachtung habe ich dann bemerkt, dass auch das Mikroklima einen erheblichen Einfluss hat. An Stellen mit viel Weiderest wird der Wind abgelenkt und es bildet sich zwischen den Halmen ein (in Vergleich zur offenen Umgebung) feuchtwarmes Mikroklima, dass das Gras dort schneller wachsen lässt.
Auf Flächen mit relativ viel Weiderest ohne Nachmahd hat sich das im Experiment bestätigt. Das Gras kommt viel schneller wieder hoch.

In der Praxis heißt das für mich:
-Die Flächen nicht so tief abgrasen lassen wie bisher, sondern die Tiere eher umtreiben.
-Nicht nachmähen/nachmulchen (versuche ich eh mögl. zu vermeiden, schon wegen der Kosten), wenn nicht wegen Disteln (die auch ein Zeichen für Überweidung sind) unbedingt nötig
-Bei Futterknappheit in sehr trockenen Sommern lieber frühzeitig die Weidefläche reduzieren und Heu zufüttern. Das verhindert die Überweidung der nicht mehr genutzten Fläche. Wenn dann der Regen kommt, steht viel schneller wieder genug Weidefutter zu Verfügung und das im Sommer verbrauchte Heu wird in den Winter rein mehrfach wieder eingespart.
-Bei ganzjähriger Weidehaltung im Winter die Fläche reduzieren und Heu füttern, sobald der Futtervorrat auf den gewünschten Rest abgegrast ist, um eine winterliche Überweidung zu vermeiden. Also quasi eine "Opferfläche" als Winterauslauf nutzen und den Rest der Fläche schonen, damit im Frühjahr mit genug Restlänge und gutem Mikroklima ein frühes und schnelles Graswachstum einsetzt.

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Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#2

Beitrag von kraut_ruebe » Do 31. Jul 2014, 09:36

ich hab mir das heuer auch angesehen wie das so ist mit aufwuchs der weide.

strassengraben wär bei mir auch optimal. an dessen feuchtigkeit komm ich halt auf den flächen nicht hin, egal wie ichs dreh und wende. aber ich bau mir die bedingungen nach durch swales und hügel, das wird halt noch etwas dauern. im fertigen zustand soll die weide dann in etliche keine portionsweiden, jeweils eingerahmt von wassergräben mit bepflanzten hügeln eingeteilt sein.

sehr gute ergebnisse bringt wind- und partieller sonnenschutz. wobei der windschutz die grössere verbesserung zu sein scheint.

schnitt- bzw. fresshöhe kann ich noch nicht wirklich mitreden. alles was ich dahingehend gemacht hab war unpraktisch bzw. immer so falsch zum wetter dass es mehr gebremst als gefördert hat.
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Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#3

Beitrag von utebo » Fr 1. Aug 2014, 23:04

Bei Gras am Strassenrand kommt auch noch die Strasse selbst als Wärmespeichermasse ins Spiel.

Manfred

Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#4

Beitrag von Manfred » Fr 1. Aug 2014, 23:10

Das ist ein guter Einwand. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Und Wasser gibt es dann ja auch zusätzlich, zumindest wenn das Gefälle stimmt.

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Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#5

Beitrag von Luna » Sa 2. Aug 2014, 10:05

Könnte nicht auch der Vertritt des Bewuchses auf Weiden, gerade beim Portionieren, generell hemmend auf das (Neu)Graswachstum einwirken? Bei grossen Huftieren dürfte diese Verdichtung des Bodens nicht unerheblich sein und mit entsprechenden Wachstumsverzögerungen einher gehen.
Das Verstärkte Auftreten von Disteln (hier: Kratzdistel) im Zusammenhang mit überweideten Flächen kann ich nicht bestätigen. Zumindest bei dieser Art ist das Auftreten hier ein Feuchteanzeiger.
Ich habe bei uns eher das Problem mit Verschattung durch Bäume und der daraus resultierenden Artenarmut und spätem "in Gang kommen" im Frühjahr. Ich versuche dies (nur) in diesen Bereichen mit Düngung zu kompensieren, wobei die Höhenlage (760 m) und das Kleinklima - wie von @ Manfred schon erwähnt -ganz sicher auch eine Rolle spielt.

Manfred

Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#6

Beitrag von Manfred » Sa 2. Aug 2014, 14:07

Was den Tritt angeht: Nein. der hemmt eher bei Dauerstandweide, zusammen mit dem tiefen Verbiss. Beim schnellen Umtrieb mit täglicher Zuteilung wirkt er eher anregend für die Bestockung der Gräser.

Zur Verschattung: Das Problem ist oft weniger der Schatten, sondern die Nahrungs- und Wasserkonkurrenz durch flach verlaufende Wurzeln.
Bei Silvopasture-Systemen werden deshalb in den ersten Jahren nach der Pflanzung die flachen Wurzeln regelmäßig zerstört, um die Bäume zum tiefwurzeln zu zwingen.
Besonders unter Eichen ist der Effekt der Wasserkonkurrenz häufig zu sehen.

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Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#7

Beitrag von utebo » Sa 2. Aug 2014, 14:22

Luna hat geschrieben:Könnte nicht auch der Vertritt des Bewuchses auf Weiden, gerade beim Portionieren, generell hemmend auf das (Neu)Graswachstum einwirken?
Ganz im Gegenteil. Gerade schnelles Abweiden mit hoher Besatzdichte und dann eine ausreichende Ruhepause sind dem Graswachstum sehr förderlich.
http://london.savoryinstitute.org/

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Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#8

Beitrag von Luna » Sa 2. Aug 2014, 14:27

Aha! Danke für die Aufklärung.

Manfred

Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#9

Beitrag von Manfred » Sa 2. Aug 2014, 14:33

Ist ja auch logisch. Die großen Grasflächen der Erde sind durch jahrtausendelange Koevolution mit wandernden Pflanzenfresserherden entstanden.
Diese Partner brauchen sich gegenseitig. Fällt einer weg, geht das Ökosystem flöten. Je besser wir diese natürlich Abläufe verstehen und in unsere landwirtschaftlichen Betriebsabläufe integrieren, desto weniger "künstliche" Eingriffe sind nötig.

Die moderne, hochtechnisierte Landwirtschaft hat gelernt, mit maximalen Eingriffen maximale Erträge zu erzielen.
Aber die Kosten für diese Eingriffe fressen zunehmend die Betriebe auf, weil die Betriebsmittel immer teurer wurden und werden, während die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse seit Jahrzehnten weitgehend stagnieren.
Natürlich kann man das noch eine Zeit lang durch weitere Rationalisierung, sprich noch größere Produktionseinheiten auffangen. Aber dem ist durch Transportkosten früher oder später ein Deckel gesetzt. Und der ökologische Preis für die immer größeren Rein- und Monokulturflächen ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Das andere Extrem, die totale Extensivierung unter Regie des Naturschutzes, kann auch nicht die Lösung sein. Damit kann man die Erdbevölkerung nicht ernähren und der Subventionsbedarf für diese Wirtschaftsform ist sehr hoch. Deshalb wird sich solches Wirtschaften auf einen relativ geringen Flächenanteil beschränken müssen.
Ich suche den Zwischenweg. Eine Low-Input-Landwirtschaft mit annehmbaren Erträgen (an Agrarprodukten wie auch finanziell) und integrierten Nischen für den Natur- und Artenschutz.
Und meine Graserträge lassen sich durch ein verbessertes Weidemanagement sicher noch deutlich steigern...

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Re: Graswachstum: Mikroklima und Schnitthöhe

#10

Beitrag von utebo » Sa 2. Aug 2014, 16:53

Danke Manfred. Ich hatte nur ultra-kurz geantwortet, weil ich mir die Londoner Konferenz live anschaue (im Web; hinfahren konnte ich leider nicht).
http://paywall.glocast.com/savory-institute-live/
Putting Grasslands to Work

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