gmc hat geschrieben:
Wenn man miterlebt hat, wie Norwegen sich in den vergangenen vier, fünf Jahrzehnten entwickelt hat, muss man vor Begeisterung und Hochachtung seinen Hut ziehen.
Dann wurde Erdöl und später Gas vor der Küste gefunden
Genau das ist dann auch schon der wesentliche Unterschied. Ohne Öl und Gas wäre Norwegen nach wie vor arm. Im Gegensatz zu an Öl reichen Ländern wie im nahen Osten, profitieren hier aber nicht vorwiegend einige Wenige von den Bodenschätzen, sondern man ist bestrebt, die Allgemeinheit daran teilhaben zu lassen.
Allerdings haben viele das Gefühl, bei der Verteilung des Wohlstandes zu kurz zu kommen. Ob das gerechtfertigt ist, mag man diskutieren. Jedenfalls ist diese Unzufriedenheit der Nährboden für die Rechtspopulisten der FRP, die eine für Aussenstehende unerwartet grosse Wählerschaft haben. Bei den Parlamentswahlen haben diese schon über 20% der Stimmen bekommen, das sind Werte die innerhalb Europas sonst nur von Haiders FPÖ erreicht wurden.
Dieses Jahr stehen wieder Parlamentswahlen an, und es steht zu befürchten, dass die Regierung diesmal eine konservative bestehend aus Høyre und FRP werden wird. Diese haben Sachen auf der Agenda wie Privatisierung des Gesundheitswesen und Kürzungen im sozialen Bereich. Wohin das führt, wissen wir als Deutsche leider nur zu gut...
Den Norwegern ist oftmals gar nicht klar, wie gut sie es haben. Auch hier wird gejammert, aber wohl auch auf dem höchsten Niveau der Welt.
und die Norweger bauten beispielhaft die zur Gewinnung nötige Infrastruktur aus. Die Skanden sind das Gebirge, das sich in Küstennähe von Süden bis in den hohen Norden zieht. Hier gibt es im Jahresverlauf große Niederschlagsmengen, und schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurden die ersten Wasserkraftwerke und die dazu notwendigen Stauseen errichtet. Diese liegen bis in Höhen von 1.000 m und die gespeicherte Energie wird in zwei oder drei Kraftwerksetagen bis zur Meereshöhe im Fjord zur Energiegewinnung genutzt. Von dieser Technik sieht man meist nichts. Die neuen Kraftwerke sind in großen Hallen, die in den Fels gesprengt wurden, untergebracht. Sichtbar sind allerdings die gewaltigen Strommasten mit den Kabeln, die die Energie, auf über 400.000 Volt transformiert, über die Hochebenen in die Zentren transportieren.
Wobei der Energiebedarf innerhalb des Landes auch immer weiter ansteigt, nur lässt sich die Produktivität der Stromerzeugung umweltverträglich kaum noch steigern. Dass unter der Wasserkraft speziell die Bestände von anadromen Salmoniden (Lachs, Meerforelle, arktische Saiblinge) teilweise sehr leiden, ist eine Kehrseite der Medaille. Gerade bei uns im Ort ist ein Schreckensbeispiel dafür. Hier wurde ein bis in die 80er Jahre sehr produktiver Lachsfluss zugunsten eines Wasserkraftwerkes total und unwiderbringlich zerstört. Eine Schande für ein Land wie Norwegen.
Der Zustand des Strassennetzes ist speziell in einigen ländlichen Gegenden auch nicht gerade vorbildlich, allerdings hab ich zuletzt in Deutschland noch wesentlich Schlimmeres gesehen.
Sie sind alle in Staatseigentum, und bei Ihrer Errichtung müssen hohe Umweltauflagen erfüllt werden.
Tja, nachdem erstmal ein grosser Teil norwegischer Natur zerstört wurde, ist es heute eben kaum noch möglich, weitere Grossprojekte in dieser Richtung durchzuführen. Es ist auch bei weitem nicht alles Gold, was glänzt.
Dieses 'kleine' Land mit seinen fünf Millionen Bürgern, ist flächenmäßig größer als Deutschland.
Das eigentliche Staatsgebiet Norwegen ist etwas kleiner als Deutschland, nur wenn man das unter norwegischer Verwaltung stehende Spitzbergen mit einberechnet, ist Norwegen grösser. Aber dann wäre Dänemark mit Grönland noch viel grösser...
Der norwegische Staat hat klug gehandelt, und alle Überschüsse und Einnahmen in eine vorbildliche Infrastruktur gesteckt. Vor allem wird bei allem der besonderere Zug dieses stolzen Volkes deutlich: die Bescheidenheit. Reichtum wird nur dann akzeptiert, wenn er nicht nur den Reichen hochleben lässt, sondern der auch etwas für die Allgemeinheit tut.
Aber wie schon geschrieben, auch hier gibt es gegenläufige Tendenzen.
Und nur kurz erwähnt: Gesundheits- und Bildungswesen u.a. sind einfach vorbildlich.
Hm. In de Pisastudie schneidet Norwegen seit Jahren katastrophal ab, und das Gesundheistsystem ist ein patientenfeindlicher, träger, bürokratischer Koloss. Die Wartezeiten für Behandlungen sind extrem Lang, auch bei Diagnosen, bei denen es drauf ankommt, dass die Therapie schnell beginnt. Wie bei Krebspatienten zum Beispiel, es ist nicht ungewöhnlich, dass die Patienten schon sterben, bevor sie überhaupt irgendwelche Hilfe bekommen haben. Auch sonst gibt es teilweise Erschreckendes aus dem Gesundheitswesen zu berichten. Das als vorbildlich zu bezeichen, halte ich für sehr gewagt.